Zentralbankkommunikation gemäß KISS-Strategie kann Inflationserwartungen senken 75. Ausgabe – Mai 2025

Mathias Hoffmann, Emanuel Mönch, Lora Pavlova, Guido Schultefrankenfeld

75. Ausgabe – Mai 2025

Zentralbankkommunikation gemäß KISS-Strategie kann Inflationserwartungen senken

9.5.2025 — Mathias Hoffmann, Emanuel Mönch, Lora Pavlova, Guido Schultefrankenfeld

Um auf die sprunghaft gestiegenen Inflationsraten nach der Pandemie besser reagieren zu können, haben Zentralbanken als zusätzliches geldpolitisches Instrument verstärkt die Kommunikation über den Inflationsausblick genutzt. Im vorliegenden Beitrag werden neue umfragebasierte Ergebnisse vorgestellt, die darauf hindeuten, dass die EZB-Kommunikation ihrer Inflationsprojektionen die Inflationserwartungen der privaten Haushalte deutlich senken kann. Diese Effekte fallen insbesondere dann stark aus, wenn die Zentralbank gemäß einer KISS-Strategie (keep it sophisticatedly simple) einfach und verständlich kommuniziert.

Pressekonferenz der EZB in Frankfurt am Main
Christine Lagarde, Luis de Guindos und Wolfgang Proissl während einer Pressekonferenz der EZB in Frankfurt am Main – Quelle: Maria Rita Quitadamo / ECB
Christine Lagarde, Luis de Guindos und Wolfgang Proissl während einer Pressekonferenz der EZB in Frankfurt am MainPressekonferenz der EZB in Frankfurt am MainQuelle Maria Rita Quitadamo / ECB

Seit der Corona-Pandemie und dem Ausbruch des russischen Krieges gegen die Ukraine haben Zentralbanken weltweit damit zu kämpfen, hohe Inflationsraten einzudämmen. Liegen die Teuerungsraten über längere Zeit deutlich über dem Inflationsziel der Zentralbank, besteht die Gefahr einer Entankerung der Inflationserwartungen. Dies könnte Preis- und Lohnsetzungsprozesse in der Wirtschaft beeinträchtigen und unerwünschte Folgen für die Preisstabilität mit sich bringen. Um solche Effekte zu verhindern, informieren die Zentralbanken die Wirtschaftsakteure vermehrt über ihre Inflationsprojektionen.

Um die Wirkung der Zentralbankkommunikation auf die Inflationserwartungen privater Haushalte zu analysieren, führten wir zwei Experimente mit insgesamt rund 10.000 Teilnehmern im März und Oktober 2022 im Rahmen des Bundesbank Online Panels – Haushalte (BOP-HH) durch, siehe Hoffmann et al. (2025). Zu dieser Zeit stiegen die Inflationsraten kräftig an. Den Teilnehmenden wurden numerische, verbale und visuelle Mitteilungen der EZB zu den Inflationsaussichten an die Hand gegeben. Es wurde beurteilt, durch welche Art der Zentralbankkommunikation die Inflationserwartungen am wirksamsten in Richtung des Inflationsziels der EZB gelenkt werden können. Festzustellen ist, dass „Worte mächtiger sind als Zahlen“. Eine qualitative, verbale Erklärung ist anscheinend allgemein besser zu verstehen als eine numerische Darstellung des Inflationsausblicks. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ scheint allerdings ebenfalls zu gelten, denn die privaten Haushalte passen ihre Erwartungen dann am stärksten an, wenn sie eine vereinfachte bildliche Darstellung des projizierten Inflationsverlaufs gezeigt bekommen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse schlagen wir vor, dass die Zentralbanken bei ihrer Kommunikation mit der breiten Öffentlichkeit die KISS-Strategie anwenden sollten.

Umfrageergebnisse

Im Rahmen unserer Studie wurden die Umfrageteilnehmer nach dem Zufallsprinzip verschiedenen Gruppen zugeordnet. Jede dieser Umfragegruppen erhielt eine spezifische Art der EZB-Kommunikation zu den aktuellen Inflationsaussichten. Dies waren kurze Texte, Auszüge aus Presseinterviews oder Teile von Reden. Beispielsweise erhielt eine Gruppe einen Text, in dem die Inflationsprojektionen für die nächsten Jahre anhand von Zahlen dargestellt waren. Einer anderen Gruppe wurde ein Auszug eines Presseinterviews an die Hand gegeben. Darin erläutert ein Funktionsträger der EZB den erwarteten Inflationspfad ausschließlich auf qualitative Weise. In der Umfragerunde vom Oktober wurde einigen Befragten auch eine Grafik vorgelegt, die die aktuellen Inflationsprojektionen der EZB abbildet. Eine weitere Gruppe, die sogenannte Kontrollgruppe, erhielt keinerlei weiterführende Mitteilungen der Zentralbank.

Nachdem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die ihnen zugedachten Informationen erhalten hatten, wurden alle Gruppen einschließlich der Kontrollgruppe befragt. Dabei wurden die kurz‑, mittel- und längerfristigen Inflationserwartungen erhoben und anschließend über die verschiedenen Gruppen hinweg miteinander verglichen.

Zentralbankkommunikation steuert die Inflationserwartungen

Insgesamt kommen wir zu dem Schluss, dass es der Zentralbankkommunikation gut gelingt, die Inflationserwartungen der privaten Haushalte in Richtung des Inflationsziels zu lenken. 

In Abbildung 1 zeigt die weiße horizontale Linie die durchschnittlich erwartete Inflation der Kontrollgruppe im März 2022 für zwei bis drei Jahre im Voraus. In Abbildung 2 bildet diese die erwartete Inflation im Oktober 2022 ab. Die türkisen und roten Balken repräsentieren die Reduktion der Inflationserwartungen aufgrund unterschiedlicher Formen der Zentralbankkommunikation. 

Aus beiden Abbildungen lässt sich schlussfolgern, dass Zentralbankinformation über den Inflationsausblick dazu führt, dass die Haushalte ihre überhöhten erwarteten Inflationsraten in Richtung des Inflationsziels anpassen. Für beide Befragungszeiträume stellen wir jedoch unterschiedliche Wirksamkeiten der verschiedenen Kommunikationsformen fest.

Abbildung 1: Ausgewählte Informationseffekte die für mittlere Frist, März 2022 (BOP-HH Welle 27)
Abbildung 1: Ausgewählte Informationseffekte die für mittlere Frist, März 2022 (BOP-HH Welle 27)
Abbildung 1: Ausgewählte Informationseffekte die für mittlere Frist, März 2022 (BOP-HH Welle 27)

Worte sind mächtiger als Zahlen

Im März 2022 war der Euroraum mit einer neuen Situation konfrontiert: Die ohnehin schon über dem Inflationsziel der EZB von zwei Prozent liegenden Inflationsraten stiegen weiter auf ein bis dahin im Euroraum nicht gekanntes Niveau an. Abbildung 1 zeigt, dass die Inflationserwartungen nur moderat reagieren, wenn die Inflationsaussichten anhand von Zahlen kommuniziert werden (türkiser Balken, Abbildung 1). Wird die Inflationsprognose jedoch auf verbale, qualitative und nichttechnische Weise beschrieben und werden dabei positive Formulierungen verwendet, gelingt es, die Inflationserwartungen der privaten Haushalte deutlicher zu verringern (roter Balken, Abbildung 1). Wir kommen daher zu dem Schluss, dass im Untersuchungszeitraum „Worte mächtiger sind als Zahlen“. 

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Die Inflationsraten stiegen im Jahresverlauf weiter an und die privaten Haushalte waren im Oktober 2022 mit Inflationsraten von über 10 Prozent konfrontiert. Aus den Daten dieser Befragungsrunde können wir jedoch erneut schließen, dass eine positiv formulierte, Entschlossenheit signalisierende Kommunikation ohne numerische Detailangaben zu deutlich niedrigeren Inflationserwartungen führt (türkiser Balken, Abbildung 2). Wir beobachten jedoch auch, dass sich die Hauptbotschaft der projizierten Rückkehr der Inflation zum Zielwert noch besser vermitteln lässt, wenn sie in einfacher, visueller Form dargestellt wird. Speziell die erwartete Inflationsrate für die mittlere Frist lässt sich so stärker beeinflussen als mittels einer verbalen Kommunikation (roter Balken, Abbildung 2). Demzufolge scheint eine Grafik mindestens ebenso wirkmächtig zu sein, wie die in einer Pressemitteilung oder Rede verwendeten Worte. Aus diesem Grund greifen wir auf ein bewährtes Sprichwort zurück und kommen zu dem Schluss, dass „ein Bild mehr sagt als tausend Worte“.

Abbildung 2: Ausgewählte Informationseffekte die für mittlere Frist, Oktober 2022 (BOP-HH Welle 34)
Abbildung 2: Ausgewählte Informationseffekte die für mittlere Frist, Oktober 2022 (BOP-HH Welle 34)
Abbildung 2: Ausgewählte Informationseffekte die für mittlere Frist, Oktober 2022 (BOP-HH Welle 34)

Schlussfolgerung

In dieser Studie haben wir neue umfragebasierte Belege dafür vorgestellt, dass die Inflationserwartungen stärker gesenkt werden können, wenn bestimmte Kommunikationsformen anstelle anderer Formen verwendet werden. Unseren Ergebnissen nach gilt hierbei, dass „Worte mächtiger sind als Zahlen“, aber „ein Bild mehr sagt als tausend Worte“. Strebt eine Zentralbank an, mit ihrer Kommunikation ein möglichst breites und diverses Publikum zu erreichen, dann gelingt dies am besten mithilfe von verständlichen Grafiken und positiv formulierten, nichttechnischen und nachvollziehbaren verbalen Erläuterungen. Weitere Experimente, bei denen verschiedene, aber nur geringfügig variierte Kommunikationsformen miteinander verglichen werden, dürften sich als nützlich erweisen, um den Einfluss einzelner Faktoren klar herauszuarbeiten. Um das Zielpublikum in seiner Gesamtheit erfolgreich erreichen zu können, sind die Zentralbanken dennoch bereits heute gut beraten, eine KISS-Strategie zu verfolgen, und ihre Mitteilungen auf einfache und verständliche Weise zu gestalten.

Literaturangaben

Hoffmann, M., E. Moench, L. Pavlova und G. Schultefrankenfeld, A KISS for central bank communication in times of high inflation , CEPR Disussion Paper 2025.

Autoren

Mathias Hoffmann

Deutsche Bundesbank, Forschungszentrum

Emanuel Mönch

Frankfurt School of Finance, Financial and Monetary Economics

Lora Pavlova

ZEW Mannheim

Guido Schultefrankenfeld

Deutsche Bundesbank, Forschungszentrum

Haftungsausschluss

Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.

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