4 Deutsche Staatsfinanzen: Defizit sinkt moderat
Die gesamtstaatliche Defizitquote dürfte 2024 und 2025 moderat sinken. Dies liegt nicht an einem restriktiven Sparkurs, sondern an auslaufenden Krisenhilfen. Im Ergebnis könnte die gesamtstaatliche Defizitquote 2025 zwischen 1½ % und 2 % des BIP liegen, nach 2,4 % im Jahr 2023. Im gleichen Zeitraum entfallen rund 1½ % des BIP an Lasten aus temporären Krisenhilfen. 2024 entlastet den Staatshaushalt vor allem, dass die Energiepreisbremsen ausgelaufen sind. 2025 entfallen dann auch die abgabenfreien Inflationsausgleichprämien. Per saldo treten abgabenpflichtige Entgeltbestandteile an ihre Stelle, was Mehreinnahmen bringt. An anderer Stelle dürften sich die Budgets hingegen verschlechtern. So schlagen sich noch die hohen Inflationsraten der letzten Jahre in Mehrausgaben nieder, etwa für Sachaufwand und Personalentgelte. Auch die Rentenausgaben werden deutlich steigen. Mit der Wachstumsinitiative kündigte die Bundesregierung zudem neue, teils defiziterhöhende Maßnahmen an.
Das Defizit des Bundes dürfte ebenfalls sinken. Die Bundesregierung plant für 2024 haushaltsmäßig für Kernhaushalt und Extrahaushalte ein Gesamtdefizit von 113 Mrd €. Im Jahr 2025 soll es auf 87 Mrd € zurückgehen. Allerdings ist derzeit zu erwarten, dass das Bundesdefizit 2024 deutlich unter dem Planwert liegen wird. Vor allem der Bundeswehrfonds und der Klimafonds werden aus heutiger Sicht günstiger abschließen. 2025 könnten die Defizite dagegen höher ausfallen. So könnte die günstigere Entwicklung 2024 mehr Defizitspielräume für 2025 eröffnen (über höhere Rücklagenbestände). Zudem hat die Bundesregierung die Haushaltsansätze im Entwurf eher knapp veranschlagt, und es sind relativ hohe Einsparungen im Haushaltsvollzug zu erwirtschaften (sogenannte Bodensatz-Minderausgabe).
Um die Spielräume der Schuldenbremse zu erweitern, soll die Bahn zusätzliches Eigenkapital anstelle von Zuschüssen erhalten. Dies wirft aus ökonomischer Sicht Fragen auf und entfernt die Schuldenbremse weiter von den EU-Fiskalregeln. Insgesamt soll die Bahn 2025 aus dem Kernhaushalt des Bundes Eigenkapitalzuführungen für Infrastrukturinvestitionen von 10½ Mrd € erhalten. Dies sind 4½ Mrd € mehr, als im Juli zunächst beschlossen. Ob die Umstellung aus ökonomischer Sicht adäquat ist, hängt davon ab, ob eine angemessene Rendite des Eigenkapitals zu erwarten ist. Es wäre dabei nicht überzeugend, wenn die Rendite des Bundes wiederum vom Bund selbst über künftige Belastungen des Bundeshaushalts finanziert würde (zum Beispiel über höhere Bundeszuschüsse). Es wäre jedenfalls wichtig, transparent zu machen, wie die Bahn mit dem neuen Eigenkapital künftig die Rendite erzielen will. Mit der Umstellung der Bahnfinanzierung entfernt sich die Schuldenbremse weiter von den EU-Regeln, die sie eigentlich absichern soll. Die EU-Regeln beziehen sich auf den Staatssektor in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Dieser umfasst den Infrastrukturteil der Deutschen Bahn. Dessen Investitionen erhöhen daher das VGR-Defizit. Dies ist unabhängig davon, ob der Bund im Kernhaushalt finanzielle Transaktionen (wie Eigenkapitalzuführungen) oder Zuschüsse bucht.
Für solide Staatsfinanzen ist es wichtig, dass die Schuldenbremse ihre Bindungswirkung behält. Eine Reform, die eine bindende Kreditgrenze moderat erhöht, wäre aber vertretbar. Die Bundesbank hat in diesem Kontext vorgeschlagen, die Kreditgrenze bei einer Schuldenquote unter 60 % moderat zu erhöhen. Mit einer gekappten goldenen Regel ließen sich dabei auch gezielt begrenzte zusätzliche Verschuldungsspielräume für Nettoinvestitionen eröffnen.
Deutschland bleibt gefordert, die wirtschaftspolitischen Herausforderungen konsequent anzugehen. Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung setzt vielfach an geeigneter Stelle an. Sie zielt auf Anreize für Erwerbstätigkeit und Investitionen, eine verlässliche Energieversorgung und eine effiziente, bürokratieärmere öffentliche Verwaltung. Teils passen die in Aussicht gestellten Maßnahmen aber nicht zu den Zielen, und teils sind weitergehende Schritte nötig. Beispielsweise machen zusätzliche partielle Steuersubventionen das Steuerrecht komplizierter, gestaltungsanfälliger, lassen den bürokratischen Aufwand steigen und belasten die Staatsfinanzen. Eine entgegengesetzte Strategie liegt darin, steuerliche Ausnahmen und Ermäßigungen zu begrenzen oder zu streichen und im Gegenzug die allgemeinen Steuertarife zu senken. Gut nachvollziehbar ist, wenn Beschäftigte nach dem gesetzlichen Rentenalter keine Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung mehr zahlen müssen. Denn für diese Beschäftigten stellt der Arbeitgeberbeitrag bislang teilweise eine Sonderabgabe dar. Für die Beschäftigung Älterer wäre es naheliegend, Anreize für einen vorgezogenen Ruhestand abzubauen. Auch wenn das gesetzliche Rentenalter nach 2030 an die Lebenserwartung gekoppelt wird, unterstützt dies ein längeres Erwerbsleben. Diese Maßnahmen würden den starken demografischen Druck auf die Rentenfinanzen und den Bundeshaushalt mildern.
Die neuen EU-Fiskalregeln stehen vor ihrer ersten Bewährungsprobe: Die Haushaltsvorgaben müssen ausreichend ambitioniert sein, um solide Staatsfinanzen im Euroraum zu fördern. Erklärtes Ziel der Regeln ist, dass hohe Defizit- und Schuldenquoten sinken. Denn solide Staatsfinanzen in den Mitgliedstaaten sind für einen stabilitätsorientierten Euroraum wichtig. Sie erhöhen seine Krisenresilienz und unterstützen die Geldpolitik des Eurosystems. Europäische Kommission und ECOFIN sind weiter in der Verantwortung, ausreichend ambitionierte fiskalische Vorgaben sicherzustellen. Bis zum Herbst werden die Haushaltsgrenzen für die ersten Planungsperioden vereinbart.