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Publikationen der Bundesbank

Geopolitische Risiken belasten den Außenhandel des Euroraums und der USA 74. Ausgabe – März 2025

Containerhafen am Wasser – Quelle: adamkaz / Getty Images
Containerhafen am WasserQuelle adamkaz / Getty Images

In den letzten Jahren wuchsen geopolitische Risiken. Die schon länger anhaltende Aggression Russlands gegen die Ukraine, die 2022 in den russischen Angriffskrieg mündete, trieb einen immer tieferen Keil zwischen Russland und die westlichen Länder. Chinas territoriale Ansprüche nährten die Spannungen mit Nachbarländern und den USA. Auch im Nahen Osten nahmen Konflikte dramatisch zu. Viele der betroffenen Länder sind wichtige Elemente im globalen Handels- und Produktionsnetzwerk. Daher stellt sich die Frage, inwieweit der Bezug von Waren aus diesen Ländern und damit auch die Lieferketten beeinträchtigt werden.

Geopolitische Risikoschocks bei Handelspartnern wirken wie Angebotsschocks auf Einfuhren aus diesen Ländern

In einer neuen Studie (Khalil, Osten und Strobel, 2025) zeigen wir anhand von Daten zu Einfuhren des Euroraums und der USA für den Zeitraum von 1990 bis 2019, dass die preisbereinigten Einfuhren aus den Ländern mit einem gestiegenen geopolitischen Risiko zurückgehen, während die Importpreise steigen. Für den Euroraum und die USA wirkt daher ein Anstieg des geopolitischen Risikos eines Handelspartners wie ein negativer Angebotsschock auf Einfuhren aus diesen Ländern. Dabei identifizieren wir geopolitische Risikoschocks für 44 Länder mithilfe des von Caldara und Iacoviello (2022) vorgeschlagenen Index für geopolitische Risiken, der auf der Häufigkeit von Zeitungsartikeln zu zwischenstaatlichen Konflikten, Unruhen und Terrorismus beruht. Die Effekte auf Importvolumina und -preise schätzen wir in einem Panel bilateraler Importströme auf der Produktebene jeweils für den Euroraum und die USA und kontrollieren dabei für Einflüsse inländischer Nachfrageentwicklungen. Unsere Analyse betrachtet nicht den kräftigen Anstieg des geopolitischen Risikos weltweit infolge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Studien zu den Auswirkungen dieses Krieges kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen (siehe etwa Gopinath, Gourinchas, Presbitero und Topalova, 2025).

Geopolitische Distanz der Handelspartner und US-Sanktionen verstärken Effekte von geopolitischen Risikoschocks

Es zeigt sich im Schnitt über alle Produkte und Länder hinweg, dass erhöhte geopolitische Risiken Einfuhren aus betroffenen Ländern kurzfristig merklich stören können, während Importpreise anziehen. Besonders stark sind diese Effekte bei Importen aus Ländern, die eine größere geopolitische Distanz zu den USA und dem Euroraum aufweisen oder zum Zeitpunkt des Schocks US-Sanktionen unterliegen. Wir unterteilen die Länder in unserem Datensatz wie in der Literatur (siehe u. a. EZB 2024) vereinfachend in drei geopolitische Blöcke: „West“ (einschließlich der Länder des Euroraums und der USA), „Ost“ (auch China und Russland) und „Neutral“ (16 Schwellenländer). Geopolitische Risikoschocks in „Ost“-Ländern senken die Importmengen des Euroraums und der USA aus diesen Ländern kräftig und steigern Importpreise, während ähnliche Schocks in den anderen Blöcken weit geringere Wirkung zeigen (vgl. Abbildung 1). 

Abbildung 1: Effekt eines Anstiegs geopolitischen Risikos bei einem Handelspartner auf US- und Euroraum-Importe nach geopolitischen Blöcken
Abbildung 1: Effekt eines Anstiegs geopolitischen Risikos bei einem Handelspartner auf US- und Euroraum-Importe nach geopolitischen Blöcken
Abbildung 1: Effekt eines Anstiegs geopolitischen Risikos bei einem Handelspartner auf US- und Euroraum-Importe nach geopolitischen Blöcken

Der stärkere Effekt bei geopolitisch entfernten Ländern deutet darauf hin, dass die steigenden geopolitischen Spannungen der letzten Jahre die Fragmentierung des globalen Handels entlang geopolitischer Linien gefördert haben. Dazu passend reagieren Einfuhren aus Handelspartnerländern stärker auf dort anziehende geopolitische Risiken, wenn der Handel dieser Länder US-Sanktionen unterliegt. Diese Sanktionen scheinen Unternehmen im Euroraum und in den USA dazu zu bewegen, ihre Importrisiken entschlossener zu reduzieren.

China-bezogene Risiken sind von besonderer Bedeutung

China hat eine beträchtliche geopolitische Distanz zum Euroraum und den USA und stand in einigen Jahren unseres Beobachtungszeitraumes unter US-Sanktionen. Im Einklang damit zeigt sich, dass steigendes geopolitisches Risiko in China Euroraum- und US-Einfuhren von dort besonders belastet (s. Abbildung 2). Zudem hat die chinesische Wirtschaft ein hohes Gewicht in der Weltwirtschaft. Wir zeigen, dass steigende geopolitische Risiken in China wohl auch deshalb die globalen Ölpreise merklich dämpfen und zu einer Aufwertung des US-Dollar führen. Da chinesische Importe im Euroraum meist in US-Dollar fakturiert werden, steigen ihre Preise in Euro zusätzlich über diesen Wechselkurskanal.

Abbildung 2: Effekt eines Anstiegs geopolitschen Risikos in China auf US- und Euroraum-Importe aus China
Abbildung 2: Effekt eines Anstiegs geopolitschen Risikos in China auf US- und Euroraum-Importe aus China
Abbildung 2: Effekt eines Anstiegs geopolitschen Risikos in China auf US- und Euroraum-Importe aus China

Die Aufwertung des US-Dollar verteuert Importe aus vielen Drittländern für den Euroraum, wohingegen sie die Kaufkraft von US-Importeuren stärkt. Entsprechend zeigt sich, dass US-Importe aus Drittländern in Folge eines Anstiegs des geopolitischen Risikos in China steigen, während Euroraum-Importe aus Drittländern sinken (s. Abbildung 3). Dabei fallen erwartungsgemäß insbesondere Euroraum-Importe aus Ländern, die eng in chinesische Lieferketten eingebunden sind. In den USA profitieren hingegen Importe aus Ländern mit einer geringeren Verbindung zu chinesischen Lieferketten von der steigenden US-Kaufkraft.

Abbildung 3: Effekt eines Anstiegs geopolitischen Risikos in China auf US- und Euroraum-Importe aus Drittländern
Abbildung 3: Effekt eines Anstiegs geopolitischen Risikos in China auf US- und Euroraum-Importe aus Drittländern
Abbildung 3: Effekt eines Anstiegs geopolitischen Risikos in China auf US- und Euroraum-Importe aus Drittländern

Fazit

Steigende geopolitische Risiken bei Handelspartnern bremsen Einfuhren in den Euroraum und in die USA und dürften die Fragmentierung des Welthandels entlang geopolitischer Linien verstärken. Höheres geopolitisches Risiko in China hat besonders starke Effekte und führt im Euroraum, auch wegen der Aufwertung des US-Dollar, zu merklich höheren Importpreisen.

Literaturangaben

Caldara, D. und M. Iacoviello (2022), Measuring geopolitical risk, American Economic Review 112 (4), 1194–1225.

Gopinath, G., P.-O. Gourinchas, A. F. Presbitero und P. Topalova (2025), Changing global linkages: A new Cold War?, Journal of International Economics, Volume 153, 2025, 104042.

Khalil, M., D. Osten und F. Strobel (2025), Trade dynamics under geopolitical risk, Diskussionspapier der Deutschen Bundesbank, Nr. 03/2025.

Autoren

Makram Khalil

Deutsche Bundesbank, Zentralbereich Volkswirtschaft

David Osten

Johns-Hopkins-Universität in Baltimore, Maryland

Felix Strobel

Deutsche Bundesbank, Zentralbereich Volkswirtschaft

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