Was die Bundesbank beschäftigt

1 Konjunktur und Preisentwicklung

Das Jahr 2023 war weiterhin geprägt von ungewöhnlich hoher Inflation. Allerdings ebbte die globale Teuerungswelle im Jahresverlauf spürbar ab. Diese war zuvor durch die Auswirkungen der COVID‑19-Pandemie und die wirtschaftspolitischen Reaktionen in Gang gesetzt und durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verstärkt worden. 1 Sie führte vielerorts zu den stärksten Preisanstiegen seit Jahrzehnten. In Reaktion auf die hohen Inflationsraten verstärkte sich auch das Lohnwachstum erheblich und trug selbst zu weiteren Preissteigerungen insbesondere im Bereich der Dienstleistungen bei. Manche Unternehmen weiteten im Umfeld hoher Inflation zudem ihre Gewinnmargen aus.

In den Industrienationen betrug die Verbraucherinflation im Jahresdurchschnitt 2022 7,8% und im Jahr 2023 noch immer 4,9%. Ein wesentlicher Grund für das Nachlassen der Inflation war der Rückgang der zuvor drastisch gestiegenen Energiepreise. Auch die Kerninflation, bei der die Energie- und Nahrungsmittelpreise nicht eingerechnet werden, ließ 2023 nach. Nach 5,2 % im Jahr 2022 betrug sie in der Berichtsperiode noch 4,8 %. 

Die Weltwirtschaft expandierte im vergangenen Jahr verhalten. Die hohe Inflation war einer der Gründe dafür, denn sie dämpfte die privaten Konsumausgaben. Zudem bremste die in vielen Regionen straffere Geldpolitik das Wirtschaftswachstum. Eine Rezession blieb allerdings aus, nicht zuletzt wegen robuster Arbeitsmärkte. Auch die Finanzwirtschaft wurde nicht anhaltend beeinträchtigt, partielle Turbulenzen im Frühjahr zogen keine spürbaren Folgen für die Weltkonjunktur nach sich. 

Insgesamt dürfte die Weltwirtschaft im vergangenen Jahr laut Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) um 3.1% gewachsen sein, nach 3,5% im Jahr 2022. Im laufenden Jahr wird die weltwirtschaftliche Aktivität voraussichtlich im gleichen Tempo expandieren, der Inflationsdruck sollte sich weiter abschwächen. Abwärtsrisiken für den globalen Konjunkturausblick würden sich insbesondere ergeben, falls der Preisauftrieb nicht wie erwartet nachlässt und die geldpolitische Straffung länger aufrechterhalten werden muss als derzeit unterstellt. Weitere Risiken gehen von einer möglichen fortgesetzten Wachstumsabschwächung in China, einer etwaigen Eskalation der kriegerischen Handlungen in der Ukraine und im Nahen Osten sowie geopolitischen Spannungen in anderen Weltregionen aus.

Diese Unsicherheiten unterstreichen, wie wichtig es ist, die Zusammenarbeit im Rahmen internationaler Organisationen aufrechtzuerhalten. Hierzu soll die im Dezember 2023 beschlossene Erhöhung der Finanzmittel des Internationalen Währungsfonds beitragen, siehe dazu die Erläuterungen „Die eigenen Finanzmittel des Internationalen Währungsfonds werden dauerhaft erhöht“. Diese Maßnahme ist ein wichtiger Baustein, damit die globale Finanzstabilität auch in Zukunft gesichert werden kann.

Exkurs

Die eigenen Finanz­mittel des Inter­nationalen Währungs­fonds werden dauer­haft erhöht

Nach langjährigen Verhandlungen wurde die 16. Allgemeine Quotenüberprüfung des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Dezember 2023 mit einer Quotenerhöhung abgeschlossen. Ziel war es, seine Kreditvergabekapazität über Ende 2024 hinaus aufrechtzuerhalten. Die finanzielle Ausstattung des IWF und damit die Mittel für seine regulären Finanzhilfen bestehen im Kern aus den Finanzbeiträgen der Mitgliedsländer in Höhe ihrer Quoten. Zusätzlich zu diesen Quotenmitteln kann der IWF in Krisenzeiten unter bestimmten Voraussetzungen auf die multilateralen Neuen Kreditvereinbarungen (NKV) oder bilateralen Kreditlinien (BKL) zurückgreifen, die er mit finanzstarken Mitgliedern abgeschlossen hat. Damit kann er im Krisenfall einer erhöhten Nachfrage nach seinen Finanzhilfen nachkommen.

Der Gouverneursrat des IWF hat im Dezember 2023 beschlossen, die IWF-Quotenmittel um 50% zu erhöhen. 1 Mit dieser Quotenerhöhung wird die Kreditvergabekapazität des IWF auf dem gegenwärtigen Niveau erhalten, wenn die BKL Ende 2024 regulär auslaufen. Die deutsche Quote steigt dadurch von 26,6 Mrd SZR auf 40 Mrd SZR (48,8 Mrd €, Stand Ende 2023). Der Quotenanteil eines Landes soll dessen relative Position in der Weltwirtschaft abbilden. Er bestimmt auch die Stimmrechte eines Landes, die Höhe der zugeteilten Sonderziehungsrechte sowie Grenzen für den Zugang zu Finanzhilfen.

Die Quoten werden für alle Mitgliedsländer proportional erhöht, die Quotenanteile bleiben daher für alle unverändert. Eine Anpassung zugunsten dynamischer Länder, wie dies von vielen Schwellen- und Entwicklungsländern gefordert wurde, konnte nicht erreicht werden. Die Bundesbank hätte eine ausgewogene Anpassung der Quotenanteile grundsätzlich unterstützt. Deutschlands Quotenanteil beträgt unverändert 5,6 %. Somit bleibt Deutschland der viertgrößte Anteilseigner des IWF nach den USA, Japan und China. Damit die beschlossene Quotenerhöhung in Kraft treten kann, müssen Mitgliedstaaten, die 85 % der Quotensumme repräsentieren, jeweils der Erhöhung ihrer individuellen Quoten zustimmen. Dies soll bis Mitte November 2024 erreicht werden. Im Anschluss sind die entsprechenden Zahlungen an den IWF zu leisten. Da die Bundesbank die finanziellen Rechte und Pflichten der Bundesrepublik Deutschland aus der IWF-Mitgliedschaft wahrnimmt, wird sie die Quotenerhöhung für Deutschland dann einzahlen und in ihrer Bilanz den entsprechend höheren Wert der deutschen IWF-Position als Teil der Währungsreserven ausweisen.

Im Zuge der Quotenüberprüfung wurde auch beschlossen, die NKV zeitgleich zur Erhöhung der Quoten zu reduzieren. Damit soll die Kreditvergabekapazität konstant gehalten werden, da die Quotenerhöhung über den Umfang der auslaufenden BKL hinausgeht. Durch diesen Schritt wird sich die Finanzierungsstruktur des IWF künftig deutlich stärker auf Quoten als auf NKV stützen. Der Beitrag der Bundesbank zu den NKV verringert sich von 25,8 Mrd SZR auf 21,6 Mrd SZR. Zudem wird die BKL der Bundesbank an den IWF in Höhe von 14,6 Mrd SZR (17,9 Mrd €, Stand Ende 2023) Ende dieses Jahres auslaufen. Der Gesamtbeitrag der Bundesbank zur Finanzierung des IWF wird dadurch um 5,5 Mrd SZR sinken. Falls die Quotenerhöhung bis Ende 2024 noch nicht umgesetzt ist, würde die Bundesbank gegebenenfalls zu temporären Kreditlinien an den IWF beitragen, damit die Finanzausstattung des IWF nicht temporär zurückgeht.

Grafik „IWF-Finanzausstattung und Beitrag der Bundesbank vor und nach Inkrafttreten der 16. Allgemeinen Quotenüberprüfung“
Grafik „IWF-Finanzausstattung und Beitrag der Bundesbank vor und nach Inkrafttreten der 16. Allgemeinen Quotenüberprüfung“

Fußnoten
  1. Von 477,1 Mrd SZR auf 715,7 Mrd SZR. Sonderziehungsrechte (SZR) sind ein vom IWF geschaffenes Reservemedium und Teil der Währungsreserven der Bundesbank. Für mehr Details siehe den Abschnitt Forderungen an den IWF.

2023 war ein schwieriges Jahr für die deutsche Wirtschaft. Neben den Nachwirkungen der stark gestiegenen Energiekosten belastete die schwache Auslandsnachfrage die industrielle Erzeugung. Darüber hinaus drückte die hohe Inflation den privaten Verbrauch. Die hohen Lohnsteigerungen führten daher noch nicht dazu, dass sich die Konsumausgaben deutlich belebten. Auch die straffere Geldpolitik des Eurosystems bremste die Konjunktur. Die gestiegenen Finanzierungskosten dämpften die Investitionen, vor allem im Wohnungsbau. Schließlich ging der Staatskonsum kräftig zurück, da pandemiebedingte Ausgaben, etwa für Impfungen und Tests, entfielen. 

Grafik „Gesamtwirtschaftliche Produktion“
Grafik „Gesamtwirtschaftliche Produktion“

Stützend wirkten hingegen die Normalisierung der Lieferketten, die hohen Auftragsbestände in Industrie und Bau sowie der nach wie vor stabile Arbeitsmarkt. Insgesamt ging die deutsche Wirtschaftsleistung, gemessen am preis- und kalenderbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP), im vergangenen Jahr nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes um 0,1 % gegenüber dem Vorjahresstand leicht zurück. Getragen vor allem durch lebhaftere Exportaktivität und eine Belebung des privaten Verbrauchs wird die gesamtwirtschaftliche Leistung in diesem Jahr laut der Projektion der Bundesbank vom Dezember 2023 wieder auf Expansionskurs einschwenken und um 0,4 % zulegen. 

Gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) überschritt die Inflation in Deutschland im Oktober 2022 ihren Höhepunkt. Getrieben durch rückläufige Energiepreise schwächte sie sich seitdem erheblich ab. Insgesamt erhöhte sich der HVPI in Deutschland im Jahresdurchschnitt 2023 um 6 %, nachdem die Teuerung 2022 8,7 % betragen hatte. Die Kerninflation stieg hingegen von 3,9 % im Jahr 2022 auf 5,1 % im abgelaufenen Jahr. Laut Dezember-Projektion der Bundesbank dürfte sich die Gesamtinflation in Deutschland im laufenden Jahr weiter auf 2,7 % und die Kerninflation auf 3 % abschwächen. 

Die Wirtschaft im Euroraum verlor im vergangenen Jahr ebenfalls an Schwung. Die hohe Inflation belastete den privaten Konsum. Die schwache Auslandsnachfrage setzte der Industrie zu. Auch liefen viele im Zuge der Pandemie und der Energiekrise beschlossene Stützungsmaßnahmen aus. Nicht zuletzt drosselten auch die gestiegenen Finanzierungskosten das Wachstumstempo. Insgesamt verlangsamte sich das Wachstum des realen BIP von kalenderbereinigt 3,4 % gegenüber dem Vorjahr im Mittel von 2022 auf 0,5 % in der Berichtsperiode. Gemäß der jüngsten Projektion des Eurosystems könnte die Wirtschaft im Euroraum im Jahr 2024 mit 0,8 % etwas schneller expandieren.

Der Preisdruck im Euroraum ließ im abgelaufenen Jahr deutlich nach. Wie auch in Deutschland war der primäre Anlass ein deutlicher Rückgang der Energiepreise. Im Jahresmittel 2023 stieg der Gesamt-HVPI im Euroraum um 5,4 %. Im Jahr zuvor hatte die Inflationsrate noch 8,4 % betragen. Bei der Kerninflation war hingegen eine Zunahme von 3,9 % in 2022 auf 4,9 % im vergangenen Jahr zu verzeichnen. Die Rückkehr der Inflation zur Zielrate von 2 % benötigt noch Zeit. Laut dem jüngsten Preisausblick des Eurosystems wird der HVPI im laufenden Jahr noch um 2,7 % ansteigen. Erst im nächsten Jahr wird sich die Inflationsrate mit 2,1 % nahe beim Inflationsziel liegen. Die Kerninflationsrate wird in diesem 2,7 % und im nächsten Jahr 2,3 % betragen. 

Grafik „Verbraucherpreise“
Grafik „Verbraucherpreise“

2 Geldpolitik

Angesichts des starken und hartnäckigen Preisdrucks im Euroraum setzte der EZB-Rat die im Jahr 2022 begonnene geldpolitische Straffung auch 2023 fort. Umfangreiche Maßnahmen wurden ergriffen, um eine zeitnahe Rückkehr der Inflationsrate zum Zielwert von 2 % zu gewährleisten, siehe auch die Chronik geldpolitischer Beschlüsse. Dies betraf insbesondere die Leitzinsen, aber auch die Ankaufprogramme. Nachdem das Eurosystem im Jahr 2022 die Nettoankäufe von Wertpapieren im Rahmen der Wertpapierankaufprogramme PEPP und APP beendet hatte, reduzierte es ab Anfang März 2023 auch die Reinvestitionen fällig werdender Tilgungsbeiträge im Rahmen des APP, Ende Juni 2023 wurden die APP-Käufe vollständig eingestellt. 

In Bezug auf seine Zinsentscheidungen kündigte der EZB-Rat an, er werde sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad festlegen, sondern von Sitzung zu Sitzung auf Basis der aktuellen ökonomischen Daten entscheiden. Angesichts eines fortgesetzt ungünstigen Preisausblicks hob der EZB-Rat die Leitzinsen im Jahr 2023 sechs Mal in Folge an: im Februar und März um jeweils 0,5 Prozentpunkte, in den darauffolgenden vier geldpolitischen Sitzungen jeweils um 0,25 Prozentpunkte. Der derzeit geldpolitisch relevante Zinssatz für die Einlagefazilität stieg infolgedessen auf 4 %. Damit vollzog der EZB-Rat mit insgesamt 4,5 Prozentpunkten in etwas mehr als einem Jahr die größte und steilste Abfolge von Zinserhöhungen in der Währungshistorie des Eurosystems. Die vom EZB-Rat beschlossenen Zinsanhebungen schlugen sich in einer Erhöhung der Finanzierungskosten für Haushalte und Unternehmen nieder. Dies dämpft die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und trägt dazu bei, den hohen Preisdruck zu senken.

Angesichts rückläufiger Inflationsraten beschloss der EZB-Rat auf seiner geldpolitischen Sitzung im Oktober, vorerst von weiteren Zinsanhebungen abzusehen. Bei dieser Entscheidung ging der EZB-Rat davon aus, dass das bisher erreichte Zinsniveau, wenn es über einen ausreichend langen Zeitraum aufrechterhalten wird, wesentlich zur Erreichung des Preisstabilitätsziels beitragen wird. Auf seiner letzten geldpolitischen Sitzung im Jahr 2023 setzte der Rat die Zinspause fort. Er schloss allerdings weitere Zinserhöhungen nicht aus, wenn der Preisausblick diese erfordert. Um eine zeitnahe Rückkehr zur Preisstabilität sicherzustellen, sollte die Geldpolitik aus der Sicht der Bundesbank nicht zu früh gelockert werden.  

Die straffere Geldpolitik beeinflusst nicht nur die Finanzierungskosten für private Haushalte, Unternehmen und den Staat, sondern auch die Bilanz der Zentralbank. Seit Beginn der jüngsten geldpolitischen Straffung verringerte sich die Bilanz des Eurosystems um rund ein Fünftel oder in absoluter Betrachtung um gut 1,8 Billionen €. Dies lag überwiegend daran, dass in großem Umfang gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (GLRG) fällig oder von den Banken im Euroraum vorzeitig zurückgezahlt wurden. Anreize für vorzeitige Rückzahlungen schaffte die Anpassung der zuvor sehr günstigen Zinskonditionen bei dieser Art von Refinanzierungsgeschäften durch den EZB-Rat ab Ende November 2022. Ergänzt wurde die Rückführung der Bilanzsumme durch den Verzicht auf Reinvestitionen beim Wertpapierankaufprogramm APP. Gemäß Beschluss des EZB-Rats sollen ab dem zweiten Halbjahr 2024 auch im Wertpapierankaufprogramm PEPP fällig werdende Wertpapiere nicht mehr vollständig wiederangelegt werden, zum Jahresende 2024 ist beabsichtigt, die PEPP-Käufe ganz zu beenden.

Die im vorvergangenen Jahr eingeleitete geldpolitische Straffung ließ nicht nur die Bilanz des Eurosystems schrumpfen. Auch die Ertragslage der Zentralbanken im Euroraum verschlechterte sich infolge des Leitzinsanstiegs deutlich. Bei den vom Eurosystem gehaltenen Anleihebeständen handelt es sich überwiegend um langfristige Forderungen, deren vergleichsweise geringen Erträge bislang kaum von der Zinswende beeinflusst wurden. Hingegen erhöhen die Leitzinsanhebungen unmittelbar die Zinsaufwendungen des Eurosystems, da die Banken auf ihre Einlagen bei den Zentralbanken die erhöhten Zinsen erhalten. Aus diesem Grund wies die Bundesbank bereits im Jahr 2022 ein ausgeglichenes Ergebnis aus. Im vergangenen Jahr belastete die straffe Geldpolitik erneut die Ertragslage der Bundesbank, siehe dazu die Erläuterungen „Zinsänderungsrisiken in der Zentralbankbilanz 2023“.

Exkurs

Zinsänderungsrisiken in der Zentralbankbilanz

Nach der Finanzkrise hatten die Zentralbanken in allen G7Staaten ihre Leitzinsen deutlich gesenkt und in großem Umfang Anleihen erworben. Damit wirkten sie im Interesse der Preisstabilität historisch niedrigen Inflationsraten entgegen. In der Folge sanken neben den kurzfristigen auch die längerfristigen Marktzinssätze. Dies belebte die Wirtschaftsaktivität und unterstützte die Zentralbanken dabei, das Preisstabilitätsziel zu erreichen. 

Das Eurosystem hat seit 2009 im Rahmen verschiedener geldpolitischer Programme Wertpapiere angekauft. Insbesondere zu nennen sind hier das im Jahr 2015 beschlossene Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) sowie das im Jahr 2020 aufgelegte Pandemie-Notfallankaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP). Der Bestand an Wertpapieren, die das Eurosystem für geldpolitische Zwecke erworben hatte, belief sich zum 31. Dezember 2023 auf 4,7 Billionen €, davon entfallen auf die Bundesbank 1,0 Billionen €. 

Mit der Ausweitung der Bilanzen sind auch die darin enthaltenen finanziellen Risiken erheblich gestiegen. Die Bundesbank hat bereits frühzeitig auf diese Risiken hingewiesen. 1 Zwar fließen Risikoüberlegungen in die geldpolitische Entscheidungsfindung ein, bestimmte Risiken sind aber beim Erfüllen des Mandats der Preisstabilität unvermeidbar. Hierzu gehören im aktuellen Umfeld insbesondere Zinsänderungsrisiken. 

Vor den geldpolitischen Wertpapierankäufen wies die Bilanz der Bundesbank kaum Zinsänderungsrisiken auf. Der Löwenanteil der zinstragenden Posten auf der Aktivseite der Bilanz war kurzfristiger Natur und stand insbesondere dem unverzinslichen Banknotenumlauf gegenüber. Mit den geldpolitischen Wertpapierankäufen sind jedoch in großem Umfang längerfristige festverzinsliche Positionen auf der Aktivseite entstanden. Zugleich bildeten sich als bilanzielle Gegenposten kurzfristige Passiva, also verzinsliche Einlagen der Banken und der sonstigen Einleger bei der Bundesbank. 

Aus den unterschiedlichen Fristigkeiten ergibt sich eine offene Euro-Zinsposition, das heißt ein Zinsänderungsrisiko. Durch die notwendigen Leitzinserhöhungen in Reaktion auf die zu hohen Inflationsraten materialisiert sich dieses Risiko. Während aus den APP- und PEPP-Beständen nur geringe Zinserträge entstehen, generieren die kurzfristigen Einlagen bei höheren Zinsen steigende Zinsaufwendungen. Diese Kombination von langfristigen geldpolitischen Wertpapieren mit niedriger Verzinsung und kurzfristigen höher verzinslichen Einlagen führt zu erheblichen Belastungen in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) der Bundesbank. Diese Belastungen schlagen sich in der GuV-Position "Nettozinsertrag" nieder. Anteilig wirken sie sich auch auf die GuV-Position 5 „Nettoergebnis aus Monetären Einkünften“ aus. Denn bei einigen geldpolitischen Wertpapierbeständen werden Erträge und Risiken innerhalb des Eurosystems im Rahmen der monetären Einkünfte geteilt. Eine Ausnahme stellen für das Jahr 2023 Belastungen aus den Wertpapierbeständen der EZB dar: Hierzu hat der EZB-Rat beschlossen, dass die EZB-Verluste für 2023 nicht von den nationalen Zentralbanken übernommen werden. Das heißt, die aktuellen EZB-Verluste schlagen sich im Jahresabschluss 2023 der Bundesbank nicht nieder. Aber auch diese Verluste werden längerfristig betrachtet die GuV der Bundesbank anteilig belasten. 

Die Bundesbank hat in der Vergangenheit vor dem Hintergrund steigender finanzieller Risiken Vorsorge getroffen. Bereits seit 2010 hat sie die Wagnisrückstellung sukzessive aufgestockt, um mögliche Verluste abzufedern. Die Risikovorsorge war auch der Grund dafür, weshalb die Bundesbank für die Geschäftsjahre 2020 und 2021 auf Gewinnausschüttungen verzichtet hat. Um den Bilanzverlust im Jahresabschluss 2022 auszugleichen, wurde 1 Mrd € aus der Wagnisrückstellung entnommen. Zum Ausgleich des Jahresfehlbetrages im Jahr 2023 wird die verbliebene Wagnisrückstellung von 19,2 Mrd € komplett aufgelöst. Der verbleibende Jahresfehlbetrag wird durch entsprechende Entnahmen aus den Rücklagen ausgeglichen.

In den kommenden Jahren werden aus den APP- und PEPP-Beständen ebenfalls nur geringe Zinserträge entstehen, während die kurzfristigen Einlagen aufgrund der erhöhten Leitzinsen substanzielle Zinsaufwendungen generieren werden. Deshalb ist aus heutiger Sicht auch in den kommenden Jahren mit erheblichen Belastungen in der GuV der Bundesbank zu rechnen, die aufgrund der Fälligkeiten der APP- und PEPP-Bestände aber tendenziell zurückgehen. Die konkrete Höhe der künftig anfallenden Belastungen hängt von verschiedenen Faktoren ab, deren Entwicklung mit hoher Unsicherheit behaftet ist. Dazu zählen die künftigen Entwicklungen der Leitzinsen, des Umfangs und der Struktur der Bilanz sowie der sonstigen Erträge der Bundesbank. Die Höhe und Dauer möglicher künftiger Belastungen variieren vor diesem Hintergrund stark mit den jeweils zugrunde gelegten Annahmen. Bei weiteren Belastungen in den kommenden Jahren wird die Bundesbank einen steigenden Verlustvortrag ausweisen. Künftige Jahresüberschüsse wären dann für den Abbau des Verlustvortrags zu verwenden.

Die Bilanz der Bundesbank ist solide. So besitzt die Bundesbank beträchtliche Vermögenswerte, die erheblich größer sind als ihre Verpflichtungen. Wie solide die Bilanz der Bundesbank ist, zeigen unter anderem unsere umfangreichen Bewertungsreserven an. Sie belaufen sich Ende 2023 auf fast 200 Mrd €, siehe hierzu auch Erläuterungen "Grundkapital und Rücklagen". Zudem erwartet die Bundesbank, dass ihre finanziellen Belastungen vorübergehen und sie anschließend wieder Jahresüberschüsse erzielt.

Auch mit einem absehbaren Verlustvortrag kann die Bundesbank vor diesem Hintergrund ihre Aufgaben uneingeschränkt erfüllen. Sie ist ihrem vorrangigen Ziel verpflichtet, Preisstabilität zu gewährleisten. Aus dieser Zielsetzung heraus lassen sich das Handeln und die Bilanz einer Zentralbank nicht mit dem Handeln oder einer Bilanz eines privatwirtschaftlichen Kreditinstituts vergleichen. Das Eurosystem und die Bundesbank müssen und werden alles Erforderliche tun, um Preisstabilität zu gewährleisten, auch wenn dadurch die eigene Ertragslage vorübergehend belastet wird.

Fußnoten
  1. Vgl. insb.: Deutsche Bundesbank, Management finanzieller Risiken, Geschäftsbericht 2012, S. 131 ff.; Deutsche Bundesbank, Zur Entwicklung der staatlichen Zinsausgaben in Deutschland und anderen Ländern des Euroraums, Monatsbericht Juli 2017, S. 35 ff.; Deutsche Bundesbank, Staatsfinanzen: Anleihekäufe der Zentralbank erhöhen die Sensitivität gegenüber Zinsänderungen, Monatsbericht Juni 2021, S. 41 ff. sowie Deutsche Bundesbank, Zinsänderungsrisiken in der Zahlungsbilanz, Geschäftsbericht 2022, S. 16 f.

3 Fiskalpolitik

Die Lage der öffentlichen Finanzen in Deutschland verbesserte sich im vergangenen Jahr. Die staatliche Defizitquote sank von 2,5 % im Jahr 2022 auf 2 % in der Berichtsperiode. Die Schuldenquote des Staates erreichte 64,8 % im dritten Vierteljahr 2023, nach 66,1 % zum Jahresende 2022. Die Staatsfinanzen profitierten davon, dass die temporären Corona-Stützungsmaßnahmen allmählich endeten. Dies war gewichtiger als zunehmende Belastungen etwa für Energiekrisen-Hilfen, Verteidigung, gestiegene Zinsausgaben oder durch die ungünstige konjunkturelle Entwicklung. Ohne temporäre Krisenmaßnahmen und Konjunktureinflüsse betrachtet ist das Defizit allerdings gestiegen.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 stärkt die Bindungswirkung der Schuldenbremse. 2 Insbesondere dürfen demnach Notlagenkredite nicht in Sondervermögen zurückgelegt werden, um sie in künftigen Haushaltsjahren einzusetzen. Das Urteil bezieht sich auf den Bund, hat aber auch Bedeutung für die Länder. Die Bundesbank hatte auf diesbezügliche verfassungsrechtliche Risiken für die Haushalts- und Finanzplanungen hingewiesen. 3 Zahlreiche und gewichtige Extrahaushalte können die Transparenz und Kontrolle der Staatsfinanzen beeinträchtigen. 4 Letztlich können nur bindende Fiskalregeln solide Staatsfinanzen absichern. Dies schließt stabilitätswahrende Reformen der Regeln nicht aus. 5

Der Rückgang der Defizitquote setzt sich im laufenden und im kommenden Jahr fort, und die Schuldenquote dürfte sich damit weiter auf 60% zubewegen. Die Defizitquote sinkt, weil vor allem im laufenden Jahr temporäre Energie-Krisenmaßnahmen entfallen und im weiteren Verlauf ungünstige konjunkturelle Einflüsse zurückgehen. In struktureller Betrachtung steigt die Defizitquote aber wohl weiter. Vor allem die Ausgaben für Verteidigung dürften wachsen. Hinzu kommen weitere Lasten, etwa aus der Abschaffung der EEG-Umlage, den Tarifabschlüssen und steigenden Rentenzahlungen. Wie Bund und Länder ihre Planungen an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts anpassen, ist dabei insbesondere für 2025 noch offen.

Im vergangenen Jahr waren die öffentlichen Finanzen in Deutschland und der EU zunächst noch stark von der Energiekrise beeinflusst. Die Staaten gewährten weiterhin umfangreiche Hilfen für private Haushalte und Unternehmen. Angesichts der Angebotsengpässe bei der Energie war es besonders wichtig, dass solche Hilfen die Anreize zum Energiesparen erhalten – was nicht zuletzt in Deutschland bei den Energiepreis-Bremsen gelang. Generell wäre es vorteilhaft gewesen, die Maßnahmen zielgenauer auf Bedürftige auszurichten. Dies hätte die Staatsfinanzen weniger stark belastet und die Geldpolitik stärker dabei unterstützt, die Inflation einzudämmen. 

Trotz abflauender Energiekrise stehen Deutschland und die anderen Euro-Mitgliedstaaten vor fiskalischen Herausforderungen. Hierzu zählen absehbar steigende Zinslasten, die Folgen geopolitischer Konflikte, die Dekarbonisierung der Wirtschaft und die demografische Entwicklung. Solide Staatsfinanzen sind wichtig, um diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Außerdem erleichtern sie die stabilitätsorientierte Geldpolitik. Glaubwürdige Fiskalregeln helfen dabei, Vertrauen in solide Staatsfinanzen zu erhalten. 

Die bisherigen EU-Fiskalregeln haben nicht nachdrücklich genug auf solide Staatsfinanzen hingewirkt. Etliche Mitgliedstaaten haben sehr hohe Schuldenquoten, teils weit über 100 %, und selbst ohne Krisenmaßnahmen betrachtet hohe Defizitquoten deutlich über 3 %. Im vergangenen Jahr wurde intensiv über eine Reform der Fiskalregeln diskutiert, und auch die Bundesbank hatte stabilitätsorientierte Vorschläge eingebracht. Am 20. Dezember einigte sich der Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) auf Regeländerungen. 

Die Reform behebt aus Sicht der Bundesbank nicht die wesentlichen Schwächen der bisherigen Regeln. Wichtig wäre, die reformierten Regeln nun so stringent umzusetzen, dass hohe Schuldenquoten tatsächlich rasch sinken und die Defizitquoten ein nachhaltiges Niveau erreichen. Dafür ist hilfreich, dass auch nach der Reform das Verfahren bei einer Defizitquote über 3 % im Wesentlichen unverändert ist. Auch beinhalten die im Ecofin vereinbarten neuen Regeln weitere grundsätzlich wichtige Vorgaben und Ziele, wie etwa den Sicherheitsabstand zur 3 %‑Grenze. Ob die Ziele erreicht werden, hängt jedoch von Plänen ab, die für viele Jahre gelten sollen und die stark annahmegetrieben sind. Bedenklich ist zudem, dass jeder Mitgliedstaat über seinen Fiskalplan mit der Europäischen Kommission bilateral verhandeln soll. Außerdem besteht an vielen Stellen weiter Entscheidungsspielraum für Lockerungen. Die EU-Fiskalregeln werden durch diese Reform bedauerlicherweise nicht einfacher oder transparenter. Umso mehr stehen die Europäische Kommission und der Ecofin in der Verantwortung, diese strikt umzusetzen.

4 Bankenaufsicht und Finanzstabilität

Die Bankenturbulenzen in den USA und der Schweiz im Frühjahr 2023 stellten in ihrem Ausmaß und Umfang bedeutende Stressereignisse dar. In den USA mussten im März vergangenen Jahres mehrere Regionalbanken liquidiert werden, nachdem sich bei ihnen Zinsänderungs- und Liquiditätsrisiken realisiert hatten. 6 In der Schweiz führten jahrelange Fehlentwicklungen bei der Credit Suisse – namentlich eine unzulängliche Unternehmensführung, Geschäftsstrategie und Risikobehandlung – am Ende zur Übernahme durch die UBS. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) reagierte auf diese Vorkommnisse mit einem Bericht, in dem er die Bedeutung einer umfassenden Implementierung aller Elemente von Basel III in allen Mitgliedsländern hervorhebt. Er kündigte zudem an, die Funktionsweise einzelner Regelungen zu überprüfen. Dazu zählen Liquiditätsanforderungen, die Behandlung von Zinsänderungsrisiken, Rollen von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals (AT1) sowie der Anwendungsbereich von Basel III. Das Financial Stability Board (FSB) veröffentlichte ebenfalls einen Bericht, in dem möglicher Verbesserungsbedarf am Abwicklungsrahmenwerk aufgezeigt wird.

Anfang Dezember vergangenen Jahres einigten sich die EU-Gesetzgeber auf einen Gesetzestext zur Umsetzung der international vereinbarten Basel III-Reformen in der Europäischen Union. Die überarbeitete EU-Bankenregulierung (Kapitaladäquanzverordnung und -richtlinie, CRR/CRD) erhöht die Widerstandsfähigkeit der Banken und stärkt deren Beaufsichtigung und Risikomanagement. Die Basel III-Reformen zielen insbesondere darauf ab, transparenter und besser vergleichbar zu machen, wie die Banken ihre Risiken berechnen.

Neben der Umsetzung der Basel III-Reformen enthält die überarbeitete EU-Bankenregulierung weitere Themen, die als Antworten auf aktuelle Herausforderungen zu sehen sind. Darunter fallen zum Beispiel als Konsequenz des Brexit die Harmonisierung der EU-Aufsicht von Drittstaatenzweigstellen. Auch werden in der Bankenregulierung nunmehr Risiken berücksichtigt, die im Zusammenhang mit Fragen der Umwelt, des Sozialen und der Unternehmensführung stehen. 7   Der finale Gesetzestext muss vom Europäischen Parlament und dem Rat der EU noch formal angenommen werden. Die Publikation im Amtsblatt der EU wird voraussichtlich im Frühjahr 2024 erfolgen. Die neuen Regelungen der CRR gelten dann ab dem 1. Januar 2025, die neuen Regelungen der CRD sind entsprechend der vorgegebenen Fristen noch in nationales Recht umzusetzen.

Das makrofinanzielle Umfeld im Jahr 2023 war für das deutsche Finanzsystem herausfordernd: Der historisch starke Zinsanstieg markiert einen Umbruch. Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland verlief zudem gedämpft. Darüber hinaus erfordert der anstehende Strukturwandel nicht nur in der Realwirtschaft Anpassungen, sondern auch im Finanzsystem. Grundlegende Veränderungsprozesse sind vor allem mit dem Übergang zu Klimaneutralität, dem demografischen Wandel und der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche verbunden.

Bislang erwies sich das deutsche Finanzsystem als stabil, jedoch ist die Anpassung an das neue makrofinanzielle Umfeld noch nicht abgeschlossen. Im vergangenen Jahr stützte der Zinsüberschuss die Ertragslage im Bankensektor. Ob der Zinsüberschuss im Jahr 2024 wieder sinkt, hängt davon ab, wie sich die Zinserträge der Banken im Verhältnis zu ihrem Zinsaufwand entwickeln. Bei einer geringeren Kreditnachfrage lassen sich steigende Zinskosten beispielsweise nur bedingt durch höher verzinste Neukredite ausgleichen. Höhere Finanzierungskosten und geringeres Kreditwachstum sind geldpolitisch beabsichtigt. Das ist ein notwendiger Zwischenschritt, um über die gesamtwirtschaftliche Nachfrage den Preisdruck zu dämpfen. Angesichts der stark gestiegenen Kreditzinsen und der schwachen Konjunktur dürften die Risiken bei Unternehmenskrediten in den kommenden Quartalen zunehmen, wenn die Schuldentragfähigkeit einzelner Unternehmen sinkt. Einige Unternehmen verzeichnen bereits erhöhte Ausfallrisiken, insbesondere im Gewerbeimmobiliensektor.

Das Finanzsystem muss ausreichend widerstandsfähig sein, um mit gestiegenen Risiken und erhöhter Unsicherheit umgehen zu können. Neben realwirtschaftlichen und finanziellen Risiken gehören dazu auch operationelle Risiken, darunter Cyberrisiken. Mit Blick auf mögliche künftige Belastungen sollten die Banken ihre derzeit gute Gewinnlage dazu nutzen, ihre Resilienz weiter zu stärken. Insgesamt leistet das makroprudenzielle Maßnahmenpaket aus dem Jahr 2022 weiterhin einen wichtigen Beitrag, um das Bankensystem widerstandsfähiger zu machen. 8

Der Risikolage entsprechend haben die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Bundesbank im Rahmen des Nationalen Aufsichtsprogramms 2024 bis 2026 aufsichtliche Schwerpunkte festgelegt. Vier Bereiche sind für die Institute unter nationaler Aufsicht von besonderer Relevanz für das laufende Jahr: erstens das wirtschaftliche Umfeld und die hohe Inflation, zweitens die Zinsentwicklungen, drittens die IT-Sicherheit und viertens der Gewerbeimmobilienmarkt. Berücksichtigt wurden dabei auch die Schwerpunkte des einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus SSM. Mittelfristig sieht das Nationale Aufsichtsprogramm zudem weitere aufsichtliche Prioritäten vor: die digitale Transformation im Zusammenspiel mit dem demografischen Wandel, die Governance sowie den Klimawandel, Nachhaltigkeit und die ökonomische Transformation.

5 Zahlungsverkehr

Bargeld ist in Deutschland weiterhin das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel. In einer Studie stimmten 93 % der Befragten der Aussage zu, dass sie auch in Zukunft überall entscheiden können möchten, ob sie bar oder unbar bezahlen.  9 Besonders in Not- und Krisenzeiten fragen die Menschen verstärkt Banknoten nach. Angesichts zunehmender geopolitischer Krisensituationen ist es daher besonders wichtig, die Bargeldversorgung zuverlässig sicherzustellen. „Sichere Bargeldversorgung – auch in der Krise“ lautete daher der Titel eines Symposiums, zu dem die Bundesbank im Juni 2023 nach Berlin geladen hatte. Diskutiert wurde die besondere Bedeutung von Bargeld über die reine Zahlungsmittelfunktion hinaus. 

Die Bundesbank wird den Austausch zu Themen rund um das Bargeld weiter fördern. Im Februar 2024 richtete sie erstmals das Nationale Bargeldforum aus. Im Rahmen dieses Forums sollen sich die am Bargeldkreislauf Beteiligten fortlaufend und strukturiert über Entwicklungen beim Bargeld austauschen können. Ein funktionierender Bargeldkreislauf setzt unter anderem ein Netz an Bargeldbezugsquellen voraus, das auch Spitzen in der Nachfrage bewältigen können muss. Für die Versorgung der Bevölkerung spielen Filialen und Geldautomaten von Kreditinstituten eine herausragende Rolle. Gegenwärtig wird aber auch das Abheben von Bargeld an der Ladenkasse zunehmend bedeutsam.

Ein weiteres Thema ist die Nachhaltigkeit des Bargeldes. Die Bundesbank hat an einer Studie des Eurosystems zur Nachhaltigkeit von Banknoten mitgewirkt. Auf der Basis der hierbei gewonnenen Erkenntnisse wird sie sich künftig für einen noch nachhaltigeren Lebenszyklus von Bargeld einsetzen.

Auch an dem vom Eurosystem initiierten Projekt zur Entwicklung einer dritten Euro-Serie ist die Bundesbank beteiligt. In zwei europaweiten Umfragen wurden Präferenzen der Bevölkerung zu möglichen Themen für die neuen Euro-Banknoten erhoben. Deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher haben besonders zahlreich teilgenommen. Ausgehend von den Ergebnissen der beiden Umfragen hat der EZB-Rat „Europäische Kultur“ sowie „Flüsse und Vögel“ als mögliche Themen für die künftigen Euro-Banknoten ausgewählt. Die EZB wird voraussichtlich 2026 über das endgültige Design der neuen Banknoten entscheiden sowie über den Zeitplan für ihre Herstellung und Ausgabe. 

Trotz der nach wie vor großen Bedeutung des Bargeldes ist der Anteil der bargeldlosen Zahlungen über die vergangenen Jahre allmählich gestiegen. 10 Besonders während der Corona-Pandemie griffen die Verbraucherinnen und Verbraucher beim Bezahlen häufiger zu elektronischen Bezahlmethoden wie Karten oder auch Smartphone-Bezahl-Apps. So hat sich zum Beispiel in Deutschland das Girocard-Verfahren erheblich entwickelt. Auch Echtzeit-Überweisungen dürften sich im stationären Handel und im E-Commerce zunehmend etablieren. So wird der EU-Gesetzgeber alle im Zahlungsverkehr tätigen Banken verpflichten, Überweisungen in Echtzeit ab 2025 anzubieten. Die Bundesbank unterstützt nachdrücklich die Forderung des Eurosystems nach einer privaten, europaweit einsetzbaren digitalen Bezahllösung. Hier hat die von einem Großteil des deutschen Kreditgewerbes getragene European Payments Initiative (EPI) in 2023 Fortschritte gemacht. Mit einem ersten nutzbaren Angebot ist im Jahr 2024 zu rechnen.

Die Rolle des staatlichen Geldes auch in der digitalen Welt zu verankern, ist ein Grund, weshalb weltweit ein zunehmend hohes Interesse an digitalem Zentralbankgeld besteht. 93 % der weltweit befragten Zentralbanken gaben bei einer Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich an, sich mit dem Thema digitales Zentralbankgeld zu befassen. 11 Dabei sind zwei Formen von digitalem Zentralbankgeld zu unterscheiden. Für beide Formen gibt es im Eurosystem Projekte; an beiden arbeitet die Bundesbank intensiv mit.

Die sogenannte Wholesale-Form von digitalem Zentralbankgeld ist vorgesehen für Transaktionen zwischen Geschäftsbanken. Im Eurosystem geht es dabei um die Frage, wie Vermögenswerte zwischen Finanzmarktteilnehmern geldlich sicher in Zentralbankgeld verrechnet werden können, wenn diese Werte mittels der Distributed Ledger Technology (DLT) oder auf Blockchain-Plattformen gehalten und übertragen werden. Mit der DLT träte für die Übertragung von Barmitteln und Vermögenswerten ein dezentrales Netzwerk an die Stelle der bisher genutzten zentralisierten Datenbanken. Der EZB-Rat hat im April 2023 beschlossen, an die konzeptionellen Überlegungen im Jahr 2024 eine Erprobungsphase mit interessierten Marktteilnehmern anzuschließen, um ein besseres, praktisch fundiertes Verständnis zu gewinnen. Neben der Emission von digitalem Zentralbankgeld wird auch über alternative Ansätze diskutiert. So wird die Bundesbank ihre Trigger-Lösung einbringen, die eine Brücke vom DLT-Ansatz zum Zahlungssystem TARGET schlägt. 

Als Retail-Form wird ausfallsicheres und risikofreies digitales Zentralbankgeld für Haushalte und Unternehmen bezeichnet. Hierzu startete das Eurosystem im Jahr 2021 das Projekt "digitaler Euro". Es ging im vergangenen Jahr in die Vorbereitungsphase, siehe dazu die Ausführungen „Digitaler Euro für alle“.

Exkurs

Digitaler Euro für alle

Der EZB-Rat hat Mitte Oktober 2023 beschlossen, das Projekt "digitaler Euro" mit einer Vorbereitungsphase fortzusetzen. Der digitale Euro wäre ausfallsicheres staatliches digitales Geld und damit ein Äquivalent zum Bargeld in der digitalen Welt. Der erste Teil der Vorbereitungsphase hat am 1. November 2023 begonnen; er ist auf zwei Jahre angelegt. In diesem Zeitraum soll das Regelwerk für den digitalen Euro erarbeitet werden. Auch sollen Anbieter identifiziert werden, die eine Plattform und die Infrastruktur für einen digitalen Euro entwickeln könnten. Außerdem sollen in dieser Phase verstärkt Tests durchgeführt werden, um das Konzept für einen digitalen Euro weiter zu verfeinern. Dieser soll sowohl den Anforderungen des Eurosystems als auch den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer gerecht werden: beispielsweise hinsichtlich Nutzungserlebnis, Datenschutz, finanzieller Inklusion und ökologischem Fußabdruck. Dabei ist weiterhin ein enger Austausch mit der Öffentlichkeit und anderen Beteiligten vorgesehen. Nach Ablauf der zwei Jahre wird der EZB-Rat entscheiden, ob der nächste Teil der Vorbereitungsphase eingeleitet wird. 

Der Beschluss des EZB-Rats folgte auf den Abschluss der Untersuchungsphase im Eurosystem, die im Oktober 2021 startete. Ihr Ziel war es, Optionen für das Design und die Bereitstellung eines digitalen Euro zu analysieren. Auf Basis dieser Untersuchungen und unter Einbeziehung von Marktvertretern wurde das mögliche Konzept des digitalen Euro entworfen. Gemäß diesem Konzept würde der digitale Euro über beaufsichtigte Intermediäre, beispielsweise Banken, bereitgestellt; zugänglich wäre er für Privatpersonen und Unternehmen. 

Der digitale Euro würde das Euro-Bargeld ergänzen, nicht ersetzen. Im Grundsatz am Bargeld orientiert, könnte der digitale Euro für sämtliche Zahlungen im gesamten Euroraum genutzt werden. Dazu zählen Zahlungen zwischen Privatpersonen, an der Ladenkasse, für Transaktionen mit öffentlichen Stellen, aber auch im Online-Handel. Ein digitaler Euro wäre im gesamten Euroraum online und offline einsetzbar. Er könnte von Endkunden kostenlos genutzt werden und wäre mit einem Höchstmaß an Privatsphäre verbunden.

Unternehmen und Haushalte sollen nicht Einlagen im großen Stil aus dem Bankensektor in den digitalen Euro als ausfallsicheres digitales Zentralbankgeld umschichten können. Denn dies könnte mit Risiken für das Finanzsystem einhergehen. Deshalb ist ein Höchstbetrag vorgesehen, bis zu dem ein Akteur den digitalen Euro halten kann. Wo dieser Höchstbetrag liegt, wird zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt. 

Der Übergang in die Vorbereitungsphase ist noch keine Entscheidung darüber, ob ein digitaler Euro tatsächlich entwickelt und eingeführt wird. Mit diesem möglichen Beschluss kann sich der EZB-Rat erst beschäftigen, wenn der notwendige Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union abgeschlossen ist. Die Europäische Kommission hat Ende Juni 2023 den Entwurf einer Verordnung für die mögliche Ausgabe eines digitalen Euro vorgelegt. Dieser Entwurf sieht unter anderem vor, dass der digitale Euro genau wie das Euro-Bargeld den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels erhalten soll. Der Vorschlag befindet sich derzeit in der Abstimmung mit dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament. Nach aktueller Einschätzung könnte der digitale Euro in frühestens vier bis fünf Jahren schrittweise eingeführt werden.

Dabei wäre der digitale Euro künftig eine weitere Bezahlmöglichkeit. Er soll private Bezahllösungen nicht ersetzen, sondern ergänzen. So können Verbraucherinnen und Verbraucher frei wählen, wie sie digital bezahlen wollen. Sie können ihre Liquidität zudem komfortabel steuern, wenn Zahlungsdienstleister den digitalen Euro in ihre Apps integrieren und an das Girokonto ihrer Kunden anbinden.

Die Bundesbank war im vergangenen Jahr auch an anderen großen Projekten zur Weiterentwicklung der bargeldlosen Zahlungsinfrastruktur beteiligt. So ist im März 2023 die neue TARGET-Plattform des Eurosystems in Betrieb gegangen. Mit ihr wurden die technischen und funktionalen Eigenschaften von TARGET2 im Zahlungsverkehr und TARGET2-Securities (T2S) in der Wertpapierverrechnung konsolidiert. Kreditinstitute und Marktinfrastrukturen wie zum Beispiel Zentrale Gegenparteien profitieren von verschiedenen Verbesserungen der neuen TARGET-Plattform, beispielsweise beim Liquiditätsmanagement, bei der Kosteneffizienz und bei der Resilienz gegenüber Cyber-Angriffen.

Neben der Konsolidierung von TARGET2 und T2S hat das Eurosystem auch das Eurosystem Collateral Management System (ECMS) vorangebracht, eine künftige Gemeinschaftsplattform im Eurosystem zur Verwaltung geldpolitischer Sicherheiten. Die Projektarbeiten am ECMS befinden sich seit Sommer 2023 in der Kundentestphase. Dabei unterstützt die Bundesbank ihre Geschäftspartner intensiv. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang das im September 2023 neu etablierte "ECMS Kundenforum – User Testing". Hier können sich Teilnehmende regelmäßig austauschen und Testerfahrungen teilen. Der EZB-Rat hat im November 2023 beschlossen, die Inbetriebnahme des ECMS von April auf November 2024 zu verschieben, um allen Beteiligten genügend Zeit zur Vorbereitung zu geben. 

Eine zunehmende Herausforderung für die Unternehmen des deutschen Finanzsektors stellen Angriffe aus dem Cyberraum dar. Wie widerstandsfähig besonders relevante Unternehmen aus der Finanzindustrie gegen Cyberangriffe sind, hat die Bundesbank auch im Jahr 2023 mittels TIBER-DE  (Threat Intelligence-Based Ethical Red Teaming) getestet. Mit Hacking-Übungen wurden die Unternehmen angegriffen und bestehende Schwachstellen in deren IT-Infrastruktur offengelegt. So können die Unternehmen erkennen, welche Schutzmaßnahmen sie weiter verbessern müssen. Der TIBER-Ansatz hat sich in Europa sehr bewährt und ist in die europäische Verordnung über die digitale operationale Resilienz des europäischen Finanzmarkts eingeflossen, in das Digital Operational Resilience Act (DORA). Darin sind solche bedrohungsgeleiteten Cybertests für wichtige Unternehmen ab 2025 verpflichtend vorgeschrieben. Die Unternehmen im deutschen Finanzsektor werden dabei auch künftig von der Bundesbank operativ begleitet und in ihren Bemühungen unterstützt, ihre Cybersicherheit zu verbessern.

6 Was die Bundesbank noch beschäftigt

Auch die Bundesbank selbst muss Cyberangriffe abwehren, im vergangenen Jahr nahmen solche Angriffe sogar deutlich zu. Insbesondere Ransomware und Distributed-Denial-of-Service-Attacken richteten sich generell vermehrt gegen Finanzmarktinfrastrukturen. 12 Um den technisch immer raffinierteren Angriffen zu begegnen, verstärkte die Bundesbank die Anstrengungen, um ihre widerstandsfähige IT-Infrastruktur weiter zu festigen und für zukünftige Herausforderungen zu rüsten.

Unter dem Eindruck der gegenwärtigen Herausforderungen intensivierte die Bundesbank den Austausch mit der Politik. Die Eröffnung einer Repräsentanz im neu gegründeten House of the Euro in Brüssel stärkt das Auslandsnetzwerk der Bundesbank. Die EZB und nationale Zentralbanken arbeiten dort eng zusammen, um Positionen des Eurosystems frühzeitig in die europäischen Diskussionen einzubringen. Dem Meinungsaustausch mit dem politischen Berlin dient der jährlich stattfindende Hauptstadtempfang. Er brachte im vergangenen Jahr wieder viele hochrangige Akteure aus Banken, Verbänden, Ministerien und Wissenschaft sowie zahlreiche Abgeordnete des Deutschen Bundestags zusammen. Auch der im Jahr 2020 bei der Überprüfung der geldpolitischen Strategie aufgenommene Dialog mit zivilgesellschaftlichen Organisationen hat sich als jährliche Veranstaltung in Berlin etabliert.

Die Bundesbank baute zudem ihren Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern 2023 weiter aus. Dafür nutzte sie sowohl bewährte als auch neue Formate. Erstmals präsentierte sie sich auf dem Festival für die digitale Gesellschaft „re:publica 23“ in Berlin mit einem Informationsstand, zahlreichen Vorträgen und Diskussionsrunden. Etablierte Formate der Kommunikations- und Bildungsarbeit wurden erfolgreich fortgeführt. Mehr als 16 000 Gäste nutzten 2023 die Gelegenheit, sich bei den Tagen der offenen Tür in Hamburg und München auf unterhaltsame Weise mit den Aufgaben der Bundesbank vertraut zu machen. Darüber hinaus zeigte die Bundesbank auf dem Fest zur Deutschen Einheit in Hamburg Tausenden von Besucherinnen und Besuchern eine Ausstellung zur Geschichte der deutsch-deutschen Währungsunion. Das Geldmuseum der Bundesbank in Frankfurt am Main konnte an die hohen Besucherzahlen vor der Corona-Pandemie anknüpfen. Das Museum trug zudem maßgeblich zur Ausstellung „Inflation 1923. Krieg, Geld, Trauma“ bei, die von Mai bis September 2023 im Historischen Museum Frankfurt zu sehen war.

Im vergangenen Jahr erweiterte die Bundesbank zudem ihr digitales Medienangebot. Zahlreiche Veranstaltungen der Bundesbank wurden live im Internet übertragen. Dazu zählte unter anderem die Bundesbank Invited Speakers Series, eine neue Veranstaltungsreihe des Forschungszentrums mit internationalen Gästen aus der Wissenschaft. Auch das Angebot an digitalen Materialien und neuen Medienformaten zur ökonomischen Bildung wurde kontinuierlich erweitert. Das Bundesbank-E-Book „Geld verstehen digital“ wurde mit der renommierten Comenius-EduMedia-Medaille ausgezeichnet. Mit einem vielfältigen Medienmix und interaktiven Anwendungen beantwortet das E-Book alltägliche Fragen rund um das Thema Geld.

Auch über die Informationstechnologie hinaus stellte die Bundesbank Weichen für die Zukunft. Im Rahmen eines umfassenden Modernisierungsprogramms mit dem Namen „Wandel“ passt sie ihre Strategie und Steuerungsfähigkeit an. Dabei überprüft sie auch ihren organisatorischen Aufbau und die Führungskultur. Ziel ist es, künftig noch schneller auf komplexe, sich wandelnde Anforderungen reagieren zu können und der Rolle als wichtige und prägende Partnerin im Eurosystem und in der europäischen Bankenaufsicht bestmöglich gerecht zu werden. Bis Ende 2027 sollen die angestrebten Veränderungen umgesetzt sein. Dazu gehört unter anderem, die Voraussetzungen zur Datenanalyse zu verbessern und Nachhaltigkeitsfragen umfassend zu behandeln. Für Ersteres wurde im April 2023 die Funktion des Chief Data Officer neu geschaffen, für Letzteres eine Querschnittsabteilung gegründet, die zusammen mit ausgewählten nachhaltigkeitsbezogenen Arbeiten in den Erläuterungen „Bundesbank verankert Nachhaltigkeit als Querschnittsaspekt“ vorgestellt wird. 

Exkurs

Bundesbank verankert Nachhaltigkeit als Querschnittsaspekt

Nachhaltigkeit ist für die Bundesbank ein zentrales Thema, das alle Tätigkeitsbereiche betrifft. Um diesem umfassenden Querschnittsthema gerecht zu werden und Kompetenz und Wissen zu bündeln, gründete die Bundesbank im August 2023 eine eigenständige Abteilung Nachhaltigkeit. Als zentrale Fach-, Strategie- und Koordinierungsabteilung bringt sie in enger Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen Projekte und Analysen zur Nachhaltigkeit voran.

Ein wichtiges Element ist die Forschung. “Climate Change and Central Banks” bildete den Schwerpunkt der Frühjahrskonferenz des Forschungszentrums der Bundesbank im Mai 2023. Dort wurden neueste Erkenntnisse zu Fragestellungen an den Schnittstellen von Ökonomie und Biodiversität, Klimawandel und Preisstabilität sowie Klimawandel und Innovation präsentiert. Im Forschungsprogramm der Bundesbank spielen die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Finanzmärkten eine bedeutende Rolle. Dies spiegelt sich in verschiedenen Bundesbank-Diskussionspapieren wider, etwa zu grünen Anleihen, zu Transitionsrisiken und zu den Auswirkungen von Naturkatastrophen auf den Bankensektor. 1

Ein weiteres wichtiges Element sind Stresstests zu Klimarisiken, wie sie die Bundesbank nach 2021 auch 2023 mit Blick auf den Finanzsektor durchführte. Untersucht wurde die Verwundbarkeit einzelner Banken, Versicherer und Fonds und des gesamten deutschen Finanzsystems gegenüber Risiken aus der Transition zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Im Ergebnis können insbesondere bei CO2‑emissionsintensiven Unternehmen Verluste aus Kredit- und Marktrisiken entstehen. Diese wären verkraftbar für das Finanzsystem, würden die Finanzinstitute in etwaigen Wirtschafts- oder Finanzkrisen aber zusätzlich belasten. Darüber hinaus entwickelte die Bundesbank in der Bonitätsanalyse für geldpolitische Zwecke ihre Methodik zur Berücksichtigung klimabedingter finanzieller Risiken für Unternehmen weiter. 

Ihre Expertise bringt die Bundesbank auch in das Network for Greening the Financial System (NGFS) ein. In diesem internationalen Netzwerk haben sich Zentralbanken und Aufsichtsbehörden zusammengeschlossen. Im November 2023 erschien die vierte, überarbeitete Auflage der NGFS-Klimaszenarien. Dabei wurden vor allem die Methodik zur Berücksichtigung akuter physischer Risiken und die geografische Feinabstufung verbessert. Auch die Auswahl der Szenarien wurde aktualisiert, um Entwicklungen in der Klima-, Wirtschafts- und Energiepolitik besser abbilden zu können. Darüber hinaus erstellte das NGFS im vergangenen Jahr verschiedene Publikationen zur Erarbeitung von Kurzfrist-Szenarien und zur Analyse naturbezogener finanzieller Risiken, sowie eine erste Auswertung von Rahmenwerken für Transitionspläne im Finanzsektor und ein praxisorientiertes Handbuch zu Blended Finance als Instrument zur Klimafinanzierung.

Fußnoten
  1. Vgl.: Giovanardi, F., Kaldorf, M., Radke, L. und F. Wicknig, The preferential treatment of green bonds, Bundesbank Discussion Paper, Nr. 51/2022; Meinerding, C., Schüler, Y. S. und P. Zhang, Shocks to transition risk, Bundesbank Discussion Paper, Nr. 04/2023 sowie Shala, I. und B. Schumacher, The impact of natural disasters on banks' impairment flow – Evidence from Germany, Bundesbank Discussion Paper, Nr. 36/2022.
Fußnoten
  1. Vgl.: Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2022, S. 11.
  2. Vgl.: Deutsche Bundesbank, Bundes­verfassungs­gericht ­urteilt zur Schulden­bremse, Monatsbericht November 2023, S. 7072.
  3. Vgl. hierzu etwa: Deutsche Bundesbank, Öffentliche Finanzen, Monatsbericht Mai 2023, S. 6078 (hier: S. 66). Auch der Beirat des Stabilitätsrats hatte auf Risiken hingewiesen, z. B.: Unabhängiger Beirat des Stabilitätsrats, 20. Stellungnahme zur Einhaltung der Obergrenze für das strukturelle gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit nach § 51 Absatz 2 HGrG, Mai 2023, S. 23.
  4. Vgl. insb.: Deutsche Bundesbank, Zur zunehmenden Bedeutung der Extrahaushalte des Bundes, Monatsbericht Juni 2023, S. 6382. 
  5. Vgl.: Deutsche Bundesbank, Die Schuldenbremse des Bundes: Möglichkeiten einer stabilitätsorientierten Weiterentwicklung, Monatsbericht April 2022, S. 5370. 
  6. Vgl. hierzu auch: Deutsche Bundesbank, Die Schieflage der US-amerikanischen Silicon Valley Bank, Finanzstabilitätsbericht 2023, S. 2728.
  7. Zu solchen ESG-Risiken siehe auch: Deutsche Bundesbank, Nachhaltigkeitsrisiken in der Bankenaufsicht, Monatsbericht April 2023, S. 7596.
  8. Vgl. hierzu auch: Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2023
  9. Vgl.: Deutsche Bundesbank (2024), Bargeld der Zukunft, S. 93. 
  10. Vgl.: Deutsche Bundesbank (2022), Zahlungsverhalten in Deutschland 2021, S. 25.
  11. Vgl.: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, BIS Annual Economic Report 2022, S. 102.
  12. Bei Ransomware handelt es sich um Schadsoftware, die in der Regel auf die Verschlüsselung von Daten abzielt. Im Anschluss wird versucht, Lösegeld für deren Entschlüsselung zu erpressen. Bei Distributed-Denial-of-Service-Attacken werden in einer koordinierten Aktion sehr viele Anfragen an einen Server gerichtet, um diesen zu überlasten.