Deglobalisierungsschocks, grenzüberschreitende Kreditströme und positive Effekte von internen Kapitalmärkten am Beispiel des Brexit-Referendums 76. Ausgabe – Juni 2025

Björn Imbierowicz, Arne Nagengast, Esteban Prieto, Ursula Vogel

76. Ausgabe – Juni 2025

Deglobalisierungsschocks, grenzüberschreitende Kreditströme und positive Effekte von internen Kapitalmärkten am Beispiel des Brexit-Referendums

3.6.2025 — Björn Imbierowicz, Arne Nagengast, Esteban Prieto, Ursula Vogel

Mit dem Ausgang des Brexit-Referendums im Juni 2016 erhöhte sich abrupt die politische und ökonomische Unsicherheit. In einer neuen Studie zeigen wir, dass deutsche Banken ihre Kreditvergabe an Unternehmen im Vereinigten Königreich (UK) in Folge des Referendums verringerten. Durch den Kreditangebotsschock sanken Beschäftigung und Investitionen dieser Firmen. Dabei konnten multinationale Unternehmen im UK diesen Rückgang der externen Kredite durch ihre internationalen Strukturen abfedern, indem sie interne Kapitalmärkte stärker nutzten. Unsere Studie zeigt zum einen, dass der Ausgang des Brexit-Referendums die Wirtschaft im UK auch über indirekte Kanäle belastete. Zum anderen hebt sie die Rolle multinationaler Unternehmen hervor, welche die Folgen besser verkraften konnten.

UK-Flagge und EU-Flagge
UK-Flagge und EU-Flagge – Quelle: John Lamb
UK-Flagge und EU-Flagge Quelle John Lamb

Nach der globalen Finanzkrise 2007 bis 2009 hatte das Tempo der Globalisierung abgenommen. Protektionistische Tendenzen und geopolitische Spannungen nahmen in den letzten Jahren zu (Caldara und Iacoviello, 2022). Ereignisse wie der Brexit oder der Handelskonflikt zwischen den USA und China während der ersten Präsidentschaft Donald Trumps führten zu einer verstärkten Unsicherheit und möglichen Marktfragmentierungen. Deglobalisierungsschocks, wie der Ausgang des Brexit-Referendums, werfen neue Fragen zur wirtschaftlichen Resilienz auf, nicht zuletzt inwieweit externe sowie unternehmensinterne internationale Kapitalmärkte solche Shocks verstärken oder abmildern. Diese Fragen stellen sich umso drängender angesichts des handelspolitischen Kurses der neuen US-Regierung, der jüngst im Zuge dessen ergriffenen Maßnahmen und Gegenmaßnahmen und der davon ausgelösten Verwerfungen.

Auswirkungen des Brexit-Referendum-Schocks auf die Kreditvergabe von Banken an Unternehmen im Vereinigten Königreich

In einer neuen Studie (Imbierowicz, Nagengast, Prieto und Vogel, 2025) zeigen wir, dass deutsche Banken das Volumen ihrer Kredite an Unternehmen im Vereinigten Königreich in Folge des Brexit-Referendums um durchschnittlich 20 Prozent minderten. Dieser Effekt trat unmittelbar nach dem Referendum (und damit vor dem eigentlichen Austritt aus der EU) ein. Die Ergebnisse basieren auf einem Differenz-von-Differenzen-Ansatz mit einzigartigen Mikrodaten der Deutschen Bundesbank zu grenzüberschreitender Bankkreditvergabe und interner Konzernfinanzierung. Wir fokussieren uns in unseren Analysen auf das Kreditangebot und interpretieren diesen Rückgang als negativen Kreditangebotsschock. In weiteren Analysen zeigt sich, dass gut kapitalisierte und solide Banken ihre Kredite an Unternehmen im Vereinigten Königreich deutlich stärker reduzierten. Dieses Verhalten dürfte Umsicht und ein stabiles Risikomanagement widerspiegeln. Zudem litten weniger profitable Unternehmen besonders: Sie erhielten weniger neue Kredite und konnten bestehende Kreditlinien seltener verlängern.

Interne Kapitalmärkte stabilisieren Unternehmen in Krisenzeiten

In einem weiteren Schritt analysieren wir die Bedeutung interner Kapitalmärkte von multinationalen Unternehmen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Unternehmenseinheiten außerhalb des Vereinigten Königreichs eine Schlüsselrolle spielten: Sie mobilisierten externe Finanzmittel und leiteten diese innerhalb des Unternehmensverbunds an ihre Schwestergesellschaften im Vereinigten Königreich weiter. Vermutlich stand dahinter ein höheres Eigeninteresse, ihre Investitionen zu schützen, als es externe Kapitalgeber, wie Banken, haben. Interne Kapitalmärkte bieten somit finanzielle Flexibilität und Stabilität in Krisensituationen. Dies wird auch bei der Betrachtung der unterschiedlichen realwirtschaftlichen Auswirkungen des Bankkreditangebotsschocks deutlich. Unternehmen im Vereinigten Königreich, die zu größeren und regional diversifizierten Konzernen gehören, konnten den Rückgang externer Kredite nahezu vollständig kompensieren. Sie haben ihre Investitions- und Beschäftigungsniveaus stabil halten. Im Gegensatz dazu hatten Unternehmen kleinerer Konzerne Schwierigkeiten, Finanzierungsengpässe auszugleichen. Die Ergebnisse zeigen, dass interne Kapitalmärkte ein wichtiger Puffer gegen realwirtschaftliche Schäden durch externe Finanzierungsengpässe sind.

Nach einem Deglobalisierungsschock passen Banken ihre Kreditvergabe an und bevorzugen vertraute Kreditnehmer

Zudem zeigen wir in unserer Studie, dass sich der Brexit-Referendums-Schock nicht nur auf Unternehmen im UK auswirkte. Er beeinflusste auch das generelle Kreditvergabeverhalten gegenüber Unternehmen. Deutsche Banken, die stark gegenüber Kreditnehmern im Vereinigten Königreich exponiert waren, reduzierten nach dem Brexit-Referendum auch ihre Kredite an Unternehmen außerhalb des Vereinigten Königreichs. Dies geschah jedoch weniger stark bei Kreditnehmern, die Teil deutscher Konzerne sind. Dies verdeutlicht, dass Banken in unsicheren Zeiten Vertrautheit stärker gewichten und ihre Risiken gezielt umschichten. Während die Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen im Vereinigten Königreich nicht signifikant stieg, zeigten Banken dennoch eine Tendenz, Kreditbeziehungen zu Unternehmen im Vereinigten Königreich häufiger zu beenden. Ferner vergaben sie nach dem Brexit-Referendum generell weniger und kleinere Kredite. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass nicht konkrete Risiken, sondern die Unsicherheit über die weitere Entwicklung im Vereinigten Königreich und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen die Anpassungen in der Kreditvergabe vorantrieben.

Fazit

Unterm Strich zeigt sich, dass Deglobalisierungsschocks grenzüberschreitende Kreditströme erheblich beeinflussen. Das Brexit-Referendum führte unmittelbar zu einer Kreditverknappung für Unternehmen im Vereinigten Königreich. Multinationale Konzerne konnten im UK die schwächere Bankkreditvergabe jedoch durch interne Kapitalmärkte vorerst abfedern. Dabei konzentriert sich unsere Analyse auf die kurzfristigen Effekte unmittelbar nach dem Referendum, nicht jedoch auf die langfristigen Folgen des tatsächlichen Brexits. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass internationale Integration die negativen Effekte von Deglobalisierung durch bankseitige internationale Finanzfriktionen verstärken kann. Zudem kann sie die negativen Effekte aber auch durch unternehmensseitige interne Kapitalmärkte abmildern. Folglich hat eine stärkere realwirtschaftliche Integration positive Auswirkungen und schafft Resilienz. Gleichzeitig zeigen unsere Ergebnisse, dass Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen eine Schlüsselrolle bei den Anpassungen von Banken und Unternehmen spielt.

Literaturangaben

Caldara, D., und M. Iacoviello (2022). Measuring Geopolitical Risk. American Economic Review 112: 1194-1225.

Imbierowicz, B., Nagengast, A., Prieto, E. und U. Vogel (2025). Bank lending and firm internal capital markets following a deglobalization shock . Bundesbank Discussion Paper No. 05/2025.

Autoren

Björn Imbierowicz

Deutsche Bundesbank, Forschungszentrum

Arne Nagengast

Deutsche Bundesbank, Zentralbereich Volkswirtschaft

Esteban Prieto

Deutsche Bundesbank, Zentralbereich Finanzstabilität

Ursula Vogel

Deutsche Bundesbank, Zentralbereich Finanzstabilität

Haftungsausschluss

Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.

Hat Ihnen diese Seite geholfen?