Kurzbericht: Konjunkturlage Monatsbericht – Juni 2024
Veröffentlicht am 6/20/2024
Monatsbericht – Juni 2024
Monatsberichtsaufsatz
1 Konjunkturerholung in Deutschland setzt sich fort
Die konjunkturelle Erholung der deutschen Wirtschaft setzt sich fort. Das reale BIP dürfte im zweiten Quartal erneut etwas steigen. Während die deutsche Wirtschaft nach wie vor Gegenwind hat, mehren sich die Lichtblicke. So erhöhte sich die Industrieproduktion im April, und der Auftragseingang stabilisiert sich allmählich. Vor allem bei der Auslandsnachfrage deutet sich eine Verbesserung an – wenngleich von niedrigem Niveau aus. Die gestiegenen Finanzierungskosten dämpfen weiterhin die inländische Nachfrage, insbesondere die Investitionen. Dies belastet vor allem den Wohnungsbau. In der Baubranche ging die Produktion im April wieder deutlich zurück, nachdem sie im ersten Quartal durch die außergewöhnlich milde Witterung gestützt worden war. Die Belebung der Dienstleister dürfte sich hingegen fortsetzen. Darauf deuten die Umfrageergebnisse von S&P Global unter den Einkaufsmanagern hin. Die Aufwärtsbewegung der Dienstleister könnte überdies zunehmend durch den privaten Konsum unterstützt werden. Während dieser im ersten Quartal noch dämpfte, dürfte er im zweiten Quartal etwas zulegen. Die Konsumenten hielten sich zwar zum Einstieg in das zweite Quartal mit zusätzlichen Ausgaben noch zurück, aber ihre Ausgabenspielräume verbessern sich derzeit vor allem dank kräftig steigender Löhne spürbar. Und die Konsumstimmung hellte sich zuletzt deutlich auf. Auch für die Gesamtwirtschaft zeigen die Umfrageindikatoren eine konjunkturelle Belebung an. So lag die ifo Geschäftslage im Mittel von April und Mai deutlich über dem ersten Quartal, und die ifo Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate legten merklich zu. 1
2 Industrie arbeitet sich langsam aus Schwächephase heraus
Die Industrie macht langsam Fortschritte bei der Überwindung ihrer Schwächephase. Die Industrieproduktion ist in der Tendenz seit dem Jahreswechsel aufwärtsgerichtet. Sie konnte saisonbereinigt 2 auch im April leicht zulegen und lag etwas über dem Stand des ersten Quartals. Allerdings war der Produktionszuwachs nicht breit angelegt, er wurde vor allem von der Automobilindustrie getragen. 3 Auch die Produktion der energieintensiven Wirtschaftszweige, die sich seit Jahresbeginn erhöht hatte, lag im April leicht über dem Vorquartal, wenngleich sie im Monatsvergleich wieder etwas sank. Die kurzfristigen Aussichten sind insgesamt noch verhalten. Laut Angaben des Verbandes der Automobilindustrie ging die Anzahl der gefertigten Personenkraftwagen im Mai wieder relativ deutlich zurück. Die Nachfrage nach Industrieerzeugnissen ist allgemein weiterhin noch schwach, aber die Hinweise auf eine Besserung verdichten sich. So mangelte es zuletzt zwar an Großaufträgen, in der Rechnung ohne die volatilen Großaufträge legte der industrielle Auftragseingang im April aber deutlich zu – sowohl im Vergleich zum Vormonat als auch zum ersten Quartal. Obgleich auch hier die Automobilindustrie wesentlich stützte, war der Anstieg des Auftragseingangs wohl breiter angelegt als derjenige der Industrieproduktion.
Die Industrienachfrage verbesserte sich in der Grundtendenz vor allem aus dem Ausland. So wurden insbesondere Investitions- und Konsumgüter aus den Euroländern verstärkt nachgefragt. Zudem legten die realen Warenexporte im April gegenüber dem März und auch gegenüber dem ersten Quartal 2024 zu. Somit verfestigen sich insgesamt die Signale der Vormonate für ein graduelles Anziehen der Nachfrage – vor allem aus dem Ausland. Eine weitere Verbesserung stünde auch im Einklang mit den sich seit dem Jahreswechsel aufhellenden ifo Geschäfts- und Exporterwartungen im Verarbeitenden Gewerbe.
3 Privater Konsum könnte etwas zulegen
Der private Konsum könnte im laufenden Quartal etwas zulegen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher zeigten sich zwar in mancher Hinsicht noch zögerlich mit ihren Ausgaben. So sanken die Kraftfahrzeugzulassungen privater Halter laut Angaben des Verbandes der Automobilindustrie im Mittel der Monate April und Mai unter den Stand des ersten Quartals. 4 Und auch im Gastgewerbe lagen die preisbereinigten Umsätze im April leicht unter dem Vorquartalsstand. Eine Belebung deutete sich jedoch im Einzelhandel an, wo die preis- und saisonbereinigten Umsätze im April ihren Vorquartalsstand deutlich übertrafen. Auch die für das zweite Quartal verfügbaren Umfrageindikatoren für den privaten Konsum zeigen eine graduelle Verbesserung an. So setzte der GfK-Konsumklimaindex seine Erholung im April und Mai fort. Vor allem im Mai verbesserten sich die Konjunkturaussichten der Verbraucher deutlich, ihre Einkommenserwartungen stiegen moderat, und ihre Sparneigung ging spürbar zurück. Die Anschaffungsneigung verbesserte sich allerdings kaum. Das ifo Geschäftsklima der Unternehmen in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen legte im April und Mai von niedrigem Niveau aus weiter zu. Im Einzelhandel verbesserten sich die Einschätzungen der aktuellen Lage sowie die Erwartungen für die nächsten sechs Monate. Somit deuten die Indikatoren insgesamt auf eine positive Tendenz des privaten Konsums im weiteren Verlauf des zweiten Quartals hin.
4 Arbeitsmarkt kaum verändert
Am Arbeitsmarkt gab es bis zuletzt wenig Änderung. Die Erwerbstätigkeit expandierte mit geringer Rate. Im April waren in saisonbereinigter Rechnung 25 000 Personen mehr in Beschäftigung als einen Monat zuvor. Im März hatte es nur eine sehr kleine Zunahme der Gesamtbeschäftigung gegeben. Dies lag gemäß der ersten Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit (BA) an der schwachen Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, die weitgehend stagnierte. Vor allem in der Arbeitnehmerüberlassung, aber auch im Verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe machte sich die schwache konjunkturelle Arbeitsnachfrage bemerkbar, und Stellen wurden abgebaut. Gesamtwirtschaftlich wurde dies durch zusätzliche Arbeitsplätze in einigen Dienstleistungsbranchen, am stärksten im Bereich Gesundheit und Pflege, kompensiert. Dass im Verarbeitenden Gewerbe nicht mehr Stellen verloren gingen, lag an der weiter moderat ansteigenden Kurzarbeit. Im März waren nahezu 220 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in wirtschaftlich bedingter Kurzarbeit, die allermeisten davon gemäß der bis Februar vorliegenden sektoralen Aufgliederung im Verarbeitenden Gewerbe.
An diesem Bild dürfte sich in den nächsten Monaten wenig ändern. Da sich die Beschäftigung in den vergangenen zwei Jahren der wirtschaftlichen Schwäche erstaunlich gut gehalten hatte, dürfte auch der Einstellungsbedarf bei einer konjunkturellen Erholung zunächst nicht besonders ausgeprägt sein. Dies zeigen auch die Vorlaufindikatoren der Beschäftigungsentwicklung an. Sie befanden sich zuletzt kaum verändert im neutralen Bereich. Eine gewisse Erholung gab es im ersten Quartal 2024 bei der durchschnittlichen Arbeitszeit der Erwerbstätigen. Aber hier spielten weniger konjunkturelle Gründe eine Rolle, vielmehr verringerte sich der enorm hohe Krankenstand vom Herbst 2023 deutlich.
Die Arbeitslosigkeit stieg im Mai merklich an. Zum Stichtag waren mit saisonbereinigt 2,76 Millionen rund 25 000 Personen mehr bei der BA arbeitslos registriert als im April. Die Arbeitslosenquote verharrte weiter bei 5,9 %. 5 Im Vorjahresvergleich nahm die Arbeitslosigkeit um 179 000 Personen zu. Dagegen erhöhte sich der Umfang der gesamten Unterbeschäftigung, bei der auch Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen mitgezählt werden, nur um rund 134 000 Personen. Somit kann der Anstieg der Arbeitslosigkeit der letzten zwölf Monate zu rund einem Viertel mit der rückläufigen Zahl an Teilnehmern in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, Sprach- und Integrationskursen erklärt werden. Die in den letzten Monaten aufgekommene Erwartung eines baldigen Endes der steigenden Arbeitslosigkeit erlitt mit dem neuesten IAB-Barometer einen Dämpfer. Es sank im Mai wieder stärker in den negativen Bereich.
5 Energiepreise zuletzt uneinheitlich
Die Energiepreise entwickelten sich zuletzt uneinheitlich. Die Rohölnotierungen gaben in den vergangenen Wochen in der Tendenz etwas nach. Ein Fass der Sorte Brent kostete zum Abschluss dieses Berichts 85 US-$ und damit gut 5 % weniger als noch im April. Maßgeblich dafür dürften vor allem zuletzt etwas verminderte Spannungen im Nahen Osten sowie die Entscheidung der OPEC und ihrer Partner gewesen sein, einen Teil ihrer bisherigen Förderkürzungen zukünftig zurückzunehmen. Gleichzeitig stiegen die europäischen Gaspreise merklich an. Preistreibend wirkten eine Reihe unerwarteter wartungsbedingter Förderausfälle, Sorgen um russische Gaslieferungen nach Europa sowie eine starke asiatische Flüssiggasnachfrage.
6 Inflationsrate im Mai wieder gestiegen
Auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen stiegen die Preise ohne Energie zuletzt wieder leicht an. Die Preise auf der Erzeugerstufe für im Inland abgesetzte Energie blieben im April gegenüber dem Vormonat zwar mehr oder weniger konstant. Bei den Einfuhren verteuerte sich aber auch Energie – den zwischenzeitlich gestiegenen Rohstoffpreisnotierungen folgend – wieder deutlich. Die zuletzt sehr schwache Dynamik der Preise auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen scheint sich somit langsam wieder etwas zu beleben, insbesondere bei den Einfuhren. Trotzdem waren die Preise auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen immer noch niedriger als im Vorjahr, bei den gewerblichen Erzeugnissen um etwas mehr als 3 % und bei den Einfuhren um etwas weniger als 2 %.
Die Inflationsrate erhöhte sich im Mai wegen eines Basiseffekts merklich. Im Vormonatsvergleich nahm die Dynamik der Verbraucherpreise dagegen etwas ab. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) stieg saisonbereinigt um 0,2 % gegenüber dem Vormonat, nach + 0,4 % im April. Dämpfend wirkten hierbei Preisrückgänge für Energie, verarbeitete Nahrungsmittel und Industriegüter ohne Energie. Dagegen war die Preisdynamik bei unverarbeiteten Nahrungsmitteln und Dienstleistungen äußerst kräftig. Bei Letzteren schlugen vor allem deutlich gestiegene Pauschalreisepreise zu Buche. In der Vorjahresbetrachtung zog die Teuerungsrate wieder an, von 2,4 % im April auf 2,8 % im Mai. Ein Gutteil dieses Anstiegs ist auf einen Basiseffekt beim öffentlichen Personennahverkehr zurückzuführen. Dort wurden im Mai 2023 die durchschnittlichen Preise aufgrund der Einführung des Deutschlandtickets erheblich gesenkt. Dieser dämpfende Effekt auf die Vorjahresrate lief jetzt aus. Entsprechend erhöhte sich die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel im Mai kräftig von 2,9 % auf 3,5 %. Die Kernrate liegt damit weiterhin deutlich oberhalb der Gesamtrate und oberhalb des langfristigen Durchschnitts der Jahre 1999 bis 2023 (1,4 %).
In den kommenden Monaten dürfte sich die Inflationsrate schwankend seitwärts bewegen. Dies liegt vor allem an der Volatilität der Energiepreise im vergangenen Jahr. Basiseffekte dürften dazu beitragen, dass die Inflationsrate bis zum September etwas sinkt, danach bis zum Jahresende aber wieder ansteigt. Im Gegensatz dazu sollte sich die Kernrate allmählich leicht verringern, auch wenn der Disinflationsprozess vor allem wegen des überraschend kräftigen Lohnwachstums wohl etwas langsamer voranschreitet als erwartet. 6
Literaturverzeichnis
Deutsche Bundesbank (2024), Deutschland-Prognose: Deutsche Wirtschaft fasst langsam wieder Tritt ‒ Perspektiven bis 2026, Monatsbericht, Juni 2024.