Wie Geldpolitik den Finanzzyklus beeinflusst 79. Ausgabe – November 2025

Martin Kliem, Norbert Metiu

79. Ausgabe – November 2025

Wie Geldpolitik den Finanzzyklus beeinflusst

26.11.2025 — Martin Kliem, Norbert Metiu

Seit der Finanzkrise werden Finanzzyklen, also mittel- bis längerfristige Schwankungen bei der Kreditvergabe und den Vermögenspreisen, sowohl in der Forschung als auch in der wirtschaftspolitischen Debatte verstärkt betrachtet. In diesem Zusammenhang spielt die Geldpolitik eine zentrale Rolle, da sie im Rahmen ihres Primärziels zur Stabilisierung von Finanzzyklen beitragen kann, etwa indem sie Entwicklungen am Immobilienmarkt bei der Festlegung des Zinssatzes berücksichtigt. Rückblickend hätte eine entsprechende Geldpolitik in den USA den Boom und anschließenden Einbruch des US-Häusermarkts in den 2000er-Jahren – und damit auch die weitreichenden Folgen für die dortige Realwirtschaft – deutlich abfedern können.

Statistische Darstellungen mit mehreren Stapeln von Münzen – Quelle: m.mphoto / Adobe Stock
Statistische Darstellungen mit mehreren Stapeln von MünzenQuelle m.mphoto / Adobe Stock

Eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Studien hebt die Bedeutung eines tieferen Verständnisses von Finanzzyklen für die Finanzstabilität hervor (Borio, 2014; Aikmann et al., 2015). Diese mittel- bis längerfristigen Schwankungen bei der Kreditvergabe und den Immobilienpreisen dauern typischerweise zwischen acht und zwanzig Jahren – und sind damit deutlich länger als klassische Konjunkturzyklen. Von zentraler Bedeutung für Zentralbanken sind Finanzzyklen vor allem bei der Ausgestaltung makroprudenzieller Maßnahmen wie dem antizyklischen Kapitalpuffer, wegen möglicher Wechselwirkungen sind sie damit auch für die Geldpolitik von Interesse (siehe auch Deutsche Bundesbank, 2019). Unklar bleibt bislang jedoch, in welchem Ausmaß die Zentralbank selbst – durch ihre Zinspolitik – auf diese Zyklen einwirkt. Eine neue Bundesbank Studie (Kliem and Metiu, 2025) untersucht, wie Geldpolitik mit Finanzzyklen interagiert – und ob die Zentralbank zur Stabilisierung in Phasen finanzieller Turbulenzen beitragen kann.

Dazu analysiert die Studie US-Daten in dem Zeitraum von 1969 bis 2020 mithilfe eines ökonometrischen Zeitreihenmodells. Ziel ist es, jene treibende Kraft („Schock“) zu identifizieren, die maßgeblich die gemeinsame Entwicklung von Kreditwachstum und Immobilienpreisänderung im mittelfristigen Bereich (8 bis 20 Jahre) bestimmt. Diese erklärt rund 60 Prozent der Schwankungen des Kreditwachstums und sogar 86 Prozent der Schwankungen der Hauspreise innerhalb dieses Zeitraums. Ein expansiver Schock auf den Finanzzyklus führt typischerweise zu einer Ausweitung der Kreditvergabe und steigenden Immobilienpreisen (siehe auch Abbildung 1, schwarze Linie) – begleitet von einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und einer höheren Inflationsrate. Der Effekt auf Finanzgrößen wie Kreditvergabe und Hauspreise ist dabei deutlich stärker als jener auf realwirtschaftliche Variablen, wie BIP oder Inflation.

Geldpolitik hat entscheidenden Einfluss auf Finanzzyklen

Die Studie untersucht den Einfluss Geldpolitik auf den Finanzzyklus anhand kontrafaktischer Szenarien (McKay und Wolf, 2023), das heißt, wie sich finanz- und realwirtschaftliche Größen unter einer anderen US-amerikanischen Geldpolitik entwickelt hätten. Im Zentrum stehen dabei drei verschiedene optimierte geldpolitische Reaktionsfunktionen, die jeweils auf der Minimierung einer Verlustfunktion der Zentralbank basieren. Zunächst analysieren die Autoren ein sogenanntes „Doppelmandat“: In diesem Szenario zielt die Geldpolitik darauf ab, dass Schwankungen bei Inflation und Produktionslücke möglichst gering ausfallen. Dieses Szenario berücksichtigt somit vergleichbare Zielvariablen wie die aktuelle geldpolitische Strategie der US-amerikanischen Notenbank. Darüber hinaus wird untersucht, wie sich die optimale Geldpolitik verändert, wenn zusätzlich entweder die Kreditlücke oder die Immobilienpreise in die Verlustfunktion mit einbezogen werden. Produktions- und Kreditlücke bezeichnen hierbei die Abweichung des BIP und der Kreditvergabe von ihrem jeweiligen Trend. Auf diese Weise lässt sich abschätzen, wie wirksam geldpolitische Strategien sind, die Finanzmarktentwicklungen direkt entgegenwirken – sogenannte „Leaning-Against-The-Wind“-Ansätze.

Impuls-Antwort-Folgen von Kreditlücke, Hauspreisen, Produktionslücke und Inflation nach einem expansiven Finanzzyklus-Shock
Impuls-Antwort-Folgen von Kreditlücke, Hauspreisen, Produktionslücke und Inflation nach einem expansiven Finanzzyklus-Shock

Abbildung 1 zeigt, wie verschiedene geldpolitische Regeln den Finanzzyklus beeinflussen. Dargestellt sind die Reaktionen von Produktionslücke, Inflation, Kreditlücke und Immobilienpreisen auf einen expansiven Finanzzyklus-Schock (sogenannte Impuls Antwort Folgen). 

Die schwarze Linie zeigt die Reaktion unter der historisch beobachteten Geldpolitik. Die blaue Linie illustriert das Szenario eines optimierten „Doppelmandats“, bei der die Geldpolitik ausschließlich versucht Inflation und Produktionslücke zu stabilisieren. Diese Politik zeigt nicht nur die herbei erwarteten Effekte auf Inflation und Produktionslücke, sondern gleichzeitig auch einen stabilisierenden Einfluss auf die Schwankungen der Kreditlücke und der Immobilienpreise. Deutlich stärker sind diese Effekte unter den beiden „Leaning-Against-The-Wind“-Strategien, dargestellt durch die rote und grüne Linie. In diesen Szenarien berücksichtigt die Zentralbank zusätzlich entweder die Kreditlücke oder die Hauspreise. Beide Varianten führen zu einer deutlich stärkeren Dämpfung der jeweiligen Zielvariablen – deren Standardabweichung sinkt um etwa 20 Prozent.

Diese Ergebnisse unterstreichen, dass Geldpolitik nicht nur mittelfristige Effekte entfalten kann, sondern auch die längerfristige Dynamik auf den Finanzmärkten beeinflusst. Sie wirkt somit an der Schnittstelle zwischen Realwirtschaft und Finanzsektor und kann letztlich dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit einer Volkswirtschaft gegenüber Finanzkrisen zu erhöhen. Die spezifische Höhe dieser Effekte dürfte dabei auch von nationalen Besonderheiten bei Finanz- und Immobilienmärkten abhängen. 

Geldpolitik hätte US-Hauspreisboom Anfang der 2000er dämpfen können 

Die Studie beschäftigt sich außerdem mit der viel diskutierten Frage, ob die Geldpolitik der US-Notenbank zum Immobilienboom in den USA Anfang der 2000er-Jahre beigetragen hat. Mithilfe kontrafaktischer Szenarien zeigt die Studie, dass jede der analysierten geldpolitischen Regeln den US-Häusermarkt deutlich besser stabilisiert hätte als historisch geschehen. Besonders effektiv wäre eine Politik gewesen, die systematisch gegen steigende Immobilienpreise vorgeht. Unter dieser Politik wären die realen Hauspreise während des Booms um etwa 20 Prozentpunkte weniger stark gestiegen und im darauffolgenden Abschwung lediglich halb so stark gefallen.

Fazit

Die Studie legt nahe, dass Geldpolitik einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung von Finanzzyklen leisten kann. Insbesondere dann, wenn Zentralbanken neben ihren primären Zielen auch Kreditvergabe oder Immobilienpreise berücksichtigen, können sie die Schwankungen auf den Finanzmärkten deutlich verringern. Diesem Nutzen stehen jedoch auch mögliche Kosten gegenüber, da eine solche allgemein stabilisierende Politik zeitweise und punktuell auch mit einer stärkeren Abweichung, zum Beispiel der Inflation von ihrem Zielwert, einhergehen kann (siehe auch Adam und Woodford, 2021). 

Literaturangaben

Adam, Klaus und Michael Woodford (2021). „Robustly optimal monetary policy in a new Keynesian model with housing”. Journal of Economic Theory 198.

Aikman, David, Andrew G. Haldane und Benjamin D. Nelson (2015). „Curbing the Credit Cycle”. Economic Journal 125 (585), 1072–1109.

Borio, Claudio (2014). „The financial cycle and macroeconomics: what have we learnt?” Journal of Banking & Finance 45, 182–198.

Deutsche Bundesbank (2019). „Finanzzyklen im Euroraum ”, Monatsbericht, Januar.

Kliem, Martin und Norbert Metiu (2025). „Shaping the Financial Cycle through Monetary Policy ”, Discussion Paper 33/2025, Deutsche Bundesbank.

McKay, Alisdair and Christian K. Wolf (2023). „What can time-series regressions tell us about policy counterfactuals?” Econometrica 91 (5), 1695–1725.

Haftungsausschluss

Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.

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