3 Arbeitsmarkt mit wenig Dynamik
Der Arbeitsmarkt blieb trotz der stockenden konjunkturellen Erholung vergleichsweise stabil. Die Beschäftigung erhöhte sich im zweiten Quartal 2024 moderat. Der Anstieg war allerdings nicht kräftig genug, um die durch Zuwanderung steigende Zahl an Erwerbspersonen vollständig aufzunehmen. Deshalb stieg auch die Arbeitslosenzahl etwas an. Die anhaltende wirtschaftliche Schwäche drückte sich auch in moderat zunehmender Kurzarbeit und einem langsam sinkenden Stellenangebot aus. Kurzfristig dürfte sich an dieser Entwicklung nur wenig ändern.
Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland vergrößerte sich im Frühjahr leicht. Im Durchschnitt waren saisonbereinigt 54 000 Personen mehr beschäftigt als im Winter 2024, ein Zuwachs von 0,1 %. 5 Der bereits länger anhaltende rückläufige Trend bei der Selbstständigkeit setzte sich fort, und die ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigung veränderte sich kaum. Der Stellenzuwachs war in erster Linie den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen zuzurechnen.
Dabei hielt die sektorale Zweiteilung der vergangenen Quartale an. So profitierten durch den demografischen Wandel und den Umbau der Energieversorgung vor allem Bereiche der öffentlichen Grundversorgung von einer erhöhten Nachfrage nach sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Dazu zählen das Gesundheits- und Sozialwesen, der Öffentliche Dienst, der Bildungssektor und die Energie- und Wasserversorgung. In einigen weiteren Dienstleistungsbereichen war der Beschäftigungsstand ebenfalls höher als im Winter, vor allem in der Beherbergung und Gastronomie 6 und den qualifizierten Unternehmensdienstleistungen.
Vor allem im Verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe beeinträchtigt die nunmehr seit über zwei Jahren anhaltende konjunkturelle Schwäche die Arbeitsnachfrage. Zunächst wurden zwar die Stammbelegschaften weitgehend gehalten und Anpassungen über den verringerten Einsatz von Leiharbeit aufgefangen. Seit etwa einem Jahr sinkt in beiden Wirtschaftsbereichen aber auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Der Rückgang ist gleichwohl moderat. Denn auch innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes stehen einige Branchen gut da und bauen Beschäftigung auf. Disaggregierte, sektorale Daten liegen erst bis Ende 2023 vor. Demnach expandierte die Stellenzahl im Laufe des Jahres 2023 kräftig um 2½ % bis 5 % in der Herstellung von DV-Geräten und Elektronik, im sonstigen Fahrzeugbau, der Reparatur und Installation von Maschinen und bei pharmazeutischen Gütern. Zudem erhöhte sich die Beschäftigung im Maschinenbau nennenswert. Die energieintensiven Wirtschaftszweige waren hingegen von gewissen Beschäftigungsverlusten betroffen. Außerdem sank die Beschäftigung im abgelaufenen Jahr spürbar in der Herstellung von Metallerzeugnissen, Gummi- und Kunststoffwaren sowie einigen konsumnahen Industrien. Dabei dürften neben konjunkturellen auch strukturelle Gründe vorliegen. Insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe wird zusätzlich Kurzarbeit als Anpassungsinstrument genutzt, um Nachfrageschwächen zu überbrücken. Hiervon waren im April 2,8 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Bereich betroffen. In der restlichen Wirtschaft spielte Kurzarbeit praktisch keine Rolle.
Die registrierte Arbeitslosigkeit erhöhte sich weiter leicht. In den drei Frühjahrsmonaten waren im Durchschnitt saisonbereinigt 2,76 Millionen Personen arbeitslos, rund 46 000 Personen mehr als im ersten Quartal 2024. Die entsprechende Arbeitslosenquote blieb unverändert bei 5,9 %, auch weil die Erwerbspersonenzahl stieg. Im Juli kamen gegenüber dem Vormonat weitere 18 000 Arbeitslose hinzu, und die zugehörige Quote erreichte damit 6,0 %. Die Zunahme der letzten Monate liegt mehrheitlich an Zugängen in das konjunkturreagible Versicherungssystem des SGB III. Dagegen trugen die Geflüchteten aus der Ukraine – die vor allem in das Grundsicherungssystem eingehen würden – kaum noch zum Anstieg der Arbeitslosigkeit bei. Bei ihnen schreitet die Arbeitsmarktintegration voran, die Übergänge in Beschäftigung haben sich in den letzten Monaten spürbar verbessert.
An der schwunglosen Arbeitsmarktentwicklung dürfte sich den Vorlaufindikatoren zufolge in den kommenden Monaten wenig ändern. Das IAB-Beschäftigungsbarometer für die Gesamtwirtschaft befindet sich weiterhin im leicht positiven Bereich. Das deutet auf einen leichten Beschäftigungsanstieg wie in den vergangenen Monaten hin. Die Einstellungsabsichten der gewerblichen Wirtschaft für die nächsten drei Monate, wie sie das ifo Institut in seinen Befragungen ermittelt, weisen zwar seit ein paar Monaten eine Bodenbildung auf. Sie befinden sich allerdings im leicht negativen Bereich. Beides trifft vor allem auf das Verarbeitende Gewerbe zu. Im Handel ist die negative Trendentwicklung des Frühindikators noch nicht gebrochen. Die Dienstleistungsunternehmen (ohne Handel) planen hingegen in der Summe mit einem leichten Beschäftigungsplus. Die Zahl der bei der BA gemeldeten offenen Stellen ist weiterhin rückläufig. Insbesondere die Dynamik bei neu eingehenden Stellenangeboten ist überaus niedrig. Da die Unternehmen während der andauernden konjunkturellen Schwächephase weitgehend auf Entlassungen verzichtet haben, ist der Einstellungsbedarf nicht hoch. Das vom IAB in Betriebsbefragungen ermittelte gesamtwirtschaftliche Stellenangebot ist zwar in den letzten Quartalen ebenfalls gesunken, weist aber im historischen Vergleich noch immer ein ausgesprochen hohes Niveau auf. Dies deutet ebenso wie die hohe Vakanzdauer der offenen Stellen auf anhaltende Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung und eine relativ hohe Anspannung zumindest auf einigen Teilarbeitsmärkten für bestimmte Fachkräfte hin. Bei den Arbeitslosenzahlen könnte sich der Anstieg zumindest abschwächen. Das IAB-Barometer Arbeitslosigkeit hat sich zuletzt etwas erholt, befindet sich jedoch weiterhin leicht im negativen Bereich.