Gewährung von Zentralbankkrediten gegen Sicherheiten von geringerer Bonität kann Bedingungen am Geldmarkt verbessern 78. Ausgabe – August 2025

Stefan Greppmair, Karol Paludkiewicz, Sascha Steffen

78. Ausgabe – August 2025

Gewährung von Zentralbankkrediten gegen Sicherheiten von geringerer Bonität kann Bedingungen am Geldmarkt verbessern

18.8.2025 — Stefan Greppmair, Karol Paludkiewicz, Sascha Steffen

Wird für die Refinanzierung über Zentralbankkredite ein breiteres Spektrum an Sicherheiten zugelassen, besteht für Banken ein Anreiz, anstelle von Staatsanleihen vormals nicht notenbankfähige Vermögenswerte von geringerer Bonität als Sicherheit zu wählen. Banken könnten dann leichter Staatsanleihen als Sicherheit in privatwirtschaftlichen Repogeschäften nutzen und so dazu beitragen, eine dortige Knappheit von Vermögenswerten zu mindern. Diese Hypothese wird in einer neuen Studie (Greppmair, Paludkiewicz, Steffen, 2024) untersucht. 

Die EZB in Frankfurt am Main
Die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main – Quelle: Norman Kriese / EZB
Die Europäische Zentralbank in Frankfurt am MainDie EZB in Frankfurt am MainQuelle Norman Kriese / EZB

Sicherheitenpolitik kann sich auf die Bedingungen am Geldmarkt auswirken

Das von Walter Bagehot formulierte Prinzip (Bagehot, 1873) besagt, dass Zentralbanken nur gegen angemessene Sicherheiten und nur zu einem angemessenen Preis Kredite an Geschäftsbanken vergeben sollten. Hierin spiegelt sich das Hauptziel der Sicherheitenpolitik wider: der Schutz der Zentralbanken vor Verlusten. Die Sicherheitenpolitik kann jedoch einen nicht unbedeutenden Effekt auf Finanzmarktaktivitäten haben, sobald die Bilanz einer Zentralbank eine beträchtliche Größe erreicht hat. Bei der Wahl eines bestimmten Sicherheitenrahmens befindet sich die Zentralbank dann unter anderem in folgendem Zielkonflikt: Geht es ihr vor allem darum, operative Verluste zu begrenzen, könnte die Kreditvergabe gegen Sicherheiten von hoher Bonität der optimale Weg sein. Wenn auf diese Weise jedoch größere Mengen an hochwertigen Sicherheiten bei der Zentralbank gebunden werden, stehen diese Wertpapiere nicht mehr als Sicherheiten für privatwirtschaftliche Verträge zur Verfügung. Die Funktionsfähigkeit dieser Märkte kann hierdurch beeinträchtigt werden, beispielsweise, wenn sichere Vermögenswerte zunehmend knapp werden. Berücksichtigt eine Zentralbank den Effekt ihrer Sicherheitenpolitik auf die privaten Märkte, könnte es in einem solchen stilisierten Rahmen eine optimale Lösung sein, Kredite auch gegen Sicherheiten von geringerer Bonität ggf. zu risikoadäquaten Bewertungsabschlägen (höhere Haircuts) zu gewähren (Choi, Santos, Yorulmazer, 2021). 

Vorübergehende Lockerung des Sicherheitenrahmens des Eurosystems als natürliches Experiment

Eine neue Studie (Greppmair, Paludkiewicz, Steffen, 2024) liefert empirische Evidenz für den beschriebenen Zusammenhang zwischen der Sicherheitenpolitik von Zentralbanken und den privaten Märkten für Sicherheiten. Sie nutzt die vorübergehende Lockerung des Sicherheitenrahmens des Eurosystems als natürliches Experiment. Für die Refinanzierung über die Zentralbank sind im Eurosystem sowohl marktfähige Sicherheiten wie Staats- und Unternehmensanleihen als auch nicht marktfähige Sicherheiten wie Kreditforderungen zugelassen. Abbildung 1 zeigt die Zusammensetzung des Sicherheitenpools des Eurosystems. Kreditforderungen (roter Balken) stellen demnach die größte Gruppe von Sicherheiten dar, gefolgt von gedeckten Schuldverschreibungen (blauer Balken) und Staatsanleihen (brauner Balken). Des Weiteren wird ersichtlich, dass sich der Anteil der Kreditforderungen im Zeitverlauf erhöht hat, insbesondere seit April 2020, als aufgrund der Corona-Pandemie der Sicherheitenrahmen für zusätzliche Kreditforderungen (additional credit claims – ACCs) vorübergehend erweitert wurde. Diese zusätzlichen Kreditforderungen erfüllen nicht alle der im allgemeinen Sicherheitenrahmen festgelegten Zulassungskriterien.

Abbildung 1: Verwendete Sicherheiten für Refinanzierungsgeschäfte mit dem Eurosystem
Abbildung 1: Verwendete Sicherheiten für Refinanzierungsgeschäfte mit dem Eurosystem

Die hier betrachtete Konstellation unterscheidet sich in einigen Punkten von dem eingangs skizzierten stilisierten Rahmen. So gingen Knappheiten bei bestimmten Sicherheiten auf die umfangreichen Anleihekäufe zurück, die das Eurosystem ab dem Jahr 2015 durchgeführt hatte, um einen zusätzlichen geldpolitischen Impuls an der Zinsuntergrenze zu setzen und den Folgen der Pandemie entgegenzuwirken. Im Gegenzug nahm die Überschussliquidität stark zu. Zudem stellte das Eurosystem knappe Papiere im Zuge der Wertpapierleihe dem Markt wieder zur Verfügung. Dennoch erlaubt die vorübergehende Lockerung des Sicherheitenrahmens wichtige Erkenntnisse über Auswirkungen auf die Geldmärkte.

Um festzustellen, ob sich ein umfassenderer Sicherheitenrahmen tatsächlich auf das Besicherungs- und Wertpapierleihverhalten der Banken auswirken kann, machen wir uns den Umstand zunutze, dass einige Banken keine Kreditforderungen als notenbankfähige Sicherheiten hinterlegen. Die Entscheidung gegen die Verwendung von Kreditforderungen hängt möglicherweise mit den damit verbundenen Kosten und Hürden zusammen (wie etwa erweiterte Dokumentationspflichten; rechtliche Beschränkungen bei der Mobilisierung von Kreditforderungen; fehlende Standards und die begrenzte Verfügbarkeit von Ratings). Im hier verwendeten Differenz-von-Differenzen-Ansatz bilden diese Banken daher die Kontrollgruppe, deren Verhalten von der Erweiterung des ACC-Rahmens nicht beeinflusst werden dürfte. Zur Versuchsgruppe gehören hingegen Banken mit einem gemischten Sicherheitenpool, die sowohl marktfähige als auch nicht marktfähige notenbankfähige Sicherheiten verwenden. Im Idealfall würde sich die Modifizierung des ACC-Rahmens ausschließlich auf die letztgenannte Gruppe auswirken. 

Durch die Erweiterung des Sicherheitenrahmens verändert sich die Zusammensetzung der Sicherheitenpools bestimmter Banken ...

Aus Abbildung 2 geht hervor, wie sich die Veränderung des Sicherheitenpools der Versuchs- und der Kontrollgruppe, aufgegliedert nach Sicherheiten, in den drei Monaten vor und den drei Monaten nach der Erweiterung des ACC-Rahmens verändert. Sie zeigt, dass Banken mit einem gemischten Sicherheitenpool (rechte Grafik) nach der Erweiterung des ACC-Rahmens in deutlich höherem Umfang zusätzliche Kreditforderungen zur Besicherung verwenden (hellroter Bereich). Gleichzeitig verpfänden sie nur sehr geringe Mengen an zusätzlichen Staatsanleihen, um neue Zentralbank-Refinanzierung zu erhalten (brauner Bereich). Banken in der Versuchsgruppe wechseln also nicht nur von marktfähigen zu nicht marktfähigen Sicherheiten. Sie entscheiden sich auch dafür, Kreditforderungen geringerer Bonität zu hinterlegen und halten Staatsanleihen höherer Bonität zurück. Für Banken, die keine Kreditforderungen als notenbankfähige Sicherheiten einliefern, ist die Erweiterung des ACC-Rahmens hingegen wirkungslos. Sie verwenden nach wie vor zusätzliche marktfähige Sicherheiten von hoher Bonität (linke Grafik).

Abbildung 2: Hinterlegte Sicherheiten
Abbildung 2: Hinterlegte Sicherheiten

… bei gleichzeitigem Anstieg des Wertpapierleihevolumens und Rückgang der Sicherheitenknappheit

Anhand granularer administrativer Geldmarkttransaktionsdaten zeigen wir mithilfe einer Regressionsanalyse, dass die Banken der Versuchsgruppe (bei denen eine Veränderung des Besicherungsverhaltens zu beobachten ist) nach der Erweiterung des ACC-Rahmens ihre privatwirtschaftlichen Wertpapierleihgeschäfte ausweiten und verstärkt Anleihen von hoher Bonität am besicherten Geldmarkt als Sicherheiten nutzen. Das gestiegene Angebot an leihbaren Wertpapieren spiegelt sich bei den Anleihen auch auf aggregierter Basis wider: Anleihen, die überwiegend von den Banken der Versuchsgruppe gehalten werden, verzeichnen insgesamt einen Anstieg des Wertpapierleihevolumens. Sie werden in größerem Umfang wiederverwendet und weisen einen rückläufigen Knappheitsaufschlag auf. All dies deutet darauf hin, dass sich die damalige Knappheit an bestimmten Sicherheiten verringerte.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse zeigen: Wenn die Zentralbank Kredite gegen nicht handelbare Sicherheiten von geringer Bonität gewährt, kann dies die Funktionsfähigkeit des Repomarkts verbessern, da hierdurch mehr hochwertige Sicherheiten für private Markttransaktionen zur Verfügung stehen. Als durch die umfangreichen Anleihekaufprogramme des Eurosystems bestimmte Sicherheiten knapp geworden waren, lieferten Banken, die von einem gelockerten Sicherheitenrahmen profitieren, nicht marktfähige Kreditforderungen als notenbankfähige Sicherheiten ein und verliehen marktfähige Staatsanleihen am Repomarkt. Die Ausweitung des Angebots an Anleihen, im Speziellen eine höhere Wiederverwendung der zusätzlichen Anleihen in mehreren Transaktionen (sogenannter „re-use“), führte, neben anderen Maßnahmen des Eurosystems, letztlich zu einer Verringerung der Knappheitsaufschläge und folglich sinkenden Knappheit an Vermögenswerten. Ob und inwieweit eine solche Maßnahme den Instrumentenkasten der Geldpolitik sinnvoll ergänzen könnte, erfordert allerdings eine Gesamtabwägung, etwa mit den zusätzlichen bilanziellen Risiken, alternativen Maßnahmen und den Banken gesetzten Anreizen, und geht über den Anspruch dieser Analyse hinaus.

Literatur

Bagehot, W. (1873), Lombard Street: A Description of the Money Market, HS King & Company.

Choi, D. B., J. A. C. Santos und T. Yorulmazer (2021), A Theory of Collateral for the Lender of Last Resort , Review of Finance, 25(4), S. 973‑996.

Greppmair, S., K. Paludkiewicz und S. Steffen (2024), Collateral Easing and Safe Asset Scarcity: How Money Markets Benefit from Low-Quality Collateral , SSRN.

Haftungsausschluss

Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.

Hat Ihnen diese Seite geholfen?