Überblick Monatsbericht – August 2024

Monatsberichtsaufsatz

1 Weltwirtschaft und internationale Finanzmärkte

1.1 Weltwirtschaft auf moderatem Wachstumskurs

Die Weltwirtschaft expandierte im Frühjahr weiterhin moderat, allerdings mit regionalen Unterschieden. In China ließ das Wirtschaftswachstum wegen der schwächelnden Binnennachfrage nach. Im Euroraum setzte sich das Wachstum vom Jahresanfang zwar fort. Es zeichnet sich aber kein kräftiger, breit angelegter Aufschwung ab. In den USA blieb die Konjunktur hingegen recht lebhaft. Dort fiel das Wirtschaftswachstum sogar etwas stärker aus als zu Jahresbeginn.

Die globale Industriekonjunktur fasste im Frühjahr weiter Tritt, doch die kurzfristigen Aussichten trübten sich zuletzt wieder etwas ein. Insbesondere in den USA und in Japan stieg die industrielle Produktion deutlich an. Damit gewann die Erholung der globalen Industrie an Breite. Eine wichtige Ausnahme blieb der Euroraum. Im zweiten Vierteljahr nahm die Produktion dort weiter ab. Der Welthandel zog im Einklang mit der globalen Industrieproduktion an. Laut den jüngsten Umfrageergebnissen unter den Einkaufsmanagern könnte die Erholung der globalen Industrie zuletzt jedoch ins Stocken geraten sein. Die industrielle Erzeugung nahm im Juli wohl kaum zu, und die Auftragseingänge sanken.

1.2 Rückgang der Inflationsraten kommt weiterhin nur langsam voran

Der Rückgang der Inflationsraten in den Industrieländern kommt weiterhin nur langsam voran. Bis Juli verringerte sich dort die Vorjahresrate der Verbraucherpreise auf 2,7 %. Drei Monate zuvor hatte sie 3,0 % betragen. Ähnlich moderate Fortschritte gab es bei der Eindämmung der Kerninflation. Die Teuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel belief sich im Juli auf 3,0 %, verglichen mit 3,3 % im April. Eine Rückkehr zu den Preisstabilitätszielen zeichnet sich für die nähere Zukunft noch nicht ab. Insbesondere bei arbeitsintensiven Dienstleistungen blieb der Preisauftrieb, auch wegen des vielerorts anhaltend lebhaften Lohnwachstums, hartnäckig hoch.

1.3 Wachsende Zinssenkungserwartungen und fallender Risikoappetit an den Finanzmärkten

Verbesserte Inflationsdaten in den USA sowie unerwartet schwächere Konjunktursignale verstärkten an den internationalen Finanzmärkten die Erwartung zügiger Leitzinssenkungen. Dies war im Frühjahr noch anders gewesen, als die Marktakteure ihre Einschätzung über den Beginn einer Zinssenkungsphase in den USA und im Euroraum angesichts stockender Disinflation und eines zumindest in den USA robusten konjunkturellen Umfelds sukzessive in die Zukunft verschoben. Seit Beginn des dritten Quartals änderte sich das Finanzmarktumfeld zunehmend. Gestützt durch die Einschätzung der Fed, dass es mittlerweile Fortschritte bei der Bekämpfung der US-Inflation gegeben habe, passten die Marktakteure ihren Leitzinsausblick teils deutlich nach unten an. In der Folge verstärkten unerwartet schwächere Arbeitsmarktdaten aus den USA diese Marktdynamik. Im US-Zinsverbund fielen auch die Leitzinserwartungen im Euroraum. Insgesamt entwickelten sich die langfristigen Renditen uneinheitlich. So fielen die Renditen in den USA, wohingegen sie sich im Euroraum im Ergebnis kaum veränderten. Die genannten Entwicklungen ließen den Euro gegenüber dem US-Dollar aufwerten. Gegenüber dem Yen verlor der Euro in einem Umfeld anziehender Renditen in Japan hingegen per saldo an Wert.

Risikobehaftete Vermögenswerte, darunter vor allem Aktien, gerieten infolge der eingetrübten Konjunkturaussichten und eines rückläufigen Risikoappetits der Anleger unter Druck. So mussten die internationalen Aktienmärkte bei erhöhter Finanzmarktvolatilität temporär teils deutliche Kursverluste hinnehmen. Bei sinkender Risikoneigung der Investoren zogen die Renditeaufschläge von langfristigen Staatsanleihen und Unternehmensanleihen insgesamt leicht an. Für Anleihen mit niedriger Bonität verlangten die Investoren in diesem Umfeld eine etwas höhere Risikokompensation. Die Anfang August durch schlechtere US-Arbeitsmarktdaten sprunghaft angestiegene Volatilität an den Finanzmärkten bildete sich in der Folge jedoch rasch zurück. Die Entwicklung der internationalen Aktienmärkte seit Beginn des zweiten Quartals zeigt ausgeprägte regionale Unterschiede. In den USA und dem Vereinigten Königreich kam es per saldo zu Kursgewinnen, im Euroraum und in Japan hingegen zu Verlusten.

2 Geldpolitik und Bankgeschäft

2.1 EZB-Rat senkt Leitzinsen nach neun Monaten unveränderter Zinsen ab

Auf seiner geldpolitischen Sitzung im Juni 2024 senkte der EZB-Rat die drei Leitzinssätze um jeweils 25 Basispunkte. Er begründete die Zinssenkung unter anderem mit einem Rückgang der Inflation um mehr als 2,5 Prozentpunkte seit September 2023 und mit deutlich verbesserten Inflationsaussichten. Zugleich betonte er aber auch, dass der binnenwirtschaftliche Preisdruck angesichts des kräftigen Lohnwachstums nach wie vor hoch ist. Entsprechend dürfte die Inflation bis weit ins nächste Jahr über dem Zielwert bleiben. Zum Jahresende 2025 wird dann aber ein Rückgang der Inflation auf 2,0 % erwartet. Zusätzlich zum Zinsbeschluss bestätigte der EZB-Rat, dass er die Wertpapierbestände aus dem Pandemie-Notfallankaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme) in der zweiten Jahreshälfte im Durchschnitt um monatlich 7,5 Mrd € reduzieren wird.

Nach der Zinssenkung im Juni beließ der EZB-Rat die Leitzinsen im Juli unverändert und hob hervor, dass er sich für den weiteren Verlauf nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad festlegt. Der EZB-Rat wird die Leitzinsen so lange wie erforderlich ausreichend restriktiv halten. Die Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus wird auch in Zukunft von der Datenlage abhängen und von Sitzung zu Sitzung erfolgen. Zinsbeschlüsse werden vor allem auf der Einschätzung der Inflationsaussichten vor dem Hintergrund aktueller Wirtschafts- und Finanzdaten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation sowie der Stärke der geldpolitischen Transmission basieren. In diesem Kontext betonte die EZB-Präsidentin in der Pressekonferenz insbesondere, dass auch die Zinsentscheidung im September einzig auf der Gesamtheit der bis dahin eingehenden Daten basieren werde.

2.2 Nachfrage nach Bankkrediten im Euroraum weiterhin verhalten

Das breit gefasste Geldmengenaggregat M3 nahm im zweiten Quartal 2024 deutlich zu. Damit setzte sich die seit Herbst 2023 zu beobachtende Erholung des Geldmengenwachstums fort; Ende Juni betrug die Jahresrate 2,2 %. Diese Entwicklung spiegelt das Auslaufen der Portfolioumschichtungen wider, mit denen die Haushalte und Unternehmen auf die Zinsanstiege der Jahre 2022 und 2023 reagiert hatten. Das Ende der Zinserhöhungsphase und der seitdem beobachtete Rückgang der Kapitalmarktrenditen führten dazu, dass private Haushalte und Unternehmen zunehmend weniger Mittel aus kurzfristigen Bankeinlagen in Anlageformen außerhalb von M3 umschichteten. Auf der Entstehungsseite stützte vor allem die hohe Nachfrage gebietsfremder Investoren nach Wertpapieren des Euroraums das Geldmengenwachstum. Die Buchkredite der Banken an nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte stiegen per saldo nur moderat. Laut Umfrage zum Kreditgeschäft (Bank Lending Survey) war dafür die insgesamt noch verhaltene Kreditnachfrage verantwortlich: Die Kreditrichtlinien wurden kaum noch gestrafft, teilweise sogar moderat gelockert.

3 Deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle

3.1 Deutsche Wirtschaftsleistung im zweiten Vierteljahr leicht gesunken

Die deutsche Wirtschaftsleistung ging im zweiten Vierteljahr 2024 entgegen den Erwartungen leicht zurück. Gemäß der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes sank das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) saisonbereinigt um 0,1 % gegenüber dem Vorquartal. Dieses vorläufige Ergebnis unterliegt einer erhöhten Revisionswahrscheinlichkeit. Denn wichtige Statistiken für den Handel und den Dienstleistungsbereich, die in die BIP-Schätzung einfließen, werden gegenwärtig verzögert veröffentlicht und liegen für die letzten Monate noch nicht vor. Im ersten Quartal hatte das BIP noch um 0,2 % zugelegt. Der Schnellmeldung zufolge nahmen insbesondere die Investitionen in Ausrüstungen und Bauten ab. Für die Bautätigkeit war infolge eines durch Witterungseinflüsse begünstigten Anstiegs im ersten Quartal eine Normalisierung erwartet worden. Aber auch darüber hinaus blieben wesentliche Belastungsfaktoren im zweiten Quartal bestehen. So war die Nachfrage nach Industrieprodukten aus dem Ausland weiter schwach. Die gestiegenen Finanzierungskosten und die erhöhte wirtschaftliche und politische Unsicherheit dämpften die Investitionen. Die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher zeigten sich nach wie vor verunsichert, sodass die kräftigen Lohnsteigerungen sich weiterhin nicht in eine gleichermaßen schwungvolle Belebung des Konsums übersetzten.

In diesem Umfeld blieb auch die Kreditentwicklung blutleer. Die Kreditvergabe an nichtfinanzielle Unternehmen bewegte sich im Aggregat erneut seitwärts. Auch das Kreditgeschäft mit inländischen privaten Haushalten war im zweiten Quartal 2024 schwach. Die Vergabe von Wohnungsbaukrediten nahm gegenüber dem zweiten Halbjahr 2023 zwar zu, allerdings nicht so deutlich wie im Vorquartal. Zudem übte die Kreditangebotspolitik der Banken einen dämpfenden Einfluss aus.

Der Arbeitsmarkt blieb trotz der stockenden konjunkturellen Erholung vergleichsweise stabil. Die Beschäftigung erhöhte sich im zweiten Quartal 2024 moderat. Der Anstieg war allerdings nicht kräftig genug, um die durch Zuwanderung steigende Zahl an Erwerbspersonen vollständig aufzunehmen. Deshalb stieg auch die Arbeitslosenzahl etwas an. Die anhaltende wirtschaftliche Schwäche drückte sich auch in moderat zunehmender Kurzarbeit und einem langsam sinkenden Stellenangebot aus. Kurzfristig dürfte sich an dieser Entwicklung nur wenig ändern.

3.2 Löhne steigen im Trend noch immer kräftig

Die Tarifverdienste stiegen auch im Frühjahr 2024 deutlich. Im Vorjahr gezahlte Inflationsausgleichsprämien entfielen zwar, was die Vorjahresrate dämpfte. Ohne Berücksichtigung dieser Sonderzahlungen nahmen die Tarifverdienste im Frühjahr mit 4,2 % gegenüber dem Vorjahr aber spürbar stärker zu als im Winter. Die dauerhaften Lohnsteigerungen gewinnen an Bedeutung. Das im langfristigen Vergleich hohe Wachstum der Effektivverdienste setzt sich fort.

In den jüngsten Tarifabschlüssen wurden zudem hohe Lohnsteigerungen vereinbart. Das auf zwölf Monate umgerechnete Lohnplus lag in fast allen Branchen, die sich im zweiten Vierteljahr auf einen neuen Tarifvertrag einigten, zwischen 4 % und 6 %. Auch in den anstehenden Verhandlungen zeichnen sich hohe Neuabschlüsse ab. Die Lohnforderungen der Gewerkschaften sind weiterhin hoch und bewegen sich derzeit zwischen 7 % und 19 % für eine Laufzeit von zwölf Monaten. Dabei stechen gegenwärtig die Lohnforderungen in den Dienstleistungen besonders heraus. Die Gewerkschaften streben einen nachhaltigen Ausgleich der in den vergangenen drei Jahren aufgelaufenen Reallohnverluste an. Die bis zuletzt hohe Streikbereitschaft und die immer noch verbreitete Arbeitskräfteknappheit sprechen für auch künftig vergleichsweise hohe Lohnanhebungen.

3.3 Disinflationsprozess stockt vorübergehend

Der Preisauftrieb ging im zweiten Vierteljahr 2024 gegenüber dem Vorquartal nicht weiter zurück. Die Verbraucherpreise (HVPI) stiegen im Frühjahr wie schon im Winterquartal saisonbereinigt merklich um 0,8 % gegenüber dem vorangegangenen Quartal. Maßgeblich hierfür war die weiterhin kräftige Verteuerung der Dienstleistungen. Die Preise einiger Dienstleistungen wurden wohl mit einiger Verzögerung an über einen längeren Zeitraum aufgelaufene Kostenanstiege angepasst. Bei den Industriegütern ohne Energie kam der Preisauftrieb dagegen zum Erliegen. In der Vorjahresbetrachtung verlangsamte sich der Disinflationsprozess weiter. Die Inflationsrate ging von 2,7 % im Winter nur leicht auf 2,6 % im Frühjahr zurück. Auch die Rate ohne Energie und Nahrungsmittel sank nur leicht von 3,4 % auf 3,2 %. Der Rückgang wurde hier allerdings durch einen Basiseffekt gebremst: Im Mai 2024 entfiel der dämpfende Effekt auf die Vorjahresrate infolge der Einführung des Deutschlandtickets im Mai 2023.

Im Juli stieg die Inflationsrate im Vorjahresvergleich sogar leicht, während die Kernrate unverändert blieb. Letztere betrug weiterhin 3,3 %. Die Inflationsrate insgesamt erhöhte sich dagegen leicht von 2,5 % auf 2,6 %. Gegenüber dem Vormonat zogen die Verbraucherpreise im Juli saisonbereinigt moderat an. Dabei blieb der Preisanstieg bei Dienstleistungen überdurchschnittlich.

Gegen Jahresende ist aus heutiger Sicht vorübergehend wieder mit etwas höheren Inflationsraten zu rechnen. Die zuvor negativen Teuerungsraten bei Energie kehren sich dann ins Positive. Dies liegt vor allem an den rückläufigen Energiepreisen im Schlussquartal 2023. Aber auch die gegenwärtig gedrückten Gewinnmargen bei Mineralölprodukten könnten allmählich wieder steigen. Die Kerninflation dürfte aufgrund des weiterhin starken Lohndrucks ebenfalls noch auf erhöhtem Niveau verbleiben.

3.4 Deutsche Wirtschaft kämpft weiterhin mit Gegenwind

Im dritten Quartal 2024 könnte die Wirtschaftsleistung leicht zulegen. Der private Konsum dürfte – ebenso wie die Dienstleister – wachsen. Zwar scheint die Zurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher persistenter zu sein als etwa in der Deutschland-Prognose vom Juni angenommen, und die Sparquote dürfte im dritten Quartal noch steigen. Gleichwohl sollten sich die günstigen Rahmenbedingungen durch preisbereinigt deutlich steigende verfügbare Einkommen zunehmend in steigenden Ausgaben der privaten Haushalte niederschlagen. Dagegen dürfte die Schwäche in der Industrie – und auch im Baugewerbe – noch anhalten. Vor dem Hintergrund der jüngsten Eintrübung der globalen Industriekonjunktur könnte die Auslandsnachfrage schwach bleiben. Außerdem befinden sich die Industrieunternehmen in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld. Daher dürften auch die Exporte und die Ausrüstungsinvestitionen hinter den Erwartungen aus der letzten Deutschland-Prognose zurückbleiben. Insgesamt dürfte die Wirtschaftsleistung wohl nur leicht expandieren. Damit zögert sich die erwartete langsame Belebung der Konjunktur weiter hinaus. Eine Rezession im Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung ist aus heutiger Sicht aber nicht zu erwarten, solange keine neuen negativen Schocks auftreten.

4 Deutsche Staatsfinanzen: Defizit sinkt moderat

Die gesamtstaatliche Defizitquote dürfte 2024 und 2025 moderat sinken. Dies liegt nicht an einem restriktiven Sparkurs, sondern an auslaufenden Krisenhilfen. Im Ergebnis könnte die gesamtstaatliche Defizitquote 2025 zwischen 1½ % und 2 % des BIP liegen, nach 2,4 % im Jahr 2023. Im gleichen Zeitraum entfallen rund 1½ % des BIP an Lasten aus temporären Krisenhilfen. 2024 entlastet den Staatshaushalt vor allem, dass die Energiepreisbremsen ausgelaufen sind. 2025 entfallen dann auch die abgabenfreien Inflationsausgleichprämien. Per saldo treten abgabenpflichtige Entgeltbestandteile an ihre Stelle, was Mehreinnahmen bringt. An anderer Stelle dürften sich die Budgets hingegen verschlechtern. So schlagen sich noch die hohen Inflationsraten der letzten Jahre in Mehrausgaben nieder, etwa für Sachaufwand und Personalentgelte. Auch die Rentenausgaben werden deutlich steigen. Mit der Wachstumsinitiative kündigte die Bundesregierung zudem neue, teils defiziterhöhende Maßnahmen an.

Das Defizit des Bundes dürfte ebenfalls sinken. Die Bundesregierung plant für 2024 haushaltsmäßig für Kernhaushalt und Extrahaushalte ein Gesamtdefizit von 113 Mrd €. Im Jahr 2025 soll es auf 87 Mrd € zurückgehen. Allerdings ist derzeit zu erwarten, dass das Bundesdefizit 2024 deutlich unter dem Planwert liegen wird. Vor allem der Bundeswehrfonds und der Klimafonds werden aus heutiger Sicht günstiger abschließen. 2025 könnten die Defizite dagegen höher ausfallen. So könnte die günstigere Entwicklung 2024 mehr Defizitspielräume für 2025 eröffnen (über höhere Rücklagenbestände). Zudem hat die Bundesregierung die Haushaltsansätze im Entwurf eher knapp veranschlagt, und es sind relativ hohe Einsparungen im Haushaltsvollzug zu erwirtschaften (sogenannte Bodensatz-Minderausgabe).

Um die Spielräume der Schuldenbremse zu erweitern, soll die Bahn zusätzliches Eigenkapital anstelle von Zuschüssen erhalten. Dies wirft aus ökonomischer Sicht Fragen auf und entfernt die Schuldenbremse weiter von den EU-Fiskalregeln. Insgesamt soll die Bahn 2025 aus dem Kernhaushalt des Bundes Eigenkapitalzuführungen für Infrastrukturinvestitionen von 10½ Mrd € erhalten. Dies sind 4½ Mrd € mehr, als im Juli zunächst beschlossen. Ob die Umstellung aus ökonomischer Sicht adäquat ist, hängt davon ab, ob eine angemessene Rendite des Eigenkapitals zu erwarten ist. Es wäre dabei nicht überzeugend, wenn die Rendite des Bundes wiederum vom Bund selbst über künftige Belastungen des Bundeshaushalts finanziert würde (zum Beispiel über höhere Bundeszuschüsse). Es wäre jedenfalls wichtig, transparent zu machen, wie die Bahn mit dem neuen Eigenkapital künftig die Rendite erzielen will. Mit der Umstellung der Bahnfinanzierung entfernt sich die Schuldenbremse weiter von den EU-Regeln, die sie eigentlich absichern soll. Die EU-Regeln beziehen sich auf den Staatssektor in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Dieser umfasst den Infrastrukturteil der Deutschen Bahn. Dessen Investitionen erhöhen daher das VGR-Defizit. Dies ist unabhängig davon, ob der Bund im Kernhaushalt finanzielle Transaktionen (wie Eigenkapitalzuführungen) oder Zuschüsse bucht. 

Für solide Staatsfinanzen ist es wichtig, dass die Schuldenbremse ihre Bindungswirkung behält. Eine Reform, die eine bindende Kreditgrenze moderat erhöht, wäre aber vertretbar. Die Bundesbank hat in diesem Kontext vorgeschlagen, die Kreditgrenze bei einer Schuldenquote unter 60 % moderat zu erhöhen. Mit einer gekappten goldenen Regel ließen sich dabei auch gezielt begrenzte zusätzliche Verschuldungsspielräume für Nettoinvestitionen eröffnen. 

Deutschland bleibt gefordert, die wirtschaftspolitischen Herausforderungen konsequent anzugehen. Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung setzt vielfach an geeigneter Stelle an. Sie zielt auf Anreize für Erwerbstätigkeit und Investitionen, eine verlässliche Energieversorgung und eine effiziente, bürokratieärmere öffentliche Verwaltung. Teils passen die in Aussicht gestellten Maßnahmen aber nicht zu den Zielen, und teils sind weitergehende Schritte nötig. Beispielsweise machen zusätzliche partielle Steuersubventionen das Steuerrecht komplizierter, gestaltungsanfälliger, lassen den bürokratischen Aufwand steigen und belasten die Staatsfinanzen. Eine entgegengesetzte Strategie liegt darin, steuerliche Ausnahmen und Ermäßigungen zu begrenzen oder zu streichen und im Gegenzug die allgemeinen Steuertarife zu senken. Gut nachvollziehbar ist, wenn Beschäftigte nach dem gesetzlichen Rentenalter keine Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung mehr zahlen müssen. Denn für diese Beschäftigten stellt der Arbeitgeberbeitrag bislang teilweise eine Sonderabgabe dar. Für die Beschäftigung Älterer wäre es naheliegend, Anreize für einen vorgezogenen Ruhestand abzubauen. Auch wenn das gesetzliche Rentenalter nach 2030 an die Lebenserwartung gekoppelt wird, unterstützt dies ein längeres Erwerbsleben. Diese Maßnahmen würden den starken demografischen Druck auf die Rentenfinanzen und den Bundeshaushalt mildern.

Die neuen EU-Fiskalregeln stehen vor ihrer ersten Bewährungsprobe: Die Haushaltsvorgaben müssen ausreichend ambitioniert sein, um solide Staatsfinanzen im Euroraum zu fördern. Erklärtes Ziel der Regeln ist, dass hohe Defizit- und Schuldenquoten sinken. Denn solide Staatsfinanzen in den Mitgliedstaaten sind für einen stabilitätsorientierten Euroraum wichtig. Sie erhöhen seine Krisenresilienz und unterstützen die Geldpolitik des Eurosystems. Europäische Kommission und ECOFIN sind weiter in der Verantwortung, ausreichend ambitionierte fiskalische Vorgaben sicherzustellen. Bis zum Herbst werden die Haushaltsgrenzen für die ersten Planungsperioden vereinbart.