1.2 Konjunkturerholung stützt sich auf privaten Konsum und Exporte, erst 2026 auch wieder auf Investitionen
Der private Konsum wird sich im Prognosezeitraum kräftig erholen und ein tragender Pfeiler für die Konjunkturerholung werden. Das Konsumverhalten der privaten Haushalte wurde zuletzt vor allem durch Vorsichtsmotive geprägt. Sie sind vor dem Hintergrund der langen Konjunkturflaute, der stark gestiegenen Verbraucherpreise und entsprechender Realeinkommensverluste sowie der unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Perspektiven zu sehen. Zudem setzten die gestiegenen Zinsen Sparanreize, die in den langen Jahren der Niedrigzinsphase nicht vorhanden waren. Demgegenüber hatten die bereits wieder deutlich steigenden Reallöhne eine untergeordnete Wirkung auf den Konsum, sodass die Sparquote zu Jahresbeginn nochmals deutlich anstieg. Die kräftigen Lohnsteigerungen sind aber mittlerweile breit angelegt und zunehmend weniger von einmaligen Inflationsausgleichsprämien, sondern mehr von kräftigen permanenten Lohnerhöhungen geprägt. In Kombination mit einem robusten Arbeitsmarkt und nachlassender Inflation führen die stark steigenden Löhne zu einem kräftigen Anstieg der realen verfügbaren Einkommen, vor allem im laufenden Jahr. Die realen Einkommensverluste der letzten Jahre werden damit schon bald aufgeholt. In den Folgejahren wird es zu weiteren, spürbaren realen Einkommensgewinnen kommen. Das deutliche Einkommensplus wird somit zum bestimmenden Faktor für den Konsum, während Vorsichtsmotive nach und nach in den Hintergrund treten. Die jüngste Aufhellung des GfK-Konsumklimas stützt diese Erwartung. Der private Konsum dürfte daher schon im laufenden Quartal wieder leicht zulegen und dann in der zweiten Jahreshälfte an Schwung gewinnen. Im weiteren Verlauf wächst er über einige Zeit etwas stärker als die realen verfügbaren Einkommen, sodass die Sparquote graduell in Richtung ihres langfristigen Durchschnitts zurückgeht.
Die Exporte werden ab der zweiten Jahreshälfte zur zweiten Konjunkturstütze. Bis zur Jahresmitte werden sie jedoch wohl allenfalls geringfügig zulegen. Besonders die exportorientierte Industrie leidet unter einer schwachen Auslandsnachfrage. So unterschritt der Auftragseingang aus dem Ausland im ersten Quartal das Mittel des Vorquartals deutlich. In der zweiten Jahreshälfte dürfte sich die Expansion der Ausfuhren dann aber etwas verstärken und anschließend das Expansionstempo in etwa halten. Die der Projektion zugrunde liegende konjunkturelle Erholung des Welthandels liefert dafür wichtige Impulse. Im Einklang damit hellten sich die ifo Exporterwartungen zuletzt etwas auf, und die ifo Geschäftserwartungen in der Industrie zeigen eine deutliche Belebung an. Außerdem dürfte sich die im ersten Quartal begonnene Erholung der energieintensiven Industrie im Projektionszeitraum moderat fortsetzen und die Exporte stützen. 7 Jedoch befindet sich die deutsche Exportindustrie in einem schwierigen internationalen Wettbewerbsumfeld, sodass externe Nachfrageimpulse die Exporte nicht unbedingt im gleichen Maße stützen wie das lange Zeit der Fall war. Die Zuwächse der Exporte sind in den vergangenen vier Jahren erheblich hinter diejenigen der Absatzmärkte zurückgefallen. Auch Unternehmensumfragen deuten auf eine merkliche Verschlechterung der Wettbewerbsposition in der jüngeren Vergangenheit hin. 8 Im Projektionszeitraum belastet insbesondere der vergleichsweise hohe inländische Preis- und Lohndruck die deutschen Exporteure zusätzlich. Der sich daraus ergebende Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit dürfte dazu führen, dass die deutsche Exportindustrie im Projektionszeitraum weitere Marktanteile verliert. Dementsprechend legen die Exporte etwas langsamer zu als die Absatzmärkte.
Die Unternehmensinvestitionen gehen erst ab 2025 wieder auf Expansionskurs. Das Investitionsumfeld stellt sich für die Unternehmen derzeit schwierig dar. Die anhaltende Schwäche der Auslandsnachfrage in der Industrie dämpft die Investitionsneigung der Unternehmen. Darüber hinaus stieg infolge der geldpolitischen Straffung das Zinsniveau für Unternehmenskredite deutlich an, und die Nettokreditvergabe von Buchkrediten an Unternehmen kam ab Ende 2022 zum Erliegen. Außerdem belasten weitere Hemmnisse die inländische Investitionstätigkeit. So gaben Unternehmen im Rahmen einer Bundesbank-Umfrage die hohen Energie- und Lohnkosten, aber auch den Fachkräftemangel, die Unsicherheit über den regulatorischen Rahmen sowie eine hohe Steuer- und Abgabenbelastung als wichtige Gründe an. 9 Vor diesem Hintergrund ist die Stimmung der Investitionsgüterproduzenten nach Angaben des ifo Instituts merklich eingetrübt. Die Unternehmensinvestitionen dürften ihren jüngsten Rückgang daher zunächst fortsetzen. Erst gegen Ende des laufenden Jahres gehen sie wieder auf einen moderaten Expansionskurs. Denn die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung klingen dann allmählich ab, und die wieder dynamischere Auslandsnachfrage stimuliert die heimische Investitionstätigkeit. Zusätzliche Impulse liefern die Bemühungen der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Im Jahr 2026 tragen die Unternehmensinvestitionen dann wieder spürbar zur BIP-Expansion bei.
Die Wohnungsbauinvestitionen dürften im laufenden Jahr aufgrund der schwachen Nachfrage noch einmal deutlich zurückgehen, bevor sie zögerlich wieder steigen. Die hohen Bau- und die gestiegenen Finanzierungskosten sowie die Realeinkommensverluste der vergangenen drei Jahre lasten noch immer auf der Nachfrage privater Haushalte nach Wohnraum. Der Auftragseingang im Wohnungsbau erholte sich noch nicht nennenswert von seinem seit Ende 2022 durchgängig schwachen Niveau. Auch in den Baugenehmigungen ist noch keine Belebung erkennbar. Laut ifo Institut berichten die Wohnungsbauunternehmen weiterhin von einem gravierenden Auftragsmangel. Im laufenden Quartal werden die Wohnungsbauinvestitionen zudem wohl vor allem aufgrund witterungsbedingter Rückpralleffekte deutlich zurückgehen. Die ungewöhnlich milde Witterung hatte im ersten Vierteljahr stützend gewirkt. Im zweiten Halbjahr dürften die Wohnungsbauinvestitionen angesichts der schwachen Nachfrage noch etwas weiter absinken. Jenseits der zyklischen Belastungsfaktoren ist in Deutschland aber eine grundsätzliche Nachfrage nach zusätzlichem Wohnraum vorhanden. Ein Grund dafür ist die hohe Zuwanderung. Sie geht zwar im Projektionszeitraum zurück, sorgt aber immer noch dafür, dass die Bevölkerung trotz des demografischen Wandels leicht wächst. Der hohe Wohnraumbedarf spiegelt sich auch in der Mietpreisinflation wider, die deutlich über ihrem langfristigen Durchschnitt liegt. Zudem ist der Bedarf an energetischen Renovierungen von Bestandsimmobilien vor dem Hintergrund hoher Energiekosten und der klimapolitischen „Wärmewende“ weiterhin hoch und sollte die Wohnungsbauinvestitionen über den gesamten Projektionszeitraum stützen. Da schließlich die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte deutlich ansteigen und die Finanzierungskosten wieder leicht zurückgehen, beginnen die Wohnungsbauinvestitionen im kommenden Jahr wieder langsam zu wachsen und nehmen 2026 ein wenig mehr an Fahrt auf.
Die reale Staatsnachfrage stützt das Wirtschaftswachstum im gesamten Projektionszeitraum. Ein wesentlicher Grund sind die bis 2026 deutlich steigenden Militärausgaben. So führt die Beschaffung von militärischen Ausrüstungen, wie zum Beispiel Flugzeugen, zu deutlich höheren Staatsinvestitionen. Die Beschaffung von Munition trägt zu einem ansteigenden Staatsverbrauch bei, ebenso wie die kräftig zulegenden Ausgaben für Gesundheit und Pflege.
Die Importe erhöhen sich bis 2026 kräftig und tragen dazu bei, dass der Leistungsbilanzsaldo nach einem deutlichen Anstieg wieder leicht zurückgeht. Die Importe legen bis zum Ende des Projektionszeitraums aufgrund der spürbar anziehenden inländischen Nachfrage deutlich kräftiger zu als die Exporte, die durch die gedrückte Wettbewerbsfähigkeit nur vergleichsweise verhalten expandieren. Dies übt für sich genommen einen dämpfenden Einfluss auf die Leistungsbilanz aus. Deren Überschuss dürfte aber im laufenden Jahr zunächst nochmals moderat zunehmen, und zwar auf 7,5 % des BIP. Maßgeblich ist dabei eine merkliche Verbesserung der Terms of Trade, die den Handelsbilanzsaldo anhebt. Im weiteren Projektionszeitraum verbessern sich die Terms of Trade nur noch vergleichsweise wenig, und in Summe geht der Saldo der Handelsbilanz 2025 und 2026 leicht zurück. Auch der Leistungsbilanzüberschuss nimmt im Projektionszeitraum wieder geringfügig ab, bis auf gut 7 % im Jahr 2026.
1.3 Am Arbeitsmarkt steigt die Anspannung wieder
Der Arbeitsmarkt blieb trotz der anhaltenden konjunkturellen Schwäche im Winterhalbjahr 2023/24 stabil. Die Arbeitslosigkeit stieg zwar geringfügig an, aber zugleich erhöhte sich auch die Beschäftigung leicht. Zwar sank die Beschäftigung in der konjunkturreagiblen Arbeitnehmerüberlassung deutlich. Demgegenüber stand ein stetiger Beschäftigungsaufbau in Dienstleistungsbereichen, die aus strukturellen Gründen mehr Personal benötigen. Dies gilt beispielsweise für den Gesundheits- und Pflegebereich. Der Beschäftigungsanstieg übertraf insgesamt leicht die Erwartungen der Deutschland-Prognose vom Dezember 2023. Alles in allem reagierte der Arbeitsmarkt nur mild auf die rund zwei Jahre anhaltende konjunkturelle Schwächephase: Sie führte zu einer graduell gestiegenen Arbeitslosigkeit, einer moderat erhöhten Kurzarbeit, einer gedämpften Arbeitszeit und etwas sinkenden offenen Stellen. Die Anspannung am deutschen Arbeitsmarkt ließ damit zwar leicht nach, blieb aber auf einem hohen Niveau. Diese hohe Anspannung spiegelt die strukturellen Bedingungen am deutschen Arbeitsmarkt wider, die vor allem durch die ungünstige Demografie geprägt werden. Entsprechend herrscht in Teilen der Wirtschaft weiterhin ein ausgeprägter Fachkräftemangel.
Die Beschäftigung dürfte zunächst weiter verhalten wachsen und die Arbeitslosigkeit noch etwas ansteigen, bevor sie zum Jahresende wieder sinkt. Die Einstellungspläne der gewerblichen Wirtschaft weisen nach langem Rückgang mittlerweile eine Bodenbildung auf. Nachdem in den letzten zwei Jahren die Stammbelegschaften auch in konjunkturell widrigen Zeiten weitgehend gehalten worden waren, dürfte sich mit der langsam einsetzenden wirtschaftlichen Verbesserung zunächst deren Arbeitszeit erholen. Die Arbeitslosigkeit dürfte derweil noch einige Monate leicht steigen. Das IAB-Barometer Arbeitslosigkeit liegt zwar weiterhin im negativen Bereich, welcher einen Anstieg anzeigt. Aber der Indikator bewegte sich in den letzten Monaten auf den neutralen Bereich zu. Die Einstellungswahrscheinlichkeit für Arbeitslose ist derzeit noch relativ niedrig. Für die Gruppe der ukrainischen Geflüchteten verbesserte sich die Einstellungsrate jedoch deutlich, wenn auch von sehr niedrigem Niveau aus. Mit der sich verstärkenden wirtschaftlichen Erholung dürfte die Arbeitslosigkeit zum Jahresende 2024 hin wieder langsam sinken. Im Jahresmittel 2024 liegt die Arbeitslosenquote dennoch leicht über dem Vorjahr, und die Beschäftigung expandiert 2024 im Vergleich zu den beiden Vorjahren deutlich schwächer.
Ab dem Jahr 2025 begrenzt die demografische Entwicklung das Arbeitsangebot, und die Anspannung am Arbeitsmarkt nimmt wieder erheblich zu. Der Mangel an Fachkräften tritt im weiteren Projektionszeitraum wieder deutlicher hervor. Denn das Beschäftigungsniveau ist bereits sehr hoch und kann angesichts der demografischen Herausforderungen nicht mehr so stark wachsen wie in den vorangegangenen Jahren. Die Erwerbsquote steigt aufgrund der ungünstigen Altersstruktur in Deutschland dann nicht mehr, auch wenn die individuelle Erwerbsneigung weiter zunimmt. Dies kann durch die Zuwanderung nur zu einem Teil aufgefangen werden. Zum einen ist die Integration von Neuzuwanderern in den Arbeitsmarkt aufwändig und erfolgt mit Verzögerung. Zum zweiten wird in der Projektion angenommen, dass sich die gegenwärtig hohe Zuwanderung allmählich normalisiert. 10 Die Zahl der Erwerbspersonen erhöht sich damit 2025 nur noch geringfügig und geht 2026 etwas zurück. Da zugleich die Arbeitsnachfrage im Gefolge der Konjunkturerholung ansteigt, nimmt die Anspannung am Arbeitsmarkt wieder erheblich zu.
Zum Ende des Projektionszeitraums kommt das Beschäftigungswachstum trotz sinkender Arbeitslosigkeit zum Erliegen. Der Beschäftigungsanstieg schwächt sich angesichts der zunehmenden Angebotsengpässe ab und kommt im Verlauf des Jahres 2026 zum Erliegen. Die Arbeitslosigkeit sinkt zwar 2025 und 2026 leicht. Dies bietet aber keine großen Spielräume mehr für zusätzliche Beschäftigung. Zunächst steigt noch die Arbeitszeit je Erwerbstätigen, da vermehrt Überstunden geleistet werden und die Arbeitsstunden der Teilzeitkräfte steigen. Allerdings lässt dieser Anstieg zum Ende des Projektionszeitraums deutlich nach, da die demografisch verursachten Verschiebungen der Altersstruktur auch die durchschnittliche Arbeitszeit dämpfen. 11 Die wirtschaftliche Erholung wird dann zunehmend von einer steigenden Arbeitsproduktivität getragen. Diese wird unter anderem durch eine erhöhte Kapazitätsauslastung der Unternehmen und durch sektorale Verschiebungen der Expansionskräfte gestützt. Insbesondere trägt die Industrie mit steigenden Exporten wieder spürbar zum BIP-Wachstum bei. Schließlich wirkt die zunehmende Aufenthaltsdauer der vielen Zuwanderer der letzten beiden Jahre produktivitätsfördernd, vor allem deren steigende Berufserfahrung, Erwerb und Anerkennung von Qualifikationen und Sprachfähigkeiten sowie eine verbesserte Passgenauigkeit bei der Stellenbesetzung.
1.4 Löhne steigen auch 2024 noch stark, danach zwar mit weniger Schwung, aber immer noch kräftig
Der Lohnauftrieb fiel zuletzt deutlich höher aus als erwartet. Die jüngsten Tarifabschlüsse übertrafen mehrheitlich die Erwartungen der Deutschland-Prognose vom Dezember 2023. Dies schlug sich in einem starken Tariflohnanstieg im ersten Quartal 2024 nieder, reicht aber auch weit in die kommenden Quartale hinein. So hat der jüngste Abschluss im Einzelhandel, der nach mehr als einjährigen Verhandlungen erzielt wurde, hauptsächlich in der zweiten Jahreshälfte beträchtliche Lohnerhöhungen zur Folge. 12 Auch in der Breite der Wirtschaft stiegen die Löhne stärker an als erwartet. Daher wurde die Prognose sowohl für die Tarif- als auch für die Effektivverdienste im Jahr 2024 deutlich aufwärtsrevidiert.
Die Tarifverdienste steigen im laufenden Jahr besonders stark an und legen in den Folgejahren zwar deutlich weniger, aber immer noch kräftig zu. Im Jahresdurchschnitt 2024 erhöhen sich die Tarifverdienste nach der neuen Prognose um 5,9 %. Die Gewerkschaften streben weiterhin einen Ausgleich für die noch nicht vollständig kompensierten Reallohnverluste in den Vorjahren an. Ihre Lohnforderungen sind weiterhin hoch, und es gelingt ihnen, davon vergleichsweise viel durchzusetzen. Zudem ist der Arbeitnehmerseite bewusst, dass mit dem Wegfall der abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien zum Jahresende der damit verbundene vorübergehende Kaufkraftausgleich verpufft. Die leichte Abschwächung des Arbeitsmarktes dämpft die Lohnzuwächse nur wenig. Die Inflationsausgleichsprämien leisten zwar gegenwärtig noch einen hohen Beitrag zum Tariflohnwachstum. Allerdings dürfte ihre Relevanz im Laufe des Jahres abnehmen und diejenige der dauerhaften Lohnkomponenten an Bedeutung gewinnen. Im Jahr 2025 entfallen die Inflationsausgleichsprämien dann vollständig, was zu negativen Basiseffekten in den Vorjahresraten führt. Insbesondere deswegen wird das Lohnwachstum dann spürbar nachlassen. 13 Zudem werden in einem Umfeld gesunkener Inflationsraten auch etwas niedrigere Neuabschlüsse als in den beiden Vorjahren unterstellt. 14 Die Tarifverdienste steigen im Ergebnis 2025 mit einer Rate von 2,7 %. 2026 schlagen sich der wieder stärker angespannte Arbeitsmarkt und die günstigere Konjunktur in einer Tariflohnsteigerung von 3,1 % nieder.
Die Effektivverdienste steigen im Projektionszeitraum durchgängig noch etwas stärker an als die Tarifverdienste. Die Effektivverdienste legen im laufenden Jahr mit einer Rate von 6 % ähnlich kräftig zu wie 2023. Sie übertreffen die Tariflöhne damit aber nur noch leicht. Für eine solche leicht positive Schere, die sogenannte "Lohndrift", sprechen unter anderem die bislang bekannten Erfolgsprämien, die im laufenden Jahr geringfügig höher als im Vorjahr ausfallen. 15 Die Lohndrift erhöht sich 2025 vor allem aufgrund der steigenden Arbeitszeit und bleibt auch 2026 noch spürbar positiv, insbesondere wegen der zunehmenden Knappheiten am Arbeitsmarkt. Im Ergebnis legen die Effektivverdienste 2025 um 3,2 % und 2026 um 3,5 % zu. Diese Raten sind deutlich höher als im historischen Durchschnitt seit der Wiedervereinigung. Die Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmer legen vor allem 2025 sogar noch etwas stärker zu, da sich die Sozialbeiträge der Arbeitgeber spürbar erhöhen. 16
Die hohen Gewinnmargen normalisieren sich. Da die Wirtschaft im laufenden Jahr bei robuster Beschäftigung nur leicht wächst und die Löhne stark steigen, bleibt der Druck von den Lohnstückkosten sehr hoch. Die Unternehmen dürften diesen jedoch zu einem Teil über geringere Gewinne abfedern. Denn im Vergleich zu den Vorjahren, als sie ihre Gewinnmargen kräftig ausweiten konnten, haben sich Lieferengpässe aufgelöst, und die Nachfrage hat sich deutlich abgeschwächt – auch infolge der strafferen Geldpolitik. So überwiegt laut ifo Umfragen zu Produktionshemmnissen in vielen Sektoren mittlerweile eine unzureichende Nachfrage gegenüber angebotsseitigen Faktoren. Die gesamtwirtschaftlichen Gewinnmargen sinken daher 2024 kräftig ab und erreichen etwa ihr Vor-Pandemie-Niveau. Daher geht die erhebliche Binneninflation trotz kräftig steigender Lohnstückkosten deutlich zurück. Ab 2025 trägt neben dem gemäßigteren Lohnwachstum auch die sich erholende Arbeitsproduktivität dazu bei, dass der starke Anstieg der Lohnstückkosten merklich nachlässt. Vor diesem Hintergrund ermäßigt sich die am BIP-Deflator gemessene Binneninflation spürbar, von 6,6 % im vergangenen Jahr über 3,7 % im laufenden Jahr bis auf 2,2 % im Jahr 2026.
1.5 Verbraucherpreisanstieg lässt nur noch langsam nach
Der Disinflationsprozess hält an, aber die Kerninflation ist hartnäckiger als erwartet. Im vergangenen Winterhalbjahr ging die Teuerung auf der Verbraucherstufe, gemessen am HVPI, weiter zurück. Im Mai lag die Rate laut Schnellschätzung bei 2,8 % und damit marginal niedriger als in der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember erwartet. Dies lag vor allem an stärker gesunkenen Energiepreisen. Die Rate ohne Energie und Nahrungsmittel (das heißt die Kernrate) ging dagegen, anders als im Dezember 2023 erwartet, von November bis Mai nicht weiter zurück. Ursächlich dafür waren die Dienstleistungen, bei denen die Preisanhebungen mehrheitlich höher ausfielen. Dies gilt auch für die Mieten. Bei diesen betrug der Anstieg zuletzt 2,2 %. Das ist knapp doppelt so hoch wie der durchschnittliche Mietenanstieg seit 1999. Der Preisdruck bei Industriegütern ohne Energie nahm hingegen etwas schneller ab als prognostiziert.
Im Durchschnitt des laufenden Jahres dürfte sich die Inflationsrate mehr als halbieren, wobei die Kernrate langsamer zurückgeht. Vor allem aufgrund des hohen Kostendrucks von den Löhnen wird die kräftige Verteuerung der Dienstleistungen wohl auch im weiteren Jahresverlauf kaum nachlassen. Dagegen sollte der Preisanstieg bei den Industriegütern ohne Energie stärker zurückgehen. Denn bei ihnen haben nicht nur die Löhne einen geringeren Kostenanteil als bei den Diensten. 17 Vielmehr hatten auch die angebotsseitigen Störungen durch die Corona-Pandemie und den Ukrainekrieg hier für einen stärkeren Preisschub gesorgt, der nun zügig abklingt. Und schließlich ist die Preissetzung bei den Industriegütern deutlich flexibler. 18 Die Kernrate insgesamt geht daher im Jahresdurchschnitt 2024 von 5,1 % im Vorjahr auf 3,1 % zurück. Noch wesentlich stärker ist die Disinflation bei Nahrungsmitteln, wo sich der im Vorjahr noch zweistellige Preisanstieg grob auf sein Vorkrisen-Niveau von etwas mehr als 2 % zurückbildet. Dafür sorgen fallende landwirtschaftliche Erzeugerpreise, aber auch niedrigere Großhandelspreise für Strom und niedrigere Erdgaspreise. Letztere führen überdies dazu, dass die Verteuerung von Energie, die sich bereits im Vorjahr stark reduziert hatte, in diesem Jahr noch etwas weiter abnimmt. 19 Einem noch stärkeren Rückgang der Teuerung bei Energie steht die Erhöhung des CO₂-Preises auf fossile Brennstoffe und die Normalisierung des vorübergehend reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Gas und Fernwärme entgegen. 20 Insgesamt dürfte so die HVPI-Rate im Durchschnitt des laufenden Jahres auf 2,8 % fallen und sich damit im Vergleich zum Jahr 2023 mehr als halbieren.
Im weiteren Projektionszeitraum geht die Inflationsrate angesichts des hohen Lohndrucks nur noch langsam zurück. Die Kernrate sinkt weiter – zunächst auf 2,5 % im Jahr 2025 und dann auf 2,3 % im Jahr 2026. Denn die geldpolitische Straffung entfaltet weiter ihre Wirkung, und der starke Anstieg der Lohnstückkosten lässt nach. Dennoch sorgen die noch immer vergleichsweise kräftig steigenden Löhne vor allem bei den Dienstleistungen für einen überdurchschnittlichen Preisanstieg. Bei Energie nimmt der Preisanstieg im Jahr 2025 wieder spürbar zu. Zwar gehen die Gaspreise annahmegemäß zurück. Allerdings steigt der CO₂-Preis weiter, die Großhandelspreise für Strom ziehen annahmegemäß merklich an, und die zwischenzeitlich höheren Rohölpreise wirken zum Teil noch etwas nach. Im Jahr 2026 gleichen dann fallende Rohöl- und Erdgaspreise den weiteren Anstieg des CO₂-Preises teilweise aus. Energie hat dann wieder einen stärker dämpfenden Beitrag zur allgemeinen Teuerung. Bei den Nahrungsmitteln nimmt die Preissteigerungsrate vor allem 2025 wieder zu. Denn der vorangegangene Lohnanstieg wirkt preistreibend, und der zuvor dämpfende Effekt der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise entfällt, da diese nicht weiter nachgeben. Alles in allem ermäßigt sich die HVPI-Gesamtrate im Jahr 2025 auf 2,7 % und im Jahr 2026 auf 2,2 %.
Tabelle 2.3b: Revisionen gegenüber der Projektion vom Dezember 2023 Veränderung gegenüber Vorjahr in % |
Position | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 |
Harmonisierter Verbraucherpreisindex |
| Projektion vom Juni 2024 | 6,0 | 2,8 | 2,7 | 2,2 |
Projektion vom Dezember 2023 | 6,1 | 2,7 | 2,5 | 2,2 |
Differenz (in Prozentpunkten) | - 0,1 | 0,1 | 0,2 | 0,0 |