Konjunktur in Deutschland Monatsbericht – Mai 2025
Veröffentlicht am 22.5.2024
Konjunktur in Deutschland Monatsbericht – Mai 2025
1 Deutsche Wirtschaftsleistung zu Jahresbeginn gestiegen
Die Wirtschaftsleistung in Deutschland erhöhte sich im ersten Quartal 2025 etwas. Laut der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes stieg das reale BIP saisonbereinigt 1 um 0,2 % gegenüber dem Vorquartal, in dem es in gleicher Größenordnung gesunken war. Die Produktion sowohl in der Industrie als auch im Bau legte im ersten Quartal zu. Zu dem Anstieg der Industrieproduktion dürften neben einer insgesamt etwas verbesserten Auftragslage auch Vorzieheffekte aufgrund der angekündigten Anhebungen von Zöllen seitens der US-Regierung beigetragen haben. Die Warenexporte legten aufgrund dieser Effekte ebenfalls deutlich zu. Auch die privaten Konsumausgaben trugen zum Anstieg der wirtschaftlichen Aktivität bei. 2 Sie profitierten noch von den im vergangenen Jahr kräftig gestiegenen Löhnen. Sowohl die höhere Produktion in der Industrie als auch der gestiegene private Konsum dürften die Dienstleister gestützt haben. Trotz des Gegenwinds durch eine hohe wirtschaftspolitische Unsicherheit und eine niedrige Kapazitätsauslastung in der Industrie sind die Ausrüstungsinvestitionen wohl gestiegen.
2 Insbesondere die Warenexporte, aber wohl auch die Investitionen und der private Konsum erhöhten sich
Industrieproduktion und Warenexporte legten zu. Die Industrieproduktion erhöhte sich im März 2025 saisonbereinigt kräftig gegenüber dem Vormonat. Auch im Mittel des ersten Quartals stieg sie deutlich gegenüber dem Vorquartal, nachdem sie zuvor seit fast zwei Jahren nahezu kontinuierlich gesunken war. Der Anstieg war in vielen Industriezweigen zu beobachten. Die Auftragslage in der Industrie hatte sich zuletzt leicht verbessert. Der Anteil der Unternehmen mit Auftragsmangel ging im April gemäß Umfragen des ifo Instituts gegenüber Januar deutlich zurück. Bereits im Januar war er leicht gesunken. Dennoch war der Anteil mit 36,8 % im langjährigen Vergleich weiter erhöht. Die etwas bessere Auftragslage schlug sich in der Produktion nieder. Dass die Produktion nun so deutlich anstieg, dürfte aber auch Vorzieheffekten aufgrund der US-Zollpolitik geschuldet sein. Besonders kräftig erhöhte sich im März die Herstellung pharmazeutischer Erzeugnisse, für die der Anteil der Exporte in die USA besonders hoch ist. 3 Auch der Maschinenbau und die Kraftfahrzeugindustrie verzeichneten starke Produktionszuwächse. Vorzieheffekte machten sich auch in den Warenexporten bemerkbar. So stiegen insbesondere die nominalen Warenexporte in die USA kräftig an. Auch die realen Warenexporte insgesamt legten im ersten Quartal deutlich zu.
Die Ausrüstungsinvestitionen dürften im ersten Quartal gestiegen sein. Dies signalisieren die Umsätze der Investitionsgüterproduzenten im Inland und die bis Februar verfügbaren Importe von Investitionsgütern. Sie erhöhten sich preisbereinigt gegenüber dem Vorquartal. Dabei wurde wohl hauptsächlich in Güter investiert, die dem Sonstigen Fahrzeugbau zuzurechnen sind (dazu gehören auch Schiffe und Luftfahrzeuge für militärische Zwecke sowie militärische Kampffahrzeuge). Ohne den schwankungsanfälligen Sonstigen Fahrzeugbau gingen die Inlandsumsätze hingegen leicht zurück.
Die Bauinvestitionen erhöhten sich im ersten Quartal erneut. Darauf deutet zumindest die Bauproduktion hin, die im ersten Quartal saisonbereinigt anstieg. Während die Produktion im Ausbaugewerbe und im Tiefbau zulegte, sank sie im Hochbau deutlich. Die Bauproduktion profitierte im ersten Quartal von einer günstigen Witterung. Dies legen sowohl die Umfragen des ifo Instituts zur Behinderung der Bauproduktion durch Witterungseinflüsse nahe, als auch die für die Jahreszeit niedrige Zahl an Eistagen. Die Auftragslage war dagegen weiter ein begrenzender Faktor. Der Anteil der Unternehmen im Bauhauptgewerbe mit Auftragsmangel stieg gemäß Umfragen des ifo Instituts im Durchschnitt des ersten Quartals auf 40 % und damit auf den höchsten Wert seit fast zwei Jahrzehnten.
Vom privaten Konsum gingen positive Wachstumsimpulse aus. Die im vergangenen Jahr kräftig gestiegenen Löhne boten noch weiteren Spielraum für zusätzliche Konsumausgaben. Diesen nutzten die Verbraucherinnen und Verbraucher wohl zu einem Teil. Dies kam auch den konsumnahen Dienstleistern zugute. Die preis- und saisonbereinigten Umsätze im Einzelhandel und im Gastgewerbe erhöhten sich im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal. Bei Anschaffungen von Kraftfahrzeugen hielten sich die Konsumenten dagegen zurück. Die Kraftfahrzeugzulassungen privater Halter sanken den Angaben des VDA zufolge im ersten Quartal kräftig.
3 Arbeitsmarkt zum Jahresstart mit wenig Bewegung
Der Arbeitsmarkt änderte sich im ersten Quartal kaum. Nachdem sich der Beschäftigungsstand bereits im Herbst seitwärts bewegt hatte, blieb die gesamte Erwerbstätigkeit auch im Berichtsquartal unverändert gegenüber dem Vorquartal. Dabei glichen wie bereits zuvor die Beschäftigungsgewinne in den Dienstleistungen den Rückgang im Produzierenden Gewerbe aus. Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich moderat. Die Aussichten bleiben gedämpft.
Die Zahl der Erwerbstätigen blieb im ersten Vierteljahr saisonbereinigt auf dem Vorquartalsniveau. Im Durchschnitt des ersten Quartals 2025 waren gemäß der ersten Hochrechnung von Destatis mit 46,04 Millionen Erwerbstätigen 7 000 Personen weniger erwerbstätig als im Durchschnitt des Vorquartals. Während die Selbstständigkeit weiter sank, stieg die Zahl der Arbeitnehmer marginal an. Sowohl die sozialversicherungspflichtig als auch die ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten – aktuelle Angaben reichen hier nur bis Februar – blieben jeweils auf dem Stand vom vierten Quartal. Auch die Inanspruchnahme von wirtschaftlich bedingter Kurzarbeit blieb bis Februar den ersten Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zufolge auf dem leicht erhöhten Niveau aus dem letzten Quartal 2024.
Die sektorale Zweiteilung zwischen den Beschäftigung aufbauendenDienstleistungsbereichen und dem Personal abbauenden Verarbeitenden Gewerbe hielt an. Im Verarbeitenden Gewerbe spielen neben den bisherigen Anpassungen über die natürliche Fluktuation und dem verringerten Einsatz von Leiharbeitern zunehmend Entlassungen eine Rolle (siehe Exkurs zur Arbeitskräftehortung und Entlassungswilligkeit der Unternehmen). Im Mittel der Monate Januar und Februar verstärkte sich der Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gegenüber dem Durchschnitt des Vorquartals saisonbereinigt auf 0,5 %. Außerdem sank die Beschäftigung in der Arbeitnehmerüberlassung weiter erheblich. Im Baugewerbe ging die Beschäftigung dagegen zuletzt nur noch wenig zurück. Auf der anderen Seite wuchs die Beschäftigung in praktisch allen Dienstleistungsbereichen. Die einzige Ausnahme bildete weiterhin der Handel. Den relativ stärksten Zuwachs gab es wiederum in der Energieversorgung, die absolut höchste Zunahme weiterhin im Gesundheits- und Sozialwesen. Beides sind Bereiche, die von den laufenden energetischen und demografischen Strukturveränderungen profitieren. Aber auch im Öffentlichen Dienst, den unternehmensnahen Dienstleistungen (ohne Leiharbeit) und dem Gastgewerbe wird weiterhin in nennenswertem Umfang eingestellt.
Das Arbeitskräfteangebot ist im Jahr 2024 nur noch dank der Zuwanderung aus Drittstaaten ein wenig gewachsen. Die Zahl der Erwerbspersonen mit deutscher Staatsangehörigkeit sinkt aus demografischen Gründen. Gestützt wurde die Zahl der Erwerbspersonen in der Vergangenheit durch die hohe Zuwanderung und deren nachfolgender Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. Allerdings ließ die Zuwanderung im Jahr 2024 weiter deutlich nach. Auch zu Jahresbeginn 2025 schwächte sie sich weiter ab. Laut vorläufigen Angaben von Destatis verringerte sich die Nettozuwanderung aus dem Ausland 2024 gegenüber dem Vorjahr um 37 % auf 419 000 Personen. Insbesondere die Zuwanderung aus den anderen EU-Staaten war 2024 das erste Mal seit 15 Jahren, und damit auch seit Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die damaligen osteuropäischen Beitrittsstaaten, negativ. Dies schlägt sich auch in den Beschäftigtenzahlen nach Staatsangehörigkeit nieder. So ging im Februar 2025 laut BA nicht nur die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit deutscher Staatsangehörigkeit gegenüber dem Vorjahresmonat zurück (um 190 000 Personen), sondern auch die Zahl derjenigen mit einer anderen EU-Staatsangehörigkeit (um 24 000 Personen). Dagegen erhöhte sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus Drittstaaten um 281 000 Personen, darunter die Hälfte aus der Ukraine und den wichtigsten Asylherkunftsstaaten. Die andere Hälfte dürfte arbeitsmarktorientierter Zuwanderung, zum Beispiel vom Westbalkan oder aus Indien, zuzuordnen sein.
Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich im ersten Quartal 2025 moderat. Im Durchschnitt waren saisonbereinigt 2,90 Millionen Personen als arbeitslos registriert, rund 38 000 Personen mehr als im Schlussvierteljahr 2024. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,1 Prozentpunkte auf 6,2 %. Im April nahm die registrierte Arbeitslosigkeit nur wenig zu, die zugehörige Quote erreichte jedoch rundungsbedingt 6,3 %. Trotz der hohen Arbeitsnachfrage in vielen Dienstleistungsbereichen war der Übergang aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung im historischen Vergleich gering. In den vergangenen Monaten ging er insbesondere bei Personen im Versicherungssystem des SGB III zurück, die normalerweise relativ zügig eine neue Erwerbsarbeit finden. Dies dürfte unter anderem an der mit dem Strukturwandel einhergehenden geringen Passgenauigkeit zwischen den Qualifikationen der häufig aus der Industrie ausgeschiedenen Personen und den Erfordernissen der offenen Stellen im Dienstleistungsbereich liegen. Die Effekte der Zuwanderung auf die Arbeitslosigkeit, die sich eher im Grundsicherungssystem des SGB II zeigen, spielten im Gegensatz zu 2022 und 2023 zuletzt nur noch eine untergeordnete Rolle.
Die kurzfristigen Aussichten bleiben den Frühindikatoren des Arbeitsmarktes zufolge gedämpft. Das ifo Beschäftigungsbarometer, welches die Einstellungspläne der gewerblichen Wirtschaft für die nächsten drei Monate ermittelt, verbesserte sich im April zwar relativ deutlich, befindet sich gleichwohl weiter tief im negativen Bereich. Das betrifft in erster Linie das Verarbeitende Gewerbe und den Handel. Das IAB-Beschäftigungsbarometer für die Gesamtwirtschaft stabilisierte sich dagegen zuletzt im neutralen Bereich. Die Zahl der bei der BA gemeldeten offenen Stellen sank entgegen dem lang anhaltenden Trend im April nicht. Der Zugang an neuen sozialversicherungspflichtigen Stellenofferten bei der BA, der in der jüngeren Vergangenheit besonders schwach gewesen war, erholte sich auf niedrigem Niveau leicht. Insgesamt haben sich die Beschäftigungsaussichten zuletzt zwar nicht weiter verschlechtert, eine positive Wende ist aus den Frühindikatoren jedoch nicht abzuleiten. Ähnliches gilt für die Arbeitslosigkeit in den kommenden drei Monaten. Das IAB-Barometer Arbeitslosigkeit stieg zwar im April etwas, blieb jedoch weiterhin deutlich im negativen Bereich, der eine steigende Arbeitslosigkeit ankündigt.
Exkurs
Aktuelle Entwicklungen bei der Arbeitskräftehortung in Deutschland
Der deutsche Arbeitsmarkt schwächte sich trotz der mehrjährigen wirtschaftlichen Stagnation bislang nur wenig ab. Die Beschäftigung sank lediglich geringfügig, und auch die Arbeitslosigkeit stieg nur etwas. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Arbeitskräftehortung wider.
Arbeitskräftehortung bedeutet, dass Unternehmen trotz schwacher Geschäftstätigkeit an ihren Arbeitskräften festhalten. Ein Grund hierfür könnte beispielsweise sein, dass es für die Arbeitgeber angesichts des demografischen Wandels schwierig wäre, nicht voll ausgelastete Fachkräfte im nächsten Aufschwung wieder zu gewinnen. Eine repräsentative Online-Befragung der Bundesbank (BOP-F) von mehr als 7 500 Unternehmen im dritten Quartal 2024 liefert hierzu Angaben – jeweils für das laufende Jahr, die beiden vergangenen Jahre und die Erwartungen über die kommenden zwölf Monate. 1 In dieser Auswertung sind arbeitskräftehortende Unternehmen definiert als diejenigen Unternehmen, die sowohl angeben, dass ihre aktuelle Geschäftstätigkeit schwach ist, als auch dass sie keine betriebsbedingten Kündigungen vornehmen. 2 Ein Anstieg der Arbeitskräftehortung kann zum einen darauf zurückgeführt werden, dass sich die Geschäftstätigkeit breiter eintrübt (mehr Unternehmen betroffen). Zum anderen könnte die Bereitschaft, Arbeitskräfte zu entlassen, gesunken sein (mehr betroffene Unternehmen verzichten auf Kündigungen). Auch eine Kombination beider Ursachen ist möglich.
Die Arbeitskräftehortung in Deutschland stieg im letzten Jahr gemäß der Unternehmensumfrage der Bundesbank deutlich. Rund ein Viertel der Unternehmen fiel in die Kategorie, Arbeitskräfte zu horten – gegenüber etwas weniger als einem Fünftel im Jahr 2023. Dieser deutliche Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass der Anteil der Unternehmen mit schwacher Geschäftstätigkeit kräftig von gut einem Fünftel 2023 auf rund ein Drittel 2024 stieg (Aktivitätskanal). Gleichzeitig sank unter Unternehmen mit schwacher Geschäftstätigkeit der Anteil derjenigen Unternehmen, die trotzdem auf betriebsbedingte Kündigungen verzichteten (Beschäftigungskanal). Dies bedeutet eine zunehmende Entlassungsbereitschaft. Diese dämpfte somit den Anstieg der Arbeitskräftehortung etwas. Auf sektoraler Ebene zeigen die Umfrageergebnisse, dass die Arbeitskräftehortung im vergangenen Jahr im Einzelhandel und Verarbeitenden Gewerbe am stärksten war. Die Unterschiede zwischen den Sektoren liegen insbesondere in der Geschäftstätigkeit – und weniger im Entlassungsverhalten.
Die wichtigsten Gründe für vermiedene Entlassungen waren die Hoffnung auf eine bessere Geschäftstätigkeit und die Sorge vor Arbeitskräfteknappheit. Mit 60 % waren die meisten arbeitskräftehortenden Unternehmen im vergangenen Jahr dahingehend optimistisch, dass sie davon ausgingen, dass ihre schwache Geschäftsaktivität vorübergehend war. Fast die Hälfte der arbeitskräftehortenden Unternehmen war zudem über die Schwierigkeiten besorgt, die typischerweise mit der Wiederanstellung von Personal nach einer Entlassung verbunden sind. Diese Sorgen sind angesichts des demografiebedingten Fachkräftemangels, der sich perspektivisch intensivieren dürfte, nicht unbegründet. Darüber hinaus planen mehr als ein Fünftel der arbeitskräftehortenden Unternehmen, den Personalbestand durch natürliche Fluktuation statt Kündigungen abzubauen. Somit stehen zwei der vier meistgenannten Gründe für die Arbeitskräftehortung in Zusammenhang mit dem bevorstehenden demografischen Wandel. Dies spricht dafür, dass sich die Arbeitskräftehortung langsamer als in der Vergangenheit abbauen könnte.
Bis Mitte 2025 legen die Erwartungen der Unternehmen einen spürbaren Rückgang der Arbeitskräftehortung nahe. Dazu werde annahmegemäß eine Erholung der Geschäftstätigkeit beitragen. Hinzu kommt, dass die Entlassungsbereitschaft unter Unternehmen mit weiterhin schwacher Geschäftstätigkeit weiter steigen werde. Dies deutet darauf hin, dass bei anhaltend schwacher Geschäftstätigkeit ein Teil der betroffenen Unternehmen seinen Optimismus verlieren könnte. Der bereits begonnene Beschäftigungsabbau dürfte daher in den kommenden Monaten weitergehen. Im Einzelhandel und im Verarbeitenden Gewerbe wird die Arbeitskräftehortung den Unternehmenserwartungen zufolge bis Mitte 2025 am deutlichsten zurückgehen. Dies liegt sowohl an einer erwarteten Aufhellung der Geschäftstätigkeit als auch an einer Zunahme der erwarteten Entlassungsbereitschaft der Unternehmen. Daher ist das Risiko für bevorstehende Entlassungen insbesondere in diesen beiden Wirtschaftszweigen derzeit erhöht.
Der erwartete Rückgang der Arbeitskräftehortung ist daher nicht notwendigerweise als Signal für eine anziehende Arbeitsnachfrage zu verstehen. Die für Mitte 2025 erwartete Arbeitskräftehortung liegt näher an ihrem Ausmaß von 2022 und 2023 als im vergangenen Jahr. Verglichen mit 2022 oder 2023 stehen dahinter jedoch deutlich schlechtere Geschäftserwartungen bei höherer Entlassungsbereitschaft.
4 Löhne stiegen zuletzt deutlich schwächer
Die Tarifverdienste stiegen im ersten Quartal 2025 erheblich schwächer als im Vorquartal. Einschließlich der Nebenvereinbarungen erhöhten sie sich um lediglich 0,9 % gegenüber dem Vorjahr, nach 5,8 % im vierten Quartal 2024. Ausschlaggebend für den niedrigeren Lohnanstieg waren vor allem negative Basiseffekte aus den hohen Inflationsausgleichsprämien im ersten Quartal 2024, die damals zum Beispiel in der Metall- und Elektroindustrie und im Öffentlichen Dienst der Länder ausgezahlt worden waren und dieses Jahr wegfallen. 4 Hinzu kam, dass in einigen Neuabschlüssen für die ersten Monate keine Steigerungen gegenüber dem Vorjahr vereinbart wurden. Werden aus den Tarifverdiensten die Sonderzahlungen wie Inflationsausgleichsprämien herausgerechnet und ausschließlich die Grundvergütungen betrachtet, so nahmen die Tarifverdienste in der Gesamtwirtschaft im ersten Quartal mit 6,7 % gegenüber dem Vorjahr dagegen ähnlich stark zu wie im vierten Quartal 2024 (6,6 %). Die alten Tarifabschlüsse mit höheren Stufenanhebungen wirken noch nach.
Die jüngsten Tarifabschlüsse fielen überwiegend niedriger aus als zuvor. So lag der Abschluss im Öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen deutlich unterhalb sowohl des vorangegangenen Tarifvertrags von 2023 während der Hochinflation als auch des längerfristigen Durchschnitts seit 2008. Auch in der Textil- und Bekleidungsindustrie West und im Kraftfahrzeughandwerk war der jüngst vereinbarte Lohnanstieg niedriger als zuvor. Lediglich bei den Genossenschaftsbanken gab es ein überdurchschnittliches Lohnergebnis. Hier war der vorherige Abschluss noch vor der Phase hoher Inflationsraten zustande gekommen. Für die zwischenzeitlich eingetretenen Reallohneinbußen wurde nun ein teilweiser Ausgleich ausgehandelt.
Die Lohnforderungen gehen allmählich zurück, was neben den sinkenden Inflationsraten auch auf das schwache wirtschaftliche Umfeld zurückzuführen ist. Die derzeitigen Lohnforderungen der Gewerkschaften betragen zwischen 6,0 % (Textile Dienste) und 12 % (Versicherungen) für eine Laufzeit von zwölf Monaten. Sie liegen damit überwiegend niedriger als in der Hochphase der Inflation. Bis Jahresende werden Neuabschlüsse für nur noch rund 4½ Millionen Tarifbeschäftigte ausgehandelt. Aufgrund der wirtschaftlichen Schwächephase, der Unsicherheit über die weitere Entwicklung und gesunkener Inflationsraten wird es wohl weiterhin spürbar niedrigere Abschlüsse geben als in den vergangenen zwei Jahren.
Die Effektivverdienste stiegen im ersten Quartal 2025 voraussichtlich deutlich stärker als die Tarifverdienste. Sie nahmen aber ebenfalls weniger zu als im Vorquartal. Dies legt der Nominallohnindex des Statistischen Bundesamtes nahe. 5 Seine Vorjahresraten lagen zum Jahresstart bei 3,5 %, nach 5,0 % im vierten Quartal 2024.
Die unabhängige Mindestlohnkommission wird bis Ende Juni eine Empfehlung zur Anpassung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns an die Bundesregierung geben. Sie orientiert sich dabei nachlaufend an der Tarifentwicklung und dem Referenzwert von 60 % des Brutto-Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten. Zusätzlich berücksichtigt sie die Kriterien der EU-Mindestlohnrichtlinie. 6 Die Mindestlohnkommission soll frei und unabhängig abwägen, wie sie ihren gesetzlichen Spielraum nutzt. Käme es, wie teilweise von politischer Seite gefordert und laut Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung als im Jahr 2026 erreichbar dargestellt, zu einer raschen Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 € je Stunde, hätte dies voraussichtlich deutliche Auswirkungen auf die Tarifverdienste in Handwerk, Bau und arbeitsintensiven Dienstleistungen. Hier würden dann die unteren Lohngruppen wohl spürbar angehoben. 7
5 Die Inflationsrate stieg im ersten Vierteljahr erneut leicht an
Der Preisauftrieb verstärkte sich im ersten Quartal 2025 etwas. Gegenüber dem Vorquartal stiegen die Verbraucherpreise (HVPI) saisonbereinigt um 0,7 %, nach 0,5 % im Schlussquartal 2024. Das lag vor allem an den Dienstleistungen. Bei administrierten Diensten fiel die zum Jahresbeginn übliche Preiserhöhung dieses Mal besonders kräftig aus. Hier schlug sich auch die merkliche Verteuerung des Deutschlandtickets nieder. Außerdem stiegen die Energiepreise im Durchschnitt des ersten Quartals wieder an, nachdem sie in den zwei vorangegangenen Quartalen noch gefallen waren. Ausschlaggebend hierfür war die Verteuerung von Kraftstoffen. Zudem machte sich vor allem die weitere Anhebung des CO2-Preises bemerkbar. Sowohl Industriegüter ohne Energie als auch Nahrungsmittel verteuerten sich zum Jahresstart dagegen nur moderat und deutlich weniger kräftig als noch im Schlussvierteljahr 2024. In der Vorjahresbetrachtung stieg die Inflationsrate im ersten Quartal 2025 erneut leicht an. Sie erhöhte sich von 2,5 % im vierten Quartal 2024 auf 2,6 %. Die Kerninflationsrate (HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel) verharrte dagegen bei 3,2 %.
Im April zogen die Preise insgesamt moderat an. Saisonbereinigt erhöhte sich der HVPI erneut um 0,2 % (gegenüber dem Vormonat). Die Energiepreise sanken zwar merklich, dies glich aber den deutlichen Anstieg der Dienstleistungspreise, speziell für Reisen, nicht vollständig aus. Bei den Reisedienstleistungen stiegen vor allem die Preise für Pauschal- und Flugreisen im April kräftig an. Im Bereich Energie gaben hauptsächlich die Kraftstoffpreise nach. Dies war auf sinkende Rohölpreise auf den Energiemärkten zurückzuführen. Die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar wirkte hier zusätzlich dämpfend. Die Preise für Industriegüter ohne Energie und Nahrungsmittel veränderten sich dagegen kaum. In den vergangenen Monaten waren vor allem unverarbeitete Nahrungsmittel der Gemüse- oder Fleischproduktion noch deutlich im Preis gestiegen. In der Vorjahresbetrachtung sank die Inflationsrate leicht von 2,3 % im März auf 2,2 % im April. 8 Die Kernrate stieg aufgrund der dynamischen Dienstleistungspreise dagegen kräftig von 2,8 % auf 3,1 % an. Auch nach anderen Maßen ist die zugrunde liegende Inflation weiterhin erhöht, verlor aber seit der Hochinflationsphase merklich an Dynamik. 9
Der Inflationsausblick ist aktuell besonders unsicher; aus gegenwärtiger Sicht dürfte die Inflationsrate in den kommenden Monaten um 2 % schwanken. Die immer noch kräftige Verteuerung der Dienstleistungen sollte allmählich nachlassen. Darüber hinaus dürften die gesunkenen Energiepreise die Inflationsrate dämpfen. Von den im Koalitionsvertrag angekündigten staatlichen Maßnahmen mit direkter Preiswirkung geht weiterer Abwärtsdruck auf die Energiepreise aus (zum Beispiel Senkung der Stromsteuer und Netzentgelte). Allerdings ist noch unklar, wann die Maßnahmen umgesetzt werden. Dann könnte die Inflationsrate in Deutschland für eine Weile unter 2 % fallen.
Exkurs
Die jüngere Entwicklung der zugrunde liegenden Inflation in Deutschland
Viele Notenbanken nehmen nicht nur die Gesamtinflationsrate, sondern auch die sogenannte zugrunde liegende Inflation in den Blick. Diese soll eine breit angelegte Preisdynamik erfassen und kurzfristige Schwankungen oder spezifische Preisbewegungen außer Acht lassen. Dabei ist die zugrunde liegende Inflation eine unbeobachtbare Größe, die geschätzt werden muss. Sie kann konzeptionell unterschiedlich verstanden und ermittelt werden. 1 Gemeinsam ist allen Maßen, dass sie aus stark disaggregierten Verbraucherpreisdaten abgeleitet werden.
Für den Euroraum liegt eine breite Palette von Maßen der zugrunde liegenden Inflation vor. 2 Die Indikatoren beziehen sich alle auf das vom EZB-Rat gewählte Maß für Preisstabilität im Euroraum, den Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Seit der jüngsten Hochinflationsphase gewann die zugrunde liegende Inflation stark an Bedeutung. Bei den geldpolitischen Entscheidungen des EZB-Rats spielt sie seit einiger Zeit neben den gesamtwirtschaftlichen Prognosen sowie neu eingehenden Wirtschafts- und Finanzmarktdaten und der Stärke der geldpolitischen Transmission eine herausgehobene Rolle für die Beurteilung der Inflationsaussichten. 3
Traditionelle Messgrößen für die zugrunde liegende Inflation, wie die „klassische“ Kernrate, beruhen auf dem Ausschluss bestimmter schwankungsanfälliger Preiskomponenten. Dabei werden diejenigen Bestandteile des HVPI-Warenkorbs ausgeklammert, deren Preise sich in der Vergangenheit als besonders volatil erwiesen. Prominente Beispiele sind die „klassische“ Kernrate, die Energie- und Nahrungsmittelpreise unberücksichtigt lässt, und getrimmte Mittelwerte. Letztere schließen einen bestimmten Prozentsatz an HVPI-Teilkomponenten aus, nämlich jene, deren Teuerungsrate besonders hoch oder niedrig ist. 4 Seit einigen Jahren dient zudem oft der HVPI ohne Energie, Nahrungsmittel, Bekleidung und Reisen dazu, den zugrunde liegenden Preistrend besser abzuschätzen, da sich Bekleidungs- und Reisepreise ebenfalls als sehr volatil erwiesen. 5 Allerdings können vorübergehende Schocks diese traditionellen Messgrößen für die zugrunde liegende Inflation beeinflussen. Dies steht der Absicht entgegen, den mittelfristigen Preistrend abzugreifen. Zudem werden möglicherweise frühe Signale für Änderungen der zugrunde liegenden Inflation ausgeschlossen, wenn sie an den Rändern der Verteilung aller Teuerungsraten im HVPI-Warenkorb auftreten. So handelte es sich beispielsweise im April bei den am stärksten preistreibenden 15 % des HVPI-Warenkorbs zu 90 % um Dienstleistungen. In getrimmten Mittelwerten war somit ein großer Teil der Dienstleistungskomponenten mit wichtiger Signalfunktion für den zukünftigen Trend der Inflationsrate gar nicht mehr enthalten.
Zusätzliche Informationen über die zugrunde liegende Inflation liefern alternative Maße, die auf ökonometrischen Modellen, neueren Methoden des maschinellen Lernens oder Mikrodaten beruhen. Beispielsweise gibt die Persistent Common Component of Inflation (PCCI) eine allen HVPI-Teilkomponenten gemeinsame, persistente Komponente wieder. 6 Neuere Methoden des maschinellen Lernens nehmen die Prognosegüte in den Blick. Zum Beispiel passt das Albacore-Maß die Gewichte der einzelnen HVPI-Komponenten so an, dass sie eine möglichst genaue Prognose der zukünftigen Inflationsrate liefern. 7 Außerdem lässt sich mithilfe von Mikrodaten ermitteln, ob innerhalb einer bestimmten HVPI-Teilkomponente die einzelnen Produktpreise relativ häufig oder eher selten angepasst werden. 8 Ein daraus abgeleiteter „Sticky Price“-Indikator, der nur die trägeren Komponenten mit relativ geringer Preisänderungshäufigkeit enthält, kann ebenfalls Aufschluss über die zugrunde liegende Preisentwicklung geben. 9
Sowohl traditionelle als auch alternative Maße zeigen einen merklichen Rückgang der zugrunde liegenden Inflation in Deutschland seit der Hochinflationsphase an, liegen aber weiterhin oberhalb ihrer historischen Durchschnitte. 10 Als die Inflationsrate in Deutschland im Oktober 2022 mit 11,6 % einen historischen Höchststand erreichte, kletterten vor allem die traditionellen, aber auch die alternativen Maße der zugrunde liegenden Inflation auf ganz außergewöhnlich hohe Werte. Gleichzeitig nahm die Spannweite dieser Indikatoren merklich zu. Mit einer gewissen Verzögerung zur geldpolitischen Straffung sank auch die zugrunde liegende Inflation. Seit Anfang 2024 verlangsamte sich ihr Rückgang jedoch deutlich, vor allem weil der Disinflationsprozess bei den Waren (ohne Energie) wohl weitgehend abgeschlossen ist. Im Vergleich zu ihren historischen Durchschnitten sind die meisten Indikatoren für die zugrunde liegende Inflation immer noch erhöht. 11
Unterschiede zwischen den traditionellen und den alternativen Maßen zeigen sich vor allem in der Dynamik während des jüngsten Preisschubs. Die modellbasierten Indikatoren, insbesondere das PCCI-Maß, aber auch Albacore, haben bereits Anfang 2021 den Wendepunkt bei der Inflation hin zu höheren Raten erkannt – und damit etwas früher als die traditionellen Maße. Auch der Wendepunkt hin zum jüngsten Disinflationsprozess zeichnete sich in den alternativen Maßen etwas früher ab. Wegen der unterschiedlichen Dynamik der traditionellen und der alternativen Maße und ihren konzeptionellen Unterschieden bietet es sich an, auf eine Bandbreite an Maßen der zugrunde liegenden Inflation zu schauen.
6 Im zweiten Quartal dürfte die Wirtschaft in etwa stagnieren
Im zweiten Quartal könnte die deutsche Wirtschaft in etwa auf der Stelle treten. Vielfältige Belastungsfaktoren bestehen fort, und mit der verschärften Zollpolitik der US-Regierung kommt zusätzlicher Gegenwind hinzu. Dieser trifft insbesondere die Exportwirtschaft, die ohnehin mit einer schwierigen Wettbewerbsposition und schwacher Nachfrage zu kämpfen hat. Die Auslandsnachfrage nach deutschen Industrieerzeugnissen befindet sich nämlich nach wie vor auf schwachem Niveau. Die Handelspolitik der US-Regierung belastet den Exportausblick nicht nur durch die verhängten oder angedrohten Zölle, sondern auch durch die mit den Finanzmarktreaktionen einhergegangene kräftige Aufwertung des Euro. Kurzfristig könnten zwar drohende noch höhere Zölle weitere Vorzieheffekte zur Folge haben. Grundsätzlich führen vorgezogene Produktion oder Exporte jedoch früher oder später zu einem entsprechenden Rückpralleffekt. Solche Belastungen könnten durchaus schon im laufenden Quartal auftreten. Die mit dem Zollkonflikt verbundene Unsicherheit beeinträchtigt zusätzlich die Planungssicherheit und damit die Investitionsneigung der Unternehmen. Letztere wird zudem durch die immer noch niedrige Kapazitätsauslastung in der Industrie geschwächt. Diese erhöhte sich laut Umfragen des ifo Instituts im April zwar leicht, lag aber weiterhin deutlich unter ihrem langjährigen Durchschnitt. Die Bremswirkung der zuvor erhöhten Finanzierungskosten auf die Investitionen dürfte zwar allmählich auslaufen, die Banken verschärften aber angesichts der unsicheren makroökonomischen Lage ihre Vergaberichtlinien für Unternehmenskredite im ersten Quartal noch einmal marginal. Die Bauinvestitionen könnten in etwa stagnieren. Denn die Nachfrage nach Bauleistungen ist noch nicht so gefestigt, dass schon kurzfristig Impulse zu erwarten sind. Etwas Auftrieb könnte erneut vom privaten Konsum ausgehen. Von den Arbeitseinkommen sind zwar angesichts des schwachen Arbeitsmarktausblicks und des nachlassenden Lohnwachstums kurzfristig keine Impulse zu erwarten. Aber die Verbraucherstimmung hellte sich gemäß Umfragen von GfK im April auf, was mit einem deutlichen Rückgang der Sparneigung einherging. Stützende gesamtwirtschaftliche Effekte durch die absehbare, deutlich expansivere Fiskalpolitik sind dagegen kurzfristig noch nicht zu erwarten. Mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung dürften jedoch insbesondere die höheren Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung der deutschen Wirtschaft Auftrieb verleihen.
Die Zollpolitik der US-Regierung dürfte die deutsche Industrie bereits im laufenden Quartal bremsen. Allerdings dürfte der Einstieg in das zweite Quartal durchaus noch gut gewesen sein. So besserte sich die Geschäftslage der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe laut ifo Umfragen, die bei Abschluss dieses Berichts bis April vorlagen. Auch die kurzfristigen Produktionserwartungen erhöhten sich. Die Zahl produzierter Personenkraftwagen lag laut Angaben des VDA im April zwar unter dem Stand des März, aber noch deutlich über dem Vorquartal. Zu dem guten Start könnten weitere Vorzieheffekte beigetragen haben, da die USA ihre die EU betreffenden Universalzölle abgesehen von den Basiszöllen um 90 Tage aufschoben und somit weiterhin höhere Zölle drohen. Positiv entwickelte sich zuletzt der industrielle Auftragseingang. Er erhöhte sich im März über die meisten Sektoren hinweg saisonbereinigt deutlich gegenüber dem Vormonat. Auch in regionaler Hinsicht war der Anstieg breit angelegt. Im Mittel des ersten Quartals ging der Auftragseingang gegenüber dem Vorquartal zwar zurück. Ohne volatile Großaufträge gerechnet erhöhte er sich aber erneut. Vorzieheffekte spielten dabei wohl keine entscheidende Rolle. Zwar stiegen die Aufträge aus den Drittstaaten außerhalb des Euroraums. Sie waren aber nicht allein für den Anstieg maßgeblich. Vielmehr kamen insbesondere aus dem Inland mehr Neuaufträge. Dass von der US-Handelspolitik schon kurzfristig deutlich negative Auswirkungen ausgehen dürften, signalisieren die ifo Exporterwartungen im April, die sich stark eintrübten.
In der Bauwirtschaft verbessern sich zwar die Perspektiven, aber für das zweite Quartal sind noch keine Impulse zu erwarten. Die Nachfrage nach Bauleistungen hat sich mittlerweile von ihrem sehr niedrigen Niveau aus etwas erholt, bleibt aber noch ohne durchgreifenden Schwung. Die Baugenehmigungen legten im ersten Quartal stark zu, nach einem bereits kräftigen Anstieg im Vorquartal. Der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe verringerte sich den bis Februar verfügbaren Angaben zufolge im ersten Quartal jedoch wieder etwas, nach drei Anstiegen in Folge. Dies geht auf den Tiefbau zurück, in dem die Neuaufträge im Februar stark zurückgingen. Dabei könnten auch vorübergehend weniger Aufträge aufgrund der vorläufigen Haushaltsführung des Bundes eine Rolle gespielt haben. 10 Insgesamt verbesserte sich das Geschäftsklima im Bauhauptgewerbe im April gemäß Umfragen des ifo Instituts. Dabei wurde die etwas verschlechterte Lageeinschätzung durch die deutlich gestiegenen Erwartungen mehr als ausgeglichen. 11
Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen dürften in den kommenden Jahren konjunkturstützend wirken. Bis neue Infrastrukturprojekte im Bauwesen zusätzliche Aufträge generieren, sind aber zunächst Planungs-, Genehmigungs- und Vergabeverfahren zu durchlaufen. Selbst wenn diese deutlich beschleunigt werden sollen, sind spürbare Impulse für die Bauproduktion wohl frühestens ab dem kommenden Jahr zu erwarten. Dabei hängt ihre Stärke auch von den verfügbaren Produktionskapazitäten ab. Derzeit steigt die Auslastung im Tiefbau und liegt mittlerweile nur noch knapp unter dem Durchschnittsniveau der letzten zehn Jahre, während der Hochbau weiterhin deutlich unterausgelastet ist. 12 Mit den zusätzlichen staatlichen Investitionen dürfte die Kapazitätsauslastung im Tiefbau in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Potenzielle Engpässe lassen sich wahrscheinlich nur eingeschränkt durch einen Aufbau neuer Kapazitäten und die Verlagerung verfügbarer Kapazitäten aus dem Hochbau auffangen. Der geplante Abbau von bürokratischen Hürden im Wohnungsbau dürfte auch dort die Investitionen fördern. Die geplanten beschleunigten Abschreibungsmöglichkeiten dürften die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen stärken. Höhere Verteidigungsausgaben schlagen sich nach dem nötigen administrativen Vorlauf in höheren staatlichen Investitions- und Konsumausgaben nieder. Die höhere Nachfrage dürfte zwar teilweise durch höhere Importe Anbietern aus dem Ausland zugutekommen, letztlich dürften aber nicht zuletzt inländische Hersteller von Rüstungsgütern, etwa von Waffen und Munition oder von militärischen Fahrzeugen (die in den Wirtschaftsstatistiken dem Sonstigen Fahrzeugbau zugerechnet werden) davon profitieren. Die angelegte höhere gesamtwirtschaftliche Nachfrage könnte mittelfristig zu etwas höheren Inflationsraten führen. Allerdings sind im Koalitionsvertrag auch einige fiskalische Maßnahmen enthalten, die vorübergehend die Inflation unmittelbar dämpfen, insbesondere bei Energie. 13 Die konkreten makroökonomischen Effekte der expansiveren Fiskalpolitik werden im Rahmen der neuen Deutschland-Prognose genauer abgeschätzt. Diese wird im Juni veröffentlicht.
Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung enthält angebotsseitige Vorhaben, die das langfristige Wachstum der deutschen Volkswirtschaft stärken können.Dies gilt insbesondere für Maßnahmen zur Verbesserung des Umfelds für Unternehmensinvestitionen. Hierzu zählen die Vorhaben zum Bürokratieabbau, zur Modernisierung der staatlichen Verwaltung und Digitalisierung ebenso wie die geplanten steuerlichen Investitionsanreize. Auch Maßnahmen zur Steigerung der Innovationstätigkeit, wie ein besserer Wagniskapitalzugang für junge Unternehmen, können einen Beitrag leisten. Einzelne Maßnahmen wie die Abschaffung des nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes oder die verbesserten Abschreibungen für Ausrüstungen sind dabei bereits recht konkret benannt. Bei vielen anderen Vorhaben wird die Wachstumswirkung maßgeblich von der konkreten Umsetzung abhängen.
Bei der Energiewende steht ein schlüssiges Gesamtkonzept noch aus. Mit effizienzsteigernden Maßnahmen und marktbasierten Mechanismen können die Kosten der Energiewende begrenzt werden. Die Pläne der neuen Regierung zielen zum Teil in diese Richtung. Gerade seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind die Energiekosten in Deutschland stark gestiegen. Unternehmensumfragen zufolge stellen sie eine Belastung für Investitionsentscheidungen am hiesigen Standort und die Wettbewerbsfähigkeit dar. 14 Gleichzeitig verdeutlichte der Energiepreisanstieg die Risiken hoher Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten. Auch um solche Abhängigkeiten zu vermeiden, ist es wichtig, die Energiewende voranzutreiben. Allerdings ist dabei auf Effizienz und Planungssicherheit zu achten, damit Energiekosten begrenzt werden. So sollten die Netzkosten möglichst von vorneherein nicht stark steigen. In diese Richtung ist zum Beispiel geplant, beim Netzausbau stärker auf günstige Freiluftleitungen zu setzen. Auch die angekündigte Beschleunigung des Rollouts von Smart Metern ist zu begrüßen, denn mit dynamischen Stromtarifen lassen sich Kosten begrenzen – und zudem die Netzstabilität verbessern. Es ist nachvollziehbar, die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß zu senken, um die Endkundenpreise für Energie etwas zu dämpfen. Weniger überzeugend erscheint es, Netzentgelte zu subventionieren: Solche Nutzungsentgelte können knappheitsgerechte Preissignale senden. Auch der angedachte Industriestrompreis würde solche Signale für energieintensive Industrieunternehmen dämpfen. Bei umfänglichen Subventionen sind zudem die angespannten Staatsfinanzen im Blick zu behalten. Für die Dekarbonisierung will die Koalition vor allem die CO2-Bepreisung nutzen, das heißt Preisanreize setzen. Diese Konzentration auf marktwirtschaftliche Anreizmechanismen erscheint grundsätzlich sinnvoll. Für effiziente Preisanreize wäre auf der EU-Ebene aber darauf hinzuwirken, die CO2-Bepreisung möglichst gleichmäßig und ohne Ausnahme – wie im Fall der Landwirtschaft – auf alle Sektoren anzuwenden.
Einzelne Maßnahmen stärken das Arbeitsangebot. So dürfte die geplante Bürgergeldreform die Suchanreize arbeitsloser Personen und dadurch das Arbeitsangebot steigern. Die Maßnahmen zur Stärkung der Fachkräftezuwanderung überzeugen hingegen nur teilweise. So ist beispielsweise eine neue, digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung (Work-and-Stay-Agentur) ausdrücklich zu begrüßen. Sie soll alle Prozesse der Erwerbsmigration von Personen aus Drittstaaten und der Anerkennung von deren Abschlüssen bündeln und beschleunigen. Auch das Vorhaben, Personen aus Drittstaaten, die in Deutschland berufliche oder akademische Abschlüsse erworben haben, zum Bleiben zu bewegen, ist sinnvoll. Allerdings werden hierzu noch keine konkreten Maßnahmen genannt. Gleichzeitig will die neue Regierung jedoch das Zuwanderungskontingent nach der Westbalkanregelung von 50 000 Personen jährlich halbieren. Auch wenn die Kontingentregelung 2024 wahrscheinlich nicht vollständig ausgeschöpft wurde, würde dies die beschäftigungsorientierte Zuwanderung einschränken. Hier wäre im Gegenteil eine Ausweitung der Regelung auf weitere Herkunftsstaaten zielführend.
An etlichen Stellen bleiben inländische Reserven beim Arbeitsangebot aber ungenutzt. So wird die demografische Entwicklung den Arbeitseinsatz und darüber das Potenzialwachstum Deutschlands in den kommenden Jahren stark belasten. Um Arbeitsmarktreserven bei Älteren zu aktivieren, bieten sich in der Rentenversicherung insbesondere mit abschlagsfreier Rente und gesetzlichem Renteneintrittsalter wirksame Ansatzpunkte, die aber offenbar nicht verfolgt werden sollen. Die geplante teilweise Steuerfreistellung von Erwerbseinkommen von Erwerbstätigen jenseits der Regelaltersgrenze (Aktivrente) dürfte hingegen kaum helfen (vgl. Abschnitt "Rentenpolitische Vorhaben der neuen Bundesregierung" im Artikel "Öffentliche Finanzen"). Auch hinsichtlich eines höheren Arbeitsangebots von Frauen bietet der Koalitionsvertrag keine Hinweise auf größere Strukturveränderungen. Zwar ist die Erwerbstätigkeit von Frauen in Deutschland im europäischen Vergleich relativ hoch. Ihre durchschnittliche Arbeitszeit ist jedoch vergleichsweise niedrig. Es wäre daher zu begrüßen, wenn Kinderbetreuungsangebote nun – wie anvisiert – schnell ausgeweitet würden. Daneben begünstigt das Abgabensystem teils reduzierte Erwerbstätigkeit (wie die Minijob-Begünstigungen und die beitragsfreie Mitversicherung in Kranken- und Pflegeversicherung in Partnerschaften). Dies dürfte dazu beitragen, dass in Deutschland auch kinderlose Frauen nur in vergleichsweise geringem Umfang einer Erwerbstätigkeit nachgehen. 15 Hier sind allerdings offenbar keine Änderungen geplant. Schließlich drohen deutlich steigende Sozialversicherungsbeiträge die Arbeitsanreize (und über höhere Arbeitskosten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft) zu belasten. Diesbezüglich ist es wichtig, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte Überprüfung im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung den angelegten Ausgabenanstieg begrenzt.
In diesem Beitrag wurden Daten bis zum 20. Mai 2025, 11:00 Uhr berücksichtigt.
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Lane, P. R. (2024), „Underlying Inflation: An Update“, Rede auf der “Inflation: Drivers and Dynamics Conference 2024” der Federal Reserve Bank of Cleveland und der EZB, 24. Oktober 2024.