3.1 Rentenmarkt
Die Renditen von Staatsanleihen gaben in den USA angesichts zunehmender Zinssenkungserwartungen und sich abschwächender Konjunkturaussichten nach. An den US-Staatsanleihenmärkten dominierte noch bis ins Frühjahr das Bild länger anhaltend hoher Leitzinsen, da der Disinflationprozess zunächst ins Stocken geriet. Nachfolgend wuchsen die Markterwartungen an Leitzinssenkungen für 2024 bei nachlassendem Preisdruck und einem sich abkühlenden Arbeitsmarkt wieder deutlich an. Hierzu trug auch die Kommunikation auf der Juli-Sitzung des Federal Open Market Committee (FOMC) bei, die die Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung betonte. Zuletzt signalisierten die Terminmärkte bis Ende 2024 Leitzinssenkungen für die USA um 95 Basispunkte. Die nominalen Renditen zehnjähriger US-Treasuries fielen im Ergebnis um 29 Basispunkte auf 4 %.
Im Umfeld der geldpolitischen Kommunikation des EZB-Rats passten die Marktakteure ihre Zinssenkungssenkungserwartungen im Euroraum weniger prägnant als in den USA an. Auf seiner Juni-Sitzung senkte der EZB-Rat die Leitzinsen angesichts der seit 2023 zurückgegangenen Inflation um 25 Basispunkte. Zugleich verwies er auf den weiterhin anhaltenden binnenwirtschaftlichen Preisdruck und die Datenabhängigkeit seines weiteren Vorgehens. Mehrere Stimmen des EZB-Rats betonten zudem, dass die Zinsentscheidung vom Juni nicht als Signal für einen Übergang in eine Phase sukzessiver Leitzinssenkungen zu bewerten sei. Die Bestätigung dieser Kommunikation auf seiner Sitzung im Juli sowie die jüngsten Aufwärtsüberraschungen bei den Inflationsdaten für den Euroraum im Juli trugen gemäß modellbasierten Analysen dazu bei, dass sich die expansiven geldpolitischen Impulse aus den USA nur abgeschwächt auf den Euroraum übertrugen. Insgesamt blieb der aus Geldmarktsätzen abgeleitete erwartete Einlagesatz für Ende 2024 nahezu unverändert auf einem Niveau von 3,1 %, allerdings legten die Zinssenkungserwartungen bis zum Ende des ersten Quartals 2025 zu. Die nach dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) gewichtete zehnjährige EWU-Rendite blieb unverändert bei 2,8 %, sodass sich der Renditevorsprung der USA einengte.
Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen gaben leicht um 4 Basispunkte auf 2,3 % nach. Eine Modellzerlegung der Zinsstrukturkurve von Bundeswertpapieren zeigt, dass der Beitrag des Anstiegs der Terminprämien den Beitrag der gefallenen Zinserwartungen auf die Renditeentwicklung bremste, da Investoren einen höheren Zinsaufschlag zur Übernahme von Zinsänderungsrisiken verlangten. Insgesamt verflachte sich die Zinsstrukturkurve von Bundeswertpapieren im Berichtszeitraum, da die Renditen insbesondere am kurzen Ende nachgaben.
Die Renditeaufschläge europäischer Staatsanleihen weiteten sich angesichts eines gesunkenen Risikoappetits der Marktakteure leicht aus. So stieg der durchschnittliche Renditeaufschlag gemessen an der BIP-gewichteten EWU-Rendite gegenüber laufzeitgleichen Bundeswertpapieren im Ergebnis um + 5 Basispunkte. Stärkere Anstiege um + 22 Basispunkte verzeichneten hingegen zehnjährige französische Staatsanleihen, die die anhaltende politische Unsicherheit über die Mehrheitsverhältnisse im französischen Parlament und Sorgen über die zukünftige französische Fiskalpolitik reflektieren. Nach der Ankündigung vorgezogener Parlamentswahlen hatten sich die Renditeaufschläge zwischenzeitlich noch etwas stärker ausgeweitet, wozu auch eine erhöhte Nachfrage der Anleger nach Bundeswertpapieren beitrug (Safe-Haven-Effekt). Insgesamt blieben die Auswirkungen aber begrenzt, und es gab keine Anzeichen für eine eingeschränkte Marktfunktionsfähigkeit.
Die Renditen von Staatsanleihen im Vereinigten Königreich traten im Einklang mit den Entwicklungen im Euroraum auf der Stelle, wohingegen sie in Japan durch den fortgesetzten geldpolitischen Straffungsprozess der Bank of Japan stiegen. Die Bank of England senkte angesichts der Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung auf ihrer Sitzung im August erstmals seit 2020 die Leitzinsen um 25 Basispunkte. Zugleich verwies sie darauf, dass einige Indikatoren weiterhin auf einen persistenten Inflationsprozess hindeuten. Die Marktakteure passten daraufhin ihre Leitzinserwartungen nur leicht nach unten an. Die Renditen zehnjähriger Gilts zeigten sich von diesen Entwicklungen unbeeindruckt und verharrten bei 4 %. Die Bank of Japan hob hingegen den Leitzins im Juli um 15 Basispunkte an und setzte damit ihre geldpolitische Straffung im Kampf gegen die Inflation fort. Sie beschloss außerdem, den Ankauf von Staatsanleihen um die Hälfte zu reduzieren Im Ergebnis zogen die Renditen zehnjähriger japanischer Staatsanleihen mit 12 Basispunkten auf 0,8 % an.
Die marktbasierten Inflationsindikatoren im Euroraum fielen vor allem zum Ende des Berichtzeitraums deutlich und legen eine baldige Rückkehr zur Stabilitätsnorm von 2 % nahe. Die Inflationsvergütung für den Euroraum, die sich aus Inflationsswaps errechnet, gab Ende Juli und Anfang August deutlich nach und fiel auf 2,3 % für das laufende Jahr. Für 2025 lag sie zuletzt bei 1,9 %. Die marktbasieren Inflationsindikatoren liegen damit derzeit – anders als noch Ende März – unter den Projektionen des Eurosystems. Hierzu dürften die zuletzt eingetrübten Konjunkturaussichten und ein gesunkener Ölpreis beigetragen haben.
Mittel- bis langfristig sehen Marktteilnehmer ein etwas geringeres Risiko für ein Überschreiten des Inflationsziels. Darauf deuten die aus Inflationsoptionen abgeleiteten, präferenzgewichteten Wahrscheinlichkeiten für künftige Inflationsraten hin. Dem Szenario, dass die durchschnittliche Inflationsrate über die nächsten fünf Jahre über 2 % beträgt, schrieben die Marktteilnehmer zuletzt eine Wahrscheinlichkeit von 41 % zu (- 11 Prozentpunkte gegenüber Ende März). Dementsprechend fiel die auf Inflationsswaps basierende fünfjährige Inflationskompensation auf knapp unter 2 % (- 0,2 Prozentpunkte). Auch die längerfristige marktbasierte Inflationsvergütung gab seit Ende März leicht nach. Die in fünf Jahren beginnende fünfjährige Termininflationsrate lag zuletzt bei 2,2 % und damit 0,2 Prozentpunkte niedriger als Ende März. Damit näherten sich die marktbasierten längerfristigen Inflationserwartungen den umfragebasierten Erwartungen von Consensus Economics an, die gemäß der vierteljährlichen Umfrage vom Juli nahe dem 2 %-Ziel liegen. Demzufolge engte sich die Differenz zwischen markt- und umfragebasierten Inflationserwartungen, die als Maß für die Inflationsrisikoprämie interpretiert werden kann, ein; insgesamt bleibt sie in diesen langen Horizonten aber positiv. Investoren sind damit weiterhin bereit, eine Prämie zu zahlen, um sich gegen unerwartet hohe Inflationsszenarien abzusichern. Analog zum Euroraum sanken auch in den USA die marktbasierten fünfjährigen Termininflationsraten in fünf Jahren auf 2,4 % (- 0,2 Prozentpunkte).
Die Renditen europäischer Unternehmensanleihen verzeichneten angesichts einer nachlassenden Risikoneigung der Marktakteure etwas höhere Risikoaufschläge. Insgesamt blieben die Renditen von Unternehmensanleihen bis zur Ratingklasse BBB mit einer Restlaufzeit zwischen sieben und zehn Jahren unverändert, wohingegen Anleihen aus dem Hochzinssegment aller Laufzeiten moderat nachgaben. Bei etwas stärker nachgebenden Renditen laufzeitgleicher Bundeswertpapiere weiteten sich damit die Spreads aus. So stiegen die Renditeaufschläge für Unternehmensanleihen bis zur Ratingklasse BBB leicht an, während die Investoren für hochverzinsliche Anleihen im Umfeld des oben genannten nachlassenden Risikoappetits einen höheren Aufschlag forderten. Gegenüber der durch die negativen Konjunkturimpulse in den USA ausgelösten höheren Finanzmarktvolatilität erwiesen sich die Renditeaufschläge als relativ robust. Insgesamt lagen die Finanzierungskosten europäischer Unternehmen gemessen an den Renditeaufschlägen zuletzt für alle Ratingklassen nahe oder unter ihrem jeweiligen Fünfjahresdurchschnitt.