Kausaler Einfluss der Geldpolitik gemessen an Wechselkursreaktionen auf Zentralbankankündigungen
Die neuere Forschung über die kausalen Effekte der Geldpolitik misst, wie Finanzmarktpreise auf geldpolitische Ankündigungen reagieren. Wenn in engen Zeitfenstern um die Ankündigung herum keine anderen wichtigen Informationen veröffentlicht werden, geht man davon aus, dass ausschließlich die mit der Ankündigung verbundene geldpolitische Neuigkeit für beobachtete Kursveränderungen verantwortlich ist. Ein deutlicher Anstieg der Geldmarktzinsen unmittelbar nach einer geldpolitischen Ankündigung etwa wäre ein Maß für einen unabhängigen geldpolitischen Impuls, das in der Literatur häufig genutzt wird (Rüth, 2020).
Aus mehreren Gründen könnte der Blick auf Geldmarktzinsen allein die Bedeutung der Geldpolitik für den Wechselkurs aber unterschätzen. Erstens hat sich deren Implementierung verändert. So haben viele Zentralbanken seit der Weltfinanzkrise 2008 unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen ergriffen. Weil diese oft über Veränderungen der längerfristigen Renditen wirken, würden diese Reaktionen von Veränderungen der Geldmarktzinsen nicht erfasst. Ein zweiter Punkt betrifft die Transmissionskanäle. So ist belegt, dass Zentralbanken – ganz unabhängig von der Renditelaufzeit – auch über den Zinskanal hinaus bedeutende Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben, beispielsweise über die Bereitschaft von Finanzmarktteilnehmern, Risiken einzugehen (Kroencke et al., 2021). Und drittens erschöpfen sich bestehende Analysen in der Regel darin, geldpolitische Veränderungen nur einer Zentralbank zu berücksichtigen. Weil der Wechselkurs der Relativpreis zweier Währungen ist, sollten jedoch Veränderungen des relativen geldpolitischen Kurses für den Relativpreis ausschlaggebend sein und gleichzeitig modelliert werden.
Aus diesen Gründen verwendet die hier vorgestellte Studie als Maß für einen relativen geldpolitischen Impuls die unmittelbaren Reaktionen des Wechselkurses auf Ankündigungen der beiden beteiligten Zentralbanken – also etwa die Veränderungen des Euro-US-Dollar-Kurses auf jeweilige Ankündigungen der Fed und des Eurosystems. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass alle wechselkursrelevanten geldpolitischen Veränderungen vollständig erfasst werden. Im Einklang mit der neueren Literatur wird dieses Maß dann als Instrumentenvariable in einem strukturellen vektorautoregressiven (VAR) Modell verwendet (Stock & Watson, 2018). Dies ermöglicht es, die Analyse zeitlich auszudehnen: Statt sie auf die engen Zeitfenster um Zentralbankankündigungen zu begrenzen, kann der Einfluss geldpolitischer Impulse („Schocks“) im Zeitablauf über Wochen und Monate berechnet und deren Bedeutung quantifiziert werden.