Geldpolitischer Kurs zentral für Wechselkursentwicklung 76. Ausgabe – Juni 2025

Sören Karau

76. Ausgabe – Juni 2025

Geldpolitischer Kurs zentral für Wechselkursentwicklung

2.7.2025 — Sören Karau

Wie wirkt die Geldpolitik auf den Wechselkurs? Wegen der mittelbaren Auswirkungen des Wechselkurses auf die Inflation ist diese Frage für Zentralbanken von großer Bedeutung. Sie ist deshalb in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur umfangreich untersucht worden. Dennoch besteht keine Einigkeit darüber, wie geldpolitische Impulse sich im Zeitablauf auswirken und wie wichtig sie insgesamt für den Wechselkursverlauf sind. Eine kürzlich erschienene Studie kommt zu neuen Erkenntnissen: Geldpolitische Impulse entfalten ihren vollen Einfluss ohne Zeitverzögerung und könnten wichtiger für den Wechselkurs sein als bisher gedacht.

Euro-Banknoten mit Dollar
Euro-Banknoten mit Dollar – Quelle: Pixabay.com
Euro-Banknoten mit DollarQuelle Pixabay.com

Der Euro verlor Ende 2024 gegenüber dem US-Dollar merklich an Wert. Oftmals verwiesen Beobachter dabei auf die unterschiedliche Geldpolitik der Federal Reserve (Fed) auf der einen und des Eurosystems auf der anderen Seite: Während zu dieser Zeit für den Euroraum im Jahresverlauf 2025 sinkende Leitzinsen erwartet wurden, würde die Fed den Zinssatz in den USA den Erwartungen zufolge wohl kaum senken. Weil höhere Zinsen Kapital anziehen, sollte die erwartete Zinsdifferenz die Nachfrage nach US-Dollar stärken und den Euro entsprechend schwächen.

Lässt sich damit schlussfolgern, dass die divergierende Geldpolitik der eigentliche Grund ist, aus dem der Euro abgewertet hat? Nicht unbedingt – schließlich entscheiden Zentralbanken nicht willkürlich über ihren jeweiligen geldpolitischen Kurs. Stattdessen reagieren sie auf die Entwicklung der Realwirtschaft und der Inflation. Wenn also weithin sinkende Zinsen im Euroraum erwartet werden, liegt das auch daran, dass Marktteilnehmer dort mit weniger wirtschaftlicher Dynamik und Preisdruck rechnen als in den USA. Außerdem sollte eine dynamischere US-Wirtschaft für Anleger attraktiver werden, so zu einer relativ höheren Nachfrage nach US-Dollar führen und die amerikanische Währung damit stärken. So gesehen wäre also nicht die divergierende Geldpolitik der eigentliche Grund für die Wechselkursentwicklung, sondern die auseinanderlaufende Wirtschaftsentwicklung, auf die die Geldpolitik nur reagiert. Es ist also nicht ohne weiteres möglich, den kausalen Einfluss der Geldpolitik auf Wechselkursveränderungen zu bestimmen.

Eine neue Studie (Karau, 2024) untersucht den Einfluss, den exogene geldpolitische Maßnahmen – unabhängig von anderen ökonomischen Triebkräften – auf den Wechselkurs haben. Im Unterschied zu bestehenden Analysen werden geldpolitische Veränderungen dabei möglichst umfassend berücksichtigt – sowohl mit Blick auf deren Implementierung als auch bezüglich potenzieller Transmissionskanäle.

Kausaler Einfluss der Geldpolitik gemessen an Wechselkursreaktionen auf Zentralbankankündigungen

Die neuere Forschung über die kausalen Effekte der Geldpolitik misst, wie Finanzmarktpreise auf geldpolitische Ankündigungen reagieren. Wenn in engen Zeitfenstern um die Ankündigung herum keine anderen wichtigen Informationen veröffentlicht werden, geht man davon aus, dass ausschließlich die mit der Ankündigung verbundene geldpolitische Neuigkeit für beobachtete Kursveränderungen verantwortlich ist. Ein deutlicher Anstieg der Geldmarktzinsen unmittelbar nach einer geldpolitischen Ankündigung etwa wäre ein Maß für einen unabhängigen geldpolitischen Impuls, das in der Literatur häufig genutzt wird (Rüth, 2020).

Aus mehreren Gründen könnte der Blick auf Geldmarktzinsen allein die Bedeutung der Geldpolitik für den Wechselkurs aber unterschätzen. Erstens hat sich deren Implementierung verändert. So haben viele Zentralbanken seit der Weltfinanzkrise 2008 unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen ergriffen. Weil diese oft über Veränderungen der längerfristigen Renditen wirken, würden diese Reaktionen von Veränderungen der Geldmarktzinsen nicht erfasst. Ein zweiter Punkt betrifft die Transmissionskanäle. So ist belegt, dass Zentralbanken – ganz unabhängig von der Renditelaufzeit – auch über den Zinskanal hinaus bedeutende Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben, beispielsweise über die Bereitschaft von Finanzmarktteilnehmern, Risiken einzugehen (Kroencke et al., 2021). Und drittens erschöpfen sich bestehende Analysen in der Regel darin, geldpolitische Veränderungen nur einer Zentralbank zu berücksichtigen. Weil der Wechselkurs der Relativpreis zweier Währungen ist, sollten jedoch Veränderungen des relativen geldpolitischen Kurses für den Relativpreis ausschlaggebend sein und gleichzeitig modelliert werden.

Aus diesen Gründen verwendet die hier vorgestellte Studie als Maß für einen relativen geldpolitischen Impuls die unmittelbaren Reaktionen des Wechselkurses auf Ankündigungen der beiden beteiligten Zentralbanken – also etwa die Veränderungen des Euro-US-Dollar-Kurses auf jeweilige Ankündigungen der Fed und des Eurosystems. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass alle wechselkursrelevanten geldpolitischen Veränderungen vollständig erfasst werden. Im Einklang mit der neueren Literatur wird dieses Maß dann als Instrumentenvariable in einem strukturellen vektorautoregressiven (VAR) Modell verwendet (Stock & Watson, 2018). Dies ermöglicht es, die Analyse zeitlich auszudehnen: Statt sie auf die engen Zeitfenster um Zentralbankankündigungen zu begrenzen, kann der Einfluss geldpolitischer Impulse („Schocks“) im Zeitablauf über Wochen und Monate berechnet und deren Bedeutung quantifiziert werden.

Geldpolitische Impulse entfalten ihre volle Wirkung auf Wechselkurse sofort

Abbildung 1 zeigt, wie einige der Modellvariablen auf einen relativen geldpolitischen Schock reagieren, der den Euro um 1 Prozent relativ zum US-Dollar aufwerten lässt. Es handelt sich bei dem Schock also um eine Verschärfung des geldpolitischen Kurses des Eurosystems im Vergleich zu dem der Fed. Im Einklang mit theoretischen Vorhersagen gehen mit einiger Verzögerung verglichen mit den USA die wirtschaftliche Aktivität und das Preisniveau im Euroraum zurück.

Abbildung 1: Impuls-Antworten auf einen relativen geldpolitischen Schock im monatlichen VAR-Modell
Abbildung 1: Impuls-Antworten auf einen relativen geldpolitischen Schock im monatlichen VAR-Modell

Die Wechselkursreaktion zeigt keinerlei Anzeichen einer verzögerten Reaktion. Dies entspricht in der Tat den theoretischen Vorhersagen klassischer Wechselkursmodelle. Demnach sollte eine Währung nach einem restriktiven geldpolitischen Schock unmittelbar sprunghaft auf- und dann im Zeitablauf graduell wieder abwerten. Demgegenüber kommen die meisten empirischen Studien zu dem Ergebnis, dass der Wechselkurs zumindest etwas verzögert reagiert, was heißt, dass sich der Höhepunkt des Effekts erst nach einigen Monaten oder sogar Jahren einstellt (zum Beispiel Eichenbaum & Evans, 1995; Rüth, 2020). Eine Erklärung für diese Unterschiede könnte sein, dass exogene Veränderungen der Geldpolitik bisher nicht hinreichend erfasst wurden.

Abbildung 2: Prognosefehler-Varianzzerlegung im monatlichen VAR-Modell
Abbildung 2: Prognosefehler-Varianzzerlegung im monatlichen VAR-Modell

Veränderungen des relativen geldpolitischen Kurses verantwortlich für einen großen Teil der Wechselkursentwicklung

Abbildung 2 zeigt, welchen Anteil der unerwarteten Variation des Wechselkurses und der Wirtschaftsentwicklung der geldpolitische Schock im Zeitablauf erklären kann. Ebenfalls im Unterschied zu vielen empirischen Studien ist dem Modell zufolge die Bedeutung der Geldpolitik für den Wechselkurs hoch: Unmittelbar nach Auftreten des geldpolitischen Schocks erklärt er gut zwei Drittel der Wechselkursvariation und ist auch über längere Zeiträume wichtig. Dafür, wie sich Wirtschaftsaktivität und Preise in den beiden Währungsräumen zueinander entwickeln, spielen exogene Veränderungen des relativen geldpolitischen Kurses hingegen eine deutlich geringere Rolle.

Fazit

Obwohl der Wechselkurs keine geldpolitische Zielgröße ist, hat er doch mittelbare Auswirkungen auf die Inflation. Deshalb ist es für Zentralbanken wichtig zu verstehen, wie die Geldpolitik auf Wechselkurse wirkt. Werden geldpolitische Impulse mithilfe hochfrequenter Daten umfassender als bisher abgebildet, zeigt sich, dass Wechselkurse ohne ein verzögertes Überschießen reagieren. Auch scheint der geldpolitische Kurs insgesamt für die Wechselkursentwicklung wichtiger zu sein, als in der Literatur bisher dokumentiert worden ist. 

Literaturangaben

Eichenbaum, M. und Evans, C. L. (1995). Some Empirical Evidence on the Effects of Shocks to Monetary Policy on Exchange Rates . The Quarterly Journal of Economics, 110(4):975‑1009.

Karau, S. (2024). Relative Monetary Policy and Exchange Rates . Bundesbank Discussion Paper No 40/2024.

Kroencke, T. A., Schmeling, M., und Schrimpf, A. (2021). The FOMC Risk Shift . Journal of Monetary Economics, 120:21‑39.

Rüth, S. K. (2020). Shifts in monetary policy and exchange rate dynamics: Is Dornbusch’s overshooting hypothesis intact, after all? Journal of International Economics, 126:103344.

Stock, J. H. und Watson, M. W. (2018). Identification and Estimation of Dynamic Causal Effects in Macroeconomics Using External Instruments . Economic Journal, 128(610):917‑948.

Autoren

Sören Karau

Deutsche Bundesbank, Directorate General Economics

Haftungsausschluss

Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.

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