Deutschland-Prognose: US-Zölle belasten zunächst, Fiskalpolitik sorgt verzögert für Auftrieb Monatsbericht – Juni 2025
Veröffentlicht am 6.6.2025
Deutschland-Prognose: US-Zölle belasten zunächst, Fiskalpolitik sorgt verzögert für Auftrieb Monatsbericht – Juni 2025
Monatsberichtsaufsatz
Die Erholung der deutschen Wirtschaft verzögert sich aufgrund der Verwerfungen durch die internationale Handelspolitik. Erst allmählich wird die Konjunktur durch zusätzliche fiskalische Maßnahmen gestützt.
Die neuen US-Zölle und die Unsicherheit über die US-Politik dämpfen das Wirtschaftswachstum im laufenden und im kommenden Jahr. Dabei wird der BIP-Anstieg durch die verhängten Zölle selbst und die damit einhergehende allgemeine Verunsicherung abgeschwächt. Bis Ende 2027 liegt das gesamtwirtschaftliche Wachstum nur aufgrund dieser Faktoren schätzungsweise rund ¾ Prozentpunkte niedriger.
Die expansiv ausgerichtete Fiskalpolitik trägt ab dem kommenden Jahr zu der dann einsetzenden deutlichen Erholung der deutschen Wirtschaft bei. Die Nachfrageeffekte aus höheren Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben stützen den BIP-Anstieg kumuliert über den Prognosezeitraum schätzungsweise in einer Größenordnung von ebenfalls ¾ Prozentpunkten. Die gesamtstaatliche Defizitquote steigt bis 2027 auch wegen anderer Maßnahmen auf gut 4 %. Im Zuge stark wachsender Ausgaben der Sozialversicherung erhöhen sich die Beitragssätze kräftig.
Insgesamt dürfte das reale BIP 2025 kalenderbereinigt stagnieren, wächst dann aber 2026 mit 0,7 % und 2027 mit 1,2 % wieder kräftig. Damit wird der Wachstumsausblick gegenüber der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember vor allem für 2025 abwärts- und für 2027 aufwärtsrevidiert.
Die Inflationsrate sinkt, gemessen am HVPI, im laufenden Jahr auf 2,2 % und fällt 2026 vorübergehend auf 1,5 %, ehe sie 2027 wieder auf 1,9 % ansteigt. Maßgeblich für die vorübergehend niedrigere Inflationsrate im kommenden Jahr sind gesunkene Energierohstoffpreise, die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar sowie direkt energiepreissenkende fiskalische Maßnahmen. Die HVPI-Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) pendelt sich ab 2026 bei etwa 2 % ein.
Gegenüber der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember wurde damit der Inflationsausblick für 2025 und 2026 deutlich abwärtsrevidiert.
Der Ausblick um diese Basislinie herum ist von großen Unsicherheiten in Bezug auf die Handelsstreitigkeiten, geopolitische Konflikte und die konkrete Ausgestaltung der deutschen Fiskalpolitik geprägt. Es bestehen Risiken für das Wirtschaftswachstum und die Inflation in beide Richtungen.
Tabelle 1.1: Prognose vom Juni 2025 Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position
2024
2025
2026
2027
Reales BIP, kalenderbereinigt
− 0,2
0,0
0,7
1,2
Reales BIP, unbereinigt
− 0,2
− 0,1
1,0
1,3
Harmonisierter Verbraucherpreisindex
2,5
2,2
1,5
1,9
ohne Energie und Nahrungsmittel
3,2
2,6
1,9
2,0
Quelle: Statistisches Bundesamt (Rechenstand: 21. Mai 2025). 2025 bis 2027 eigene Prognosen.
Vorbemerkung: Um die Lesefreundlichkeit für die Nutzerinnen und Nutzer zu erhöhen, wurde die Struktur der Aufsätze im Monatsbericht zur Deutschland-Prognose angepasst. Beginnend mit dem vorliegenden Aufsatz wird künftig im ersten Kapitel die neue Prognose in ihren makroökonomischen Grundzügen erläutert. Im zweiten Kapitel folgt die Diskussion der sie umgebenden Risiken. In einem dritten Kapitel finden sich vertiefende Ausführungen zu einzelnen Bereichen der Prognose, die jeweils an den entsprechenden Textstellen im ersten Kapitel über Links verknüpft sind.
1 Grundzüge des makroökonomischen Ausblicks
Im vergangenen Winterhalbjahr hielt die Schwächephase der deutschen Wirtschaft noch an.Das reale BIP stagnierte im Winterhalbjahr 2024/25 saisonbereinigt nahezu. 1 Dies steht insgesamt grob im Einklang mit der Deutschland-Prognose der Bundesbank vom Dezember 2024. 2 Allerdings fiel die BIP-Rate mit – 0,2 % im vierten Quartal 2024 etwas niedriger und mit 0,4 % im ersten Quartal 2025 spürbar höher aus als erwartet. Die Verschärfung der US-Handelspolitik warf zwar bereits ihre Schatten voraus, bremste aber noch nicht, sondern löste im Gegenteil Vorzieheffekte aus. Die Exporte waren zum Jahresende 2024 unerwartet deutlich eingebrochen. Im ersten Quartal 2025 erholten sie sich aber wieder kräftig. In Erwartung höherer US-Zölle wurden Exporte in die USA, beispielsweise von pharmazeutischen Produkten, teilweise vorgezogen. Dies dürfte auch zur Stabilisierung der Industrieproduktion im ersten Quartal 2025 beigetragen haben. 3 Auch die Unternehmensinvestitionen fingen sich etwas und gaben im Winterhalbjahr nur noch leicht nach, obwohl sich die Kapazitätsauslastung in der Industrie von sehr geringem Niveau aus nur wenig erhöhte, die Wettbewerbsposition schlecht blieb und die wirtschaftspolitische Unsicherheit weiter hoch war. Die privaten Wohnungsbauinvestitionen wuchsen spürbar. Der private Konsum entwickelte sich etwas dynamischer als im Dezember erwartet. Dabei spielte eine Rolle, dass sich die Verbraucher ausgabenfreudiger zeigten als angenommen, der Arbeitsmarkt robuster und die Inflation schwächer als erwartet ausfielen. So verbesserte sich die Konsumlaune trotz der Unsicherheiten durch die restriktive US-Handelspolitik sogar leicht. 4 Die Anzahl der Erwerbstätigen sank im Winterhalbjahr nur leicht ab, und die Erwerbslosenquote stieg nur wenig an. Die Verbraucherpreise für Energie sanken stärker und für Nahrungsmittel stiegen sie deutlich weniger als erwartet. Die Rate für die Teuerung insgesamt, gemessen am HVPI, betrug im Mai laut Schnellschätzung 2,1 % und lag damit um 0,1 Prozentpunkte niedriger als in der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember.
Die weiteren Aussichten für die deutsche Wirtschaft werden maßgeblich durch die protektionistische US-Handelspolitik sowie die Neuausrichtung der heimischen Fiskalpolitik beeinflusst. 5 Die fiskalische Neuausrichtung folgt auf die Lockerung der Schuldenbremse im März. In der Folge dürften nun Ausgaben für die Verteidigung und staatliche Infrastruktur, aber wohl auch andere neue Maßnahmen, umfangreich über Kredite finanziert werden. 6
Die neue US-Wirtschaftspolitik dämpft das Wachstum der deutschen Wirtschaft vor allem im laufenden Jahr. Es wird in dieser Prognose angenommen, dass die zum Zeitpunkt des Prognoseabschlusses am 21. Mai 2025 geltenden US-Zölle und teilweisen Gegenzölle über den Prognosezeitraum unverändert fortbestehen (vgl. Abschnitt „Annahmen zum internationalen Umfeld, Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen“). Die seit April deutlich höheren US-Zölle sowie die hohe Unsicherheit über den Fortgang der US-Wirtschaftspolitik – nicht nur in Handelsfragen – treffen die exportorientierte deutsche Industrie in einer Zeit, in der sie sich nach einer langen Schwächephase in der Grundtendenz zu stabilisieren begann. Insgesamt ist nur mit einer Stagnation des BIP im zweiten Quartal des laufenden Jahres und einem leichten Rückgang im dritten Quartal zu rechnen (vgl. Abschnitt „Details zur Kurzfristprognose für das BIP“). Im zweiten Quartal dürfte es noch zu gewissen, weiteren Vorzieheffekten bei den Exporten kommen, da die Unternehmen mit der Möglichkeit noch höherer US-Zölle ab Juli rechnen müssen. Ab dem dritten Quartal sollten dann aber entsprechende Rückpralleffekte voll durchschlagen. Zudem hat die US-Wirtschaftspolitik nicht, wie – zumindest bezogen auf Zölle – eigentlich zu erwarten gewesen wäre, zu einer Aufwertung des US-Dollar, sondern des Euro geführt. Offenbar verloren die Finanzmärkte angesichts der Politik der US-Regierung an Vertrauen in den US-Dollar und die langfristige Stärke der US-amerikanischen Wirtschaft (vgl. Abschnitt „Annahmen zum internationalen Umfeld, Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen“). Durch die damit einhergehende Euro-Aufwertung hat die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im internationalen Handel abgenommen, was insbesondere die ohnehin schwierige Wettbewerbsposition der Industrie zusätzlich belastet. Insgesamt gehen deshalb die Exporte im laufenden Jahr deutlich zurück und legen im kommenden Jahr nur wenig zu. Dadurch bleiben die Kapazitäten in der Industrie noch länger deutlich unterausgelastet. Dies und die hohe wirtschaftspolitische Unsicherheit wirken dämpfend auf die Unternehmensinvestitionen. Sie gehen deshalb im laufenden Jahr deutlich und 2026 noch einmal etwas zurück. Werden die Effekte der US-Wirtschaftspolitik durch die Zölle und die damit einhergehende grundsätzliche Verunsicherung zusammengenommen, so ergibt sich nach Modellschätzungen eine kumulierte Reduktion des BIP-Wachstums über den Prognosezeitraum von etwa ¾ Prozentpunkten. Sie konzentriert sich auf die Jahre 2025 und 2026. Die geringere Kapazitätsauslastung übt dabei dämpfenden Einfluss auf die Verbraucherpreisinflation aus, wenngleich nur in recht schwachem Ausmaß. 7 Die durch die Zölle geringere Dynamik der Industrieproduktion trägt zur Abkühlung am Arbeitsmarkt im laufenden Jahr bei und dämpft das Lohnwachstum. Vor diesem Hintergrund ist mit einem geringfügigen Rückgang der Realeinkommen der privaten Haushalte im Jahr 2025 zu rechnen. Der private Konsum wächst dennoch etwas, nicht zuletzt, weil die Konsumlaune bisher kaum von den Handelsstreitigkeiten beeinflusst wird und die Konsumenten im laufenden Jahr einen etwas geringeren Anteil ihres Einkommens sparen. Auch der Wohnungsbau wird durch die 2025 leicht sinkenden Realeinkommen gedrückt. Er nimmt daher zunächst nur langsam zu (vgl. Abschnitt „Zu den Prognosen der Verwendungskomponenten des BIP“).
Die expansive Fiskalpolitik und die geringeren wachstumsdämpfenden Einflüsse der US-Wirtschaftspolitik führen zu einer spürbaren Erholung der Konjunktur ab 2026.Die Fiskalpolitik nutzt zunehmend die höheren Kreditspielräume der gelockerten Schuldenbremse. Aufgrund von zusätzlichen Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben steigt der Staatskonsum weiter kräftig, und die staatlichen Investitionen wachsen sehr stark. Der kumulierte Gesamteffekt aus den zusätzlichen Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben auf das BIP-Wachstum vom zweiten Quartal 2025 bis Ende 2027 wird auf etwa + ¾ Prozentpunkte geschätzt. Er konzentriert sich auf die Jahre 2026 und 2027. Die durch die höhere Nachfrage ausgelöste Wirkung auf die Verbraucherpreisinflation ist dagegen wohl gering, da Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung kaum direkt die Verbraucherpreise betreffen. Zusätzlich stützt die Fiskalpolitik über Steuersenkungen, ausgeweitete Subventionen und Transfers die Einkommen von Unternehmen und privaten Haushalten (vgl. Abschnitt „Finanzpolitische Annahmen“). Diese Faktoren unterstützen – mit einem wieder deutlicheren Anziehen der Exporte ab Mitte 2026 – die Erholung des Arbeitsmarktes und des Lohnwachstums. Weil gleichzeitig die Verbraucherpreisinflation vorübergehend deutlich zurückgeht, steigen die verfügbaren Realeinkommen der privaten Haushalte wieder merklich an, und der private Konsum legt spürbarer zu. Auch die Wohnungsbauinvestitionen setzen dann ihre Erholung mit kräftigeren Wachstumsraten fort. Entlastende staatliche Maßnahmen verbessern zudem die Investitionsbedingungen, insbesondere durch niedrigere Stromkosten und günstigere Abschreibungsbedingungen. Da zudem die Kapazitätsauslastung der Wirtschaft steigt und die wirtschaftspolitische Unsicherheit zurückgeht, ziehen die Unternehmensinvestitionen 2027 deutlich an, auch wenn die Finanzierungskosten dann wieder etwas höher sind (vgl. Abschnitt „Zu den Prognosen der Verwendungskomponenten des BIP“).
Tabelle 1.2: Technische Komponenten zur BIP-Wachstumsprognose in % beziehungsweise in Prozentpunkten
Quelle: Statistisches Bundesamt (Rechenstand: 21. Mai 2025). 2025 bis 2027 eigene Prognosen. 1 Saison- und kalenderbereinigter Indexstand im vierten Quartal des Vorjahres in Relation zum kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt des Vorjahres. 2 Jahresveränderungsrate im vierten Quartal, saison- und kalenderbereinigt. 3 In % des BIP.4 Abweichungen in der Summe rundungsbedingt.
Insgesamt gesehen tritt die deutsche Wirtschaft damit im laufenden Jahr auf der Stelle, wächst 2026 und vor allem 2027 aber wieder kräftig. Das kalenderbereinigte reale BIP stagniert im laufenden Jahr und wächst dann 2026 um 0,7 % und 2027 um 1,2 %. Damit wird der Wachstumsausblick gegenüber der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember für das Jahr 2025 nach unten und für 2027 nach oben revidiert. Dahinter steht, dass im Vergleich mit der Dezember-Prognose zunächst die Belastungen durch die US-Wirtschaftspolitik überwiegen und später der zusätzliche Auftrieb aus der expansiven Fiskalpolitik. Entsprechend wurden die Exporte und Unternehmensinvestitionen abwärts- und die staatlichen Konsum- und Investitionsausgaben aufwärtsrevidiert.
Tabelle 1.3a: Revisionen gegenüber der Prognose vom Dezember 2024 Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position
2024
2025
2026
2027
BIP (real, kalenderbereinigt)
Prognose vom Juni 2025
− 0,2
0,0
0,7
1,2
Prognose vom Dezember 2024
− 0,2
0,2
0,8
0,9
Differenz (in Prozentpunkten)
0,0
− 0,2
− 0,1
0,3
Die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten werden erst 2027 wieder in etwa normal ausgelastet. Das Produktionspotenzial wird in Summe durch die Auswirkungen der US-Wirtschaftspolitik und das hier eingestellte Fiskalpaket im Prognosezeitraum kaum verändert. 8 Es wächst lediglich mit etwa 0,4 % pro Jahr. 9 Die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten sind am aktuellen Rand deutlich unterausgelastet. Dies zeigen auch die ifo Umfragedaten zur Kapazitätsauslastung und zum Mangel an Aufträgen. Das 2025 lediglich stagnierende BIP führt dazu, dass die Produktionslücke gegenüber 2024 weiter ins Minus rutscht. Erst ab Anfang 2026 beginnt sie sich mit der wieder Fahrt aufnehmenden Konjunktur bis zum Ende des Prognosezeitraums weitgehend zu schließen.
Die staatliche Defizitquote sinkt im laufenden Jahr noch und steigt ab 2026 durch die expansive Fiskalpolitik deutlich an.Die Steuereinnahmen wachsen im laufenden Jahr merklich. Außerdem steigen die Sozialbeitragssätze kräftig, weil Krankenkassen und Pflegeversicherung ihre disponiblen Rücklagen im Vorjahr aufgebraucht haben. Dagegen benötigen die defiziterhöhenden fiskalischen Maßnahmen etwas Vorlauf und lassen das Defizit erst ab 2026 deutlich steigen. Entsprechend sinkt die Defizitquote zunächst auf 2,2 % im laufenden Jahr (von 2,8 % im Vorjahr). 2026 steigt sie dann auf 3,6 % und 2027 auf 4,2 % (vgl. Abschnitt „Ausblick für die öffentlichen Finanzen“). Die Maastricht-Schuldenquote erhöht sich von 62,5 % Ende 2024 auf 66,1 % zum Jahresende 2027.
Der Arbeitsmarkt schwächt sich zunächst noch ab und erholt sich ab 2026 im Gefolge der besseren Konjunktur. Kurzfristig ist noch keine Verbesserung am Arbeitsmarkt zu erwarten. Der moderate Beschäftigungsrückgang und der langsame Anstieg der Arbeitslosigkeit im Winterhalbjahr dürften aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes und der strukturellen Herausforderungen – insbesondere für das Verarbeitende Gewerbe – zunächst anhalten (vgl. Abschnitt „Zur Prognose für den Arbeitsmarkt im laufenden Jahr“). Viele Unternehmen haben aber ihr Personal trotz der langen Schwächephase gehalten. 10 Die wirtschaftliche Erholung führt ab Ende 2025 allmählich wieder zu steigender Erwerbstätigkeit, sinkender Arbeitslosigkeit und zunehmendem Fachkräftemangel. Dabei wird aber auch das vorhandene Personal wieder intensiver eingesetzt, und die noch immer gedrückte Arbeitszeit und die Arbeitsproduktivität steigen wieder an. Der Arbeitsmarkt steht dabei vor der Herausforderung, dass das gesamte Arbeitskräfteangebot ab 2026 aus demografischen Gründen sinkt, obwohl die individuelle Erwerbsbeteiligung weiter steigt und eine erhebliche Zuwanderung unterstellt wird. 11 Gleichzeitig führt über den gesamten Prognosezeitraum der strukturelle Wandel zu einer verringerten Passgenauigkeit zwischen angebotenen und nachgefragten Qualifikationen am Arbeitsmarkt. Daher kehrt die Arbeitslosigkeit bis Ende 2027 nicht wieder auf das niedrige Niveau von Anfang 2022 zurück.
Die Löhne steigen 2025 erheblich schwächer als in den beiden Vorjahren, ab 2026 dann aber wieder etwas stärker. Niedrigere Inflationsraten, die länger anhaltende Konjunkturschwäche und der sich abkühlende Arbeitsmarkt dämpfen die Tarifverdienste im laufenden Jahr (vgl. Abschnitt „Zur Prognose für die Tariflöhne im laufenden Jahr“). Im kommenden Jahr dürften leicht höhere Tariflohnanstiege vereinbart werden, da sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen allmählich verbessern. Die konjunkturelle Aufhellung gewinnt 2027 an Schwung, sodass die Neuabschlüsse noch etwas höher ausfallen. Aufgrund der unterschiedlich langen vertraglichen Laufzeiten in den einzelnen Branchen spiegelt sich das allerdings nicht unmittelbar in einer höheren Vorjahresrate wider. So wirken noch niedrigere Stufenanhebungen aus älteren Verträgen aus dem Jahr 2025 nach. Die jahresdurchschnittliche Zuwachsrate im Jahr 2027 liegt mit 2,8 % dennoch deutlich über dem langjährigen Mittelwert. Die Effektivverdienste 12 steigen 2025 noch weniger als die Tarifverdienste. Ausschlaggebend dafür sind niedrigere Erfolgsprämien vor allem für Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe aufgrund der schwachen Industriekonjunktur. Zudem sinken die bezahlten Überstunden. Die Lohndrift 13 ist daher 2025 leicht negativ. 14 Im Jahr 2026 dreht sie in den neutralen Bereich. Dazu trägt neben der höheren Arbeitszeit auch der Anstieg des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns bei. 15 Im Jahr 2027 steigen die Effektivverdienste mit 3 % wieder leicht stärker als die Tarifverdienste. Die Arbeitskosten, gemessen an den Arbeitnehmerentgelten je Arbeitnehmer, legen im Prognosezeitraum stärker zu als die Effektivverdienste, vor allem im laufenden Jahr. Dies liegt an den in den Arbeitnehmerentgelten enthaltenen zusätzlichen Kostenschüben für die Arbeitgeber, die aus deutlich steigenden Sozialbeitragssätzen resultieren. Denn der Gesamtbeitragssatz der Sozialversicherung steigt im Prognosezeitraum auf über 43 % (vgl. Abschnitt „Finanzpolitische Annahmen“).
Der Druck von den Lohnstückkosten nimmt im Prognosezeitraum ab und die am BIP-Deflator gemessene Binneninflation fällt bis 2027 auf 2,2 %.Vor dem Hintergrund des Beschäftigungsrückgangs, des erheblich geringeren Lohnwachstums und des stagnierenden BIP ermäßigt sich der Preisdruck von den Lohnstückkosten im laufenden Jahr deutlich. Er bleibt mit fast 3 % dennoch überdurchschnittlich hoch. Im Gegensatz zum Vorjahr tragen sinkende gesamtwirtschaftliche Gewinnmargen 2025 nur noch wenig zur Disinflation bei. Sie befinden sich zurzeit schon etwa auf dem Niveau vor der Pandemie. Im Jahr 2026 stützt die expansive Fiskalpolitik die Gewinnmargenentwicklung über eine stärkere Nachfrage dann sogar leicht. Die Binneninflation sinkt dann vor allem aufgrund schwächer steigender Lohnstückkosten. Zwar bleibt das Lohnwachstum im Prognosezeitraum überdurchschnittlich. Jedoch erholt sich die Arbeitsproduktivität zunehmend, und der Anstieg der Lohnstückkosten verlangsamt sich weiter. Trotz in etwa normal ausgelasteter Kapazitäten verbleibt die Binneninflation 2027 mit 2,2 % noch auf leicht erhöhtem Niveau. Dazu trägt ein überdurchschnittlicher Preisanstieg bei den kräftig steigenden staatlichen Konsum- und Investitionsausgaben bei.
Die HVPI-Inflationsrate geht im Jahresdurchschnitt 2025 und 2026 weiter zurück, bevor sie 2027 wieder auf rund 2 % ansteigt. Die HVPI-Rate schwankt in den nächsten Monaten um 2 %, geht im Jahresdurchschnitt von 2025 aber nur auf 2,2 % zurück. Die Rate ohne Energie und Nahrungsmittel (Kernrate) sinkt zwar ebenfalls, bleibt mit 2,6 % aber noch spürbar höher. Im nächsten Jahr fällt die Inflationsrate vor allem wegen niedrigerer Energiepreise temporär merklich auf 1,5 %. Aber auch die Kernrate geht aufgrund des abnehmenden Preisdrucks von den Arbeitskosten sowie der noch schwachen Nachfrage, die auch durch verzögerte Auswirkungen der bis 2024 restriktiven Geldpolitik verursacht wird, auf 1,9 % zurück (vgl. Abschnitt „Zur Inflationsprognose bis 2026“). Die dämpfende Wirkung der Energiepreise im Prognosezeitraum resultiert zum einen aus den niedrigeren Terminnotierungen für Rohöl auf den Energiemärkten (vgl. Abschnitt „Annahmen zum internationalen Umfeld, Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen“). Dabei wird der Preisrückgang durch die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar zusätzlich verstärkt. Zum anderen verringern in der Prognose berücksichtigte Fiskalmaßnahmen den Preisauftrieb: Am gewichtigsten ist die Reduzierung der Strompreise, aber auch das Ende der Gasspeicherumlage senkt die Energiepreise. Die Umstellung von nationalen CO₂-Preisen auf das europäische ETS2-System dämpft den Preisanstieg 2027 ebenfalls etwas. 16 Die Verteuerung der Nahrungsmittel sinkt zum Ende des laufenden Jahres deutlich unter ihren historischen Durchschnitt und verharrt dort zunächst, bevor sie im Jahr 2027 allmählich wieder ansteigt. Industrieprodukte ohne Energie verteuern sich voraussichtlich bis Mitte des nächsten Jahres – auch wegen dämpfender Auswirkungen der Euro-Aufwertung – nur wenig. Erst mit zunehmender wirtschaftlicher Auslastung ziehen die Preise wieder etwas stärker an. Die deutliche Steigerung der Dienstleistungspreise lässt aufgrund des niedrigeren Lohnwachstums, aber auch wegen des Wegfalls erhöhender Sondereffekte spürbar nach, verbleibt jedoch auf merklich erhöhtem Niveau. In Summe steigt die Inflationsrate im Jahr 2027 wieder auf 1,9 % an, und die Kerninflationsrate erhöht sich ebenfalls leicht auf 2,0 %. Damit wurde die Prognose der Inflationsrate vor allem wegen Energie gegenüber der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember für 2025 und 2026 gesenkt, bleibt aber für 2027 unverändert. Die Kerninflationsrate wurde nur für das laufende Jahr leicht aufwärtsrevidiert.
Tabelle 1.3b: Revisionen gegenüber der Prognose vom Dezember 2024 Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position
2024
2025
2026
2027
Harmonisierter Verbraucherpreisindex
Prognose vom Juni 2025
2,5
2,2
1,5
1,9
Prognose vom Dezember 2024
2,5
2,4
2,1
1,9
Differenz (in Prozentpunkten)
0,0
− 0,2
− 0,6
0,0
2 Risikobeurteilung
Konjunkturprognosen sind immer durch Unsicherheiten geprägt; die zum gegenwärtigen Zeitpunkt herrschende Unsicherheit ist allerdings außergewöhnlich hoch – mit Risiken für Wirtschaftswachstum und Inflation in beide Richtungen. Insbesondere die von der US-Zollpolitik ausgehenden internationalen Handelsstreitigkeiten, aber auch die globalen geopolitischen Konflikte könnten sich weiter verschärfen oder auch entspannen. Zum Fiskalpaket sowie zur beschleunigten Umsetzung staatlicher Vorhaben bezüglich Infrastruktur und Verteidigung mussten Annahmen getroffen werden. Bei Prognoseabschluss lagen dazu kaum Informationen vor. Die fiskalische Lockerung kann insofern stärker oder schwächer als in der Basislinie der Prognose unterstellt ausfallen.
Sollten die USA ihre Zollpolitik gegenüber ihren Handelspartnern wieder verschärfen, drohen nicht nur protektionistische Gegenmaßnahmen, sondern schwerwiegende makroökonomische Konsequenzen für die beteiligten Volkswirtschaften, die Weltwirtschaft und auch für die deutsche Wirtschaft. Höhere Zölle wirken für sich genommen im Zoll erhebenden Land inflationär und dämpfen die Güternachfrage. Sollte es im Zuge einer Zuspitzung des Handelskonflikts – ähnlich wie es im April zu beobachten war – zugleich an den globalen Kapitalmärkten zu einem weiteren Vertrauensverlust in den US-Dollar und die US-Wirtschaft kommen, könnte der US-Dollar abwerten. Außerdem könnten die Preise an den globalen Rohstoffmärkten im Gefolge erhöhter Nachfragesorgen nachgeben. Die deutsche Wirtschaftsleistung würde dann durch eine schwächere Auslandsnachfrage, eine Aufwertung des Euro und eine erhöhte Unsicherheit gedämpft (vgl. Exkurs „Zu möglichen Auswirkungen einer restriktiveren US-amerikanischen Handelspolitik auf die deutsche Wirtschaft“). Die Inflation fiele zugleich schwächer aus, da niedrigere Energierohstoffpreise und ein höherer Außenwert des Euro gegenüber dem US-Dollar vor allem im Bereich der Energie und der Industriegüter ohne Energie den Preisanstieg dämpfen würden. Gemäß den Simulationsrechnungen würden preistreibende Effekte von eventuellen Gegenzöllen der EU auf Importe aus den USA auf den vorgelagerten Stufen dies nicht kompensieren. Allerdings ist es auch möglich, dass die Konfliktparteien die Handelsstreitigkeiten beilegen, die globalen Zölle niedriger ausfallen als in der Prognose unterstellt und die deutsche Exportwirtschaft letztlich weniger Gegenwind erfährt als angenommen. Sollten dabei der US-Dollar wieder zu alter Stärke finden und sich die globalen Nachfrageaussichten stärker aufhellen, so könnte hierzulande über einen schwächeren Euro und höhere globale Energierohstoffpreise zusätzlicher Preisauftrieb entstehen.
Während bei den internationalen geopolitischen Konflikten eine weitere Zuspitzung nicht ausgeschlossen werden kann, bestehen mittlerweile auch Hoffnungen auf eine Entspannung. Sollten sich beispielsweise der Krieg Russlands gegen die Ukraine oder der Konflikt im Nahen Osten verschärfen oder ausweiten, könnten etwa die globalen Rohstoffmärkte und internationale Lieferketten beeinträchtigt werden. Dies würde die Konjunktur in Deutschland dämpfen und die Inflation, insbesondere im Falle steigender Preise für Energierohstoffe, erhöhen. Auch hier sind aber günstigere Szenarien denkbar. Diese könnten dann umgekehrt zu einem besseren Konjunkturverlauf und einer niedrigeren Inflation führen.
Der zukünftige fiskalpolitische Kurs ist derzeit noch unsicher. Die neue Bundesregierung hat noch keine Budgetplanungen vorgelegt. Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Prognose sind die Annahmen zu den staatlichen Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur.
Die fiskalische Expansion könnte schwächer ausfallen: Die EU-Fiskalregeln sowie die Schuldenbremse könnten enger binden, und der allgemeine Finanzierungsvorbehalt aus dem Koalitionsvertrag könnte stärker greifen. Außerdem könnten die Ausgaben für Verteidigung und staatliche Infrastruktur schwächer wachsen als unterstellt. Letzteres hängt maßgeblich davon ab, inwieweit nichtfinanzielle Hindernisse beseitigt werden – etwa im Bereich der Regulierung oder bei Genehmigungsprozessen.
Die fiskalische Expansion könnte aber auch stärker ausfallen: Erstens sieht der Koalitionsvertrag gegenüber den finanzpolitischen Annahmen in dieser Prognose zusätzliche defizitwirksame Maßnahmen vor. Zweitens könnten die Ausgaben für Verteidigung und staatliche Infrastruktur auch stärker steigen als angenommen.
Sollte die fiskalische Expansion schwächer ausfallen, wären die Expansion der gesamtwirtschaftlichen Aktivität und der Preisdruck geringer. Umgekehrt könnte sich die Konjunktur bei einer noch stärkeren fiskalischen Lockerung mehr beleben als erwartet. Der Preisdruck könnte dann höher ausfallen, insbesondere falls einzelne Sektoren – etwa in der Verteidigungsindustrie oder im Tiefbau – an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen und diese nicht rasch genug ausweiten können.
Hinsichtlich der Inflationsprognose ist zudem zu beachten, dass diese auch von den unterstellten staatlichen Maßnahmen mit einer direkten Preiswirkung abhängt. So können etwa Zeitpunkt und Umfang der Senkung der Stromsteuer und der Übertragungsnetzentgelte von den getroffenen Annahmen in der Basislinie abweichen. Die Verbraucherpreise würden beispielsweise stärker gedämpft, wenn die Abgaben auf Strom stärker gesenkt würden. In der Prognose wird ein Rückgang um 5 ct/kWh angenommen, dies ist jedoch laut Koalitionsvertrag der mindestens angestrebte Entlastungsbetrag. Auf der anderen Seite könnte sich 2027 ein höherer CO₂-Preis ergeben, was den Preisauftrieb verstärken würde. In der Prognose wird mit dem Umstieg vom nationalen auf den EU-weiten Zertifikatehandel (ETS2) ein Rückgang des CO₂-Preises von 65 € auf die angestrebte Preisobergrenze von 59 € unterstellt. Diese Grenze könnte jedoch überschritten werden, da sich der ETS2-Preis grundsätzlich am Markt bilden soll. Zudem legen Simulationsrechnungen nahe, dass die Emissionen stärker reduziert werden müssen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. 17
Exkurs
Zu möglichen Auswirkungen einer restriktiveren US-amerikanischen Handelspolitik auf die deutsche Wirtschaft
Das Ausmaß der durch den US-Präsidenten Anfang April dieses Jahres angekündigten Zollanhebungen überraschte die meisten Marktbeobachter. Zwar hatte der US-Präsident bereits vor seinem Amtsantritt mit einer Verschärfung der Handelspolitik gedroht. 1 Allerdings übertrafen Höhe und Reichweite der Anfang April angekündigten Zölle die Erwartungen deutlich. Für den Großteil der Wareneinfuhren aus der EU sollten die Zollsätze um 20 Prozentpunkte ansteigen. Für die meisten anderen Handelspartner galten zumindest ähnlich hohe Sätze. Für Produkte aus China waren nach einer Spirale wechselseitiger Vergeltungsmaßnahmen zwischenzeitlich sogar Zusatzzölle von mehr als 100 % fällig. 2 Dies löste starke Reaktionen an den weltweiten Finanzmärkten aus. Aktien verloren bei hoher Finanzmarktvolatilität deutlich an Wert. Zudem gingen die Kurse für US-Staatsanleihen zurück, und der US-Dollar wertete spürbar ab. Diese Reaktionen widersprachen den üblicherweise bei Finanzmarktstress beobachteten Kursanstiegen für US-Staatsanleihen und Aufwertungstendenzen des US-Dollar. 3 Ungewöhnlich war der Wertverlust der US-Währung auch vor dem Hintergrund, dass eine Erhöhung der US-Importzölle für sich genommen eine Aufwertung des US-Dollar hätte erwarten lassen. Dies legt nahe, hinter den beobachteten Entwicklungen nicht nur einen Zoll-Schock zu vermuten, sondern auch einen teilweisen Vertrauensverlust in die US-Währung. Die Zollanhebungen gegenüber vielen Ländern wurden inzwischen teilweise ausgesetzt, solange Verhandlungen mit den USA über bilaterale Handelsabkommen stattfinden.
Die Ungewissheit über die zukünftige US-Handelspolitik bleibt groß. Bereits ab Juli droht für die meisten Handelspartner eine Rückkehr zu höheren Zollsätzen. Vor diesem Hintergrund gibt das folgende Risikoszenario Aufschluss über mögliche Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft, sollte sich die handelspolitische Lage – vergleichbar mit Anfang April – wieder verschärfen und erneut gravierende Reaktionen an den Finanzmärkten auslösen.
In der Szenarioanalyse wird davon ausgegangen, dass die Anfang April verkündeten, derzeit teilweise ausgesetzten Zollanhebungen vollständig in Kraft treten, gefolgt von erneuten, starken Finanzmarktreaktionen und anhaltend hoher Unsicherheit in Bezug auf die US-Wirtschaftspolitik. Es wird unterstellt, dass die handelspolitischen Verhandlungen mit den USA scheitern und die USA ab dem dritten Quartal 2025 auf fast alle Einfuhren die sogenannten "reziproken" Zölle in Höhe des am 2. April 2025 angekündigten Niveaus fordern. 4 US-Warenimporte aus der EU wären mit einem zusätzlichen Zoll in Höhe von 20 % belastet, statt der derzeitigen zusätzlichen 10 %. Außerdem wird angenommen, dass die EU darauf mit Vergeltungszöllen in gleicher Größenordnung reagiert. Für den bilateralen Handel zwischen China und den USA werden die am Ende der jüngsten Eskalationsspirale erreichten hohen Zölle zugrunde gelegt. Zudem wird im Szenario angenommen, dass die wirtschafts- und handelspolitische Unsicherheit über den gesamten Prognosezeitraum hoch bleibt. In Anlehnung an die Beobachtungen nach den Zollankündigungen am 2. April wird des Weiteren unterstellt, dass diese Entwicklungen an den Finanzmärkten erhebliche Verwerfungen auslösen.
In diesem Szenario würde die Weltwirtschaft schwer belastet. Die Auswirkungen der Rahmenbedingungen des Szenarios auf das internationale Umfeld stellen auf Analysen des EZB-Stabs ab. 5 Die breit angelegten US-Importzölle lassen die Inflation in den USA ansteigen. Sie dämpfen aber auch die dortige Wirtschaftsleistung ganz erheblich. Neben den Vergeltungsmaßnahmen der US-Handelspartner tragen dazu die hohe Unsicherheit und der Vertrauensverlust in die US-Wirtschaft bei. Auf den Finanzmärkten käme es insbesondere in den USA zu stark sinkenden Aktienkursen und steigenden Anleiherenditen, sodass verschlechterte Finanzierungsbedingungen die Investitionen zusätzlich hemmen. Aufgrund der engen internationalen Verflechtungen von Waren- und Finanzmärkten belasten die handelspolitischen Verwerfungen, die hohe Unsicherheit sowie die Reaktionen der Finanzmärkte die globale Wirtschaftsaktivität und insbesondere den Welthandel schwer. Wegen einer geringeren Nachfrage an den Rohstoffmärkten sinkt der Ölpreis.
Mit Blick auf den Wechselkurs des US-Dollar wirken gegenläufige Effekte. Für sich genommen würden höhere US-Importzölle einen Aufwertungsdruck für den US-Dollar erzeugen. Andererseits führen die verschlechterten US-Wachstumsaussichten und der Vertrauensverlust zu einer Abwertungstendenz der US-Währung. In den hier vorgestellten Rechnungen wird zunächst davon ausgegangen, dass sich die beiden Effekte weitgehend ausgleichen, sodass sich insbesondere der bilaterale Wechselkurs des US-Dollar gegenüber dem Euro nicht verändert. Im Nachgang werden die zusätzlichen Auswirkungen betrachtet, die sich ergäben, falls der US-Dollar gegenüber dem Euro anhaltend in einer Größenordnung abwertet, wie sie in der Folge der Zollankündigungen Anfang April zu beobachten war. 6
Die Modellrechnungen zeigen ein erhebliches Abwärtsrisiko für das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Ausgehend von den beschriebenen Auswirkungen auf das internationale Umfeld und die Finanzmärkte werden Implikationen für die deutsche Wirtschaft mit dem makroökonometrischen Modell der Bundesbank (BbkM-DE) abgeschätzt. 7 Dabei werden die durch die erhöhte Unsicherheit ausgelösten Effekte in Deutschland mithilfe eines Satellitenmodells quantifiziert und in die Analyse integriert. 8 Insgesamt ergibt sich im Risikoszenario eine erhebliche Belastung für die deutsche Wirtschaft. Infolge der globalen Wachstumseinbußen und der geringeren Importnachfrage der Handelspartner erleiden die deutschen Exporte einen kräftigen Rückschlag. Zwar ist die deutlich gedämpfte gesamtwirtschaftliche Nachfrage auch auf die direkten Effekte der handelspolitischen Verwerfungen durch US-Zölle und Vergeltungszölle der EU und China zurückzuführen. Ein Großteil resultiert aber aus der global erhöhten Unsicherheit. Unternehmen dürften ihre Investitionsentscheidungen bedingt durch die fehlende Planungssicherheit verstärkt aufschieben. 9
Insgesamt kumulieren sich die Wachstumsverluste beim realen BIP bis 2027 auf etwas mehr als 1½ Prozentpunkte im Vergleich zur Basislinie. Bereits im laufenden Jahr fällt der BIP-Wachstumsverlust mit 0,5 Prozentpunkten spürbar aus. Im kommenden Jahr erreicht dieser mit einem um 0,9 Prozentpunkte geringeren BIP-Wachstum sein Maximum. Doch selbst 2027 verbleibt noch ein dämpfender Effekt auf das Wachstum in Höhe von 0,2 Prozentpunkten. Kommt es – ähnlich wie im April beobachtet – zudem zu einer Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar um 5 %, würde dies den dämpfenden Effekt auf das BIP-Wachstum kumuliert um 0,2 Prozentpunkte bis 2027 verstärken. Die in der Basislinie der Prognose angelegte Erholung der deutschen Wirtschaft würde in einem solchen Szenario bis 2027 verzögert. Im laufenden und kommenden Jahr würde das BIP zurückgehen.
Die HVPI-Rate sinkt im Risikoszenario leicht unter die Basislinie der Prognose, wenngleich der Rückgang bei einer Abwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro auch etwas stärker ausfallen könnte. Auf der Preisseite üben einerseits die als Vergeltung verhängten EU-Importzölle für sich genommen einen preiserhöhenden Effekt aus. Andererseits dämpft die schwächere Wirtschaftsaktivität in Deutschland den Preisauftrieb. Außerdem schlägt sich der durch die weltweite Wachstumsschwäche verursachte Ölpreisrückgang in geringeren Verbraucherpreisen nieder. Insgesamt fällt die Inflationsrate leicht niedriger aus als in der Basislinie, wobei der negative Gesamteffekt im Laufe des Prognosezeitraums noch zunimmt. Sollte der US-Dollar gegenüber dem Euro dauerhaft um 5 % abwerten, könnte die Inflationsrate in allen Jahren zusätzlich um jeweils etwa 0,1 Prozentpunkte zurückgehen.
Viele der zur Berechnung des Risikoszenarios getroffenen Annahmen sind mit hoher Unsicherheit behaftet. So könnten die von den USA letztlich erhobenen Zollsätze und etwaige Gegenzölle im Falle einer Eskalation des Konflikts noch über die im Risikoszenario unterstellten hinausgehen. Jüngste Androhungen des US-Präsidenten gegenüber der EU weisen in diese Richtung. Unsicher ist zudem das Ausmaß von Reaktionen der Finanz- und Devisenmärkte auf die höheren zusätzlichen Zölle. Denkbar ist, dass eine erneute Verschärfung der US-Handelspolitik zu noch stärkeren Verwerfungen auf den Finanzmärkten führt, als dies im April beobachtet wurde. Dies könnte das Vertrauen in den US-Dollar stärker erodieren lassen. Ebenso könnten die Reaktionen aber auch milder und regional deutlich differenzierter ausfallen, da die Zolleskalation die Märkte möglicherweise weniger überrascht als noch Anfang April. Für den US-Dollar könnten dann eventuell sogar Aufwertungstendenzen gegenüber dem Euro aufgrund der höheren US-Zölle überwiegen. Allerdings könnten in solch einem Risikoszenario auch die internationalen Handelsverflechtungen deutlicher betroffen sein und zu Unterbrechungen von globalen Wertschöpfungsketten führen. Die damit einhergehenden angebotsseitigen Störungen dürften – wie in der Coronavirus-Pandemie beobachtet – beträchtliche Preissteigerungen zur Folge haben. Auch wären in einer deutlich protektionistischeren Welt größere Produktivitätseinbußen und damit mittelfristig stärker steigende Fertigungskosten denkbar. Schließlich hängen die Ergebnisse solcher Szenarioanalysen stets auch von dem gewählten Modellrahmen ab.
3 Vertiefende Ausführungen zur Deutschland-Prognose
3.1 Annahmen zum internationalen Umfeld, Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen
Die Deutschland-Prognose basiert auf Annahmen über die Weltwirtschaft, die Wechselkurse, die Rohstoffpreise und die Zinssätze, die von Fachleuten des Eurosystems gemeinsam festgelegt wurden. Den Annahmen liegen Informationen zugrunde, die am 14. Mai 2025 verfügbar waren.
Die US-Handelspolitik und die damit verbundene Unsicherheit belasten das globale Wirtschaftswachstum. 18 Die Weltwirtschaft wuchs im vergangenen Winterhalbjahr insgesamt solide und weitgehend im Einklang mit den Annahmen für die Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember. Allerdings stand das erste Quartal 2025 bereits deutlich unter dem Einfluss der protektionistischen US-Handelspolitik. Aus der Erwartung zuvor angedrohter zusätzlicher Zölle resultierten Vorzieheffekte. Daher stiegen die Einfuhren in die USA und damit auch die Exporte einiger Handelspartner deutlich an. Bereits ab Februar hatten die USA Zusatzzölle auf Einfuhren aus einzelnen Ländern und für unterschiedliche Produktkategorien eingeführt. Im Nachgang wurden einige Zölle um Ausnahmeregelungen ergänzt oder temporär wieder ausgesetzt. Weitere Zusatzzölle wurden angekündigt. Die handelspolitische Unsicherheit nahm vor diesem Hintergrund erheblich zu. 19 Für die vorliegende Prognose wird davon ausgegangen, dass der seit April von allen US-Handelspartnern geforderte Zusatzzoll von mindestens 10 % bestehen bleibt, ebenso wie die bei Abschluss der Prognose geltenden Zölle auf Stahl und Aluminium sowie Autos und Teile von Personenkraftwagen. Für den bilateralen US-China-Handel wird unterstellt, dass die Zollsätze, auf die sich beide Länder Mitte Mai nach einer vorangegangenen Eskalationsspirale geeinigt hatten, bestehen bleiben. 20 Gleiches gilt für Vergeltungszölle von US-Handelspartnern, die bereits in Kraft sind. 21 Die seit Jahresbeginn deutlich gestiegenen Zölle und die handelspolitische Unsicherheit, die auch die globale Investitionstätigkeit hemmen dürfte, werden das Wachstum der Weltwirtschaft belasten. Es wird daher für das laufende und das kommende Jahr deutlich niedriger angesetzt als in der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember. Nach einem Anstieg um 3,1 % in 2025 und 2,9 % in 2026 wird für 2027 mit einer Rate von 3,2 % gerechnet.
Auch das Wirtschaftswachstum in den anderen Ländern des Euroraums fällt geringer aus als in der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember zugrunde gelegt. Die in der Prognose berücksichtigte wirtschaftliche Entwicklung in den anderen Ländern des Euroraums ergibt sich aus den Prognosen der nationalen Zentralbanken, die in die am 5. Juni 2025 von der EZB veröffentlichte Prognose für den Euroraum eingegangen sind. 22 Demzufolge fällt auch im Euroraum ohne Deutschland das Wirtschaftswachstum niedriger aus als im Dezember projiziert. Nach Raten von 1,3 % im laufenden und im kommenden Jahr wird für 2027 bei einem Zuwachs von 1,4 % nur mit einer leicht höheren Dynamik als in den Vorjahren gerechnet.
Vor dem Hintergrund der Handelskonflikte haben sich die Aussichten für den Welthandel und das deutsche Absatzmarktwachstum erheblich eingetrübt. Im ersten Quartal 2025 wuchs der Welthandel wegen der durch Vorzieheffekte sprunghaft gestiegenen US-Importe noch stark. Diese nun in den Folgequartalen fehlende Nachfrage dämpft zusätzlich zu den durch die höheren Zölle deutlich gestiegenen Einfuhrkosten die Importnachfrage, insbesondere in den USA. Wegen der engen globalen Produktions- und Handelsverflechtungen belasten die Verwerfungen durch die US-Zollpolitik den Welthandel insgesamt. Bei Raten von 3,1 % im laufenden Jahr und von 1,7 % 2026 wird daher mit einem deutlich schwächeren Wachstum des globalen Waren- und Dienstleistungshandels als in der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember gerechnet. Für 2027 wird von einem Zuwachs von 3,1 % ausgegangen, etwas geringer als im Dezember. Wegen des durch die Zölle vergleichsweise stärker belasteten bilateralen Handels zwischen den USA und China wurde das Wachstum der deutschen Absatzmärkte für das kommende Jahr nicht ganz so stark abwärtsrevidiert wie für den Welthandel insgesamt. Nach einer Rate von 2,5 % im laufenden Jahr wird für 2026 mit einem Anstieg um 2,2 % gerechnet, bevor die Absatzmärkte 2027 – ähnlich wie der Welthandel und weitgehend im Einklang mit dem globalen Wirtschaftswachstum – um 3,0 % wachsen.
Der Euro wertete gegenüber dem US-Dollar auf, anders als bei höheren US-Zöllen eigentlich zu erwarten gewesen wäre, sodass der Prognose ein deutlich höheres Wechselkursniveau als im vergangenen Dezember zugrunde liegt. In einer modelltheoretischen Betrachtung ließen höhere US-Importzölle die Teuerung in den USA spürbar anziehen und eine deutlich straffere US-amerikanische Geldpolitik erwarten. Dadurch wäre mit einer unmittelbaren Aufwertung des US-Dollar zu rechnen gewesen. 23 Der Modellbetrachtung liegt aber zugrunde, dass durch die US-Zollpolitik kein nachhaltig geringeres Vertrauen in den US-Dollar und die Leistungsfähigkeit der US-amerikanischen Wirtschaft verbunden ist. Dies dürfte allerdings mit der Ankündigung und teilweisen Einführung der neuen US-Zölle, vor allem der "reziproken" US-Zölle, die Sorge der Finanzmärkte gewesen sein. Vor diesem Hintergrund wertete der Euro gegenüber dem US-Dollar nach dem 2. April nicht ab, sondern spürbar auf. In dem für die Wechselkursannahmen relevanten Zeitraum notierte der Euro gegenüber dem US-Dollar damit rund 6 % über der Annahme für die Deutschland-Prognose vom Dezember 2024. In Bezug auf 41 für den deutschen Außenhandel wichtige Währungen wertete der Euro um rund 3 % auf.
Die Annahmen zu Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen sowie ihre Änderungen seit der Dezember-Prognose werden in folgender Tabelle und im folgenden Schaubild dargestellt.
Tabelle 1.4: Wichtige Annahmen der Prognose
Position
2024
2025
2026
2027
Wechselkurse für den Euro
US-Dollar je Euro
1,08
1,11
1,13
1,13
Effektiv1)
124,1
126,1
127,1
127,1
Zinssätze
EURIBOR-Dreimonatsgeld
3,6
2,1
1,9
2,2
Umlaufrendite öffentlicher Anleihen2)
2,3
2,7
2,9
3,1
Preise
Rohöl3)
82,0
66,7
62,8
64,2
Erdgas4)
34,4
38,0
33,2
29,3
Strom4) 5)
77,7
82,3
77,5
71,8
Sonstige Rohstoffe6) 7)
9,2
6,8
− 0,4
0,6
Nahrungsmittel7) 8)
− 1,3
4,9
1,0
2,2
Absatzmärkte der deutschen Exporteure7) 9) 10)
1,9
2,5
2,2
3,0
1 Gegenüber 42 Währungen wichtiger Handelspartner des Euroraums (EWK-42-Gruppe), 1. Vierteljahr 1999 = 100. 2 Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von über neun bis zehn Jahren. 3US-Dollar je Fass der Sorte Brent. 4 Euro je Megawattstunde. 5 Großhandelspreise im Euroraum basierend auf Daten der Europäischen Zentralbank 6 In US-Dollar. 7 Veränderung gegenüber Vorjahr in %. 8 Erzeugerpreise für Nahrungsmittel im Euroraum basierend auf Daten der Europäischen Kommission. In Euro. 9 Kalenderbereinigt. 10 Korrigiert um den Einfluss der Veränderungen des bilateralen Handels zwischen den USA und China aufgrund der gegenseitig auferlegten Zölle.
Die Prognose enthält erhebliche Mehrausgaben für Verteidigung und staatliche Infrastruktur. Die Prognose bezieht finanzpolitische Maßnahmen ein, sobald sie hinreichend spezifiziert sind und ihre Umsetzung als wahrscheinlich angesehen wird. Die deutschen Fiskalregeln wurden gelockert und die Kreditspielräume erheblich vergrößert. Die Koalitionsvereinbarung sieht vor, die Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur deutlich auszuweiten. Konkrete Budgetplanungen liegen noch nicht vor. Die Prognose geht davon aus, dass Vorhaben relativ zügig umgesetzt werden und weitgehend ausreichende Produktionskapazitäten für die zusätzlichen staatlichen Investitionen vorhanden sind. Konkret steigt das Verhältnis der Verteidigungsausgaben zum BIP bis 2027 gegenüber 2024 um ¾ Prozentpunkte. Im gleichen Zeitraum nimmt die Quote der Infrastrukturinvestitionen um ½ Prozentpunkt zu. Im laufenden Jahr wachsen wohl lediglich die verteidigungsbezogenen Transfers an die Ukraine. Ab 2026 nehmen dann auch die Ausgaben für militärische Waffensysteme, Munition und Bundeswehrpersonal deutlich zu. Auch die Infrastrukturausgaben steigen ab 2026 erheblich, insbesondere die Bauinvestitionen.
Zudem enthält die Prognose einzelne spezifizierte Fiskalmaßnahmen aus dem Koalitionsvertrag. Diese Steuersenkungen, Transfers und Subventionen greifen im Wesentlichen ab 2026. Sie erhöhen das staatliche Defizit 2026 um knapp ¾ % des BIP, und ihr Umfang steigt 2027 noch leicht an. Deutliche Mehrausgaben resultieren vor allem aus der Subventionierung von Übertragungsnetzentgelten sowie der ausgeweiteten Mütterrente. Bedeutsame Mindereinnahmen entstehen durch beschleunigte Abschreibungen für Ausrüstungsinvestitionen. Ein größeres Gewicht haben auch die Senkungen der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß und der Umsatzsteuer auf Speisen in der Gastronomie auf den reduzierten Satz. Zudem führen die Erhöhung der Entfernungspauschale, die Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen und die Wiedereinführung der vollen Begünstigung von Agrardiesel zu geringeren Steuereinnahmen. Die fortgesetzte Erhöhung der Tabaksteuer führt ab 2027 zu geringen Mehreinnahmen.
Der Gesamtbeitragssatz der Sozialversicherung steigt im Prognosezeitraum auf über 43 %. Dies liegt vor allem an den Beitragssätzen der Kranken- und Pflegeversicherung, die zu Beginn des Jahres 2025 deutlich gestiegen sind. Sie erhöhen sich in den Folgejahren weiter, weil die Leistungsausgaben stark wachsen. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung fallen Defizite an, die sie zunächst durch den Abbau der freien Rücklage finanziert. Ihren Beitragssatz muss sie erst 2027 etwas anheben. Für die Bundesagentur für Arbeit ist unterstellt, dass sie vorübergehende konjunkturbedingte Finanzierungslücken durch überjährige Darlehen vom Bund überbrückt.
Weitere Maßnahmen beeinflussen den Staatshaushalt per saldo nur wenig. Die kalte Progression wird zwar annahmegemäß über alle Prognosejahre hinweg nachträglich ausgeglichen. Zusätzlich steigen die einkommensteuerlichen Freibeträge 2024 rückwirkend. Diese Maßnahmen verhindern jedoch im Wesentlichen, dass die Steuerlast aufgrund preisbedingter Progressionseffekte bei der Einkommensteuer automatisch steigt. Mit dem Jahr 2026 enden die Einnahmen aus dem EU-Programm Next GenerationEU. Danach finanziert Deutschland die damit verbundenen Ausgaben aus eigenen Einnahmen. Die Einnahmen aus CO₂-Zertifikaten legen sukzessive zu und finanzieren Ausgaben des Klimafonds.
Die Defizitquote sinkt im laufenden Jahr merklich auf 2,2 % (2024: 2,8 %). Einerseits erhöht die konjunkturelle Schwäche die Defizitquote spürbar. Und auf der Ausgabenseite legen die Aufwendungen für Renten, Gesundheit und Pflege deutlich zu. Andererseits wirken verschiedene positive Einflüsse auf die Einnahmen. Erstens ersetzen abgabenpflichtige Entgelte teils die abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien. Zweitens erhöhen Sonderentwicklungen die Steuereinnahmen: Bei der Abgeltungsteuer führen nicht zuletzt Veräußerungserträge zu einem starken Zuwachs. Die Erbschaftsteuer steigt durch einen Einmaleffekt kräftig. Und die Einnahmen aus der Energiesteuer erhöhen sich durch verzögerte Zahlungen aus 2024 deutlich. Drittens stiegen die Sozialbeitragssätze zu Jahresbeginn kräftig (vgl. Abschnitt „Finanzpolitische Annahmen“).
Die Defizitquote steigt 2026 deutlich auf 3,6 % und 2027 auf 4,2 %, was hauptsächlich auf das unterstellte Fiskalpaket zurückzuführen ist. Insbesondere nimmt die direkte Staatsnachfrage durch höhere Ausgaben für nationale Verteidigung und staatliche Infrastruktur zu. Darüber hinaus profitieren Unternehmen und private Haushalte von Steuersenkungen sowie neuen Subventionen und Transfers. Die Sozialausgaben für Renten, Gesundheit und Pflege wachsen weiterhin kräftig, was steigende Beitragssätze teilweise gegenfinanzieren. Im Jahr 2027 nimmt der negative konjunkturelle Einfluss wieder etwas ab.
Die strukturelle Defizitquote steigt von gut 2 % im Jahr 2024 auf 4 % im Jahr 2027. Temporäre Effekte und Konjunktureinflüsse sind dabei herausgerechnet. Hauptursache sind die zusätzlichen Defizite für Verteidigungsausgaben und Infrastrukturinvestitionen, aber auch für Steuersenkungen, Subventionen und Transfers. Abgesehen davon ist bei den Gebietskörperschaften ein eher sparsamer Haushaltskurs unterstellt. Außerdem verschlechtert sich die strukturelle Haushaltslage der Sozialversicherung etwas, hauptsächlich wegen zunehmender Finanzierungslücken in der Rentenversicherung.
Die hohen Defizite der Gebietskörperschaften führen dazu, dass die Maastricht-Schuldenquote von 62,5 % Ende 2024 auf rund 66 % Ende 2027 steigt. Das Defizit der Sozialversicherung erhöht die Staatsschulden nicht, da es aus Rücklagen finanziert wird (die nicht in Staatsschuldtiteln angelegt sind). Der Anteil der EU-Schulden, für den Deutschland letztlich aufkommen muss, liegt Ende 2027 bei etwa 2½ % des BIP. Dieser Anteil ist nicht in der Maastricht-Schuldenquote enthalten.
Im Laufe des Sommerhalbjahres 2025 dürfte die Wirtschaftsleistung geringfügig abnehmen. Die im Winter einsetzende Stabilisierung wird somit zunächst unterbrochen. Insbesondere die exportorientierte deutsche Industrie leidet unter der sprunghaften Wirtschaftspolitik der US-Regierung und der damit einhergehenden hohen wirtschaftspolitischen Unsicherheit. Dementsprechend sind die Geschäfts- und insbesondere die Exporterwartungen der Industrieunternehmen – sowohl gemäß ifo als auch DIHK – weiterhin pessimistisch. Exporte und Unternehmensinvestitionen dürften daher im laufenden Sommerhalbjahr spürbar sinken, wobei im laufenden Quartal Vorzieheffekte einem stärkeren Rückgang der Exporte wahrscheinlich noch entgegenwirken. Auf einen noch recht guten Start in das zweite Quartal deutet die zuletzt leicht verbesserte ifo Lageeinschätzung im Verarbeitenden Gewerbe hin. Vor dem Hintergrund vergangener Realeinkommensgewinne, weiter sinkender Inflation und eines gemäß GfK verbesserten Konsumklimas gehen vom privaten Konsum wohl zumindest geringe Wachstumsimpulse aus. Die Wohnungsbauinvestitionen haben indes die Talsohle durchschritten. Jedoch kann das Expansionstempo des Winterhalbjahres voraussichtlich nicht gehalten werden. Der zwischenzeitliche Rückgang der Realeinkommen und die Abkühlung am Arbeitsmarkt dürften die Investitionen in Wohnbauten kurzfristig belasten. Die grundlegende Tendenz ist jedoch aufwärtsgerichtet. Insgesamt dürfte die Wirtschaftsleistung daher im laufenden Quartal in etwa stagnieren. 24 Im dritten Quartal dürfte – über die immer noch verhaltene wirtschaftliche Grundtendenz hinaus – die Belastung aus den US-Zöllen sichtbarer werden. Dann ist mit deutlicheren Gegenbewegungen zu den Vorzieheffekten im Außenhandel aus dem ersten Halbjahr zu rechnen. Daher dürfte es dann zu einem leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung kommen. Von der Fiskalpolitik sind im Sommerhalbjahr noch keine nennenswerten Impulse zu erwarten.
3.5 Zu den Prognosen der Verwendungskomponenten des BIP
Die Exporte gehen 2025 wegen der US-Wirtschaftspolitik deutlich zurück und schwenken ab dem nächsten Jahr langsam wieder auf einen moderaten Expansionspfad ein. Nachdem die Exporte im ersten Quartal kräftig expandierten, gehen sie im weiteren Jahresverlauf deutlich zurück. Der Hauptgrund dafür sind die angekündigten und teilweise eingeführten neuen US-Zölle. Dadurch wird der internationale Warenhandel signifikant gedämpft (vgl. Abschnitt "Annahmen zum internationalen Umfeld, Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen"). Zudem erhöhte die sprunghafte US-Politik die wirtschaftspolitische Unsicherheit stark und verringerte das Vertrauen der Kapitalmärkte in die Leistungsfähigkeit der US-amerikanischen Wirtschaft. In der Folge wertete der Euro gegenüber dem US-Dollar deutlich auf. Dadurch verschlechterte sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft außerhalb des Euroraums. Zwar verbesserte sich der industrielle Auftragseingang aus dem Ausland zuletzt deutlich. Dabei dürften aber Vorzieheffekte eine Rolle gespielt haben. Das temporäre Aussetzen einiger angekündigter US-Zölle könnte im zweiten Quartal weitere Vorzieheffekte nach sich ziehen und mindert entsprechende Rückpralleffekte beziehungsweise verschiebt sie in Folgequartale. 25 Darauf deuten auch die ifo Exporterwartungen für die kommenden drei Monate hin. Sie gingen im April zunächst deutlich zurück, erholten sich aber im Mai wieder beinahe vollständig. Sie liegen gleichwohl immer noch auf einem pessimistischen Niveau. Dies gilt auch für die DIHK-Exporterwartungen, die auf einen Zeitraum von zwölf Monaten abstellen. Insgesamt schlägt die negative Wirkung der neuen Handelsbarrieren im zweiten Quartal spürbar durch. Dies setzt sich in der zweiten Jahreshälfte – sogar noch verstärkt um Rückprallwirkungen nach den Vorzieheffekten des ersten Halbjahres – fort. Hinzu kommt, dass die erhöhte Unsicherheit weltweit die Investitionen dämpft, wovon das deutsche Exportsortiment überproportional betroffen ist. In Summe ist dadurch der negative Einfluss der Zölle auf die Exporte in Deutschland stärker, als es die schwächeren Absatzmärkte insgesamt implizieren. Außerdem ist die deutsche Wirtschaft nach wie vor mit einem schwierigen Wettbewerbsumfeld konfrontiert. Aufgrund dessen bleibt das Exportwachstum auch über 2025 hinaus hinter dem Wachstum der Exportabsatzmärkte zurück. Gleichwohl beginnen die Exporte ab 2026, sich langsam zu erholen. Denn der konjunkturelle Gegenwind im Zusammenhang mit den Zöllen und der wirtschaftspolitischen Unsicherheit lässt nach. Zudem festigt sich die Auslandsnachfrage. Schließlich dürften einige der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen – etwa die Senkung der Stromkosten – die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie stützen und damit auch deren Exporte.
Die Unternehmensinvestitionen leiden unter der wirtschaftlichen Schwächephase sowie der anhaltend hohen Unsicherheit und tragen erst 2027 wieder nennenswert zum BIP-Wachstum bei. Das bereits im vergangenen Winter außerordentlich schwierige Investitionsumfeld hat sich durch die Handelspolitik der USA noch einmal deutlich verschlechtert. Zwar starteten die gewerblichen Investitionen mit einem leichten Zuwachs in das Jahr 2025. Doch ab dem laufenden Quartal dürften sie kräftig zurückgehen. Dafür sprechen die im ersten Quartal von niedrigem Niveau aus noch einmal leicht gesunkenen Auftragseingänge für Investitionsgüter sowie die weiter recht pessimistischen ifo Geschäftserwartungen der Kapitalgüterproduzenten. Infolge der Verwerfungen und Unsicherheiten im Zusammenhang mit der US-Zollpolitik dürften Unternehmen ihre Investitionen aufschieben oder sogar gänzlich streichen. Zudem üben die verschärften Standards bei der Kreditvergabe einen merklich dämpfenden Effekt aus. Hinzu kommt das für die deutsche Industrie bereits seit einiger Zeit schwierige Wettbewerbsumfeld. Es hat zur Folge, dass die Kapazitäten im Verarbeitenden Gewerbe deutlich unterausgelastet bleiben. Das wiederum drückt auch die inländische Nachfrage nach Kapitalgütern. Selbst wenn es wie angenommen ab Anfang Juli zu keiner Verschärfung im Zollstreit zwischen den USA und der EU kommt, ist für den Rest des Jahres 2025 mit weiter rückläufigen Unternehmensinvestitionen zu rechnen. Denn es dauert wohl eine geraume Zeit, bis die Unsicherheit im Zusammenhang mit der sprunghaften US-Politik abgenommen hat und die Unternehmen ihre Investitionspläne an das veränderte internationale Handelsumfeld angepasst haben. Erst im Verlauf des Jahres 2026 weiten sich die gewerblichen Investitionen allmählich wieder aus. Dies wird gestützt von der Erholung der Exporte, einer nachlassenden Unsicherheit und tendenziell von einigen Maßnahmen des eingestellten Fiskalpakets, etwa den verbesserten Abschreibungsbedingungen und den stützenden Maßnahmen bei den Energiekosten. Auch die Kapazitäten werden dann schrittweise wieder stärker ausgelastet. Damit tragen die Unternehmensinvestitionen 2027 wieder nennenswert zur BIP-Expansion bei, obwohl die Zinsen für Unternehmenskredite ab Mitte 2026 wieder leicht ansteigen.
Der private Konsum steigt über den gesamten Prognosezeitraum moderat an. Im vergangenen Jahr nutzten die privaten Haushalte ihre verhältnismäßig großen Realeinkommensgewinne nicht vollständig für Konsumzwecke. Dazu trugen vermutlich die Wahrnehmung der Verbraucher einer immer noch erhöhten Inflation sowie eines hohen Preisniveaus, der zunächst nur vorübergehende Lohnanstieg durch die Inflationsausgleichsprämien und eingetrübte Beschäftigungsaussichten bei. 26 Weiterhin hatten die im Zuge der geldpolitischen Straffung deutlich gestiegenen Zinsen die Sparanreize erhöht. Teilweise dürfte auch die hohe wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit zu mehr Konsumzurückhaltung geführt haben. Im Ergebnis erhöhte sich dadurch die Sparquote der privaten Haushalte. Bereits im Winterhalbjahr 2024/25 reduzierten sie ihre Sparquote aber wieder etwas, um ihr Konsumwachstum trotz sinkender realer verfügbarer Einkommen weitestgehend beizubehalten. Diese Konsumglättung setzt sich im laufenden Jahr wohl fort, und die Sparquote sinkt weiter. Denn die Realeinkommen gehen bis Ende des Jahres weiter zurück, da die Löhne kaum stärker wachsen als die Verbraucherpreise und die Sozialbeitragssätze kräftig steigen. Zugleich ist mit Bildung der neuen Bundesregierung aus Sicht der Verbraucher eine wesentliche Unsicherheitsquelle weggefallen. Das GfK-Konsumklima legte zuletzt drei Mal in Folge zu. Einige Belastungsfaktoren – insbesondere die wirtschaftliche Schwächephase – halten jedoch zunächst an, und es kam mit der sprunghaften US-Politik eine neue Unsicherheitsquelle hinzu. In der Summe legt der private Konsum daher ab dem zweiten Quartal 2025 nur recht verhalten zu. Im Jahr 2026 wächst er dann etwas deutlicher, in etwa im Einklang mit dem dann wieder spürbar steigenden realen verfügbaren Einkommen. Im Jahr 2027 verlieren die realen verfügbaren Einkommen zwar wieder etwas an Schwung. Zugleich lassen aber Arbeitsplatzsorgen und die Unsicherheit nach. Die Sparquote geht dann etwas weiter in Richtung ihres längerfristigen Mittelwerts zurück. Entsprechend wächst der private Konsum 2027 wieder etwas stärker als die realen verfügbaren Einkommen.
Die Wohnungsbauinvestitionen setzen ihre Erholung ab der zweiten Jahreshälfte 2025 fort. Die im Zuge der geldpolitischen Lockerung gesunkenen Finanzierungskosten und die Erholung der Realeinkommen der privaten Haushalte trugen dazu bei, dass es Ende 2024 zu einer Wende im privaten Wohnungsbau kam. Das war etwas früher als in der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember erwartet. Gleichwohl klagten bis zuletzt etwa zwei von fünf Unternehmen im Bauhauptgewerbe über einen Mangel an Aufträgen, und die Geräteauslastung unterschritt den Durchschnitt der letzten zehn Jahre deutlich. Zudem schrumpfen die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte seit Ende 2024 wieder etwas, und die erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit im Zusammenhang mit der sprunghaften US-Politik verschlechterte die Investitionsbedingungen. Daher dürften die Wohnungsbauinvestitionen im laufenden Quartal nur in etwa stagnieren. Anschließend setzen sie ihre Erholung jedoch fort. Dafür spricht, dass sich die Nachfrage nach Bauleistungen mittlerweile von ihrem sehr niedrigen Niveau aus etwas erholte und die Baugenehmigungen im Wohnungsbau im vergangenen Winterhalbjahr kräftig zulegten. Zudem ist der zugrunde liegende Bedarf an neuem Wohnraum oder Modernisierungen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der klimapolitischen Wärmewende – groß. Das Expansionstempo der Wohnungsbauinvestitionen verstärkt sich bis Mitte 2026 schrittweise. Dahinter stehen günstigere Finanzierungsbedingungen. Ab dem Schlussquartal 2025 verbessert sich zudem die Einkommenssituation der privaten Haushalte wieder. Zum Ende des Prognosezeitraums ermäßigt sich der Anstieg der Wohnungsbauinvestitionen dann etwas. Denn erstens steigen die langfristigen Zinsen für Wohnbaukredite ab 2026 wieder und zweitens legen die Einkommen der privaten Haushalte 2027 etwas langsamer zu als zuvor. Darüber hinaus steigt mit den staatlichen Infrastrukturinvestitionen die Nachfrage nach nicht wohnungsbezogenen Bauinvestitionen. Dadurch könnte es zu gewissen Verdrängungseffekten bei den privaten Wohnungsbauinvestitionen kommen.
Die reale Staatsnachfrage wächst bis 2027 kräftig, da die Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur deutlich zunehmen. Im Jahr 2025 steigt die Staatsnachfrage zunächst noch moderat. Einerseits nimmt der Staatskonsum aufgrund höherer Sachleistungen für Gesundheit und Pflege weiter stark zu. Andererseits wachsen die Bauinvestitionen wegen der angespannten Finanzlage der Kommunen nur wenig. Projekte, die der Infrastrukturfonds finanziert, spielen 2025 noch keine Rolle. Auch 2026 steigen die Sachleistungen für Gesundheit und Pflege dynamisch. Zusätzlich legen die Ausgaben für Verteidigung und staatliche Infrastruktur dann kräftig zu (vgl. Abschnitt "Finanzpolitische Annahmen"). Die hohe staatliche Nachfrage nach Militärgütern und für Infrastruktur, wie etwa im Tiefbau, führt zu einer deutlich höheren Kapazitätsauslastung und daher spürbaren Preissteigerungen in diesen Bereichen. Dies wiederum dämpft den realen Güterumfang, der aus den (nominalen) staatlichen Mehrausgaben resultiert. Es wird aber davon ausgegangen, dass die Produktionskapazitäten die höhere Nachfrage bei den hier unterstellten Größenordnungen noch weitgehend bedienen können. Die Preiseffekte auf den BIP-Deflator sind daher begrenzt.
Die realen Importe legen im Prognosezeitraum spürbar zu und tragen dazu bei, dass der Leistungsbilanzsaldo deutlich zurückgeht. Nachdem die Importe im Sommerhalbjahr des laufenden Jahres im Einklang mit der schwachen inländischen Nachfrage etwas zurückgehen dürften, steigen sie bis zum Ende des Prognosezeitraums kräftig an – insbesondere im Jahr 2027. Das liegt zum einen an der sich mit der wirtschaftlichen Erholung festigenden Nachfrage der privaten Haushalte und der Unternehmen. Zum zweiten wird die staatliche Nachfrage kräftig erhöht. Insbesondere die steigenden staatlichen Ausrüstungsinvestitionen gehen mit vermehrten Importen einher. Die Exporte wachsen durchweg langsamer als die Importe. Dabei spielt neben der gedrückten Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exporteure zunächst auch der Zollstreit mit den USA eine Rolle. Da sich die Terms of Trade zugleich nur leicht verbessern, geht der Handelsbilanzsaldo (anteilig am nominalen BIP) 2025 deutlich zurück und sinkt danach noch etwas weiter. Auch der Überschuss der Leistungsbilanz verringert sich im Verlauf des Prognosezeitraums deutlich, von 5,7 % im vergangenen Jahr auf 4,1 % im Jahr 2027.
3.6 Zur Prognose für den Arbeitsmarkt im laufenden Jahr
Der Arbeitsmarkt schwächt sich im laufenden Jahr wohl noch etwas ab. Der Arbeitsmarkt war zwar zuletzt robuster als in der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember erwartet worden war. 27 Dahinter verbirgt sich jedoch eine erhebliche Zweiteilung in der Nachfrage nach Arbeitskräften. Während die Nachfrage vor allem im Produzierenden Gewerbe schwach war, blieb sie im Dienstleistungsbereich hoch. So verstärkte sich der Personalabbau im Verarbeitenden Gewerbe und der Arbeitnehmerüberlassung sogar noch. Auch im Baugewerbe und dem Handel wurde der Personalbestand weiter reduziert. Dieser Abbau wurde in den vergangenen Monaten überwiegend durch eine wachsende Arbeitsnachfrage in den Dienstleistungen kompensiert. In den nächsten Monaten ist mit der Fortsetzung des moderaten Beschäftigungsabbaus zu rechnen. 28 Das ifo Beschäftigungsbarometer für die gewerbliche Wirtschaft ist weiterhin tief im negativen Bereich. Da die vom Strukturwandel profitierenden Branchen weiter einstellen, sollte der Rückgang der Beschäftigung aber insgesamt begrenzt bleiben. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen ist gleichwohl weiter rückläufig, und die Wahrscheinlichkeit, aus der Arbeitslosigkeit heraus eine neue Stelle aufzunehmen, ist im historischen Vergleich niedrig. Allerdings gibt es auch Anzeichen für eine Bodenbildung am Arbeitsmarkt. Sowohl das IAB-Arbeitsmarktbarometer Beschäftigung wie auch das ifo Beschäftigungsbarometer sind zuletzt nicht weiter gesunken. Vor diesem Hintergrund dürfte auch die Arbeitszeit je Erwerbstätigen vorerst nahe ihrem verhaltenen Niveau bleiben, weil nur wenige Überstunden geleistet und Arbeitszeitguthaben abgebaut werden. Außerdem setzt sich der allgemeine Trend zu mehr Teilzeitbeschäftigung fort. Auch die Arbeitsproduktivität, die seit der Corona-Pandemie entgegen dem früheren Trend nur noch wenig gestiegen ist, dürfte sich im laufenden Jahr kaum erholen. Erst mit Einsetzen der wirtschaftlichen Erholung zum Jahresende hin wachsen die Arbeitszeit je Erwerbstätigen und die Arbeitsproduktivität. Die Beschäftigung steigt dann auch wieder leicht an.
3.7 Zur Prognose für die Tariflöhne im laufenden Jahr
Der Anstieg der Tarifverdienste fällt 2025 deutlich geringer aus als in den beiden Vorjahren. Seit der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember wurden in den Neuabschlüssen mehrheitlich niedrigere Lohnsteigerungen vereinbart als damals erwartet. Neben einer schwachen Konjunktur und geringeren Preisanstiegen dämpften insbesondere die Nullmonate zu Beginn der Laufzeit des neuen Tarifvertrags im Öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen den Lohnanstieg. Die Lohnforderungen und die Durchsetzungsquoten der Gewerkschaften sind spürbar niedriger als in der Hochphase der Inflation. In den 2025 noch anstehenden Tarifverhandlungen für rund 4½ Millionen Beschäftigte tragen niedrigere Inflationsraten, die weiterhin schwache Konjunktur und eine geringere Arbeitsnachfrage zu moderaten Abschlüssen bei. 29 Zusätzlich dämpfen die entfallenden Inflationsausgleichsprämien den Lohnanstieg. 30 Im Durchschnitt des laufenden Jahres beträgt der erwartete Tariflohnanstieg daher nur 2,4 %. Die Prognose wurde im Vergleich zur Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember leicht abwärtsrevidiert.
Die Inflationsrate war in den letzten Monaten etwas niedriger als im Dezember prognostiziert. Im Mai lag die Teuerung, gemäß Vorausschätzung des Statistischen Bundesamtes sowie gemessen am HVPI, bei 2,1 % und damit um 0,1 Prozentpunkte unterhalb der Deutschland-Prognose vom Dezember. Vor allem die Energiepreise, insbesondere für Kraftstoffe und Gas, sanken stärker als erwartet, da die Notierungen an den Rohstoffmärkten überraschend niedrig ausfielen. Aber auch der Anstieg der Nahrungsmittelpreise fiel schwächer als erwartet aus. Dies galt sowohl für verarbeitete als auch für unverarbeitete Lebensmittel. Die Rate ohne Energie und Nahrungsmittel (Kernrate) stieg hingegen stärker als prognostiziert. Vor allem die Dienstleistungen überraschten mit einem deutlichen Preisanstieg. Administrierte Dienstleistungen verteuerten sich deutlich kräftiger als im Dezember unterstellt. Und auch die Mieten wurden unerwartet stark erhöht.
Die Inflationsrate sinkt 2025 spürbar und im Jahr 2026 deutlich. Die Energiepreise auf der Verbraucherstufe gehen weiter zurück, vor allem, weil die Terminnotierungen auf fallende Rohölpreise hindeuten. Im kommenden Jahr drücken dann neue, preisdämpfende Maßnahmen die Energiepreise. Es wird unterstellt, dass zum Jahresbeginn 2026 die Strompreise um 5 ct/kWh gesenkt werden und die Gasspeicherumlage abgeschafft wird. Insgesamt sinken die Energiepreise daher 2026 trotz der weiteren Erhöhung des CO₂-Preises noch stärker als in diesem Jahr. 31 Der Anstieg der Nahrungsmittelpreise lässt Ende 2025 merklich nach und bleibt 2026 weiter unterdurchschnittlich. Das liegt vor allem an verarbeiteten Nahrungsmitteln. Hier spiegeln sich auch annahmegemäß rückläufige landwirtschaftliche Erzeugerpreise für Molkereiprodukte wider. Die Preise von unverarbeiteten Produkten steigen hingegen bis ins nächste Jahr weiterhin kräftig an, denn es wird unterstellt, dass die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise für Fleisch zulegen. Bei den Dienstleistungen sinkt die Preissteigerungsrate in diesem Jahr spürbar und 2026 erheblich. Hier wirkt die schwache Konjunktur grundsätzlich preisdämpfend. Zudem wirkt sich der Preisanstieg des Deutschlandtickets im Januar 2025 ab dem Jahresbeginn 2026 nicht mehr erhöhend auf die Inflationsrate aus. Dann ist die Weitergabe von vergangenen Kostensteigerungen bei den staatlichen Dienstleistungen wohl weitgehend abgeschlossen. Allerdings wirken die zuvor stark gestiegenen Löhne noch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung nach. 32 Der rückläufige Lohnanstieg und die steigende Arbeitsproduktivität tragen daher erst zeitversetzt zu geringerem Preisdruck bei. Auch bei Mieten ist mit zwar nachlassenden, im historischen Vergleich aber weiterhin überdurchschnittlichen Anstiegen zu rechnen. Denn die Bestandsmieten werden nur langsam an die Kostenschübe der letzten Jahre angepasst. Bei Reisen dürfte die Teuerung im laufenden Jahr nachfragebedingt noch leicht erhöht sein, bevor sie sich im nächsten Jahr auch aufgrund verzögerter Wirkungen durch die Aufwertung des Euro und durch den Ölpreisrückgang abschwächt. Die Teuerung bei Industriegütern ohne Energie sinkt im laufenden Jahr nochmals merklich und steigt 2026 geringfügig auf ihren Mittelwert bis 2019. Die schwache Nachfrage sowie die Aufwertung des Euro wirken dabei preisdämpfend. Insgesamt dürfte die HVPI-Rate 2025 auf 2,2 % sinken, 2026 geht sie unter Berücksichtigung der angekündigten staatlichen Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise auf etwa 1,5 % zurück. Die Kernrate sinkt von 2,6 % in diesem Jahr auf 1,9 % im Jahr 2026.
Tabelle 1.5: Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Prognose Veränderung gegenüber Vorjahr in %, kalenderberenigt1)
Position
20242)
2025
2026
2027
BIP (real)
− 0,2
0,0
0,7
1,2
desgleichen unbereinigt
− 0,2
− 0,1
1,0
1,3
Verwendung des realen BIP
Private Konsumausgaben
0,3
0,7
0,8
0,8
nachrichtlich: Sparquote
11,4
10,7
10,7
10,6
Konsumausgaben des Staates
3,5
2,0
1,7
1,6
Bruttoanlageinvestitionen
− 2,6
− 0,6
1,5
2,8
Unternehmensinvestitionen3)
− 2,5
− 2,0
− 0,8
1,7
Private Wohnungsbauinvestitionen
− 4,9
0,1
1,4
1,5
Bruttoanlageinvestitionen des Staates
2,7
3,0
9,9
9,0
Exporte
− 1,0
− 1,6
0,2
2,1
Importe
0,3
1,7
1,1
2,7
nachrichtlich: Leistungsbilanzsaldo4)
5,7
5,1
4,4
4,1
Beiträge zum BIP-Wachstum5)
Inländische Endnachfrage
0,4
0,6
1,1
1,4
Vorratsveränderungen
0,0
0,7
0,0
0,0
Exporte
− 0,4
− 0,7
0,1
0,8
Importe
− 0,1
− 0,7
− 0,4
− 1,0
Arbeitsmarkt
Arbeitsvolumen6)
− 0,1
0,0
0,5
0,7
Erwerbstätige6)
0,2
− 0,3
0,1
0,3
Arbeitslose7)
2,8
2,9
2,9
2,7
Arbeitslosenquote8)
6,0
6,3
6,1
5,7
nachrichtlich: Erwerbslosenquote9)
3,4
3,7
3,6
3,3
Löhne und Lohnkosten
Tarifverdienste10)
6,1
2,4
2,9
2,8
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer
5,3
2,3
2,9
3,0
Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer
5,2
3,1
2,9
3,2
Reales BIP je Erwerbstätigen
− 0,4
0,3
0,7
0,9
Lohnstückkosten11)
5,6
2,9
2,3
2,2
nachrichtlich: BIP-Deflator
3,1
2,6
2,1
2,2
Verbraucherpreise12)
2,5
2,2
1,5
1,9
ohne Energie
3,1
2,6
2,0
2,1
Energiekomponente
− 3,2
− 2,0
− 3,3
− 1,1
ohne Energie und Nahrungsmittel
3,2
2,6
1,9
2,0
Nahrungsmittelkomponente
2,8
2,7
2,4
2,8
Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Eurostat. 2025 bis 2027 eigene Prognosen. 1 Falls Kalendereinfluss vorhanden. 2 Rechenstand: 21. Mai 20253 Private Anlageinvestitionen ohne Wohnungsbau. 4 In % des nominalen BIP. Rechenstand Leistungsbilanz für 2024 hier: 13. Mai 2025.5 Rechnerisch, in Prozentpunkten. Abweichungen in der Summe rundungsbedingt. 6 Inlandskonzept. 7 In Millionen Personen (Definition der Bundesagentur für Arbeit). 8 In % der zivilen Erwerbspersonen. 9 International standardisiert gemäß ILO-Definition, Eurostat-Abgrenzung. 10 Ursprungswerte auf Monatsbasis; gemäß Tarifverdienstindex der Bundesbank. 11 Quotient aus dem im Inland entstandenen Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer und dem realen BIP je Erwerbstätigen. 12 Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI), Ursprungswerte.
Tabelle 1.6: Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Prognose – ohne Kalenderbereinigung Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position
20241)
2025
2026
2027
BIP (real)
− 0,2
− 0,1
1,0
1,3
desgleichen kalenderbereinigt
− 0,2
0,0
0,7
1,2
Verwendung des realen BIP
Private Konsumausgaben
0,3
0,6
0,9
1,0
nachrichtlich: Sparquote
11,4
10,7
10,7
10,5
Konsumausgaben des Staates
3,5
2,0
1,7
1,6
Bruttoanlageinvestitionen
− 2,7
− 0,7
2,1
3,1
Unternehmensinvestitionen2)
− 2,7
− 2,1
− 0,2
2,1
Private Wohnungsbauinvestitionen
− 5,0
0,0
2,0
1,9
Bruttoanlageinvestitionen des Staates
2,7
3,2
10,6
8,9
Exporte
− 1,1
− 1,8
0,8
2,4
Importe
0,2
1,6
1,6
2,8
nachrichtlich: Leistungsbilanzsaldo3)
5,7
5,1
4,4
4,2
Beiträge zum BIP-Wachstum4)
Inländische Endnachfrage
0,3
0,6
1,3
1,5
Vorratsveränderungen
0,0
0,6
0,0
− 0,1
Exporte
− 0,5
− 0,7
0,3
1,0
Importe
− 0,1
− 0,6
− 0,6
− 1,1
Arbeitsmarkt
Arbeitsvolumen5)
− 0,1
− 0,1
0,8
0,8
Erwerbstätige5)
0,2
− 0,3
0,1
0,3
Arbeitslose6)
2,8
2,9
2,9
2,7
Arbeitslosenquote7)
6,0
6,3
6,1
5,7
nachrichtlich: Erwerbslosenquote8)
3,4
3,7
3,6
3,3
Löhne und Lohnkosten
Tarifverdienste9)
6,1
2,4
2,9
2,8
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer
5,3
2,3
2,9
3,0
Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer
5,2
3,1
2,9
3,2
Reales BIP je Erwerbstätigen
− 0,4
0,1
0,9
1,1
Lohnstückkosten10)
5,6
3,0
2,0
2,1
nachrichtlich: BIP-Deflator
3,1
2,6
2,1
2,2
Verbraucherpreise11)
2,5
2,2
1,5
1,9
ohne Energie
3,1
2,6
2,0
2,1
Energiekomponente
− 3,2
− 2,0
− 3,3
− 1,1
ohne Energie und Nahrungsmittel
3,2
2,6
1,9
2,0
Nahrungsmittelkomponente
2,8
2,7
2,4
2,8
Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Eurostat. 2025 bis 2027 eigene Prognosen. 1 Rechenstand: 21. Mai 20252 Private Anlageinvestitionen ohne Wohnungsbau. 3 In % des nominalen BIP. Rechenstand Leistungsbilanz für 2024 hier: 13. Mai 2025.4 Rechnerisch, in Prozentpunkten. Abweichungen in der Summe rundungsbedingt. 5 Inlandskonzept. 6 In Millionen Personen (Definition der Bundesagentur für Arbeit). 7 In % der zivilen Erwerbspersonen. 8 International standardisiert gemäß ILO-Definition, Eurostat-Abgrenzung. 9 Ursprungswerte auf Monatsbasis; gemäß Tarifverdienstindex der Bundesbank. 10 Quotient aus dem im Inland entstandenen Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer und dem realen BIP je Erwerbstätigen. 11 Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI), Ursprungswerte.