Die Finanzierungskosten der Banken in Deutschland im geldpolitischen Zinszyklus Monatsbericht – Dezember 2024
Die Finanzierungskosten der Banken spielen eine wichtige Rolle in der geldpolitischen Transmission: Denn Änderungen der Finanzierungskosten der Banken haben in der Regel Änderungen der Bankkreditzinssätze zur Folge. Der geldpolitische Straffungskurs seit Anfang 2022 schlug sich über einen Anstieg der Marktzinssätze auch in gestiegenen Finanzierungskosten der Banken in Deutschland nieder. Daraufhin hoben die Banken die Zinssätze für Bankkredite an. Dies stand im Einklang mit dem Ziel der Geldpolitik, die Kreditvergabe zu dämpfen, um über eine sinkende gesamtwirtschaftliche Nachfrage die zu hohe Inflationsrate im Euroraum auf das angestrebte Niveau zurückzuführen.
In diesem Aufsatz wird ein Finanzierungskostenindikator (FKI) für die Banken in Deutschland vorgestellt. Dieser Indikator fasst die Kostenbeiträge verschiedener Finanzierungsquellen der Banken in einer einzigen Größe zusammen. Dabei werden die Preise der Finanzierungsquellen mit ihren Volumenanteilen am Finanzierungsmix der Banken gewichtet. Gemäß diesem Indikator haben traditionell und aktuell die Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors und die verbrieften Verbindlichkeiten der Banken die größten Beiträge.
Der FKI der Banken in Deutschland nahm während der jüngsten geldpolitischen Straffung deutlich zu. Zunächst stiegen besonders die Renditen für verbriefte Verbindlichkeiten an. Später trug vor allem die Verteuerung der Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors zum Anstieg des FKI bei. In der Folge erreichte der FKI im Herbst 2023 den höchsten Wert seit mehr als zehn Jahren.
Ein Vergleich mit dem Höchstwert des FKI während der geldpolitischen Straffung von 2005 bis 2008 zeigt, dass die Finanzierungskosten bei ihrem jüngsten Höhepunkt kein außergewöhnlich hohes Niveau aufwiesen: Trotz eines ähnlich hohen Leitzinsniveaus wie im September 2008 war der FKI im Herbst 2023 deutlich geringer. Auch das Tempo des jüngsten FKI-Anstiegs war vor dem Hintergrund der schnellen Abfolge von Leitzinserhöhungen nicht außergewöhnlich. Die Niveauunterschiede sind zum einen auf preisliche Faktoren zurückzuführen. So führte der Ausbruch der globalen Finanzkrise 2008 dazu, dass sich die Finanzierung am Geld- und Kapitalmarkt massiv verteuerte. Zum anderen veränderte sich die Finanzierungsstruktur der Banken. Im Vorfeld der Finanzkrise spielten verbriefte Verbindlichkeiten für die Finanzierung der Banken eine deutlich größere Rolle als danach. Gleichzeitig war vor der Finanzkrise der Volumenanteil der relativ günstigen Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors deutlich niedriger als derzeit. Maßgeblich zu den Volumenverschiebungen beigetragen haben geldpolitische und regulatorische Maßnahmen nach der Finanzkrise. In den vergangenen Jahren haben die Banken die Möglichkeit der Finanzierung über die Geld- und Kapitalmärkte wieder stärker genutzt. Vor dem Hintergrund der abschließenden Rückzahlung der im Rahmen der GLRG III aufgenommenen Mittel im Dezember 2024 und der Rückführung des geldpolitischen Portfolios des Eurosystems dürfte sich diese Entwicklung weiter fortsetzen.
1 Einleitung
Wenn Banken Kredite vergeben, müssen sie diese in der Regel (gegen)finanzieren. Dafür können Banken zum Beispiel Einlagen privater Haushalte oder von Unternehmen nutzen oder Schuldverschreibungen begeben. Die für die Banken damit verbundenen Kosten sind ein zentraler Faktor bei der Bepreisung ihrer Kredite. 1 Dadurch sind die Finanzierungskosten der Banken auch für die Geldpolitik von besonderer Bedeutung, denn Änderungen der Finanzierungskosten der Banken haben üblicherweise Änderungen der Bankkreditzinssätze zur Folge. Die Kreditzinssätze wiederum beeinflussen über die Investitionen und den Konsum die Inflationsrate (vgl. Schaubild 2.1).
Tabelle 2.1: Stilisierte Bilanz einer Bank
Aktiva
Passiva
Kassenbestand und Guthaben bei der Zentralbank
Verbindlichkeiten gegenüber der Zentralbank
Kredite
Einlagen
Buchkredite
von inländischen Banken
Wertpapierkredite1)
privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen des Euroraums
der öffentlichen Haushalte des Euroraums
sonstiger finanzieller Unternehmen des Euroraums
von Gebietsfremden2)
Verbriefte Verbindlichkeiten (unter anderem Bankschuldverschreibungen)
Eigenkapital
1 Inklusive Aktien und sonstiger Anteilsrechte. 2 Hierzu zählen die Einlagen von Nichtbanken außerhalb des Euroraums und Einlagen von Banken außerhalb Deutschlands. Nichtbanken umfassen nichtfinanzielle Unternehmen, private Haushalte, Organisationen ohne Erwerbszweck, öffentliche Haushalte und sonstige finanzielle Unternehmen.
Die Finanzierungskosten der Banken sind wegen ihrer Bedeutung für die Bankkreditzinssätze ein zentrales Element der geldpolitischen Transmission. 2 Für die Analyse und Kalibrierung der Geldpolitik ist es wichtig, die Bestimmungsfaktoren der Finanzierungskosten der Banken zu kennen und ihre Entwicklung zu beobachten. Je nachdem, in welchem Maße die Banken die einzelnen Finanzierungsquellen in Anspruch nehmen, werden geldpolitische Impulse unter Umständen abgeschwächt oder verstärkt, verzögert oder beschleunigt von den Banken weitergegeben. Neben der konventionellen Geldpolitik, die vor allem die kürzerfristigen Finanzierungskosten der Banken maßgeblich bestimmt, gibt es weitere Faktoren, die sich langfristig auf das Kostenniveau und die Struktur des Finanzierungsmix der Banken auswirken. Hierzu zählen geldpolitische Sondermaßnahmen ebenso wie strukturelle Veränderungen, die etwa regulatorische Anforderungen oder das Anlageverhalten der Wirtschaftsakteure betreffen.
Für einen Teil ihrer Finanzierungsquellen hat die einzelne Bank kaum einen Preissetzungsspielraum: Die Entwicklung der Preise dieser Komponenten hängt maßgeblich von geldpolitischen Entscheidungen ab, insbesondere von Änderungen der Leitzinssätze. So spiegelt sich die Anhebung der Leitzinssätze, die im Euroraum im Juli 2022 begann, in einem Anstieg der Preise für zwei der wesentlichen Finanzierungsquellen der Banken wider: Abbildung 2.2 zeigt, dass sich 2022 und 2023 sowohl die Finanzierung über Bankschuldverschreibungen als auch über den Geldmarkt stark verteuert hat. Die einzelne Bank kann zwar entscheiden, wie stark sie sich über diese Finanzierungsquellen finanziert. Den Preis dieser Finanzierungskomponente kann sie dagegen kaum beeinflussen.
Bei Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen hängt der Einfluss der einzelnen Bank auf die Bepreisung von ihrer Marktmacht ab. Je nach Geschäftsmodell einer Bank kann sich der Anteil der Kundeneinlagen an ihrem Finanzierungsmix erheblich unterscheiden. Die Zinssätze für Kundeneinlagen sind zwar seit 2022 ebenfalls gestiegen, weil die Banken sie angehoben haben. Der Preisanstieg bei dieser Komponente erfolgte aber in deutlich geringerem Ausmaß und zudem später als bei den Finanzierungsquellen, bei denen die Banken kaum einen Preissetzungsspielraum haben. Unbegrenzt ist dieser Spielraum indes auch bei Einlagen nicht: Wenn eine Bank ihre Zinssätze für Einlagen festlegt, muss sie eine hohe Unsicherheit bei den ihr zufließenden Volumina berücksichtigen. Denn diese hängen auch von der Preissetzung der Wettbewerber und alternativen Anlagemöglichkeiten ab.
Um die Entwicklung der Kosten verschiedener Finanzierungsquellen der Banken zusammenzufassen, kann ein Finanzierungskostenindikator (FKI) berechnet werden. 3 Dabei ist es sinnvoll, sich auf die Fremdfinanzierungskosten zu fokussieren. Denn Eigenkapitalkosten sind kalkulatorische Kosten. Sie können zwar unter bestimmten Annahmen aus der Entwicklung von Aktienkursen abgeleitet werden. Allerdings sind nur wenige Banken in Deutschland am Aktienmarkt gelistet (vgl.Exkurs zur Konstruktion eines Indikators für die Finanzierungskosten der Banken). Ein FKI setzt sich aus den relativen Gewichten der Finanzierungsquellen und ihrer jeweiligen Preise zum aktuellen Zeitpunkt zusammen. Er bildet somit die marginalen Finanzierungskosten zu diesem Zeitpunkt ab. 4 Einen vergleichsweise starken Einfluss auf die Entwicklung des FKI haben Preisänderungen von Finanzierungsquellen mit großem Volumen. Aber auch Volumenverschiebungen zwischen den Finanzierungsquellen wirken sich auf die gesamten Finanzierungskosten aus. Im Zeitverlauf können Banken in begrenztem Maß verschiedene Finanzierungsquellen gegeneinander austauschen: Steigt der Preis für eine Finanzierungsquelle überdurchschnittlich stark, so hat dies häufig Volumenverschiebungen hin zu günstigeren Finanzierungsarten zur Folge, soweit dies den Banken möglich ist.
In der jüngsten geldpolitischen Straffungsphase 2022 und 2023 stieg der FKI schnell und stark an und bewegte sich 2024 auf einem erhöhten Niveau. Das aktuelle Niveau des FKI und die Entwicklung seit Anfang 2022 werden in den Kapiteln 2 und 3 dieses Aufsatzes thematisiert. Ein vertiefender Exkurs vergleicht dabei den FKI von Banken mit einlagendominierter Finanzierung mit dem FKI von Banken mit stärker marktorientierter Finanzierung. Kapitel 4 verdeutlicht, dass sich der FKI während der jüngsten geldpolitischen Straffungsphase anders entwickelt hat als in der Straffungsphase im Vorfeld der globalen Finanzkrise. Wie können die Unterschiede in der Entwicklung des FKI und seinen jeweiligen Niveaus in den beiden Perioden erklärt werden? Auf diese Frage gibt Kapitel 5 Antworten: Die Unterschiede finden ihre Gründe vor allem im Zeitraum zwischen den beiden Straffungsphasen. Denn dieser war geprägt von geldpolitischen Lockerungen während der Finanz- und der europäischen Staatsschuldenkrise, von Änderungen in der Regulierung und von der lang anhaltenden Negativzinsphase. Der Aufsatz schließt mit einer Beschreibung der Entwicklung des FKI im Jahr 2024, als die Geldpolitik den Restriktionsgrad erstmals wieder lockerte.
Exkurs
Konstruktion eines Indikators für die Finanzierungskosten der Banken
Um die Entwicklung der Finanzierungskosten der Banken in ihrer Gesamtheit beobachten und einordnen zu können, nutzt die Bundesbank einen Finanzierungskostenindikator (FKI). Berechnungsgrundlage sind zum einen Informationen über die Fremdfinanzierungsstruktur des Bankensektors, also die Volumina der in Anspruch genommenen Finanzierungsquellen. Zum anderen werden Informationen über die Zinssätze und Renditen dieser Finanzierungsquellen zum aktuellen Zeitpunkt verwendet. Sie umfassen unter anderem Neugeschäftszinssätze für verschiedene Einlagen und die Renditen von Bankschuldverschreibungen. Der hier vorgestellte FKI für den Bankensektor wird als mit den Bestandsvolumina gewichtetes Mittel der aktuellen Zinssätze und Renditen berechnet. Entsprechend können Veränderungen des FKI im Zeitablauf auf Preis- und Volumenänderungen zurückgeführt werden.
Der vorgestellte FKI gibt den fiktiven Zinssatz an, zu dem das Bankensystem seine bestehenden Verbindlichkeiten in der Zusammensetzung an einem bestimmten Stichtag neu aufnehmen könnte. Der FKI bemisst also die Volumenseite anhand von Bestandsgrößen, die Preisseite jedoch anhand von Zinssätzen im Neugeschäft. Die Kombination dieser unterschiedlichen Konzepte ist aus verschiedenen Gründen sinnvoll. Hinsichtlich der Volumenseite wird unterstellt, dass die Banken sich am aktuellen Rand analog zur Finanzierungsstruktur im Bestand finanzieren und somit diese Finanzierungsstruktur beibehalten. Diese Annahme verhindert, dass der Indikator monatlich stark schwankt, wenn die Neugeschäfts-Volumenanteile der einzelnen Finanzierungsquellen im Zeitverlauf deutlich variieren. Werden die relativ stabilen Bestandsvolumina für die Berechnung des Indikators verwendet, können Veränderungen des Indikators in der Regel kurzfristig als Preissignale interpretiert werden. Volumenumschichtungen zwischen den Finanzierungsquellen machen sich bei dieser Berechnungsmethode erst in der längeren Frist bemerkbar.
Da die Preisseite über das Neugeschäft abgebildet wird, handelt es sich um einen Indikator der marginalen Finanzierungskosten. Dieses Vorgehen ist sinnvoll, weil im Kontext der geldpolitischen Transmission die marginalen Finanzierungskosten – im Gegensatz zu den durchschnittlichen Finanzierungskosten – im Vordergrund stehen. Denn die marginalen Finanzierungskosten bilden die Basis für die Kreditvergabeentscheidungen der Banken: Um ihre Kreditzinssätze festzulegen, vergleichen die Banken die Grenzkosten ihrer Finanzierung mit den möglichen Erlösen. Die Kreditzinssätze wiederum beeinflussen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit auch die Inflation. Alternativ und für den Kontext anderer Fragestellungen können die Finanzierungskosten auch auf Basis der durchschnittlichen Zinssätze für den Bestand der einzelnen Finanzierungsquellen berechnet werden. Ein solcher Indikator der durchschnittlichen Finanzierungskosten bietet sich bei Themen an, bei denen auch in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen relevant sind. Ein Beispiel ist das Themenfeld Finanzstabilität: Frühere Finanzierungs- und Kreditvergabeentscheidungen prägen maßgeblich die Ertragslage der Banken. Diese wiederum beeinflusst die Widerstandsfähigkeit der Banken und infolgedessen auch die Finanzstabilität insgesamt.
Der hier vorgestellte FKI ist als Fremdfinanzierungskostenindikator konzipiert, die Kosten für das Eigenkapital werden nicht berücksichtigt; außerdem approximiert der FKI die Finanzierungskosten, anstatt sie exakt zu berechnen. Eigenkapitalkosten sind kalkulatorische Kosten und können anders als Fremdkapitalkosten nicht direkt beobachtet werden. Indirekt ableiten lassen sie sich unter bestimmten Annahmen aus der Entwicklung von Aktienkursen. Allerdings ist ein großer Teil der Banken im deutschen Bankensystem – speziell die zahlenmäßig bedeutenden Sparkassen und Genossenschaftsbanken – nicht börsennotiert. Schließlich lassen sich die Zinssätze beziehungsweise Renditen einiger Finanzierungspositionen angesichts der Datenlage nur näherungsweise bestimmen, indem sie durch Preise verwandter Finanzierungsinstrumente approximiert werden. Für den FKI bedeutet dies, dass die Finanzierungskosten nicht exakt abgebildet werden können.
Die monatliche Bilanzstatistik gibt Aufschluss über die Finanzierungsstruktur des deutschen Bankensektors, also über die Volumenseite des FKI. 1 Für einen Indikator, der die Fremdfinanzierungskosten des Bankensektors insgesamt abbilden soll, sind nur jene Positionen relevant, die Kosten für das Bankensystem insgesamt darstellen. Interbankenkredite innerhalb des betrachteten Bankensystems gleichen sich gegenseitig aus und werden daher nicht berücksichtigt. Denn sie stellen für die kreditnehmende Bank eine Verbindlichkeit dar, für ihre jeweilige Gegenpartei jedoch eine Forderung. In der aggregierten Betrachtung führen Interbankenkredite also nicht zu Kosten für das gesamte Bankensystem, sondern nur zu Umverteilungen innerhalb des Systems. Ähnliches gilt für Verbindlichkeiten aus Derivategeschäften mit dem Bankensektor. Derivateverbindlichkeiten gegenüber Nichtbanken sind wegen ihrer geringen Höhe vernachlässigbar und werden deshalb ebenfalls nicht im FKI berücksichtigt.
Von den im FKI berücksichtigten Quellen der Fremdfinanzierung haben die Einlagen der im Euroraum ansässigen privaten Haushalte und nichtfinanziellen Unternehmen, gemessen am Volumen, für die Banken die größte Bedeutung. Aus Schaubild 2.3 geht hervor, dass Termin-, Spar- und täglich fällige Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors im Oktober 2024 mehr als die Hälfte der Fremdfinanzierung des aggregierten deutschen Bankensystems ausmachten (51,8 %). Knapp 20 % der Fremdfinanzierung erfolgte über verbriefte Verbindlichkeiten. Hauptsächlich umfassen diese am Kapitalmarkt begebene Bankschuldverschreibungen (rund 18 % der Fremdfinanzierung), aber auch kurzfristige Schuldverschreibungen am Geldmarkt (1,6 %). Es folgten Einlagen von Gebietsfremden 2 (16,5 %). Die Einlagen sonstiger finanzieller Unternehmen des Euroraums wie Pensionsfonds, Versicherungen oder anderer Finanzmarktakteure machten nahezu 8 % aus, diejenigen der öffentlichen Haushalte des Euroraums knapp 4 %. Der Anteil der Verbindlichkeiten des deutschen Bankensystems gegenüber der Bundesbank, unter anderem aus gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften (GLRG), belief sich auf 0,3 % der Fremdfinanzierung des deutschen Bankensystems. Im Euroraum insgesamt ist die Zusammensetzung des Finanzierungsmix der Banken sehr ähnlich wie in Deutschland. 3
Für die Preisseite des FKI werden Zinssätze und Renditen aus der MFI-Zinsstatistik und der Emissionsstatistik sowie Geldmarktsätze verwendet. Die MFI-Zinsstatistik erfasst die Neugeschäftszinssätze heimischer Banken für Einlagen von privaten Haushalten und nichtfinanziellen Unternehmen des Euroraums. Für Einlagen anderer Wirtschaftsakteure müssen die Neugeschäftszinssätze approximiert werden. Dazu zählen die Einlagen der öffentlichen Haushalte, bei denen es sich hauptsächlich um kurzfristige Einlagen handelt. Für diese wird der Zinssatz für täglich fällige Einlagen der privaten Haushalte angewendet. 4 Der Zinssatz für Einlagen von Gebietsfremden wird mit dem Zinssatz für täglich fällige Einlagen der Unternehmen approximiert. Die Wahl eines kurzfristigen Zinssatzes ist dadurch motiviert, dass es sich bei den Einlagen von Gebietsfremden überwiegend um Einlagen von Unternehmen zur Abwicklung ihres Zahlungsverkehrs in Euro handeln dürfte. Als Rendite für verbriefte Verbindlichkeiten wird aus der Emissionsstatistik die durchschnittliche Rendite für besicherte und unbesicherte Bankschuldverschreibungen verwendet. Als Preis für die Verbindlichkeiten gegenüber der Bundesbank oder dem Eurosystem (ohne GLRG) wird der Hauptrefinanzierungssatz angesetzt, da traditionell der überwiegende Teil des Refinanzierungsbedarfs der Banken beim Eurosystem über die Hauptrefinanzierungsgeschäfte gedeckt wurde. Mit Einführung der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (GLRG) änderte sich das. Der Preis für die GLRG wird mit dem Zinssatz der Einlagefazilität des Eurosystems approximiert. Der Zinssatz für Verbindlichkeiten aus Einlagen der sonstigen finanziellen Unternehmen des Euroraums wird anhand des Zwölfmonats-EURIBOR approximiert. Ausschlaggebend für diese Wahl ist das Anlageverhalten der sonstigen finanziellen Unternehmen. Denn sie stellen bei Anlageentscheidungen gezieltere Renditeüberlegungen an als der private nichtfinanzielle Sektor. Die Wahl des Zwölfmonats-EURIBOR wird zudem der Tatsache gerecht, dass sich die Einlagen der sonstigen finanziellen Unternehmen je hälftig auf Ursprungslaufzeiten von unter beziehungsweise über zwei Jahren aufteilen.
Der FKI stellt ein volumengewichtetes Mittel der Preise für die verschiedenen von den Banken genutzten Finanzierungsquellen dar. Die vertikale Linie in Schaubild 2.4 stellt den FKI Ende Oktober 2024 dar. Zu diesem Zeitpunkt lag der FKI bei knapp 1,60 %. Als günstigste Finanzierungsquelle erwiesen sich insbesondere die Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen, deren Zinssatz bei 1,2 % lag. Aber auch die Einlagen öffentlicher Haushalte sowie von Gebietsfremden waren annahmegemäß vergleichsweise günstige Finanzierungsquellen für die Banken. Im Vergleich dazu war die Ausgabe von verbrieften Verbindlichkeiten relativ teuer. Die Rendite lag bei 2,8 %. Für die Banken im Euroraum insgesamt ergibt sich mit Blick auf die Preise der verschiedenen Finanzierungsquellen ein ähnliches Bild.
2 Zusammensetzung des FKI am aktuellen Rand
Die Höhe der gesamten Finanzierungskosten der Banken ergibt sich aus der Summe der Preise der einzelnen Finanzierungsquellen, also ihren Zinssätzen beziehungsweise Renditen. Diese werden mit den Anteilen der jeweiligen Finanzierungskomponenten an der Gesamtfinanzierung der Banken gewichtet. Ein FKI kombiniert die jeweiligen Preise und Volumina zu einer einzigen Größe (vgl.: Exkurs zur Konstruktion eines Indikators für die Finanzierungskosten der Banken, der auch die einzelnen Finanzierungsquellen genauer vorstellt). Auf diese Weise lassen sich die Beiträge der einzelnen Finanzierungsquellen zu den gesamten Finanzierungskosten berechnen. Dazu werden die Preise jeder Finanzierungsquelle mit ihrem Volumenanteil am Finanzierungsmix multipliziert. Isoliert betrachtet steigt demnach der Anteil einer Finanzierungsquelle an den Finanzierungskosten der Banken dann, wenn sie teurer wird und/oder stärker genutzt wird. Schaubild 2.5 zeigt die Beiträge der einzelnen Quellen zum FKI zum Zeitpunkt Ende Oktober 2024. Zu diesem Zeitpunkt lag der FKI der Banken in Deutschland bei 1,60 %.
Traditionell und auch aktuell sind zwei Finanzierungsquellen für die Finanzierungskosten der Banken in Deutschland besonders relevant: Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors (private Haushalte und nichtfinanzielle Unternehmen) aus dem Euroraum und verbriefte Verbindlichkeiten. Zusammen tragen diese beiden Finanzierungsquellen derzeit zu über zwei Dritteln zu den im FKI abgebildeten Finanzierungskosten der Banken in Deutschland bei. Dabei ist der hohe Beitrag der Einlagen hauptsächlich auf ihren großen Anteil am Finanzierungsmix der Banken zurückzuführen und weniger auf hohe Einlagenzinssätze: Ihr Volumen beträgt derzeit etwas mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens aller berücksichtigten Finanzierungsquellen. Insbesondere Einlagen der privaten Haushalte sind für die Banken eine attraktive Finanzierungsquelle. Da diese Einlagen weitgehend über die Einlagensicherung abgedeckt sind, akzeptieren die privaten Haushalte eine relativ niedrige Vergütung. So ist es für die Banken möglich, die Einlagen der privaten Haushalte nur gering zu verzinsen, 5 wie in Schaubild 2.4 des Exkurses zur Konstruktion des FKI illustriert. Einlagen nichtfinanzieller Unternehmen sind dagegen für die Banken etwas teurer, auch weil sie wegen ihres höheren Volumens oftmals nicht vollständig durch die Einlagensicherung gedeckt sind. Die durchschnittliche Rendite der verbrieften Verbindlichkeiten der Banken, die bei der Berechnung des FKI langfristige Bankschuldverschreibungen und kurzfristige Schuldverschreibungen am Geldmarkt umfassen, ist im Vergleich dazu relativ hoch. Bei diesen Finanzierungsquellen treten die Banken zwar auf der einen Seite als Preisnehmer auf, auf der anderen Seite ermöglichen sie es den Banken aber, schnell und gut kalkulierbar größere Summen am Markt aufzunehmen. Dies ist mit Einlagen nicht in einem vergleichbaren Maße möglich. Trotz des hohen Preises der verbrieften Verbindlichkeiten bleibt ihr Beitrag aktuell hinter dem Beitrag der Einlagen zurück, da sie im Finanzierungsmix einen geringeren Anteil ausmachen. Ende Oktober 2024 betrug ihr Volumenanteil etwas weniger als 20 %.
Weitere Komponenten, deren Beiträge für die Höhe des FKI von Bedeutung sind, sind die Einlagen von sonstigen finanziellen Unternehmen des Euroraums und die Einlagen von Gebietsfremden 6 . Die Bedeutung der Einlagen sonstiger finanzieller Unternehmen, wie etwa Pensionsfonds oder Versicherungen, für den FKI beruht darauf, dass diese Einlagen aktuell vergleichsweise teuer sind. 7 Dagegen ist der Beitrag der Einlagen von Gebietsfremden vor allem auf ihren hohen Volumenanteil am Finanzierungsmix der Banken von knapp 17 % zurückzuführen. Die Einlagen der öffentlichen Haushalte des Euroraums und die Verbindlichkeiten der Banken gegenüber der Bundesbank sind hingegen nur von geringfügiger Bedeutung für die Höhe des FKI. Grund hierfür ist, dass beide Finanzierungsquellen wegen ihres vergleichsweise niedrigen Volumens keine wesentliche Rolle im Finanzierungsmix der Banken spielen.
Im Euroraum lag der FKI Ende Oktober 2024 bei 1,68 % und damit etwas höher als in Deutschland (vgl. Schaubild 2.5). Die höheren Finanzierungskosten der Banken im Euroraum sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Banken im Euroraum im Vergleich zu den Banken in Deutschland eine höhere durchschnittliche Rendite für ihre verbrieften Verbindlichkeiten zahlen mussten. Nennenswerte Unterschiede bei den Volumenanteilen der einzelnen Finanzierungsquellen gab es dagegen nicht.
Die Höhe des FKI und die Bedeutung der verschiedenen Finanzierungsquellen für die gesamten Finanzierungskosten können sich im Laufe der Zeit verändern. So ist das Niveau des FKI in Deutschland und im Euroraum aktuell deutlich höher als noch vor drei Jahren zum Ende der Negativzinsphase. In der Zwischenzeit haben insbesondere die Anhebungen der Leitzinssätze zu Änderungen der Finanzierungskosten geführt.
3 Die Finanzierungskosten der Banken während der geldpolitischen Straffung 2022/23
Der vom EZB-Rat beschlossene geldpolitische Kurswechsel führte ab Ende 2021 zu einem deutlichen Anstieg des FKI. Infolge der stark gestiegenen Inflationsraten im Euroraum begann der EZB-Rat im Juli 2022 mit einer Reihe von Leitzinserhöhungen. Bis September 2023 hob der EZB-Rat die Leitzinssätze in rascher Folge in zehn Schritten um insgesamt 450 Basispunkte an. Im Ergebnis erreichte der Zinssatz der Einlagefazilität den höchsten Stand seit Einführung des Euro im Jahr 1999. Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte stieg auf den höchsten Stand seit über 20 Jahren und lag Ende September 2023 so hoch wie zuletzt im August 2001. Nachdem der FKI Ende 2021 auf einem Niveau von - 0,06 % und damit nur geringfügig über seinem historisch tiefsten Stand gelegen hatte, stieg er infolge der Leitzinserhöhungen ebenfalls an. Dabei blieb das Tempo des FKI-Anstiegs erkennbar hinter den raschen Leitzinsanhebungen zurück. Die Aufwärtsbewegung beim FKI setzte bereits zu Jahresbeginn 2022 ein. Denn der EZB-Rat läutete schon im Dezember 2021 einen Kurswechsel ein, 8 der zu einem Anstieg der Marktzinssätze führte. Der Anstieg betraf zunächst die längerfristigen Zinssätze und im Zuge dessen auch die Komponenten des FKI mit längerer Zinsbindung, insbesondere die Renditen für Bankschuldverschreibungen. Im Lauf des Jahres 2022 folgten die Zinssätze am Geldmarkt und in der Folge die Komponenten des FKI mit kürzerer Zinsbindungsfrist. Außerdem begannen die Banken, ihre Zinssätze für Kundeneinlagen anzupassen. Innerhalb von weniger als zwei Jahren stieg der FKI bis Ende Oktober 2023 auf 1,90 %. Damit erreichte er den höchsten Stand seit April 2011. Da die Mehrheit der Marktteilnehmer ab November 2023 perspektivisch wieder Leitzinssenkungen erwartete, begannen auch die längerfristigen Zinssätze zu sinken. Daraufhin gab der FKI ebenfalls wieder nach.
Bis etwa Ende 2022 trieb vor allem der starke Anstieg der Renditen für verbriefte Verbindlichkeiten den Anstieg des FKI(vgl. Schaubild 2.6). Deren durchschnittliche Rendite stieg von Ende 2021 bis Ende 2022 um über 300 Basispunkte an. Zwar waren verbriefte Verbindlichkeiten, gemessen anhand ihres Volumens, nicht die wichtigste Finanzierungsquelle für die Banken. Ihre Relevanz im Finanzierungsmix ist mit knapp einem Fünftel des Volumens aller im FKI berücksichtigten Finanzierungsquellen dennoch wesentlich. Der Beitrag der verbrieften Verbindlichkeiten zum Anstieg des FKI war 2022 wegen des hohen Volumens und der stark gestiegenen Renditen am größten. Besonders offensichtlich wird dies, wenn der FKI für unterschiedliche Finanzierungsmodelle von Banken separat berechnet wird (vgl.: Exkurs zur Entwicklung der Finanzierungskosten der Banken bei unterschiedlichen Finanzierungsstrategien): So stieg 2022 der FKI vor allem für diejenigen Institutstypen an, für die die Finanzierung über die Finanzmärkte von besonderer Bedeutung ist. Das sind in erster Linie die Kreditbanken und die Zentralinstitute der Verbundsysteme (Landesbanken und DZ Bank). Der FKI der Primärinstitute der Verbundsysteme (also Sparkassen und Kreditgenossenschaften) nahm dagegen zunächst nur geringfügig zu. Denn diese finanzieren sich zum größten Teil über Einlagen.
Aber auch steigende Zinssätze für die Einlagen der sonstigen finanziellen Unternehmen und des nichtfinanziellen Privatsektors des Euroraums trugen bis Ende 2022 wesentlich zum Anstieg des FKI bei. Der Zinssatz für Einlagen der sonstigen finanziellen Unternehmen wird mit dem Zwölfmonats-EURIBOR approximiert. 2022 stieg dieser deutlich an und übertraf sogar den Anstieg der Renditen der verbrieften Verbindlichkeiten. Einlagen der sonstigen finanziellen Unternehmen spielten im Betrachtungszeitraum gemessen anhand des Volumens jedoch eine wesentlich geringere Rolle als die verbrieften Verbindlichkeiten. Deshalb ist auch ihr Beitrag zum Anstieg des FKI an zweiter Stelle einzuordnen, hinter dem der verbrieften Verbindlichkeiten. An dritter Stelle folgt der Beitrag der Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen im Euroraum. Die Banken erhöhten ihre Zinssätze für solche Einlagen bis Ende 2022 nur zögerlich. Der Anstieg des aggregierten Zinssatzes ist im Wesentlichen auf steigende Zinssätze für Termineinlagen zurückzuführen. Dagegen stiegen die Zinssätze für täglich fällige und Spareinlagen kaum, sondern bewegten sich wie zuvor in der Niedrigzinsphase weiterhin nahe null. 9 Allerdings wiesen 2022 die Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors mit einem durchschnittlichen Volumenanteil von knapp unter 50 % das höchste Gewicht im FKI auf. Daher führte selbst der geringe Anstieg des aggregierten Zinssatzes für Einlagen zu einem nennenswerten Anstieg des FKI.
Die übrigen Finanzierungsquellen der Banken waren 2022 für den Anstieg des FKI von untergeordneter Bedeutung. Denn entweder waren ihre Volumina relativ gering oder die Preissteigerung war noch verhalten. So stieg zwar der Preis der GLRG, für die der Zinssatz der Einlagefazilität angesetzt wird, im Betrachtungszeitraum mit 250 Basispunkten stark an. Allerdings machten die im Rahmen der GLRG aufgenommenen Mittel 2022 nur einen geringen Anteil am Finanzierungsmix der Banken aus, zumal die Rückzahlung dieser Mittel bereits begonnen hatte. 10 Auch die Einlagen von Gebietsfremden und die Einlagen öffentlicher Haushalte des Euroraums hatten 2022 kaum Einfluss auf den Anstieg des FKI.
Die weitere Entwicklung des FKI von Anfang 2023 bis Oktober 2023 war gekennzeichnet durch eine deutliche Verteuerung der Finanzierung über Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors des Euroraums, aber auch von Gebietsfremden. Wesentlich für die Verteuerung der Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors war der fortgesetzte Anstieg der Zinssätze für Termineinlagen. Denn die Banken hoben diese bis zum Herbst deutlich an. Daneben vergüteten die Banken täglich fällige Einlagen und Spareinlagen nun ebenfalls etwas höher, nachdem sie die Zinssätze 2022 vorerst nur sehr verhalten angehoben hatten. 11 Zudem schichtete der nichtfinanzielle Privatsektor nun zunehmend Mittel von niedriger verzinsten täglich fälligen Einlagen in höher verzinste Termineinlagen um. Diese drei Effekte führten zu einem Anstieg des über alle Einlagenarten aggregierten Zinssatzes in diesem Zeitraum um knapp 1 Prozentpunkt. Gleichzeitig blieb der Volumenanteil der Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors mit rund 50 % nahezu unverändert hoch, weil Volumenverschiebungen im Finanzierungsmix der Banken im Wesentlichen nur zwischen den verschiedenen Einlagenarten des nichtfinanziellen Privatsektors stattfanden.Insgesamt ist über die Hälfte des FKI-Anstiegs in diesem Zeitraum auf Zinsanhebungen bei diesen Einlagen und damit auf Preiseffekte zurückzuführen. Besonders bemerkbar machte sich der Anstieg der Einlagenzinssätze bei den Finanzierungskosten der Primärinstitute der Verbundsysteme, bei denen die Finanzierung stark einlagendominiert ist: Im ersten Dreivierteljahr 2023 vervierfachte sich bei ihnen der FKI (vgl.: Exkurs zur Entwicklung der Finanzierungskosten der Banken bei unterschiedlichen Finanzierungsstrategien). Auch der Preis für die Einlagen von Gebietsfremden stieg aufgrund des anhaltenden Anstiegs des Zwölfmonats-EURIBOR in einem nennenswerten Umfang an. Ihr Beitrag zum Anstieg des FKI blieb aber wegen ihrer geringeren Bedeutung als Finanzierungsquelle deutlich hinter dem Beitrag der Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors zurück.
Die übrigen Komponenten des FKI trugen 2023 kaum zur Gesamtentwicklung bei. Hauptgrund hierfür ist, dass bei den übrigen Komponenten des FKI – anders als bei den Kundeneinlagen – der Großteil der Preissteigerungen bereits 2022 stattgefunden hatte. Nach dem deutlichen Anstieg der Renditen für verbriefte Verbindlichkeiten 2022 stiegen ihre Renditen bis Ende Oktober 2023 nur leicht an. Die im Jahresverlauf 2023 rückläufige Entwicklung der Inflationsraten im Euroraum und die damit einhergehenden zunehmenden Zinssenkungserwartungen der Marktteilnehmer dürften dabei maßgeblich für den gedämpften Anstieg der Renditen verantwortlich gewesen sein.
Auch im Euroraum stiegen die Finanzierungskosten im Zuge der geldpolitischen Straffung deutlich an. Die Finanzierungsquellen, die wesentlich zum Kostenanstieg beitrugen, waren die gleichen wie in Deutschland. Zudem gaben auch die Banken im Euroraum im Einlagengeschäft mit dem nichtfinanziellen Privatsektor den Anstieg der Leitzinssätze erst mit deutlicher Verzögerung weiter.
Exkurs
Die Entwicklung der Finanzierungskosten der Banken bei unterschiedlichen Finanzierungsstrategien
Im deutschen Bankensystem dominieren zwei Arten von Finanzierungsstrategien: Einerseits die klassische Einlagenfinanzierung (retail funding) und andererseits eine Mischfinanzierung aus Kundeneinlagen und Kapitalmarktfinanzierung (retail und wholesale funding). Die erste Finanzierungsstrategie wird ganz überwiegend von den Primärinstituten der Verbundsysteme verfolgt, also den Sparkassen und Kreditgenossenschaften (im Folgenden auch kurz: Verbundbanken). Sie finanzieren sich zum größten Teil klassisch über Kundeneinlagen von privaten Haushalten und Unternehmen. Die übrigen Banken im deutschen Bankensystem finanzieren sich darüber hinaus auch durch institutionelle Einleger und den Kapitalmarkt. Hierzu zählen in erster Linie die hier betrachteten privaten Kreditbanken (Großbanken und Regionalbanken) sowie die Zentralinstitute der Verbundsysteme.
Die Preissetzungsmacht der Banken variiert über die verschiedenen Finanzierungsquellen: Schlägt sich dies in unterschiedlichen Entwicklungen des FKI je nach Finanzierungsstrategie nieder? In der Literatur wird angeführt, dass der Wettbewerb im Bankensektor nicht vollständig ist. In Deutschland dürfte dies auf die ausgeprägte regionale Verankerung vieler Banken und damit eine enge Kundenbindung zurückzuführen sein. Damit verknüpft ist auch, wie zinselastisch die Nachfrage nach Bankanlageprodukten ist, ob Bankkunden ihre finanziellen Mittel also bereits bei kleinen Zinsunterschieden in alternative Anlageprodukte verschieben oder nicht. 1 Bei der Finanzierung über Einlagen von privaten Haushalten und nichtfinanziellen Unternehmen verfügen die Banken daher über eine gewisse Preissetzungsmacht. In den Jahren 2022/23 machte sich dies dahingehend bemerkbar, dass die Banken die Zinssätze für Einlagen von privaten Haushalten und nichtfinanziellen Unternehmen nur zögerlich an das höhere Zinsumfeld anpassten. Bei der Finanzierung über den Geld- und Kapitalmarkt agieren die Banken hingegen eher als Preisnehmer. Die Ausführungen im Haupttext zeigen, dass die Renditen für marktbasierte Finanzierungsformen zeitnah dem geldpolitischen Straffungskurs folgten. Ausgehend von diesen Unterschieden und den unterschiedlichen Finanzierungsstrategien stellt sich die Frage, inwieweit sich die Finanzierungskosten der Verbundbanken von denen der übrigen Banken seit 2022 unterscheiden.
Die Verbundbanken finanzieren sich hauptsächlich über Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors (vgl.: Schaubild 2.7). 2 Die Geschäftstätigkeit der Sparkassen und Kreditgenossenschaften besteht hauptsächlich in der Kreditvergabe an nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte, denen in der Bankbilanz überwiegend Einlagen dieser Akteure gegenüberstehen. Ende 2021, also kurz vor Beginn der geldpolitischen Straffung, bestand der Finanzierungsmix, der im FKI betrachtet wird, bei Verbundbanken zu knapp 88 % aus Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors des Euroraums. Einlagen von Gebietsfremden und sonstigen Finanzinstituten beliefen sich auf weniger als 3 %. Der Anteil marktbasierter Finanzierung über verbriefte Verbindlichkeiten lag nur knapp über 1 %, weil in beiden Verbundsystemen die Emissionstätigkeit zum Großteil von den Zentralinstituten übernommen wird.
Im Gegensatz dazu setzen die übrigen Banken in Deutschland, also die Kreditbanken und die Zentralinstitute (der Verbundsysteme), auf einen breiteren Finanzierungsmix. Finanzmarktinnovationen, Finanzmarktintegration und die Deregulierungswelle der 1990er Jahre eröffneten marktbasierte Geschäftsfelder und Finanzierungsformen, die sich vor allem große und international operierende Banken erschlossen. 3 Kennzeichnend dafür ist die umfangreiche Finanzierung der Kreditbanken und Zentralinstitute mittels Bankschuldverschreibungen, deren Anteil am Finanzierungsmix Ende 2021 bei über 23 % lag. Zu den marktbasierten Finanzierungsinstrumenten (verbrieften Verbindlichkeiten) zählen außerdem kurzfristige Schuldverschreibungen am Geldmarkt, deren Anteil Ende 2021 bei den Kreditbanken und Zentralinstituten insgesamt etwas über 2 % lag. Der Anteil marktbasierter Finanzierung insgesamt im Finanzierungsmix lag bei diesen Banken dementsprechend deutlich höher als bei den Verbundbanken, nämlich bei knapp 26 %. Die Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen des Euroraums machten 32 % des Finanzierungsmix aus. Damit spielten sie eine deutlich geringere Rolle als bei den Verbundbanken. Dafür finanzierten sich die übrigen Banken auch in größerem Ausmaß durch Einlagen Gebietsfremder (24 %) und Einlagen sonstiger finanzieller Unternehmen des Euroraums (8 %).
Ab Anfang 2022 stiegen die durchschnittlichen Renditen für verbriefte Verbindlichkeiten bei allen Banken an. Für Kreditbanken und Zentralinstitute ist diese Finanzierungsform systematisch teurer als für Verbundbanken (Schaubild 2.8). 4 Insgesamt folgten bei allen Banken die Renditen für verbriefte Verbindlichkeiten zeitnah dem geldpolitischen Straffungskurs. Seit Ende 2023 bewegen sich die durchschnittlichen Renditen bei den deutschen Banken zwischen 3 % bis knapp über 4 %. Für die Verbundbanken ist die Finanzierung über verbriefte Verbindlichkeiten generell etwas günstiger. Dies dürfte unter anderem auf das Vorhandensein eigener Institutssicherungssysteme zurückzuführen sein. Diese haben zur Aufgabe, ihnen angeschlossene Institute, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, vor Insolvenz und Liquidation zu bewahren.
Der durchschnittliche Zinssatz für Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen stieg bei Kreditbanken und Zentralinstituten in stärkerem Ausmaß und zudem früher an als bei Verbundbanken. Aus Schaubild 2.8 geht hervor, dass die Zinssätze für Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors bei beiden Institutstypen noch bis Mitte 2022 nahe null lagen. 5 Die Kreditbanken und Zentralinstitute begannen in der zweiten Jahreshälfte 2022, ihre Einlagenzinssätze anzuheben. Sie könnten im Wettbewerb mit anderen Banken durch höhere Zinssätze versucht haben, die Einlagen zinssensitiver Kunden zu halten beziehungsweise anzuziehen. Ein Anreiz dazu ergab sich daraus, dass diese Finanzierungsquelle für sie in der Gesamtbetrachtung immer noch günstiger blieb als die Finanzierung über verbriefte Verbindlichkeiten. Den Verbundbanken dürften mit Blick auf den Wettbewerb um Einlagen und ihre Preissetzungsmacht jedoch ihre ausgeprägte regionale Verankerung und enge Kundenbindung zugutegekommen sein. Im Ergebnis vollzogen Verbundbanken ihre Zinsanhebungen mit deutlicher Verzögerung zu den übrigen Banken und insgesamt in geringerem Ausmaß. 2023 war daher für Verbundbanken die Finanzierung über Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen bis zu 1 Prozentpunkt günstiger als für die übrigen Banken. Zuletzt reduzierte sich der Zinsabstand auf etwa 70 Basispunkte.
Die Kombination aus unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen und zeitlich versetzten Anstiegen der Preise für markt- und einlagenbasierte Finanzierungsquellen führte bereits 2022 zu divergierenden Finanzierungskosten je nach Finanzierungsstrategie. Am Ende der NegativzinsphaseEnde 2021 lagen die Finanzierungskosten bei beiden Institutstypen nahe null. Unmittelbar mit dem Beginn der geldpolitischen Straffungsphase begannen sie jedoch zu divergieren. Während die Finanzierungskosten der Verbundbanken im Jahresverlauf nur geringfügig auf 0,20 % zunahmen, stiegen die Finanzierungskosten der übrigen Banken deutlich an, auf 1,33 % (siehe Schaubild 2.9). Den größten Beitrag zu diesem Anstieg leistete die Finanzierung über verbriefte Verbindlichkeiten. Ihr hoher Beitrag ist im Wesentlichen auf die größere Bedeutung dieser Finanzierungsquelle für die Kreditbanken und Zentralinstitute zurückzuführen. Aber auch die Kosten für Einlagen sonstiger finanzieller Unternehmen des Euroraums (die im FKI annahmegemäß mit dem Zwölfmonats-EURIBOR verzinst werden) stiegen bis Ende 2022 an. Der geringfügige Anstieg der Finanzierungskosten von Verbundbanken hingegen beruht darauf, dass bei ihnen Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors im Finanzierungsmix dominieren und die Banken deren Zinssatz 2022 kaum anhoben.
Von Anfang 2023 bis zum Ende der Straffungsphase 2023 stiegen die Finanzierungskosten beider Institutstypen vor allem, weil sich die Kosten für Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen erhöhten; wegen höherer Kosten für Einlagen von Gebietsfremden bei Kreditbanken und Zentralinstituten divergierten die Finanzierungskosten jedoch weiter. Der Anstieg der Finanzierungskosten im Jahresverlauf 2023 ist bei beiden Institutstypen primär auf das deutliche Anziehen der Zinssätze für Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen zurückzuführen. Dadurch erreichten die Finanzierungskosten der Verbundbanken im Oktober 2023 0,86 %. Zwar machten bei den Kreditbanken und Zentralinstituten die Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen einen kleineren Anteil am Finanzierungsmix aus als bei den Verbundbanken. Da die Kreditbanken und Zentralinstitute aber ihre Zinssätze für diese Einlagen stärker anhoben als die Verbundbanken, verursachte diese Finanzierungskomponente bei ihnen ebenfalls deutliche Kostenanstiege. Hinzu kam, dass sie sich in stärkerem Ausmaß als Verbundbanken über Einlagen von Gebietsfremden finanzieren (die im FKI annahmegemäß mit dem Zinssatz für täglich fällige Einlagen der nichtfinanziellen Unternehmen des Euroraums verzinst werden). Deren Kostenanstieg verstärkte den Anstieg der Finanzierungskosten von Kreditbanken und Zentralinstituten. Ende Oktober 2023 betrugen ihre Finanzierungskosten 2,41 %. Im Ergebnis erhöhte sich die Differenz zwischen den Finanzierungskosten der beiden Institutstypen von 1,13 Prozentpunkten Ende 2022 auf knapp 1,55 Prozentpunkte.
Seit Oktober 2023 sind die Finanzierungskosten der Kreditbanken und Zentralinstitute gefallen. Im Gegensatz dazu stiegen die Finanzierungskosten der Verbundbanken weiterhin an – entsprechend reduzierte sich die Differenz zwischen den Finanzierungskosten beider Institutstypen. Maßgeblich für die reduzierte Differenz war zum einen, dass die mittel- bis langfristigen Renditen der verbrieften Verbindlichkeiten sanken. Denn nach der letzten Erhöhung der Leitzinssätze im September 2023 nahmen die Renditen ab Oktober 2023 Zinssenkungserwartungen der Finanzmarktteilnehmer vorweg. Im Ergebnis sanken die Finanzierungskosten der Kreditbanken und Zentralinstitute, die sich stärker als Verbundbanken über verbriefte Verbindlichkeiten finanzieren, auf zuletzt 2,01 %. Währenddessen hoben die Verbundbanken ihre Zinssätze für Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors langsam, aber kontinuierlich weiter an. Vermutlich intensivierte sich mit zunehmender Dauer der geldpolitischen Straffung der Wettbewerb um Einlagen, sodass auch die Verbundbanken zunehmend unter Druck standen, ihre Einlagenzinssätze anzupassen. Seit Oktober 2023 stiegen die Finanzierungskosten der Verbundbanken bis zuletzt auf 0,95 %. Damit lag der Abstand der Finanzierungskosten zwischen den beiden Finanzierungsstrategien bei 1,06 Prozentpunkten.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied betrifft die Volatilität der Finanzierungskosten beider Institutstypen, die für Kreditbanken und Zentralinstitute aufgrund der stärker marktbasierten Finanzierung höher ist als für Verbundbanken. Schaubild 2.10 zeigt die langfristigen Verläufe der Finanzierungskostenindikatoren beider Institutstypen. Der Vergleich der FKIs offenbart, dass die Finanzierungskosten der Kreditbanken und Zentralinstitute stärkeren Schwankungen unterworfen sind. Grund hierfür ist der höhere Anteil der marktbasierten Finanzierung im Finanzierungsmix. Durch den höheren Anteil dieser Finanzierungskomponente schlägt sich die Volatilität am Geld- und Kapitalmarkt in stärkerem Ausmaß im FKI der Kreditbanken und Zentralinstitute nieder. Spiegelbildlich kann sich die Volatilität am Geld- und Kapitalmarkt nicht in gleichem Ausmaß auf den FKI der Verbundbanken auswirken, da sie stärker über Einlagen finanziert sind. Entsprechend können Verbundbanken stärker von der Preissetzungsmacht profitieren, die Banken (unabhängig vom Institutstyp) bei der Bepreisung von Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen ausüben. Diese Preissetzungsmacht erlaubt es Banken, ihre Einlagenzinssätze vergleichsweise stetig anzupassen. Der FKI von Verbundbanken, mit ihrem hohen Einlagenanteil in der Finanzierungsstruktur, wird dadurch weniger volatil. Die Verbundbanken profitieren aber auch in anderer Hinsicht, denn die Anpassungen der Einlagenzinssätze müssen den Bewegungen von Marktzinssätzen nicht notwendigerweise eins zu eins folgen. In diesem Sinne kommt der hohe Einlagenanteil in der Finanzierungsstruktur einer Absicherung ihres Eigenkapitals gegen die Auswirkungen von Zinsänderungsrisiken nahe. 6
4 Vergleich mit der Entwicklung während der Straffungsphase 2005 bis 2008
Für die Geldpolitik stellt sich die Frage, ob die Finanzierungskosten der Banken im Herbst 2023 auf einem Niveau lagen, welches angesichts der von der Geldpolitik intendierten restriktiven Wirkung angemessen war. Denn die Höhe der Finanzierungskosten der Banken beeinflusst über die Transmission zu den Kreditzinssätzen die allgemeinen Finanzierungskosten für den nichtfinanziellen Privatsektor und damit letztendlich auch die Inflation (vgl. Schaubild 2.1). Hinweise darauf, ob das Niveau der Finanzierungskosten gemessen an den Leitzinserhöhungen außergewöhnlich hoch war, können beispielsweise aus einem Vergleich mit der Entwicklung der Finanzierungskosten während der letzten größeren geldpolitischen Straffungsphase von 2005 bis 2008 gewonnen werden (vgl. Schaubild 2.11). 12
Von 2005 bis 2008 stieg der FKI deutlich an: Neben den geldpolitischen Straffungen hinterließ ab 2008 auch die globale Finanzkrise ihre Spuren im FKI. Zwar war der Grund für die geldpolitische Straffung 2005 genau wie 2022 eine zu hohe Inflation. Die Abweichung vom Preisstabilitätsziel war jedoch deutlich geringer als 2022, sodass die geldpolitische Straffung damals weniger rasch und stark erfolgte als 2022/23. Von Dezember 2005 bis September 2008 erhöhte der EZB-Rat die Leitzinssätze in neun Schritten um 225 Basispunkte. Gleichzeitig stiegen bei Ausbruch der Finanzkrise Zinssätze und Renditen auch aufgrund erhöhter Risikospreads erheblich an. In diesem Zeitraum nahm auch der FKI deutlich zu. Im September 2008 erreichte der FKI seinen nach wie vor geltenden historischen Höchststand von 3,85 %. Bevor der Anstieg des FKI im September 2005 begann, hatte er bei 2,06 % gelegen. Damit fiel der Anstieg des FKI mit 179 Basispunkten von 2005 bis 2008 ähnlich deutlich aus wie 2022/23, als er um 196 Basispunkte zunahm. 13 Hierbei ist allerdings hervorzuheben, dass sich die Zunahme 2005 bis 2008 über einen mehr als doppelt so langen Zeitraum erstreckte wie der jüngste Anstieg.
Ein Vergleich mit dem Höchstwert des FKI in der ersten Straffungsphase zeigt, dass die Finanzierungskosten im Herbst 2023 trotz des starken Anstiegs der Leitzinssätze 2022/23 kein außergewöhnlich hohes Niveau erreichten. Im Gegenteil: Verglichen mit dem Leitzinsniveau erscheinen sie sogar ziemlich gering. So lag der seinerzeit geldpolitisch relevante Hauptrefinanzierungssatz im September 2008 (4,25 %) auf einem ähnlich hohen Niveau wie der aktuell geldpolitisch relevante Satz der Einlagefazilität im Herbst 2023 (4 %). Gleichzeitig waren die Finanzierungskosten der Banken im Oktober 2023 mit 190 Basispunkten aber deutlich geringer als im September 2008. Dies lag zum einen daran, dass die Preise für die wichtigsten Komponenten des FKI (Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors des Euroraums, verbriefte Verbindlichkeiten, Einlagen von Gebietsfremden) im Oktober 2023 niedriger waren als zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Finanzkrise im September 2008. Zum anderen wies das Bankensystem 2008 eine andere Finanzierungsstruktur auf (vgl. Tabelle 2.2). In dieser Struktur hatten relativ teure Finanzierungsquellen ein vergleichsweise hohes Gewicht. So war der Volumenanteil der verbrieften Verbindlichkeiten im Vorfeld der Finanzkrise mehr als eineinhalbmal so groß wie in den vergangenen Jahren. Auch die vergleichsweise teuren Einlagen der sonstigen Finanzinstitute spielten damals eine größere Rolle. Dagegen hatten die relativ günstigen Einlagen der privaten Haushalte und nichtfinanziellen Unternehmen des Euroraums einen deutlich geringeren Anteil am Finanzierungmix. 14
Tabelle 2.2: Entwicklung der Zinssätze/Renditen und der Volumenanteile verschiedener Finanzierungsquellen der Banken in Deutschland
Position
Zinssätze/Renditen (in % per annum)
Volumenanteil am FKI (in %)
September 2008
Oktober 2023
Differenz (in PP)
September 2008
Oktober 2023
Differenz (in PP)
Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen des Euroraums
3,10
1,27
- 1,83
31,9
50,1
18,2
Einlagen sonstiger finanzieller Unternehmen des Euroraums
5,38
4,16
- 1,22
13,4
8,0
- 5,4
Einlagen der öffentlichen Haushalte des Euroraums
2,05
0,56
- 1,48
2,8
4,2
1,4
Verbriefte Verbindlichkeiten
4,86
3,55
- 1,31
29,0
19,1
- 9,9
Verbindlichkeiten gegenüber Bundesbank – ohne GLRGs
4,25
4,50
0,25
5,1
0,3
- 4,8
Verbindlichkeiten gegenüber Bundesbank – GLRGs
3,25
4,00
0,75
0,0
1,3
1,3
Einlagen von Gebietsfremden1)
2,58
0,97
- 1,61
17,8
17,1
- 0,7
Quellen: Emissionsstatistik, EMMI,EZB,MFI-Zinsstatistik, monatliche Bilanzstatistik und eigene Berechnungen. 1 Einlagen von Nichtbanken außerhalb des Euroraums und Einlagen von Banken außerhalb Deutschlands.
Die Finanzierungskosten 2023 erscheinen aber auch dann noch niedrig, wenn man die Zinssätze und Renditen von 2008 um den Effekt der Finanzkrise bereinigt. Da die Preiskomponenten des FKI wegen der Finanzkrise außergewöhnlich anstiegen, sind die Werte von 2008 verzerrt und für einen Vergleich nur bedingt geeignet. Für einen aussagekräftigeren Vergleich ist es daher sinnvoll, die Preiskomponenten von 2008 durch Werte zu ersetzen, die nicht durch die Finanzkrise beeinflusst wurden. Aufgrund des ähnlichen Leitzinsniveaus 2008 und 2023 bietet es sich an, die Zinssätze und Renditen von Oktober 2023 zu verwenden und mit den Volumina von September 2008 zu kombinieren. Der so berechnete fiktive FKI beträgt dann für September 2008 2,41 % (und ist somit höher als der FKI von Oktober 2023, der ein Niveau von 1,90 % hatte). Das heißt, auch wenn man die Finanzierungskosten um die hohen Zinssätze und Renditen im Jahr 2008 „bereinigt“, sind die aktuellen Finanzierungskosten geringer. Ausschlaggebend hierfür sind die zwischen 2008 und 2023 erfolgten Volumenverschiebungen im Finanzierungsmix der Banken hin zu günstigeren Finanzierungsquellen.
Das im Vergleich zu 2008 niedrigere Niveau der Finanzierungskosten der Banken 2023 schlug sich auch begünstigend in ihrer Ertragslage nieder. 15 Zwar stieg im deutschen Bankensystem der durchschnittliche Zinsaufwand (in Relation zur Bilanzsumme) während der jüngsten geldpolitischen Straffungsphase ähnlich wie der FKI deutlich an. Allerdings belief sich der Zinsaufwand (in Relation zur Bilanzsumme) des deutschen Bankensystems 2023 nur auf gut die Hälfte desjenigen von 2008. Und das, obwohl das Leitzinsniveau zu beiden Zeitpunkten in etwa gleich hoch war. Die trotz des jüngsten Anstiegs relativ niedrigen Finanzierungskosten der Banken wirkten sich günstig auf ihre Ertragslage aus. So stieg der Nettoertrag aus zinsbezogenen Geschäften im Vergleich zu 2008 um 10 %. Deutlich wird die günstige Wirkung auch, wenn dem FKI, der ein gewichtetes Mittel der Preise der Passivseite der Bankbilanz darstellt, eine Entsprechung auf der Aktivseite gegenübergestellt wird: Der aggregierte Kreditzinssatz 16 ist der Preis für die bedeutendste Ertragskomponente der Banken. Die Differenz zwischen diesem Zinssatz und dem FKI war zwischen 2003 und 2022 stabil und bewegte sich stets zwischen 2 % und 3 % (vgl. Schaubild 2.12). Seit Anfang 2023 ist diese Differenz erstmals größer als 3 Prozentpunkte. Denn der FKI stieg in deutlich geringerem Umfang an als der aggregierte Kreditzinssatz. Die Ausweitung dieser Differenz spiegelt ebenfalls wider, dass der FKI derzeit vor dem Hintergrund des aktuellen Zinsniveaus relativ niedrig ist.
Auch im Euroraum waren die Finanzierungskosten der Banken gemessen am Leitzinsniveau im Herbst 2023 nicht außergewöhnlich hoch. Ende Oktober 2023 erreichten sie zwar mit 1,97 % ihren höchsten Stand seit mehr als 11½ Jahren.Damit waren sie ähnlich hoch wie im April 2009 (Beginn der Zeitreihe für den Euroraum 17 ). Die Leitzinssätze lagen im Herbst 2023 aber auf einem deutlich höheren Niveau als damals, da im April 2009 der größte Teil der damaligen Leitzinssenkungen bereits erfolgt war. Dass gemessen am Leitzinsniveau die Finanzierungskosten 2023 nicht höher waren, ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass – wie in Deutschland – die Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors im Herbst 2023 einen wesentlich höheren Anteil am Finanzierungsmix hatten. Zudem wurden sie sehr niedrig verzinst. Gleichzeitig war in den vergangenen Jahren – wie auch bei den Banken in Deutschland – der Anteil der teurer gewordenen Finanzierung über verbriefte Verbindlichkeiten geringer als damals.
Der im Vergleich zu 2008 schwächere Anstieg des FKI 2022/23 lässt sich mit strukturellen Veränderungen erklären. Die Finanzkrise, gepaart mit den vorherigen geldpolitischen Straffungen, war maßgeblich ursächlich dafür, dass der FKI 2008 ein so hohes Niveau erreichte. Beides trieb den FKI vor allem über kurzfristig gestiegene Zinssätze und Renditen. Warum aber blieb der FKI 2023 so weit hinter dem Niveau von 2008 zurück, zumal Ausmaß und Tempo der geldpolitischen Straffung 2022/23 historisch einmalig waren? Während 2008 die Finanzkrise den Anstieg des FKI verstärkte, gab es 2022/23 einige Gründe, die den Anstieg des FKI strukturell dämpften. Im Folgenden wird der Einfluss der Finanzkrise, der Geldpolitik und weiterer Gründe für den Niveauunterschied des FKI von 2008 und 2023 genauer unter die Lupe genommen. Dabei werden nicht nur Erklärungen für Preisveränderungen geliefert, sondern auch dafür, warum sich die Struktur des Finanzierungsmix der Banken geändert hat.
5 Der FKI 2008 und 2023: strukturelle Unterschiede und ihre Ursachen
Neben der konventionellen Geldpolitik, also der Änderung der Leitzinssätze, die den FKI kurzfristig treibt, gibt es weitere Faktoren, die die Entwicklung des FKI beeinflussen. Diese können kurzfristiger oder langfristiger Natur sein und das Niveau des FKI entweder erhöhen oder dämpfen. So wirkte sich die globale Finanzkrise über einen relativ kurzen Zeitraum, aber mit starkem Einfluss über gestiegene Risikoprämien auf den FKI aus. Die unkonventionelle Geldpolitik hingegen dämpfte den FKI über einen längeren Zeitraum. Volumenseitig wirkten sich weitere, strukturelle Faktoren auf die Höhe des FKI aus, indem sie die Zusammensetzung der Finanzierung beeinflussten, insbesondere die Anteile der Einlagen und der verbrieften Verbindlichkeiten am Finanzierungsmix. Diese volumenseitigen Faktoren wirkten sich im FKI im hier betrachteten Zeitraum fast ausschließlich kostendämpfend aus (vgl. Schaubild 2.11).
Der wichtigste Faktor für den Anstieg der Finanzierungskosten auf ein Allzeithoch im Jahr 2008 war die globale Finanzkrise. Nach der Ausweitung der Subprime-Krise im Sommer 2007 auf den Geldmarkt und dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008 stieg das Misstrauen zwischen den Finanzmarktteilnehmern untereinander enorm an. Daraufhin nahmen die Risikoprämien für marktbasierte Finanzierungsquellen deutlich zu, und die Finanzierung am Geld- und Kapitalmarkt verteuerte sich massiv. Es kam zu einer Finanzkrise. Demgegenüber war die Lage im Finanzsystem 2022/23 weitgehend stabil. Zwar erhöhten sich die Risiken für die Finanzstabilität insbesondere im Jahr 2022. 18 Ursächlich hierfür war die gestiegene Unsicherheit an den Märkten, die durch geopolitische Spannungen, insbesondere den Krieg gegen die Ukraine, sowie durch steigende Energiepreise und anhaltende Lieferkettenprobleme verursacht wurden. Zudem haben die steigenden Inflationsraten und die damit verbundenen Zinserhöhungen durch das Eurosystem die Finanzierungskosten für Unternehmen und Haushalte erhöht, was zu einer Verschärfung der finanziellen Bedingungen beigetragen hat. Trotz dieser Herausforderungen zeigte sich das Finanzsystem im Euroraum insgesamt widerstandsfähig, unterstützt durch solide Kapital- und Liquiditätspuffer der Banken. 19
Ein weiterer Grund für das relativ hohe Niveau des FKI im Vorfeld der Finanzkrise ist, dass damals die Zinsstruktur noch ansteigend war, während sie 2023 bereits wieder invers wurde (vgl. Schaubild 2.13). Der Markt rechnete 2008 nicht mit den abrupten Zinssenkungen, die die Finanzkrise schon bald notwendig machte. Deshalb waren die Langfristzinsen höher als die Kurzfristzinsen. 2023 hingegen erwartete der Markt nach den umfangreichen geldpolitischen Straffungen schon bald wieder Zinssenkungen, sodass die Langfristzinsen Ende 2023 bereits wieder sanken. Denn das erreichte Leitzinsniveau erschien vergleichsweise hoch, weil die Niedrigzinsphase noch recht präsent war. Diese ging auf die umfangreichen geldpolitischen Maßnahmen im vorangegangenen Jahrzehnt zurück.
Der jüngste Anstieg des FKI erfolgte nach einer lang andauernden Negativzinsphase von einem historischen Tief aus. Nach der Finanzkrise sank das allgemeine Zinsniveau über einen langen Zeitraum.Angesichts der Finanzkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise senkte der EZB-Rat die Leitzinssätze auf damals neue historische Tiefststände. Die geringen Inflationsraten in den darauffolgenden Jahren veranlassten den EZB-Rat weitere geldpolitische Maßnahmen zu ergreifen. So wurde der Zinssatz für die Einlagefazilität im Juni 2014 in den negativen Bereich gesenkt. In der Folge erreichten auch die kurzfristigen Marktzinssätze negative Werte. Zusätzlich beschloss der EZB-Rat weitere unkonventionelle Maßnahmen, wie das APP, um die Zinsstrukturkurve auch am langen Ende nach unten zu drücken. Darüber hinaus ergriff der EZB-Rat Maßnahmen, um die Finanzierungskosten der Banken unmittelbar zu senken. Hierzu zählten die GLRG der ersten, zweiten und dritten Serie. Diese Maßnahmen führten dazu, dass im Zuge des Rückgangs des allgemeinen Zins- und Renditeniveaus der FKI auf immer neue Tiefstände sank. Im August 2021 erreichte er sein bislang niedrigstes Niveau. Somit war sein Ausgangniveau Ende 2021 auch deutlich niedriger als zu Beginn der geldpolitischen Straffung 2005.
Bemerkbar machte sich das niedrigere allgemeine Zinsniveau im FKI bei allen Komponenten; besonders sanken aber die Zinssätze für Einlagen der sonstigen finanziellen Unternehmen und die Renditen der verbrieften Verbindlichkeiten. Aber auch die Zinssätze für Einlagen der privaten Haushalte und nichtfinanziellen Unternehmen des Euroraums waren Ende 2021 merklich niedriger als zu Beginn der Finanzkrise und lagen auf historisch niedrigen Niveaus. Der Rückgang des aggregierten Einlagenzinssatzes wurde dabei auch von Volumenverschiebungen hin zu den täglich fälligen Einlagen verstärkt, die generell niedriger verzinst werden als die Termineinlagen.
Das Niveau des FKI sank zwischen 2008 und 2023 auch wegen Volumenverschiebungen, die durch geldpolitische und regulatorische Maßnahmen ausgelöst wurden und in Umschichtungen weg von markt- und hin zu einlagenbasierter Finanzierung bestanden. Der Exkurs (Der Einfluss geldpolitischer und regulatorischer Maßnahmen auf den Finanzierungsmix der Banken) zeigt, dass die Rolle der Einlagen im Finanzierungsmix zwischen 2008 und 2023 wegen verschiedener Faktoren anstieg. Dazu zählen die unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen wie das APP, das PEPP und die GLRG. Mit dem Kauf von Wertpapieren durch das Eurosystem sowie mit der von den Maßnahmen intendierten höheren Kreditvergabe ging ein Anstieg der Einlagen einher. Verstärkt wurde der Anstieg der Einlagen dadurch, dass Bankeinlagen im Gegensatz zu alternativen Anlagemöglichkeiten nur selten negativ verzinst wurden und dadurch für die Einleger an Attraktivität gewannen. Vonseiten der Regulierung schuf die Einführung bindender Liquiditätsanforderungen (Liquiditätsdeckungsquote, LCR und strukturelle Liquiditätsquote, NSFR) Anreize für die Banken, den Anteil der Einlagen von privaten Haushalten und kleinen und mittleren Unternehmen in ihrem Finanzierungsmix zu erhöhen. Denn solche Einlagen werden als recht stabile Finanzierungsquelle angesehen und gehen daher privilegiert in die Berechnung der Liquiditätskennziffern ein. Die Volumenverschiebung im Finanzierungsmix hin zu Einlagen ging vor allem zulasten der verbrieften Verbindlichkeiten, die bis zum Ausbruch der Finanzkrise ein deutlich größeres Gewicht im Finanzierungsmix hatten als zuletzt. Ihr damaliges größeres Gewicht war die Folge einer Liberalisierungswelle, deren Kernelemente die Bedeutung der Kapitalmarktfinanzierung über Bankschuldtitel und institutionelle Investoren vor allem für Groß- und Landesbanken stärkte. Nach der Finanzkrise trugen auch die unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen zu einer abnehmenden Attraktivität der Kapitalmarktfinanzierung bei. Zuletzt jedoch stärkten regulatorische Anforderungen zur Verlustabsorptionsfähigkeit und die Rückführung der unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen wieder die Bedeutung verbriefter Verbindlichkeiten im Finanzierungsmix.
Exkurs
Der Einfluss geldpolitischer und regulatorischer Maßnahmen auf den Finanzierungsmix der Banken
Das Niveau der Finanzierungskosten – gemessen anhand des in Schaubild 2.11 dargestellten Finanzierungskostenindikators (FKI) für die Banken in Deutschland – lag 2023 im Vergleich zu 2008 auch wegen Volumenverschiebungen im Finanzierungsmix der Banken niedriger. Im Zeitverlauf zwischen 2008 und 2023 kam es beim Finanzierungsmix zu einer deutlichen Umschichtung – weg von marktbasierter Finanzierung und hin zu Kundeneinlagen (vgl. mittlere Grafik des Schaubilds 2.11). Dieser Exkurs thematisiert, inwiefern geldpolitische und regulatorische Maßnahmen zu der veränderten Finanzierungsstruktur der Banken beigetragen haben.
Die bei den Banken gehaltenen Kundeneinlagen nahmen ab 2008 infolge einer zunehmend expansiveren Geldpolitik und deren positiver Wirkung auf die Kreditvergabe erkennbar zu (vgl. Schaubild 2.14). Expansive geldpolitische Maßnahmen – wie die im Euroraum zwischen 2008 und 2019 gesunkenen Leitzinssätze – beeinflussen grundsätzlich das Einlagenvolumen bei den Banken: Verringert die Zentralbank die Leitzinssätze, sinken im allgemeinen die Finanzierungskosten der Banken. Die gesunkenen Finanzierungskosten geben die Banken in der Regel an ihre Kunden weiter, indem sie die Zinssätze für die von ihnen angebotenen Kredite senken. 1 Mit sinkenden Kreditzinssätzen steigt üblicherweise die Kreditnachfrage und die Kreditvergabe erhöht sich. 2 Da Banken bei der Kreditgewährung neues Buchgeld in Form von täglich fälligen Einlagen schaffen, geht mit dem Anstieg der Kreditvergabe ein Anstieg der Einlagen einher. 3 Auch unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen, wie Wertpapierankaufprogramme und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, können über eine Zunahme der Kreditvergabe der Banken zu einem Anstieg der Einlagen führen. Bei Wertpapierankäufen der Zentralbank ist zusätzlich auch unmittelbar eine Zunahme der Einlagen möglich: Denn kauft die Zentralbank ein Wertpapier von einer inländischen Nichtbank, wird die Bezahlung des Kaufpreises in der Regel über die kontoführende Bank des Verkäufers abgewickelt. Durch die Gutschrift des Kaufbetrages auf dem Konto des Verkäufers nehmen dessen Einlagen zu. 4
Zur Zunahme der Einlagen trug auch die faktische Zinsuntergrenze für die täglich fälligen Einlagen insbesondere der privaten Haushalte bei. So führten die Leitzinssenkungen und Wertpapierankaufprogramme des Eurosystems zwar zu einem Rückgang des allgemeinen Zins- und Renditeniveaus 5 . Bei den täglich fälligen Einlagen der privaten Haushalte, die den größten Anteil der Bankeinlagen des nichtfinanziellen Privatsektors ausmachen, kam der Rückgang der Zinssätze faktisch jedoch an der Nullzinsgrenze zum Erliegen. Denn die Banken zögerten gerade bei den privaten Haushalten, negative Zinssätze an ihre Einleger weiterzugeben. 6 Folglich nahm der Renditeunterschied zwischen Anlagen mit üblicherweise höheren Erträgen und Bankeinlagen ab. Entsprechend attraktiver wurde es für die privaten Haushalte, ihre finanziellen Mittel in täglich fälligen Bankeinlagen zu halten. Daneben waren die Privathaushalte seit 2008 wiederkehrend einer hohen Unsicherheit ausgesetzt. So dürfte die ohnehin relativ hohe Risikoaversion der privaten Haushalte gestiegen sein, weil die Kursschwankungen an den Kapitalmärkten während der globalen Finanzkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise zugenommen haben. 7 Außerdem wurde die Ungewissheit im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung während der Pandemie und nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine größer. 8 Auch aus diesen Gründen wurde es für die privaten Haushalte attraktiver, frei gewordene Mittel in liquiden oder als risikoarm empfundenen Anlageformen, wie Bankeinlagen, zu parken. 9 10 Die faktische Nullzinsgrenze für Einlagen bedeutete für die Banken allerdings, dass die in anderen Zeiten vergleichsweise günstigen Einlagen nun eine relativ teure Finanzierungsquelle darstellten. Daher versuchten mit zunehmender Dauer der Negativzinsphase einige Banken, die Einlagenzuflüsse dadurch zu begrenzen, dass sie zum Beispiel Einlagen ab einer bestimmten Betragshöhe mit Negativzinsen belegten.
Auch die geänderte Liquiditätsregulierung dürfte zu einem Anstieg der Einlagen im Finanzierungsmix der Banken beigetragen haben. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass kurzfristige großvolumige Einlagen institutioneller Anleger 11 in Phasen erhöhter Unsicherheit von den Einlegern unter Umständen schnell abgezogen werden. Dies kann zu Liquiditätsengpässen bei Banken führen. In der Folge setzten sich Aufsicht und Regulierer das Ziel, die Finanzierung der Banken weniger anfällig gegen unerwartete Liquiditätsabflüsse zu machen und die Zahlungsfähigkeit der Banken jederzeit sicherzustellen. Daher wurden im Rahmen der Liquiditätsregulierung Mindestanforderungen eingeführt. Eine betraf einen Liquiditätspuffer, den die Banken für Stressphasen vorhalten müssen (Liquiditätsdeckungsquote, LCR), eine andere das Verhältnis der Fristenstruktur von Aktiv- und Passivgeschäften (strukturelle Liquiditätsquote, NSFR). In die Berechnung der LCR und der NSFR gehen Einlagen privater Haushalte sowie kleiner und mittlerer Unternehmen privilegiert ein. Denn im Gegensatz zu Einlagen größerer Unternehmen belaufen sie sich in der Einzelbetrachtung häufig auf Beträge, die vollständig von der gesetzlichen Einlagensicherung gedeckt sind. Daher werden sie als relativ stabile Finanzierungsquelle angesehen. 12 Dies setzt für sich genommen Anreize für die Banken, solche Einlagen zu gewinnen oder zu halten.
Die Volumenverschiebungen im Finanzierungsmix hin zu Einlagen ging vor allem zulasten der verbrieften Verbindlichkeiten: Diese hatten in den Jahren bis zum Ausbruch der Finanzkrise ein deutlich größeres Gewicht im Finanzierungsmix als zuletzt. Die blauen Balken in Schaubild 2.15 zeigen, dass der Anteil der Bankschuldverschreibungen zwischen 2004 und 2008 bei rund 30 % lag. Dieses hohe Niveau war das Resultat einer Liberalisierungswelle, deren Kernelemente die Finanzmarktförderungsgesetze der 1990er Jahre waren. Gerade das dritte Finanzmarktförderungsgesetz ebnete Finanzierungsformen in Form von Bankschuldtiteln den Weg, schuf eine breitere Investorenbasis und stärkte so die Bedeutung der Kapitalmarktfinanzierung vor allem für Groß- und Landesbanken. 13 Wie das Schaubild zeigt, ist das ausstehende Volumen von Bankschuldverschreibungen und deren Anteil am Finanzierungsmix aktuell deutlich niedriger als damals.
Die nachlassende Nutzung von Schuldverschreibungen als Finanzierungsinstrument war zunächst auf das nach der Finanzkrise verschlechterte Umfeld für Neuemissionen am Kapitalmarkt zurückzuführen; im weiteren Verlauf verstärkten die günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten über die Zentralbank die Abkehr der Banken von der Kapitalmarktfinanzierung. Während der globalen Finanzkrise richtete sich der Investorenblick stärker als zuvor auf Kontrahenten- und Liquiditätsrisiken. Die gestiegene Risikowahrnehmung brachte höhere Risikoprämien und verschlechterte Absatzmöglichkeiten für unbesicherte Bankschuldtitel mit sich. Dabei kam es auch zu einer Korrektur des zwischen der Liberalisierung und der Finanzkrise stark gestiegenen Risikoappetits der Anleger. Um die Finanzierung der Banken trotz dysfunktionalem Interbankenmarkt sicherzustellen, stellte die Durchführung der Geldpolitik im Oktober 2008 auf Mengentender mit Vollzuteilung um und senkte bis Mai 2009 den Hauptrefinanzierungssatz von 3,25 % auf 0,25 %. Verglichen mit der Finanzierung über die Zentralbank wurde die Finanzierung über den Kapitalmarkt für die Banken immer unattraktiver. 14 Verstärkt wurde dies ab 2014 durch die drei Serien gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG) mit Laufzeiten von bis zu vier Jahren, die die Emission von Bankschuldverschreibungen teilweise ersetzten. 15 Studien legen außerdem nahe, dass geldpolitische Ankaufprogramme (insbesondere die drei Programme zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen) langfristig die Handelsaktivität von besicherten Bankanleihen und damit deren Attraktivität als Finanzierungsquelle für Banken beeinträchtigten. 16
Regulatorische Anforderungen zur Stärkung der Verlustabsorptionsfähigkeit von Banken und die Beendigung der geldpolitischen Sonderprogramme stärkten zuletzt dagegen wieder die Bedeutung verbriefter Verbindlichkeiten im Finanzierungsmix. Eine der Reaktionen auf die Finanzkrise war, regulatorische Mindestanforderungen für verlustabsorptionsfähige Verbindlichkeiten zu implementieren, um die Glaubwürdigkeit eines Abwicklungsregimes zu stärken. Im Zuge der 2015/16 konkretisierten Anforderungen und der Verabschiedung des Bankenpakets 2019 17 erwuchs für die Banken die Notwendigkeit, wieder stärker in die Finanzierung durch Bankschuldtitel zurückzukehren. Verstärkend dürfte außerdem gewirkt haben, dass der Großteil der dritten und letzten Serie der GLRG des Eurosystems 2023 und 2024 zurückgezahlt wurde. 18 Die Banken planten daher laut den EBA Funding Plans der Jahre 2021 und 2023 vermehrt, eine gegebenenfalls notwendig werdende Anschlussfinanzierung mittels marktbasierter Finanzierungsinstrumente durchzuführen. Dementsprechend nahm der Anteil verbriefter Verbindlichkeiten am Finanzierungsmix zuletzt wieder zu. Die Auswirkungen des Anstiegs auf den FKI sind aber bisher gering. So wäre der FKI nur geringfügig niedriger, wenn unterstellt würde, dass ceteris paribus das Volumen der verbrieften Verbindlichkeiten seit 2022 unverändert geblieben wäre. 19
Die Darstellung der Gründe hat gezeigt, dass sowohl preislich wirkende Faktoren als auch solche, die sich auf die Finanzierungsstruktur auswirkten, zu dem Niveauunterschied des FKI 2023 gegenüber 2008 beigetragen haben. Deshalb ist es nicht überraschend, dass der FKI, gemessen am Leitzinsniveau, aktuell deutlich geringer ist als 2008. Wegen dieser vielfältigen strukturellen Änderungen ist nicht zu erwarten, dass sich der FKI wieder gänzlich an das Niveau vor der Finanzkrise annähert.
6 Bestandsaufnahme und Fazit
Seit dem Erreichen des Zwischenhochs im Herbst 2023 sind die Finanzierungskosten der Banken bisher nur leicht gesunken. Die geldpolitischen Zinssenkungen seit Juni 2024 haben nur zu geringen Änderungen im FKI geführt. So sind zwar die Geldmarktsätze und die Renditen für verbriefte Verbindlichkeiten gesunken. Der aggregierte Zinssatz für Einlagen des nichtfinanziellen Privatsektors des Euroraums hat sich bisher aber nur wenig verändert. Banken geben in einem Umfeld sinkender Leitzinssätze Zinssenkungen im Einlagengeschäft zwar schneller weiter als bei Leitzinserhöhungen. 20 Dem Zinssenkungseffekt wirkt aber die anhaltende Volumenverschiebung hin zu den höher verzinsten Termineinlagen entgegen.
Der gestiegene Anteil der Einlagen am Finanzierungsmix führt dazu, dass die Banken einen größeren Teil ihrer Finanzierungskosten substanziell beeinflussen können. Potenziell erschwert dies die Einschätzung, wie sich geldpolitische Impulse auf die Finanzierungskosten der Banken und letztendlich auf die Kreditzinssätze übertragen. Eigene Analysen zeigen allerdings, dass die Weitergabe von Änderungen der Marktzinssätze mit Blick auf die Einlagenzinssätze aktuell so funktioniert, wie es die historischen Zusammenhänge bis zum Herbst 2023 erwarten lassen würden.
Neben den Einlagen bleibt die Finanzierung am Geld- und Kapitalmarkt eine wichtige Finanzierungsquelle der Banken, auch wenn ihre Bedeutung derzeit geringer ist als im Vorfeld der Finanzkrise. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass sich die Preise an den Geld- und Kapitalmärkten bei Verwerfungen rasch deutlich ändern können. Banken agieren auf diesen Märkten vorwiegend als Preisnehmer und haben damit wenig Einfluss auf die Preise. Gleichwohl spielen Preisentwicklungen eine wichtige Rolle für den FKI, da die Finanzierung über den Geld- und Kapitalmarkt nach wie vor einen wesentlichen Anteil am Finanzierungsmix der Banken hat. Anders als die Preise können die Banken dagegen die Höhe des Volumens der von ihnen emittierten Schuldverschreibungen vergleichsweise gut steuern. Wie stark sie diese Finanzierungsquelle in Anspruch nehmen können oder wollen, hängt dabei von der Geldpolitik, regulatorischen Vorgaben und anderen strukturellen Faktoren ab. In den vergangenen Jahren haben die Banken sich wieder stärker am Markt finanziert. Vor dem Hintergrund der abschließenden Rückzahlung der im Rahmen der GLRG III aufgenommenen Mittel im Dezember 2024 und der Rückführung des geldpolitischen Portfolios dürfte sich diese Entwicklung weiter fortsetzen.
Für die Geldpolitik ist die Entwicklung der Finanzierungskosten der Banken zentral, denn nur ein umfassendes Bild erlaubt valide Rückschlüsse über die Weitergabe geldpolitischer Impulse. Der FKI ist hierfür ein hilfreiches Werkzeug, da er wertvolle Zusatzinformationen gebündelt bereitstellt. Denn er berücksichtigt auch Verschiebungen im Finanzierungsmix der Banken. Diese können dazu führen, dass sich die Finanzierungskosten auch dann ändern, wenn die Preise der einzelnen Finanzierungsquellen unverändert bleiben.
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