Stabilitätslage im deutschen Finanzsystem Finanzstabilitätsbericht 2024
Veröffentlicht am 11/21/2024
Stabilitätslage im deutschen Finanzsystem Finanzstabilitätsbericht 2024
4.1 Makrofinanzielles Umfeld und Lage im Realsektor
4.1.1 Das makrofinanzielle Umfeld hat sich im Verlauf des vergangenen Jahres verbessert
Das Ende des Jahres 2023 markierte den Abschluss einer außergewöhnlich starken Zinsanstiegsphase. Die historisch schnellen und deutlichen Zinsanstiege in den Jahren 2022 und 2023 waren eine Zäsur für das deutsche Finanzsystem nach einer langen Phase niedriger Zinsen, in der sich erhebliche Finanzstabilitätsrisiken aufgebaut hatten. Im Herbst 2023 hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den geldpolitischen Leitzins zum letzten Mal erhöht. Danach gingen die Marktzinsen allmählich zurück, und im Juni 2024 begann die EZB den Leitzins zu senken. An den Finanzmärkten wird mit weiteren schrittweisen Leitzinssenkungen gerechnet. Eine Rückkehr zum außergewöhnlich niedrigen Zinsniveau der Jahre vor 2022 erwarten die Marktteilnehmer jedoch in den nächsten Quartalen nicht.
Angesichts des graduellen Rückgangs der kurz- und längerfristigen Zinsen haben sich die Finanzierungsbedingungen an den Märkten in den vergangenen Quartalen sukzessive verbessert. Die längerfristigen Realzinsen in Deutschland, das heißt die Differenz zwischen nominalen Zinsen für Bundesanleihen mit fünfjähriger sowie zehnjähriger Laufzeit und der über diese Zeiträume erwarteten Inflation, sind im Vergleich zum Ende des Jahres 2023 zurückgegangen und liegen nahe Null. 1 Die Verbesserung der Finanzierungskonditionen in der Breite zeigt sich im Gesamtindikator für finanzielle Bedingungen der Bundesbank, der seit Jahresbeginn 2024 wieder unterhalb des historischen Durchschnitts liegt (Schaubild 4.1.1). 2 Die niedrigeren Werte bedeuten, dass die finanziellen Bedingungen wieder lockerer sind und die Anspannung im Finanzsystem abgenommen hat. Der Indikator schwächte sich ab, weil sowohl die Kredit- und Liquiditätsrisikoaufschläge zurückgingen als auch die Volatilität an den Finanzmärkten abnahm. Außerdem trug dazu bei, dass sich die Zinsstrukturkurve für deutsche Bundesanleihen abflachte.
Die rückläufigen Zinsen und verbesserten Finanzierungsbedingungen reflektieren die im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich gesunkene Inflationsrate. Für das Jahr 2024 rechnete die Bundesbank in ihrer Juni-Prognose mit einem Rückgang der Inflationsrate auf 2,8 % in Deutschland, von 6,0 % im Jahr zuvor. Bis zum Jahr 2026 sollte die Inflationsrate weiter auf 2,2 % sinken. 3 Die Inflationsrate nähert sich somit in Deutschland wie auch im Euroraum langsam dem Zielwert der EZB von mittelfristig 2 %. Auch Marktteilnehmer halten es für zunehmend weniger wahrscheinlich, dass die Inflationsrate im Euroraum im Durchschnitt der kommenden Jahre deutlich oberhalb des Zielwerts liegen wird. So erwarten Marktteilnehmer mittlerweile überwiegend eine Inflationsrate im Durchschnitt der nächsten fünf Jahre von bis zu 2 %. Die Wahrscheinlichkeit einer durchschnittlichen Inflationsrate im Euroraum von über 3 % ist aus Sicht der Marktteilnehmer seit dem vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen (Schaubild 4.1.2). Mittelfristig überwiegen allerdings noch immer die Aufwärtsrisiken für die Inflation, im Besonderen aufgrund der starken Lohnkostendynamik, unter anderem als Nachwirkung der hohen Inflation aus den Vorjahren und wegen der strukturellen Knappheit an Arbeitskräften. 4
Die Schwächephase der deutschen Konjunktur hält weiter an. Die deutsche Wirtschaft tritt seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor mehr als zwei Jahren auf der Stelle. Neben der erhöhten wirtschaftspolitischen Unsicherheit machen sich nach wie vor die höheren Finanzierungskosten bemerkbar und belasten die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Die Exporte bleiben gedämpft, wenngleich sich leichte Erholungstendenzen bei der Auslandsnachfrage abzeichnen. Gleichzeitig bleibt der private Konsum ohne Schwung, trotz zunehmender Realeinkommen in der Breite. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr in etwa stagnieren. 5 Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft fällt damit im internationalen Vergleich schwach aus.
Gleichzeitig steht die deutsche Wirtschaft weiterhin vor tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen, die auf den mittelfristigen Wachstumsaussichten lasten. Die gestiegenen Energiepreise treffen Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern tendenziell stärker, die Dekarbonisierung der Wirtschaft ist eine große Herausforderung. Das Verarbeitende Gewerbe trägt in Deutschland in vergleichsweise hohem Maß zur Wirtschaftsleistung bei, und auch energieintensive Sektoren haben ein relativ hohes Gewicht im internationalen Vergleich. 6 Zusätzlich dämpft der demografische Wandel das Arbeitskräfteangebot und dadurch das Potenzialwachstum. Anspannungen am Arbeitsmarkt dürften angesichts der schnellen Alterung der deutschen Gesellschaft in den nächsten Jahren zunehmen. 7
Trotz der anhaltenden Schwächephase zeichnet sich in Deutschland bislang eine Rückkehr zur Preisstabilität ohne massive realwirtschaftliche Verwerfungen ab. Rückgänge von hohen Inflationsraten waren in der Vergangenheit häufig mit größeren Wachstumseinbußen einhergegangen, als sie in der gegenwärtigen Episode bislang zu beobachten waren. 8 Sollte sich das makrofinanzielle Umfeld wie erwartet entwickeln, sind im Vergleich zu Ende 2023 ungeordnete Entwicklungen tendenziell weniger wahrscheinlich geworden. Entsprechend haben auch die kurzfristigen Abwärtsrisiken für das BIP-Wachstum, gemessen an einer Growth-at-Risk-Schätzung, im Vergleich zum Vorjahr abgenommen. Das konditionierte 5 %-Quantil der BIP-Wachstumsrate stieg im Laufe des Jahres 2024 an. Dies deutet daraufhin, dass besonders niedrige Wachstumsraten weniger wahrscheinlich geworden sind (Schaubild 4.1.3). 9
4.1.2 Abschwung des Finanzzyklus verlangsamt sich
Vor dem Hintergrund der Entwicklungen im makrofinanziellen Umfeld hat sich der Abschwung des Finanzzyklus im vergangenen Jahr verlangsamt. Der Finanzzyklus beschreibt Schwankungen finanzwirtschaftlicher Größen wie Kreditvergabe und Vermögenspreise. 10 Im Umfeld hoher Inflation, steigender Zinsen, gedämpfter konjunktureller Aussichten und sinkender Realeinkommen hatte der Aufschwung des Finanzzyklus ab dem Jahr 2022 nachgelassen. Seit dem Jahr 2023 befand sich der Finanzzyklus im Abschwung. Angesichts der schrittweisen Verbesserung des makrofinanziellen Umfelds im vergangenen Jahr, insbesondere der wieder günstigeren Finanzierungsbedingungen und allmählich steigenden Realeinkommen, verlangsamte sich der Abschwung deutlich.
Die Kreditentwicklung, neben den Vermögenspreisen ein wichtiger Indikator für den Finanzzyklus, stabilisierte sich im Verlauf des vergangenen Jahres auf niedrigem Niveau. Das Wachstum des Kreditbestands bleibt im Vorjahresvergleich weiterhin gedämpft, sowohl bei Krediten an nichtfinanzielle Unternehmen als auch bei Krediten an Privathaushalte. Die Abwärtstendenz des vergangenen Jahres setzte sich jedoch nicht fort: Sowohl die Wachstumsraten des Bestands der Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen als auch die der Kredite an private Haushalte stabilisierten sich in den vergangenen Quartalen im leicht positiven Bereich (Schaubild 4.1.4). 11 Die Neukreditvergabe an private Haushalte befindet sich zwar im Vergleich zur Periode vor dem Zinsanstieg noch immer auf niedrigem Niveau. Seit Beginn des Jahres zeigen sie jedoch sichtbare Anzeichen einer Erholung (Schaubild 4.1.5). Auch sind erste Hinweise auf eine Wiederbelebung der Neukreditentwicklung an nichtfinanzielle Unternehmen erkennbar. Im Einklang mit dieser Entwicklung scheint sich die Nachfrage nach Krediten für den privaten Wohnungsbau und im Unternehmenssektor laut den im Bank Lending Survey (BLS) befragten deutschen Banken ebenfalls zu stabilisieren. Die befragten Banken erwarten, dass sich diese Tendenz im vierten Quartal 2024 fortsetzt und die Nachfrage in beiden Segmenten per saldo ansteigt. 12 Demgegenüber deuten Umfragen darauf hin, dass sich Banken bei der Kreditvergabe auch im Jahr 2024 tendenziell restriktiv verhalten haben, insbesondere gegenüber Unternehmen. 13 Die konjunkturelle Situation sowie unternehmens- und haushaltspezifische Faktoren haben zu einer höheren Risikoeinschätzung geführt. Bankseitige Faktoren, beispielsweise deren Eigenkapitalsituation, spielten laut der Umfrage zum Kreditgeschäft hingegen keine Rolle.
Mit der sich erholenden Nachfrage nach Wohnimmobilienkrediten stabilisieren sich die Preise für Wohnimmobilien. Insbesondere höhere Lebenshaltungs- und Finanzierungskosten führten ab Mitte 2022 zu einer Kehrtwende in der Kaufnachfrage für Wohnimmobilien. 14 Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes sanken die Wohnimmobilienpreise von ihrem Höchststand Mitte 2022 bis zum ersten Quartal 2024 um rund 13 % (Schaubild 4.1.6). 15 Die Überbewertungen aus der Niedrigzinsphase gingen stark zurück, sind jedoch noch nicht vollständig abgebaut. 16 Im zweiten Quartal 2024 stiegen die Wohnimmobilienpreise gegenüber dem Vorquartal erstmals seit zwei Jahren wieder. 17 Modellschätzungen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit von weiteren starken Preisrückgängen zuletzt abgenommen hat. 18 Die kürzlich leicht gesunkenen Finanzierungskosten, gestiegene Einkommen und eine schwache Neubautätigkeit stützen die Wohnimmobilienpreise. Insgesamt ist ein geordneter Abbau der Verwundbarkeiten am Wohnimmobilienmarkt wahrscheinlicher geworden.
Die Preise für Gewerbeimmobilien sind in der ersten Hälfte des Jahres 2024 nicht weiter gefallen, das Risiko weiterer deutlicher Preisrückgänge ist jedoch im Vergleich zum Vorjahr sogar gestiegen. Nach weiter kräftigen Preisrückgängen in der zweiten Jahreshälfte 2023 begannen sich die Preise für Gewerbeimmobilien in der ersten Hälfte des Jahres 2024 zu stabilisieren (Schaubild 4.1.6). 19 Diese Preisentwicklung basiert jedoch nur auf einer geringen Anzahl von Transaktionen, wodurch das Bild verzerrt sein könnte. Bisher läuft die Marktkorrektur weitestgehend geordnet ab. Im Unterschied zum Wohnimmobilienmarkt deuten Modellanalysen im Gewerbeimmobilienmarkt aber auf weitere Preisrückgänge hin. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die erwartete Situation im Mittel sogar verschlechtert und höhere Preisrückgänge sind insgesamt wahrscheinlicher geworden. 20 Dies zeigt eine Price-at-Risk-Analyse für deutsche Gewerbeimmobilienpreise (Schaubild 4.1.7). Die geschätzte Verteilung der Preiswachstumsrate für das vierte Quartal 2024 verschob sich im Vergleich zum Vorjahresquartal weiter nach links, wobei sich auch der Median der Verteilung verringerte. Für das vierte Quartal 2023 hatte der Median der geschätzten Verteilung des Preiswachstums noch bei etwa - 8 % gelegen, für das vierte Quartal 2024 liegt er nahe - 11 %. Gleichzeitig ist auch die Wahrscheinlichkeit besonders niedriger Wachstumsraten bei Gewerbeimmobilienpreisen (5 %-Quantil) nochmals gestiegen. 21
Der anhaltende Abschwung der Gewerbeimmobilienpreise könnte durch Notverkäufe von Finanzintermediären oder durch die Verwertung von Kreditsicherheiten verstärkt werden. So könnte eine Verschärfung der Lage bei Projektentwicklern (siehe Abschnitt 4.2 „Bankensystem: Verwundbarkeiten und Resilienz") dazu führen, dass Banken verstärkt über die Verwertungen von Immobiliensicherheiten auf der Verkäuferseite aktiv werden. Auch eine Erhöhung der aktuell noch moderaten Netto-Mittelabflüsse bei Publikums-Immobilienfonds könnte die Preisrückgänge am Markt für Gewerbeimmobilien weiter verstärken, sollte eine größere Zahl von Fonds Immobilien verkaufen müssen (siehe Abschnitt 4.3 „Nichtbank-Finanzintermediäre: Verwundbarkeiten und Resilienz"). 22 Darüber hinaus belasten strukturelle Faktoren die Entwicklung am Gewerbeimmobilienmarkt. Wesentlich sind vor allem die stark gestiegene Bedeutung des Online-Handels, die vermehrte Nutzung von Homeoffice sowie die höheren energetischen Anforderungen.
Die Bewertungsniveaus an den Finanzmärkten sind im Verlauf des vergangenen Jahres weiter gestiegen, auch weil Marktteilnehmer eine sanfte Landung der globalen Realwirtschaft erwartet haben. An den Aktienmärkten liegen die Risikoprämien sowohl für europäische als auch für US-amerikanische Aktien unter ihren langfristigen Durchschnitten (Schaubild 4.1.8), trotz bestehender Abwärtsrisiken im makrofinanziellen Umfeld (siehe Abschnitt 4.1.5 „Global hohe Verschuldung macht das Finanzsystem anfälliger für adverse Entwicklungen" und 4.1.6 „Das makrofinanzielle Umfeld bleibt herausfordernd"). Auch an den Märkten für Unternehmensanleihen sind die Risikoprämien im Euroraum und in den USA auf im Vorjahresvergleich noch niedrigere Niveaus gesunken, die die Investoren möglicherweise nicht vollständig für bestehende Risiken kompensieren. Dies betrifft insbesondere die Märkte für High-Yield-Unternehmensanleihen (Schaubild 4.1.8). 23
Die hohen Bewertungsniveaus deuten auf ein hohes Rückschlagpotenzial an den Finanzmärkten hin. Das Risiko von Marktpreiskorrekturen und damit verbundenen Verlusten bei Finanzintermediären bleibt erhöht. Kursrückgänge könnten dabei unter anderem durch die Rückabwicklung gehebelter Positionen von Hedgefonds und anderen Investoren sowie in manchen Fällen durch umfangreiche Anteilsrückgaben bei Investmentfonds verstärkt werden (siehe Abschnitt 4.3 „Nichtbank-Finanzintermediäre: Verwundbarkeiten und Resilienz"). Der Kursrutsch an den internationalen Finanzmärkten Anfang August, ausgelöst durch Sorgen um die US-Konjunktur, zeigt, dass negative Überraschungen nach einer langen Phase hohen Risikoappetits und hoher Bewertungen schnell zu signifikanten Korrekturen und hoher Volatilität führen können. 24
In der Gesamtschau bauen sich die Verwundbarkeiten im deutschen Finanzsystem bislang geordnet ab. Dieser Abbau erfolgt jedoch nur allmählich. Die Verwundbarkeiten im deutschen Finanzsystem, die sich während des Aufschwungs des Finanzzyklus während der Niedrigzinsphase und der Corona-Pandemie aufgebaut hatten, bleiben daher substanziell (siehe Abschnitt 4.2 „Bankensystem: Verwundbarkeiten und Resilienz" und 4.3 „Nichtbank-Finanzintermediäre: Verwundbarkeiten und Resilienz").
4.1.3 Unternehmen sind trotz Belastungen weitgehend robust
Die konjunkturelle Schwäche und steigende Kosten setzen die Unternehmen unter Druck. Die aktuelle Wachstumsflaute dämpft die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen. Gleichzeitig sind die Unternehmen mit höheren Kosten konfrontiert. Durch das starke Wachstum der Effektivverdienste seit dem Jahr 2023 ergeben sich für die Unternehmen höhere Lohnausgaben. 25 Zudem führte der Zinsanstieg zu deutlich gestiegenen Fremdkapitalkosten. Seit Ende 2021 sind die Renditen von in Euro denominierten Unternehmensanleihen, trotz gesunkener Risikoaufschläge in einigen Segmenten, um mehr als 2,5 Prozentpunkte gestiegen. Die Verzinsung im Kreditneugeschäft hat sogar um knapp 4 Prozentpunkte zugelegt (Schaubild 4.1.9). Unter Berücksichtigung bereits bestehender Kredite beträgt der Anstieg der durchschnittlichen Verzinsung nur insgesamt 1,8 Prozentpunkte. Denn ein Teil der Unternehmen profitiert noch von vergleichsweise günstigen Finanzierungskosten. Für festverzinsliche Kredite, die im Jahr 2021 oder früher aufgenommen wurden, liegt die aktuelle Verzinsung im Mittel und Median bei höchstens 2 % (Schaubild 4.1.9). Sie machen knapp die Hälfte des ausstehenden Kreditvolumens aus (siehe Abschnitt 4.2 „Bankensystem: Verwundbarkeiten und Resilienz").
Schließlich muss sich der Unternehmenssektor dem Strukturwandel stellen. Der Strukturwandel durch die Digitalisierung, den demografischen Wandel und den Klimawandel birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen für den Unternehmenssektor. Strukturwandel bedarf Investitionen, beispielsweise in neue Technologien, und er impliziert eine Reallokation von Ressourcen zwischen Wirtschaftsbereichen. Einerseits können neue Unternehmen entstehen, wie zum Beispiel im Bereich der erneuerbaren Energien, der Elektromobilität oder in der Plattformökonomie. Andererseits bedeutet eine Reallokation aber auch, dass Insolvenzen in Branchen steigen können, die vom Strukturwandel besonders betroffen sind. Denn einige Geschäftsmodelle können sich angesichts des Strukturwandels als überholt und nicht mehr rentabel erweisen, sodass Unternehmen vom Markt verschwinden. Die den Strukturwandel begleitenden Politikmaßnahmen setzen den Ordnungsrahmen, können jedoch auch unerwünschte Nebenwirkungen haben und sprunghafte Dynamiken auslösen (siehe Abschnitt 5 „Risiken aus einem überraschenden und unmittelbaren CO₂-Preisanstieg").
Die Unternehmensinsolvenzen sind im Jahr 2024 weiter gestiegen. Nachdem die Anzahl an Unternehmensinsolvenzen in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund staatlicher Stützungsprogramme und dem Aussetzen der Insolvenzantragspflicht stark zurückgegangen war, steigt sie seit dem Jahr 2022 wieder deutlich an (Schaubild 4.1.10). Im ersten Halbjahr 2024 lag sie 25 % über dem Vorjahreswert. Im langfristigen Vergleich war die Anzahl an Unternehmensinsolvenzen jedoch nicht ausgesprochen hoch. 26 Allerdings nahmen die voraussichtlichen Insolvenzforderungen erheblich zu. So fielen seit Oktober 2023 die Insolvenzforderungen insbesondere gegenüber Handelsunternehmen sehr hoch aus. Ebenfalls substanziell, aber etwas niedriger, sind die Forderungen gegenüber den Grundstücks- und Wohnungsunternehmen sowie verschiedenen Dienstleistungsbranchen (Schaubild 4.1.10). 27 Vor allem die Ausfälle im Grundstücks- und Wohnungswesen haben einen direkten Bezug zur Finanzstabilität, da ungefähr ein Drittel der Bankkredite gegenüber dieser Branche aussteht. Allerdings ist der Anteil an besicherten Krediten hier höher als in anderen Branchen, wodurch sich geringere Verlustquoten ergeben dürften.
Die Fundamentaldaten der meisten Unternehmen bleiben dennoch überwiegend solide. Nicht nur die Zinsausgaben, sondern auch die Gewinne nahmen insgesamt gegenüber dem Vorjahr nominal leicht zu, sodass die aggregierte Schuldendienstquote im internationalen Vergleich weiterhin niedrig blieb. 28 Allerdings könnte für einen Teil der Unternehmen die Gewinnsituation angespannt sein. So war der Anteil der Unternehmen mit sinkenden Gewinnen in den Jahren 2022 und 2023, Umfragen zufolge, höher als der Anteil der Unternehmen mit steigenden Gewinnen. 29 Inflationsbereinigt sanken die Gewinne der Unternehmen im Aggregat in fast allen Quartalen seit Ende 2022. 30 Die Kapitalisierung der Unternehmen scheint hingegen weiterhin solide zu sein. 31 Die Unternehmen hielten zwar im ersten Halbjahr 2024 deutlich weniger Liquidität als noch in den Vorjahren. 32 Umfragen geben aber keine Hinweise auf erhöhte Liquiditätsprobleme. 33
Im Jahr 2025 bleiben die Ausfallrisiken für die nichtfinanziellen Unternehmen voraussichtlich erhöht. Aufgrund der weiterhin bestehenden strukturellen Veränderungen und der aktuell noch anhaltenden konjunkturellen Schwäche ist eine signifikante Anzahl an Unternehmensinsolvenzen im kommenden Jahr wahrscheinlich. Außerdem laufen Insolvenzen häufig dem Konjunkturzyklus nach und können auch zu Beginn einer wirtschaftlichen Erholung noch ansteigen. 34 Die höheren Zinsausgaben bei anstehenden Anschlussfinanzierungen könnten ebenfalls zu mehr Ausfällen beitragen. Aktuell sind festverzinsliche Kredite, deren Zinsbindung 2025 ausläuft, mit einer Verzinsung von 2,6 % im Median noch vergleichsweise günstig, denn ein Großteil davon wurde in der Niedrigzinsphase vor 2022 abgeschlossen (Schaubild 4.1.9). Wenn Unternehmen im Jahr 2025 ihre Kredite refinanzieren müssen und einen neuen Kredit mit einer Zinsbindung von drei bis fünf Jahren aufnehmen, könnte der mittlere Zinssatz dann auf ungefähr 4 % steigen. Darauf deuten Überschlagsrechnungen auf Basis der derzeitigen Neugeschäftskonditionen hin. Kredite, deren Zinsbindung im Jahr 2025 ausläuft, haben aber nur einen Anteil von 9 % am ausstehenden festverzinslichen Kreditvolumen (Schaubild 4.1.11). Bei Umfinanzierungen ab dem Jahr 2026 dürften die Differenzen zwischen bisherigem und neu vereinbartem Zins überwiegend geringer ausfallen. Zum einen sind die bestehenden Zinsen tendenziell bereits höher und zum anderen dürften auch die dann vereinbarten Zinsen zurückgehen, sollten sich die Markterwartungen bestätigen. Dank solider Fundamentaldaten sollte die große Mehrheit der Unternehmen diese Belastungen aber verkraften können. Sollte sich hingegen das makrofinanzielle Umfeld merklich schwächer als prognostiziert entwickeln, ist mit höheren Ausfallrisiken zu rechnen.
4.1.4 Sinkende Schuldenquoten und steigende Nominaleinkommen stützen die Schuldentragfähigkeit privater Haushalte
Die überwiegend robuste Arbeitsmarktlage trägt weiterhin zur Resilienz privater Haushalte bei. Trotz der konjunkturellen Schwäche stieg die Arbeitslosenquote in den letzten zwei Jahren nur relativ moderat an. 35 Arbeitnehmer konnten wegen der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften und einer deshalb starken Verhandlungsposition auch im Jahr 2024 deutliche Erhöhungen der Nominalgehälter erzielen. 36 Die weitere Entwicklung am Arbeitsmarkt ist mit Unsicherheit behaftet. Aufgrund des demografisch bedingten Rückgangs der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist ein Arbeitskräftemangel auch mittelfristig wahrscheinlich. Dennoch implizieren die strukturellen Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft (siehe Abschnitt 4.1.3 „Unternehmen sind trotz Belastungen weitgehend robust") auch Abwärtsrisiken für den Arbeitsmarkt.
Nominallohnzuwächse stützen die Widerstandskraft der privaten Haushalte. Die in der vorherigen Niedrigzinsphase überwiegend abgeschlossenen langen Zinsbindungen für Wohnimmobilienfinanzierungen schützen die meisten Haushalte zunächst vor einem steigenden Schuldendienst. Die Belastung aus Zins- und Tilgungszahlungen für bestehende Wohnimmobilienkredite bleibt in der Regel für die Dauer der vereinbarten Zinsbindungsfrist nominal konstant. Steigende Nominaleinkommen verbessern folglich tendenziell die Schuldendienstfähigkeit von privaten Haushalten mit bestehenden Kreditverträgen. Endet jedoch die Zinsbindungsfrist eines bestehenden Kreditvertrags und wird eine Anschlussfinanzierung zu höheren Zinsen erforderlich, könnten Haushalte mit einem steigenden Schuldendienst konfrontiert werden. 37
Die Schuldentragfähigkeit der privaten Haushalte in Deutschland hat sich insgesamt verbessert. Bis Mitte 2024 sank die aggregierte Verschuldung der privaten Haushalte im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen auf rund 87 %. Das entspricht einem Rückgang von etwa 11 Prozentpunkten gegenüber dem Höchststand Ende 2021 (Schaubild 4.1.12). Entscheidend dafür sind neben den steigenden Einkommen auch die geringere Vergabe von Neukrediten im Vergleich zur Zeit vor dem Zinsanstieg (siehe Abschnitt 4.1.2 „Abschwung des Finanzzyklus verlangsamt sich"). Das Verhältnis liquider Vermögenswerte zur ausstehenden Verschuldung hat sich für Haushalte mit Wohneigentum insgesamt verbessert (Schaubild 4.1.12). Dies deutet auf eine höhere Widerstandsfähigkeit dieser Haushalte hin. 38
4.1.5 Global hohe Verschuldung macht das Finanzsystem anfälliger für adverse Entwicklungen
Weltweit bleiben öffentliche und private Schuldenstände hoch. In vielen Industrie- und Schwellenländern hatte die Staatsverschuldung bereits vor der Corona-Pandemie historische Höchststände erreicht. Während dieser Zeit stieg sie aufgrund der Maßnahmen zur Bewältigung der öffentlichen Gesundheitskrise weiter an (Schaubild 4.1.13). 39 Trotz leichter Rückgänge ab dem Jahr 2022 sind die Staatsschuldenquoten im langfristigen Vergleich und gegenüber der Zeit vor der Pandemie noch immer deutlich erhöht. 40 Im privaten nichtfinanziellen Sektor wurde die Entwicklung der Verschuldung relativ zum BIP bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie wesentlich durch die Nachwirkungen der globalen Finanzkrise geprägt: So stieg die Verschuldung insbesondere in Volkswirtschaften, die in dem Jahrzehnt vor der Finanzkrise moderatere Schuldenzuwächse verzeichneten. In Volkswirtschaften, in denen vor der Krise die Verschuldung besonders stark gestiegen war, reduzierten nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte ihre Verschuldung hingegen tendenziell. Während der Pandemie nahm die Verschuldung im nichtfinanziellen Privatsektor deutlich zu, insbesondere bei Unternehmen. 41 Seither blieben die Verschuldungsquoten des nichtfinanziellen Privatsektors in vielen Industrie- und Schwellenländern konstant hoch, in einigen Ländern erhöhte sich die Verschuldung sogar weiter (Schaubild 4.1.13).
Die hohe Verschuldung macht das globale Finanzsystem anfällig für makroökonomische Schocks. Hohe Schuldenstände und Schuldendienste verringern die Möglichkeiten von Staaten und privaten Akteuren, unerwartete negative Entwicklungen abzufedern. Zudem dürfte der Schuldendienst künftig zunehmen: Wenn Finanzierungen auslaufen, müssen sie angesichts der gestiegenen Zinsen in den vergangenen Jahren möglicherweise zu höheren Zinsen erneuert werden. Im Fall adverser Entwicklungen könnten die Ausfallrisiken und Risikoprämien abrupt steigen.
In einigen Euroländern und in den USA wird ein weiterer Anstieg der staatlichen Verschuldung erwartet. 42 Laut Prognosen der zuständigen US-Behörde Congressional Budget Office soll die amerikanische Staatsverschuldungsquote in den kommenden zehn Jahren deutlich wachsen, von 99 % des BIP im Jahr 2024 um mehr als 20 Prozentpunkte bis zum Jahr 2034. 43 Diese Entwicklung könnte Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der US-Verschuldung an den Finanzmärkten auslösen und Renditen steigen lassen. 44 Zwei Faktoren könnten einen möglichen Renditeanstieg bei US-Anleihen begrenzen: Erstens gelten US-Staatsanleihen seit jeher als sicherer Hafen. Zweitens ist der US-Dollar nach wie vor die weltweit wichtigste Reservewährung. Der Anstieg der Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen nach der Ankündigung von Neuwahlen im Juni 2024 verdeutlicht, wie sensibel die Märkte auf das Risiko einer steigenden Staatsverschuldung reagieren können. Der Zinsaufschlag auf französische Staatsanleihen ist seither nicht zurückgegangen und bleibt wegen anhaltender Sorgen um die Schuldentragfähigkeit Frankreichs im Vergleich zu anderen europäischen Staaten erhöht (Schaubild 4.1.14).
Zweifel an der Schuldentragfähigkeit anderer Staaten, insbesondere im Euroraum und den USA, können über realwirtschaftliche und finanzielle Verflechtungen letztlich auf das deutsche Finanzsystem wirken. Banken, Investmentfonds und Versicherer in Deutschland sind über Kredite und Anlagen mit ausländischen nichtfinanziellen Schuldnern verflochten. Insbesondere ausländische Staatsanleihen spielen als Anlage und Sicherheit eine zentrale Rolle. Das deutsche Finanzsystem kann sich aber nicht nur über diese direkten Verbindungen anstecken. Im Euroraum bleiben nationale Banken, in geringerem Umfang auch Versicherer und Pensionsfonds, bedeutende Abnehmer der Staatsanleihen ihres Heimatlandes, insbesondere in Italien (siehe Abschnitt 6 „Der deutsche und italienische Staatsanleihemarkt aus einer Finanzstabilitätsperspektive") und Spanien (Schaubild 4.1.15). 45 Sollten Zweifel an der Schuldentragfähigkeit eines Staates aufkommen, könnte dies über den teilweise ausgeprägten Staaten-Banken-Nexus zunächst das Finanzsystem des betreffenden Landes erreichen und schließlich über Verflechtungen mit deutschen Intermediären auch das deutsche Finanzsystem. Darüber hinaus könnten Bedenken hinsichtlich der Kreditwürdigkeit eines Landes, insbesondere im Falle der USA, auch einen Schock an den globalen Finanzmärkten auslösen. Im Zuge dessen könnten die Preise zahlreicher Wertpapiere fallen, auch solcher, die nicht unmittelbar vom Schock betroffen waren. Das deutsche Finanzsystem könnte über diese Marktpreiseffekte indirekt zusätzliche Verluste erleiden. 46
4.1.6 Das makrofinanzielle Umfeld bleibt herausfordernd
Eine unerwartete Verschlechterung im makrofinanziellen Umfeld könnte das Finanzsystem herausfordern. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit ungeordneter Entwicklungen im Vergleich zum Jahr 2023 gesunken (siehe Abschnitt 4.1.1 „Das makrofinanzielle Umfeld hat sich im Verlauf des vergangenen Jahres verbessert"), Abwärtsrisiken bestehen dennoch fort. Kommt es überraschenderweise zu einem stärkeren wirtschaftlichen Einbruch und tritt die erwartete konjunkturelle Erholung doch später ein, könnten die Ausfallrisiken sowohl im Haushalts- als auch im Unternehmenssektor stärker steigen.
Insbesondere erhöhte geopolitische Risiken sorgen für Unsicherheit im gesamtwirtschaftlichen Ausblick und bergen deutliches Rückschlagpotenzial für die makroökonomische Entwicklung. Geopolitische Risiken können über realwirtschaftliche und finanzielle Kanäle erhebliche Auswirkungen entfalten (siehe folgenden Exkurs „Geopolitische Risiken: Auswirkungen auf die Finanzstabilität"). Mit zunehmenden geopolitischen Spannungen wächst zudem die hybride Bedrohungslage. Insbesondere Cyberangriffe können die Finanzstabilität gefährden. Geopolitische Risiken weisen dabei Eigenschaften auf, die mit denen systemischer Finanzstabilitätsrisiken vergleichbar sind. Unternehmen und Finanzmarktakteure berücksichtigen geopolitische Risiken in der Planung ihrer individuellen Liefer- und Wertschöpfungsketten aus systemischer Perspektive möglicherweise nur unzureichend. Ähnlich wie im Finanzsystem können sich auch in der Realwirtschaft Verluste und Schieflagen einzelner Marktteilnehmer über Verflechtungen auf das System insgesamt auswirken und die initialen Effekte geopolitischer Schocks verstärken. Staatliches Handeln kann darauf Einfluss nehmen, wie etwaige Schocks wirken und wer Risiken letztlich trägt. Systemische Risiken erfordern eine angemessene Regulierung, die das System als Ganzes im Blick hat. Geopolitische Risiken können gegebenenfalls auch makroprudenzielle Maßnahmen erfordern, um die Finanzstabilität zu sichern.
Exkurs
Geopolitische Risiken: Auswirkungen auf die Finanzstabilität
Geopolitische Entwicklungen könnten das Wirtschaftswachstum in Deutschland spürbar beeinträchtigen. Wie stark konjunkturelle Abwärtsrisiken mit Veränderungen geopolitischer Risiken korreliert sind, lässt sich mittels eines Growth-at-Risk-Ansatzes abschätzen. Dabei wird mithilfe von Quantilsregressionen die gesamte Wahrscheinlichkeitsverteilung des künftigen BIP-Wachstums in Abhängigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren geschätzt. Werden bei den Regressionen neben dem aktuellen Wachstum der deutschen Industrieproduktion auch ein Stimmungsindikator für Unternehmen, Finanzstress und zusätzlich geopolitische Risiken berücksichtigt, so verschiebt sich die geschätzte Verteilung nach links. 1 Die Wahrscheinlichkeit geringerer BIP-Wachstumsraten in Deutschland erhöht sich tendenziell (Schaubild 4.1.16). 2
Risiken für die Finanzstabilität aus geopolitischen Entwicklungen gehen kurzfristig insbesondere von abrupten Veränderungen aus, die über realwirtschaftliche, finanzielle und hybride Kanäle erhebliche gesamtwirtschaftliche Auswirkungen entfalten können. 3 Der realwirtschaftliche Kanal beschreibt, wie geopolitische Ereignisse Produktions- und Wertschöpfungsprozesse beeinflussen. Der finanzielle Kanal zeigt die Auswirkungen auf das Finanzsystem, etwa auf Risikoprämien, Finanzierungsbedingungen, Vermögenspreise und Kapitalflüsse. Der hybride Kanal bezieht sich auf geopolitische Bedrohungen und Aktionen, die die Funktionsfähigkeit der kritischen Infrastruktur beeinflussen können. Beispiele hierfür sind die Energieversorgung, das Kommunikations- oder das Zahlungsverkehrssystem. Cyberangriffe sind typische Beispiele für solche Aktionen. Geopolitische Schocks können über diese Kanäle Unsicherheit im Finanzsystem erzeugen und Liquiditäts- und Kreditrisiken erhöhen. In der Regel wirkt ein Schock dabei gleichzeitig über mehrere der Kanäle.
Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen könnten geopolitische Schocks künftig in Häufigkeit und Intensität zunehmen. Die gesamtwirtschaftlichen und makrofinanziellen Folgen geopolitischer Schocks können mithilfe eines Factor-Augmented-Vector-Autoregression-Modells (FAVAR) illustriert werden. 4 Das Modell bildet die Wechselwirkung zwischen einem Index für geopolitische Risiken und einer kleinen Anzahl von unbeobachteten Faktoren ab, die auf der Grundlage von monatlichen Daten für die G7-Staaten und für ausgewählte Länder des Euroraums geschätzt werden. 5 Die Faktoren erfassen die in einem großen internationalen Datensatz vorhandenen Informationen und ermöglichen es somit, die wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtungen Deutschlands mit anderen Industriestaaten zu berücksichtigen. 6 Globale geopolitische Schocks werden im Modell unter der Annahme identifiziert, dass sie aus der Perspektive des jeweiligen Landes exogen auftreten und das makrofinanzielle Umfeld unmittelbar beeinflussen können.
Das globale makrofinanzielle Umfeld kann sich nach einem geopolitischen Schock substanziell verschlechtern. Schaubild 4.1.17 zeigt die geschätzten Reaktionen ausgewählter Variablen auf einen adversen geopolitischen Schock. Die Ergebnisse legen nahe, dass geopolitische Schocks die Unsicherheit und Risikoaversion im internationalen makrofinanziellen Umfeld unmittelbar erhöhen. Die Volatilität an den Aktienmärkten steigt direkt an, und Unternehmenskredit-Spreads weiten sich aus. Die wirtschaftspolitische Unsicherheit wird erhöht, und das Geschäftsvertrauen schwindet. Darüber hinaus können geopolitische Schocks über Lieferkettenunterbrechungen und Beeinträchtigungen kritischer Infrastrukturen zu angebotsseitigen Engpässen führen, den internationalen Handel sowie die globale Öl- und Erdgasförderung dämpfen. 7 Zusammengenommen belasten diese Entwicklungen den privaten Konsum, die Produktionsentwicklung und die Kreditvergabe und erzeugen Inflationsdruck. 8
Das deutsche Finanzsystem ist aufgrund der weltweiten Handels- und Finanzverflechtung Deutschlands gegenüber geopolitischen Schocks verwundbar. Angesichts der steigenden geopolitischen Spannungen könnten Risiken für die Finanzstabilität auch künftig weiter zunehmen. Aus makroprudenzieller Perspektive ist es daher wichtig zu verstehen, wie sich geopolitische Schocks gegeben der gesamtwirtschaftlichen Verflechtungen auf das Finanzsystem auswirken können. So kann eine Überwachung geopolitischer Entwicklungen dazu beitragen, Risiken frühzeitig zu erkennen. Die Verluste im inländischen Kreditgeschäft blieben auch nach dem russischen Angriffskrieg und der folgenden Energiepreiskrise gering, nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftspolitischen Reaktionen. Auch angesichts dieser Erfahrung besteht die Gefahr, dass geopolitische Risiken systematisch unterschätzt werden. Marktteilnehmer sollten geopolitische Risiken bei ihren Geschäftsentscheidungen vorausschauend berücksichtigen, um die Auswirkungen potenzieller geopolitischer Eskalationen präventiv abzumildern.
Auch die hybride Bedrohungslage nimmt im Zuge geopolitischer Spannungen zu – insbesondere die Gefahr durch Cyberangriffe. Daher sollten sich Aufsichtsbehörden und der Finanzsektor auch auf konkrete hybride Bedrohungsszenarien vorbereiten. Ein Cyberangriff auf große, international vernetzte Kreditinstitute kann substanzielle realwirtschaftliche Auswirkungen entfalten, wenn die Systeme des Instituts nicht mehr zugänglich sind. Investitionen in Cyberresilienz im Finanzsektor sind daher von zentraler Bedeutung. Die Stärkung der Cyberresilienz ist auch ein Schwerpunkt von mikro- und makroprudenzieller Aufsicht in Deutschland und Europa. Darüber hinaus ist es Aufgabe makroprudenzieller Politik, die Resilienz des Finanzsystems auch für andere Arten geopolitischer Schocks zu stärken.
4.2 Bankensystem: Verwundbarkeiten und Resilienz
Das deutsche Bankensystem hat den starken Zinsanstieg im Jahr 2022 insgesamt gut verkraftet; Verwundbarkeiten bleiben jedoch bestehen. Nachdem die stark gestiegenen Zinsen zu erheblicher Volatilität an den internationalen Finanzmärkten geführt hatten, standen zunächst die Markt- und Liquiditätsrisiken der Banken im Fokus der Märkte. 47 Deutsche Banken waren kaum von Einlagenabzügen betroffen, verzeichneten aber im Jahr 2022 deutliche Verluste in ihren Wertpapierportfolios. Die hohen Wertverluste waren eine Folge hoher Zinsänderungsrisiken, die die Banken in der vorangegangenen Phase niedriger Zinsen aufgebaut hatten. Über die in den Bilanzen ausgewiesenen Verluste hinaus bauten sich zeitweise hohe stille Lasten (nicht bilanzierte Wertverluste) im Bankbuch auf, die sich aber mittlerweile deutlich, wenn auch nicht vollständig, abgebaut haben. Die mit dem Zinsanstieg im Jahr 2022 befürchtete starke Zunahme der Refinanzierungskosten blieb aus. Da aber die Kreditzinsen stiegen, konnten die Banken im Jahr 2023 ein unerwartet gutes Zinsergebnis erwirtschaften.
Angesichts der konjunkturellen Situation rücken mittlerweile verstärkt Kreditrisiken ins Blickfeld. Bereits in der Vergangenheit wies die Bundesbank mehrfach auf eine geringe Risikovorsorge der Institute hin. Diese spiegelte niedrige Insolvenzquoten im Unternehmenssektor wider, doch könnten künftige Kreditrisiken unterschätzt worden sein. 48 Denn die Insolvenzen waren nicht zuletzt wegen der finanzpolitischen Interventionen zugunsten des Unternehmenssektors während der globalen Finanzkrise und auch während der Pandemie nicht stärker angestiegen. Die Institute könnten nun in Krisenzeiten mit ähnlichen Maßnahmen rechnen. Mittlerweile hat sich das makrofinanzielle Umfeld gravierend geändert. Während die Wertberichtigungen im Kreditgeschäft gestiegen sind, hat sich die Einschätzung hinsichtlich künftiger Ausfallrisiken jedoch insgesamt kaum verändert. Daher besteht die Gefahr, dass die Kreditinstitute diese Risiken weiterhin unterschätzen. Die Verflechtung mit Nichtbank-Finanzintermediären (NBFI) könnte die Resilienz des Bankensystems in Stressphasen zusätzlich schwächen (siehe Exkurs „Ansteckungskanäle zwischen Banken und Investmentfonds" und Abschnitt 4.3 „Nichtbank-Finanzintermediäre: Verwundbarkeiten und Resilienz").
4.2.1 Die stillen Lasten im Zinsbuch gehen zurück
Die während des Zinsanstiegs entstandenen Wertverluste mussten die Banken nur teilweise bilanzieren, die entstandenen stillen Lasten drücken aber potenziell die künftigen Erträge. Gemäß Handelsgesetzbuch (HGB) bewerten Banken Wertpapiere, die dem Anlagevermögen zugeordnet werden, nach dem Niederstwertprinzip. Analog können Banken gemäß den internationalen Rechnungslegungsstandards (International Financial Reporting Standards, IFRS) Wertpapiere zu fortgeführten Anschaffungskosten (at amortised cost) bewerten. Stille Lasten entstehen, wenn der Marktwert von Wertpapieren unter den in der Bilanz angesetzten Wert fällt. 49 Die Bildung stiller Lasten ist somit nicht ertragswirksam und belastet nicht das bilanzielle Eigenkapital der Banken. Gleichwohl sind mit stillen Lasten ökonomische Kosten verbunden. Die betroffenen Institute können in entsprechendem Umfang nicht von höheren Zinseinnahmen der günstiger gewordenen Wertpapiere profitieren. Sie verteilen somit den Wertpapierverlust lediglich über einen längeren Zeitraum, zumal Wertpapiere des Anlagevermögens normalerweise nicht vor Fälligkeit verkauft werden.
Stille Lasten entstanden nicht nur bei Wertpapieren, sondern im gesamten Zinsbuch. Das Zinsbuch enthält sämtliche zinstragende Vermögenswerte und Verbindlichkeiten einer Bank, unabhängig davon, ob diese handelbar sind oder nicht. Im Unterschied zu zinstragenden Wertpapieren, die einen Teil des Zinsbuchs ausmachen, sind Marktwerte für andere Positionen des Zinsbuchs nicht unmittelbar verfügbar. Dies trifft insbesondere auf Buchkredite zu. Gleichwohl kann den entsprechenden Positionen ein ökonomischer Wert zugeordnet werden, und zwar mithilfe des Barwerts. Dieser ist definiert als die Summe der mithilfe aktueller Zinsen diskontierten Werte sämtlicher zukünftiger Zahlungen der jeweiligen Position. Der Zinsbuch-Barwert ist eine aufsichtliche Kenngröße für das Zinsänderungsrisiko, die die Banken regelmäßig bestimmen müssen. Schätzungen zufolge betrugen die stillen Lasten im Zinsbuch der Sparkassen im dritten Quartal 2022 rund 20 % des harten Kernkapitals (Common Equity Tier 1, CET 1), bei den Genossenschaftsbanken sogar rund 29 % (Schaubild 4.2.1). Seit Ende 2022 sind die stillen Lasten im Zinsbuch der Sparkassen und Kreditgenossenschaften deutlich zurückgegangen und lagen im zweiten Quartal 2024 bei circa 6 % beziehungsweise 15 % des CET 1. Der Grund für den Rückgang der stillen Lasten liegt an der Zinsentwicklung und daran, dass Zinspositionen ihre Fälligkeit erreichen oder sich dem Fälligkeitsdatum nähern (Pull-to-Par-Effekt). 50
Bei großen, systemrelevanten Banken gehen die stillen Lasten ebenfalls zurück. Nur bezogen auf Wertpapiere sind die stillen Lasten bei den anderweitig systemrelevanten Instituten (A-SRI) deutlich gesunken und lagen Ende 2023 bei 2,2 % des CET 1. Für das gesamte Zinsbuch dagegen ist die Entwicklung der stillen Lasten bei großen Banken schwer einzuschätzen. Dies liegt vor allem daran, dass die Abgrenzung des Zinsbuchs aus aufsichtlichen Meldedaten schwierig ist, wenn Institute in großem Umfang komplexe Geschäfte tätigen. Die Entwicklung des Zinsbuchbarwerts bei großen, systemrelevanten Banken gibt jedoch einen Hinweis darauf, dass diese Institute weniger barwertige Verluste bezogen auf ihr ganzes Zinsbuch erlitten haben. Vermutlich ist dies darauf zurückzuführen, dass große Institute in stärkerem Maße Zinsänderungsrisiken aktiv steuern, etwa mithilfe von Derivaten.
4.2.2 Der Zinsüberschuss bleibt weiterhin gut, aber Ertragsrisiken nehmen zu
Nach einem sehr hohen Jahresüberschuss im Jahr 2023 entwickelt sich die Ertragslage der Banken weiterhin positiv. Im Jahr 2023 erzielten insbesondere die Sparkassen und Genossenschaftsbanken absolut einen hohen Zinsüberschuss. 51 In Relation zur Bilanzsumme war der Zinsüberschuss mit 1,8 % bei diesen Banken allerdings nicht mehr ganz so außergewöhnlich, sondern ungefähr so hoch wie zuletzt im Jahr 2017 (Schaubild 4.2.2). Die großen, systemrelevanten Banken, für die das traditionelle Kreditgeschäft weniger wichtig ist, erzielten mit 0,88 % in 2023 ebenfalls ein gutes Zinsergebnis. Zudem erwirtschafteten diese Banken ein gutes Handelsergebnis, das im Jahr 2023 bei 0,24 % der Bilanzsumme lag und im ersten Halbjahr 2024 diesen positiven Trend fortsetzte. 52 Die anderen Gewinnkomponenten der Banken entwickelten sich unauffällig.
Die Banken profitieren weiterhin von niedrigen Zinsen im Einlagengeschäft und entsprechend niedrigen Refinanzierungskosten. Zinssätze auf täglich fällige Einlagen korrelieren normalerweise deutlich mit den Marktzinsen, auch wenn sich deren Niveaus unterscheiden. Bis zum Beginn des Zinsanstiegs im Jahr 2022 konnte der Zinssatz für täglich fällige Einlagen gut durch einen transformierten, Einlagen-äquivalenten Marktzins approximiert werden (Schaubild 4.2.3). 53 Dieser Zusammenhang hat sich nach dem Zinsanstieg im Jahr 2022 teilweise aufgelöst: Während der Einlagen-äquivalente Marktzinssatz von 0,06 % Ende 2021 auf 1,31 % im Juli 2024 gestiegen ist, hat sich der durchschnittliche Zinssatz für täglich fällige Einlagen von privaten Haushalten von - 0,01 % auf nur 0,58 % erhöht. Dies ist weniger als die Hälfte des Einlagen-äquivalenten Marktzinses. Zudem setzte der Zinsanstieg bei täglich fälligen Einlagen deutlich später ein als bei den Marktzinsen und den geldpolitischen Zinsen. Ein Grund für die abgeschwächte Weitergabe geldpolitischer Zinsen könnte sein, dass deutsche Banken aufgrund der langen Phase einer unkonventionellen Geldpolitik über eine hohe Überschussliquidität und zudem über hohe Einlagenbestände verfügen. Aufgrund der hohen Überschussliquidität könnten Banken weniger auf Einlagen als früher angewiesen sein. Gleichzeitig haben Banken einen Anreiz, die Verzinsung auf den hohen Bestand an täglich fälligen Einlagen nur sehr verhalten zu erhöhen, weil der Effekt auf die Finanzierungskosten entsprechend hoch wäre.
In Zukunft könnte sich die Refinanzierung der Banken trotz der zwischenzeitlichen Zinssenkungen verteuern. Zwar scheinen sich die Einlagenzinsen nach einem moderaten Anstieg auf einem weiterhin niedrigen Niveau zu stabilisieren. Gleichzeitig haben Kunden aber ihre Gelder teilweise von Sichteinlagen in Anlagen mit höherer Rendite umgeschichtet, zum Beispiel in Terminanlagen (Schaubild 4.2.4). Dies trifft sowohl auf Unternehmen als auch auf Privatpersonen zu. Diese Entwicklungen erhöhen, falls sie anhalten, tendenziell die Finanzierungskosten der Kreditinstitute. Höhere Finanzierungskosten wirken sich insbesondere auf Banken mit starkem Einlagengeschäft aus. Inzwischen scheinen sich die Umschichtungen zwar zu verlangsamen. Es lässt sich jedoch noch nicht sagen, ob der Prozess abgeschlossen ist.
Das Zinsergebnis der Sparkassen und Genossenschaftsbanken könnte dieses Jahr dennoch ähnlich gut ausfallen wie im vorherigen Jahr, während es bei den großen, systemrelevanten Banken wahrscheinlich zurückgehen könnte. So war das Zinsergebnis der Sparkassen und Genossenschaftsbanken im ersten Halbjahr 2024 stabil; bei den A-SRI ist es leicht gesunken (Schaubild 4.2.5). Im zweiten Halbjahr 2024 dürfte das Zinsergebnis aus Wertpapierbeständen sowie dem Geschäft mit Unternehmen und Privathaushalten laut Szenariorechnungen in allen Bankengruppen besser ausfallen als im Vorjahreshalbjahr. 54 Dadurch ergibt sich für das Gesamtjahr 2024 das in Schaubild 4.2.5 dargestellte Bild. Der Grund für die prognostizierte Steigerung des Zinsergebnisses im zweiten Halbjahr 2024 ist, dass niedrig verzinste Kredite und Anleihen auslaufen und durch Instrumente zum aktuellen Zins ersetzt werden. In der Abschätzung übersteigt dieser Effekt den negativen Beitrag der Umschichtungen aus niedrig verzinsten Sicht- in höher verzinste Termineinlagen. Auch unerwartet starke Umschichtungen würden sich vermutlich nur begrenzt auf das Zinsergebnis auswirken. 55 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in den Szenariorechnungen nicht alle dem Zinsergebnis beitragenden Bilanzpositionen betrachtet werden. 56 Da diese Positionen teilweise sensitiv gegenüber den erfolgten Zinssenkungen sind, könnte das Zinsergebnis der Institute damit insgesamt verhaltener ausfallen als in den Szenariorechnungen ermittelt.
4.2.3 Die Risiken im Kreditgeschäft steigen deutlich an
Die Institute haben in den letzten Quartalen für Kredite an Unternehmen und private Haushalte deutlich höhere Wertberichtigungen gebildet. Gemessen am Forderungsvolumen betrugen die annualisierten Zuführungen zu Wertberichtigungen im zweiten Quartal rund 0,4 % (Schaubild 4.2.6) und erreichten damit ihr höchstes Niveau seit über sieben Jahren. Grund für den Anstieg dürften die schwache konjunkturelle Entwicklung und die gestiegenen Kreditzinsen sein. In den kommenden Quartalen könnten die Wertberichtigungen weiter zulegen. In einer Modellanalyse hat die Bundesbank mögliche Entwicklungen der Wertberichtigungsquote untersucht. In der "Basislinie" 57 könnten demnach die Zuführungen zu Wertberichtigungen im Verlauf eines Jahres nochmals deutlich steigen. Die Wertberichtigungsquote könnte dann 0,5 % erreichen und damit nahe dem historischen Mittelwert seit der globalen Finanzkrise liegen. Bei einer deutlich schwächeren Konjunktur könnten die Wertberichtigungsquoten auf Niveaus steigen, die den Höchstständen nach der globalen Finanzkrise entsprechen. In diesem Szenario, bei dem das Jahreswachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,5 Prozentpunkte niedriger als im Basisszenario ausfällt, beträgt die Wertberichtigungsquote mehr als 0,6 %. Dies entspricht einem Rückgang der CET 1-Quoten um nur 7 Basispunkte gegenüber der Basislinie. Angesichts der Kapitalreserven deutscher Banken (siehe Abschnitt 4.2.4 „Banken weisen hohe Kapitalreserven auf") scheinen diese zusätzlichen Verluste verkraftbar. Bei besserer Konjunktur könnte der Scheitelpunkt der Entwicklung der Wertberichtigungsquote dagegen bald überschritten sein.
Systemrelevante Banken schätzen die Ausfallwahrscheinlichkeit ihrer Kreditnehmer im Unternehmenssektor trotz der schwachen konjunkturellen Entwicklung unverändert niedrig ein. Diese Institute quantifizieren das Risiko ihrer Kreditnehmer mit Ausfallwahrscheinlichkeiten (Probability of Default, PD), die sie mit finanzmathematischen oder statistischen Modellen berechnen. Diese Ausfallwahrscheinlichkeiten quantifizieren das Risiko, dass ein Kreditnehmer seine Verbindlichkeiten innerhalb eines Jahres nicht oder nur unvollständig bedienen kann. Bei den Unternehmenskrediten im Bestand sind die von den Banken ermittelten Ausfallwahrscheinlichkeiten im Mittel nur wenig gestiegen, nachdem sie in der zweiten Jahreshälfte 2022 trotz des Zinsanstiegs sogar leicht gefallen waren (Schaubild 4.2.7). 58 Sie betragen derzeit etwa 1 %. Bei den Neukrediten verlief der Anstieg in der ersten Jahreshälfte 2023 zunächst stärker, allerdings waren die Ausfallwahrscheinlichkeiten auch vorher schon stärker gefallen. Möglicherweise unterschätzen die aktuell niedrigen Werte die gegenwärtigen Kreditrisiken auch deswegen, weil die systemrelevanten Banken Ausfallwahrscheinlichkeiten auf der Grundlage langjähriger Mittelwerte berechnen. Damit werden starke Schwankungen der Kapitalanforderungen vermieden. Jedoch führen geringe Ausfallwahrscheinlichkeiten normalerweise auch zu niedrigen Risikogewichten in der Ermittlung der Eigenmittelanforderungen. Auf diesen Aspekt wird weiter unten eingegangen. Es ist aber zu erwarten, dass sich höhere Zinsbelastungen der Unternehmen und erhöhte Risiken angesichts der strukturellen Herausforderungen des gesamten Sektors (siehe Abschnitt 4.1.3 „Unternehmen sind trotz Belastungen weitgehend robust") mittelfristig auch in höheren Mittelwerten und damit den berichteten Ausfallwahrscheinlichkeiten niederschlagen.
Die erhöhten geopolitischen Risiken könnten bei ihrer Konkretisierung zu hohen Verlusten im Bankensystem führen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die darauffolgende Energiepreiskrise waren für das Finanzsystem vor allem aufgrund der wirtschaftspolitischen Reaktionen verkraftbar. Die ergriffenen Maßnahmen haben die Auswirkungen des Energiepreisanstiegs auf Unternehmen und private Haushalte stark abgefedert. Ohne diese Maßnahmen hätte das Finanzsystem womöglich erhebliche Verluste erlitten. Geopolitische Risiken können durch verschiedene Kanäle eintreten (siehe Exkurs „Geopolitische Risiken: Auswirkungen auf die Finanzstabilität"). Es ist fraglich, ob Banken die aktuellen geopolitischen Risiken in ihren gemeldeten niedrigen Ausfallwahrscheinlichkeiten für ihre Kreditnehmer ausreichend einbeziehen, auch wenn diese Risiken schwer zu quantifizieren sind.
Der Anstieg der Wertberichtigungen für Gewerbeimmobilienkredite ist substanziell. Der Abschwung bei den Gewerbeimmobilienmärkten hat im Verlauf des Jahres 2024 angehalten, allerdings mit abgeschwächter Dynamik. Dadurch mussten Banken, die in diesen Märkten besonders engagiert sind, teilweise hohe Wertberichtigungen bilden. Die Quote notleidender Kredite (Nonperforming Loans, NPL) der mit Gewerbeimmobilien besicherten Kredite hat sich seit Ende 2022 verdoppelt, wenn auch von einem niedrigen Niveau ausgehend. Die Quote liegt im zweiten Quartal dieses Jahres im Aggregat bei 4,2 % (Schaubild 4.2.8). Überdurchschnittlich hoch fallen die NPL-Quoten bei den signifikanten Instituten (SI) mit 5,1 % im zweiten Quartal 2024 aus. 59 Grund hierfür ist unter anderem, dass diese Banken überdurchschnittlich am besonders betroffenen US-amerikanischen Markt engagiert sind. Dabei liegt die NPL-Quote der SI für entsprechende US-Exposures bei 12,6 %, während sie für deren deutsche Exposures nur bei 3,3 % liegt. Weniger bedeutende Institute (Less significant Institutions, LSI) weisen dagegen wegen ihres Fokus auf den heimischen Gewerbeimmobilienmarkt mit 3,4 % eine deutlich niedrigere NPL-Quote bei Gewerbeimmobilienkrediten auf. 60 Einige Spezialfinanzierer, wie die Deutsche Pfandbriefbank, die Aareal Bank oder die Hamburg Commercial Bank, waren zusätzlich von Marktreaktionen betroffen. So stiegen die Spreads auf Pfandbriefe dieser Banken zu Beginn des Jahres stark an, nachdem die Risikovorsorge deutlich höher als erwartet ausfiel. Ansteckungseffekte auf andere Banken blieben aber weitgehend aus. Die Spreads auf Anleihen der betroffenen Banken sind mittlerweile wieder deutlich zurückgegangen (Schaubild 4.2.9).
Das Bankensystem dürfte es verkraften, wenn die Kreditausfälle bei Gewerbeimmobilien stärker als erwartet ansteigen. In einer Szenariorechnung hat die Bundesbank die Risiken aus Gewerbeimmobilien analysiert. 61 In einem Risikoszenario mit einem begrenzten CRE-Abschwung (Commercial Real Estate, CRE) wurde das besonders betroffene Teilsegment der Projektentwicklung gestresst. 62 Die aggregierte harte Kernkapitalquote der deutschen Banken würde sich im Verlauf eines Jahres um 0,8 Prozentpunkte reduzieren. Die Verluste sind aber nicht gleichmäßig verteilt, sondern konzentrieren sich auf einen Teil des Bankensystems (Schaubild 4.2.10). Die betroffenen Banken würden vergleichsweise hohe Verluste erleiden. Dabei handelt es sich um sehr wenige und eher kleinere bis mittelgroße Institute.
Bei einem breiten CRE-Abschwung wäre das Bankensystem dagegen flächendeckend betroffen. Sollte ein starker Abschwung nicht nur die Projektentwicklung, sondern den gesamten Gewerbeimmobilienmarkt betreffen, würde die mittlere harte Kernkapitalquote aufgrund der Verluste aus Kreditrisiken mit bis zu 1,6 Prozentpunkten deutlich stärker sinken. 63 Ein signifikanter Teil der Banken würde Verluste von mehr als 2,4 % der risikogewichteten Aktiva verzeichnen (Schaubild 4.2.10). Risiken könnten durch die Ansteckung weiterer Banken verstärkt werden. Modellrechnungen zeigen, dass eine Reihe kleinerer und mittlerer Banken ihre aggregierten Pufferanforderungen vermutlich nicht mehr erfüllen könnte. Diese Banken könnten dann versuchen, über Deleveraging ihre Pufferanforderungen wieder zu erfüllen. 64 Allerdings hätte das Bankensystem im Aggregat immer noch das Potenzial, ausreichend Kredite zu vergeben. Jedoch ist ein Wechsel zu einer neuen Bank für Unternehmen nicht immer reibungslos möglich.
Bei Wohnimmobilienfinanzierungen sind die Kreditausfälle weiterhin gering. Angesichts der gestiegenen Zinsen schützt zum einen die häufig lange Zinsbindungsfrist der in der Niedrigzinsphase abgeschlossenen Kredite die meisten Haushalte zunächst vor einem Anstieg des Schuldendienstes. Zum anderen stiegen infolge höherer Lohnabschlüsse die nominalen Einkommen (siehe Abschnitt 4.1 „Makrofinanzielles Umfeld und Lage im Realsektor"). Allerdings könnte sich die Situation ändern, wenn die Arbeitslosigkeit unerwartet stark zunehmen würde. Dann dürften auch die Ausfälle stärker ansteigen, besonders bei Kreditnehmern mit einem hohen Schuldendienst. Empirisch zeigt sich, dass das individuelle Ausfallrisiko eines arbeitslosen Kreditnehmers überproportional ansteigt, wenn dessen Schuldendienst auf über 30 % des ursprünglichen Nettoeinkommens steigt. 65 Haushaltsdaten zufolge haben etwa 15 % der Kreditnehmer im Bestand eine Schuldendienstquote von 30 % oder höher. 66 Die Ausfallwahrscheinlichkeit bei diesen Haushalten könnte bei höherer Arbeitslosigkeit zunehmen.
Die strukturellen Herausforderungen der deutschen Wirtschaft erhöhen die Risiken mit Blick auf die Arbeitsmarktentwicklung in einzelnen Sektoren (siehe Abschnitt 4.1.3 „Unternehmen sind trotz Belastungen weitgehend robust"). Sollten strukturelle Veränderungen Umbrüche in der Unternehmenslandschaft nach sich ziehen, könnten in einem ungünstigen Fall vermehrt Arbeitsplätze in der Industrie verloren gehen. Auch gutverdienende Arbeitnehmer wären dann betroffen, die in der privaten Wohnimmobilienfinanzierung als Kreditnehmer überproportional vertreten sind. In einem solchen Fall könnten die Kreditausfälle in der privaten Wohnimmobilienfinanzierung auch in der Breite stärker ansteigen.
Ungeachtet der niedrigen Ausfallraten erhöht der jüngste Rückgang der Immobilienpreise tendenziell die Verluste bei Wohnimmobilienkrediten. Fallen die Preise für Wohnimmobilien, so sinkt der Wert der verfügbaren Kreditsicherheiten, die bei einem Kreditausfall verwertet werden. Ein Indikator für die drohenden Verlustraten ist das Verhältnis aus dem ausstehenden Darlehensvolumen und dem aktuellen Immobilienwert (current Loan-to-Value, cLTV). Dieser kann aus verfügbaren Daten geschätzt werden. Von besonderem Interesse sind Haushalte mit einer cLTV von über 100 %. In diesen Fällen würde die Restschuld den aktuellen Wert der Immobilie übersteigen, wodurch sich beim Ausfall des Kreditnehmers möglicherweise erhöhte Verluste ergeben könnten. Im Jahr 2024 stieg der Anteil an Wohnungskrediten mit einem cLTV über 100 % gegenüber dem Vorjahr und lag bei rund 17 % (Schaubild 4.2.11). Jüngere Kreditjahrgänge haben infolge der zuletzt deutlich gesunkenen Wohnimmobilienpreise dabei oftmals ein erhöhtes Verlustpotenzial durch gesunkene Sicherheitenwerte. Die zugrunde liegenden Immobilien wurden häufig zu hohen Preisen erworben und die Kredite wurden bislang wenig getilgt.
Die Kreditvergabestandards in der privaten Wohnimmobilienfinanzierung weisen gegenüber dem Vorjahr eher geringe Veränderungen auf. Das Augenmerk liegt dabei insbesondere auf dem Verhältnis aus Darlehensvolumen und Immobilienwert (Loan-to-Value, LTV) und dem Schuldendienst des Kreditnehmers im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen (Debt-Service-to-Income, DSTI). Gemäß Daten der Kreditvermittlungsplattform Interhyp hatten Kredite mit hoher LTV (90 % und darüber) mit zuletzt 30 % im ersten Halbjahr 2024 einen substanziellen Anteil am Neukreditgeschäft (Schaubild 4.2.12). Der Ausfall eines solchen Kredites führt in der Regel zu einer erheblichen Verlustrate für die Bank. Der Anteil von Neukrediten mit einer hohen DSTI (40 % und darüber) fällt mit 18 % ebenfalls deutlich aus. Kreditnehmer mit einer hohen DSTI neigen stärker dazu, einen Kredit nicht mehr bedienen zu können, wenn sich ihre ökonomische Situation verschlechtert. Nachdem die durchschnittliche LTV neuer Wohnimmobilienkredite im Zuge der Zinswende gesunken war (74 % im Jahr 2023) erhöhte sich der durchschnittliche Fremdmittelanteil im ersten Halbjahr 2024 wieder auf 76 %. Die durchschnittliche DSTI stieg infolge höherer Kreditzinsen ab dem Jahr 2022 etwas an und lag zuletzt im ersten Halbjahr 2024 mit 32 % in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Der Schuldendienst von Neukrediten war zuletzt vergleichsweise stabil, weil die anfänglichen Tilgungsquoten gesunken sind. Die Risikolage bei Neukrediten ist somit gemischt, die verfügbaren Daten deuten jedoch insgesamt nicht auf eine deutlich erhöhte Risikonahme in der privaten Wohnimmobilienfinanzierung hin. 67 Dennoch sollte die weitere Entwicklung von LTV und DSTI aufmerksam verfolgt werden.
Um die Datenlage zur privaten Wohnimmobilienfinanzierung zu verbessern, erhebt die Bundesbank seit dem Jahr 2023 Daten zu den Kreditvergabestandards bei Banken. Zu Beginn der Datenerhebung setzten die meldepflichtigen Institute die vorgegebenen Definitionen nicht einheitlich um. 68 Die Bundesbank vereinbarte daraufhin mit den meldepflichtigen Instituten Maßnahmen, die zur Harmonisierung der für die makroprudenzielle Perspektive zentralen Datengrundlage beitragen sollen. Diese sollen bis Anfang 2025 umgesetzt sein. Die makroprudenzielle Überwachung wird die Daten künftig deshalb verstärkt analysieren.
Neben den Risiken aus dem Realsektor rücken die Auswirkungen der Vernetzung des Bankensektors mit Nichtbank-Finanzintermediären (NBFI) in den Fokus der makroprudenziellen Aufsicht. Von einer direkten Vernetzung wird gesprochen, wenn vertragliche Beziehungen zwischen Finanzintermediären bestehen, zum Beispiel aufgrund von Kreditbeziehungen. Treten Verluste im NBFI-Sektor auf, können sich diese über die vertraglichen Beziehungen auf das deutsche Bankensystem auswirken, unter anderem aufgrund einer höheren Risikovorsorge. Die bilanziellen Forderungen deutscher Banken gegenüber dem globalen NBFI-Sektor beliefen sich zum zweiten Quartal 2024 auf etwa 12 % der aggregierten Bilanzsumme des deutschen Bankensystems. Der NBFI-Sektor ist besonders eng mit den deutschen A-SRI verflochten. Neben den direkten Verflechtungen gibt es indirekte: Hier spielen nicht-vertragliche Transmissionskanäle die entscheidende Rolle, wenn Schocks übertragen werden (siehe Exkurs „Ansteckungskanäle zwischen Banken und Investmentfonds" und Abschnitt 4.3 „Nichtbank-Finanzintermediäre: Verwundbarkeiten und Resilienz").
4.2.4 Banken weisen hohe Kapitalreserven auf
Die Kapitalausstattung des deutschen Bankensystems ist weiterhin solide. Die risikogewichtete CET 1-Quote lag im zweiten Quartal 2024 bei den A-SRI durchschnittlich bei circa 17 %, bei den Sparkassen und Kreditgenossenschaften bei rund 16 % und bei den übrigen kleinen und mittelgroßen Banken bei etwa 20 % (Schaubild 4.2.13). Die CET 1-Quoten übertreffen damit deutlich die regulatorischen Mindestanforderungen. 69 Die Kapitalreserven, also das über die Mindestanforderungen hinaus vorhandene CET 1, bestehen aus den regulatorisch geforderten Kapitalpuffern sowie dem frei verfügbaren und von den Banken selbst gewählten Überschusskapital. Im Unterschied zu Mindestanforderungen dürfen die Kapitalpuffer-Anforderungen in Stressphasen unterschritten werden. Dies ist aus makroprudenzieller Perspektive wünschenswert, da somit einer starken Bilanzverkürzung entgegengewirkt wird, die gegebenenfalls die Kreditvergabe beeinträchtigt. Werden die Kapitalpuffer-Anforderungen unterschritten, hat dies jedoch ein Gewinn-Ausschüttungsverbot zur Folge. 70
Dank ihrer Kapitalreserven können die meisten Banken auch größere Verluste verkraften, ohne die regulatorischen Mindestanforderungen zu unterschreiten. Dies bestätigt eine Erhebung der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei kleinen und mittelgroßen Banken (LSI-Stresstest). 71 Das makroprudenzielle Maßnahmenpaket, das im Januar 2022 beschlossen wurde, hat zur guten Kapitalisierung beigetragen (Schaubild 4.2.13). 72 Das Maßnahmenpaket wurde seinerzeit angesichts hoher Verwundbarkeiten im Bankensektor eingeführt. Dazu zählten eine dynamische Kreditvergabe, eine mögliche Unterschätzung von Kreditrisiken sowie potenziell überbewertete Vermögenswerte. Im Zuge dieses Maßnahmenpakets wurde der antizyklische Kapitalpuffer erhöht und der sektorale Systemrisikopuffer angeordnet. 73 Die kombinierten Anforderungen dieser beiden Puffer betragen im Aggregat 0,7 % der risikogewichteten Aktiva (Schaubild 4.2.13). Allerdings ist die Höhe der faktisch nutzbaren Puffer geringer, da die Puffer durch parallel geltende ungewichtete Kapitalanforderungen aus der Minimum Leverage Ratio eingeschränkt sein können. 74
4.2.5 Die ausgewiesene Resilienz könnte überschätzt sein
Die stillen Lasten im Zinsbuch gehen zurück, aber sind bei vielen Instituten immer noch vorhanden. Nach der Phase stark steigender Zinsen verzeichneten die Banken teilweise erhebliche stille Lasten. Der Wert von Anleihen sank teils deutlich. Da die Banken vielfach einen Großteil davon im Anlagevermögen halten, mussten diese Wertverluste nur in geringerem Umfang bilanziert werden. 75 Dies schonte das Eigenkapital der Banken. Die nicht ausgewiesenen Wertverluste bei Wertpapieren machten bei A-SRI Ende 2022 4,1 % des CET 1 aus und lagen Ende 2023 noch bei 2,2 %. Bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken lassen sich die stillen Lasten nicht nur bei Wertpapieren, sondern im gesamten Zinsbuch, das insbesondere auch Buchkredite umfasst, abschätzen. Sie betrugen im zweiten Quartal 2024 bei den Sparkassen 6 % des CET 1 (gegenüber 20 % im dritten Quartal 2022) und bei den Genossenschaftsbanken 15 % des CET 1 (gegenüber 29 % im dritten Quartal 2022). Stille Lasten beeinträchtigen die Resilienz des Bankensystems insbesondere dadurch, dass sie den ökonomischen Wert des Eigenkapitals mindern. Müssten Positionen mit stillen Lasten aufgelöst werden, so würden die bis dahin verdeckten Wertminderungen aufgedeckt und entsprechende Verluste realisiert.
Die Resilienz könnte auch deswegen überschätzt werden, weil die durchschnittlichen Risikogewichte bei A-SRI trotz erhöhter konjunktureller Risiken weiterhin niedrig sind. A-SRI ermitteln ihre Eigenmittelanforderungen im Kreditgeschäft in der Regel mithilfe eigener Modelle. Damit berechnen sie unter anderem die Ausfallwahrscheinlichkeiten ihrer Kreditnehmer (siehe Abschnitt 4.2.3 „Die Verluste im Kreditgeschäft steigen deutlich an"). Auf Basis der Ausfallwahrscheinlichkeiten werden die Risikogewichte für die einzelnen Kreditforderungen und damit die risikogewichteten Aktiva im Kreditgeschäft bestimmt. Die risikogewichteten Aktiva bilden den Nenner der risikogewichteten CET 1-Quote.
Die niedrigen durchschnittlichen Risikogewichte bei A-SRI sind Folge einer günstigen Risikoeinschätzung. Im letzten Jahrzehnt haben sich die durchschnittlichen Risikogewichte im Kreditportfolio der großen, systemrelevanten Banken kaum verändert (Schaubild 4.2.14), insbesondere nicht bei Unternehmenskrediten. Auch nach Zunahme der Unternehmensinsolvenzen seit Ende 2021 (Schaubild 4.1.10) ist kein Anstieg zu verzeichnen. Dies ist nicht zuletzt eine Folge der von den Banken niedrig eingeschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten von Krediten (Schaubild 4.2.7). Falls diese Ausfallwahrscheinlichkeiten unterschätzt sind, könnte die Resilienz des Bankensystems nach Maßgabe der Eigenkapitalquoten überschätzt sein.
Exkurs
Digitaler Euro: Auswirkungen auf Bankenliquidität und Finanzierungskosten
Auswirkungsanalysen zur Einführung eines digitalen Euro (D€) und ihre methodische Weiterentwicklung sind eine zentrale Aufgabe der Bundesbank. Mit dem Beschluss des EZB-Rats vom 18. Oktober 2023 startete das Eurosystem eine auf zwei Jahre angelegte erste Vorbereitungsphase für die Einführung des D€. Aktuell liegt der Fokus des Eurosystems unter anderem auf Auswirkungsanalysen zu Haltegrenzen für den D€. Eine Haltegrenze ist ein Höchstbetrag an D€ pro Einleger. Damit soll verhindert werden, dass Bankeinlagen in großem Umfang in einen D€ umgeschichtet werden. Dies könnte andernfalls die Bankenliquidität und Finanzstabilität beeinträchtigen.
Selbst wenn alle Einleger ihre Guthaben bis zu einer Haltegrenze von 3 000 € umschichten würden, wären die Auswirkungen auf die Liquidität im deutschen Bankensektor begrenzt. In der Analyse wird auf ein Szenario aus dem Vorjahr Bezug genommen, in dem Einleger den Umfang der Haltegrenzen voll ausschöpfen (Maximalszenario). 1 Zentral ist dabei der Liquiditätspuffer, der sich aus der Liquiditätsdeckungsquote ableitet (Liquidity Coverage Ratio, LCR). Der Puffer ergänzt die LCR um nicht-erstklassige liquide, aber zentralbankfähige Sicherheiten sowie kurzfristig verfügbare Liquidität innerhalb der Verbünde. Der Liquiditätspuffer der einzelnen Banken wird dem möglichen Abzug von Einlagen bei Einführung eines D€ gegenübergestellt. Reicht der Puffer nicht aus, um den Abzug von Einlagen zu decken, entsteht eine Liquiditätslücke. Laut aktuellen Daten haben im Maximalszenario bei einer Haltegrenze von 3 000 € nur etwa 4 % der Banken in Deutschland eine Liquiditätslücke (Schaubild 4.2.15, links). 2 Zudem bleibt die Liquiditätslücke relativ klein (Schaubild 4.2.15, rechts). So müssten die betroffenen Banken im Aggregat zur Deckung der Liquiditätslücke 0,3 % an zusätzlichen erstklassigen liquiden Aktiva aufbauen. Der vergleichsweise kleine Liquiditätsbedarf (rund 0,5 % des Interbankenhandels im vierten Quartal 2023) könnte über den Interbankenhandel bereitgestellt werden. Eine ergänzende Analyse für den Euroraum verdeutlicht, dass bei einer Haltegrenze von 3 000 € zusätzlich eine geringe Anzahl Banken aus dem Euroraum von einer Liquiditätslücke betroffen wäre. Bei einer Haltegrenze von 1 000 € hat fast keine Bank im Euroraum eine Lücke.
Wird bei einer Haltegrenze von 3 000 € im Maximalszenario die Verteilung der Einlagenguthaben in der Bevölkerung berücksichtigt, so verringern sich die Liquiditätsauswirkungen um rund drei Viertel. Umfragedaten der Bundesbank legen nahe, dass nur etwa 50 % der Haushalte in Deutschland überhaupt mehr als 3 000 € dauerhaft auf ihren Girokonten halten. 3 Eine Vollausschöpfung bei einer Haltegrenze von 3 000 € wäre daher nur für diese Haushalte möglich. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass alle Einleger ihre Guthaben auflösen und vollständig in einen D€ umschichten. Weitere Umfragen deuten darauf hin, dass selbst bei Stress im Bankensektor Einleger bereit wären, nur rund ein Fünftel ihrer Guthaben in einen D€ zu transferieren. 4 Dies zeigt, dass Haushalte bereit sind, in D€ umzuschichten – allerdings nicht in vollem Umfang. Wenn zusätzlich zur Guthabenverteilung der aus den Umfragen ermittelte teilweise Einlagenabzug bei Stress im Bankensektor berücksichtigt wird, hätte nahezu keine Bank bei einer Haltegrenze von 3 000 € eine Liquiditätslücke.
Wenn Banken ihre Refinanzierungsstruktur anpassen, könnten sie die strukturellen Auswirkungen durch die Einführung eines D€ merklich verringern. Eine Analyse der Bundesbank zeigt, welchen Zielkonflikten Banken sich bei einem strukturellen Anpassungsprozess an einen D€ gegenübersehen. Dabei bleiben Begleitmaßnahmen der Zentralbank zur Einführung eines D€ unberücksichtigt. Der Fokus liegt daher darauf, wie Banken ihre Refinanzierungsstruktur anpassen können. Grundsätzlich könnten Banken Einlagenabflüsse in einen D€ durch einen Abbau ihres Liquiditätspuffers bedienen und ihre Bilanz verkürzen. Dadurch würden sie alternative, teurere Finanzierungen vermeiden. Allerdings erhöht ein geringerer Liquiditätspuffer das Risiko, illiquide zu werden. Dadurch steigen insgesamt die Kreditrisikoprämien für Wholesale-Finanzierung, beispielsweise Marktfinanzierung, und damit die Finanzierungskosten der Banken. 5 Diese Kosten erhöhen sich besonders dann stark, wenn sich der Liquiditätspuffer den regulatorischen Mindestanforderungen annähert. 6
Um dies zu vermeiden, können Banken ihre Finanzierungsstrategien in zweifacher Hinsicht anpassen. Sie können erstens die Einlagenzinsen anheben, um Einlagenabflüsse hin zum D€ zu reduzieren. 7 Zweitens können sie ihre Marktfinanzierung zum Beispiel durch die Emission von Bankanleihen auf dem Kapitalmarkt ausweiten, um Einlagenabflüsse zu kompensieren. Die Finanzierungskosten hängen nichtlinear von beiden Finanzierungsstrategien ab, da gleichzeitig Preis- und Volumeneffekte wirken. Eine Auswertung für eine repräsentative Bank aus der Gruppe kleiner und mittelgroßer Institute zeigt, dass bei einer Haltegrenze von 3 000 € die Finanzierungskosten am höchsten sind, wenn die Bank weder die Einlagenzinsen erhöht noch die Marktfinanzierung ausweitet (Schaubild 4.2.16, Punkt A). 8 Dieser passive Ansatz führt zu hohen Einlagenabflüssen und erhöhten Refinanzierungskosten der bestehenden Marktfinanzierung. Durch eine aktive Anpassung, bei der beide Finanzierungsstrategien ausgewogen kombiniert werden, kann der Anstieg der Finanzierungskosten hingegen minimiert werden (Schaubild 4.2.16, Punkt B).
4.3 Nichtbank-Finanzintermediäre: Verwundbarkeiten und Resilienz
Nichtbank-Finanzintermediäre (NBFI) erfüllen wichtige Funktionen im deutschen Finanzsystem, indem sie Ersparnisse bündeln, die Realwirtschaft und Haushalte finanzieren und gegen Risiken absichern. Der NBFI-Sektor ist heterogen und umfasst Fonds, Versicherer und Pensionseinrichtungen sowie sonstige Finanzinstitute. 76 NBFI tragen als aktive Investoren zur Preisbildung an den Finanzmärkten bei. Zudem finanzieren sie Unternehmen sowie private und öffentliche Haushalte und ergänzen damit das Bankensystem, das in Deutschland weiterhin den Großteil der Finanzierung bereitstellt (siehe Abschnitt 4.3.1 „Strukturwandel im Finanzsystem führt zu steigender Bedeutung von Nichtbank-Finanzintermediären"). 77 Über Investmentfonds können Anleger ihr Risiko streuen, indem sie in eine Vielzahl von Wertpapieren investieren. Zudem haben Anleger über Investmentfonds Zugang zu spezialisierten Anlageklassen und zu Fachwissen. Versicherer bieten privaten Haushalten und Unternehmen Schutz vor finanziellen Risiken. Dies kann zur Stabilität des Finanzsystems beitragen, denn die finanziellen Auswirkungen von unvorhergesehenen Ereignissen werden diversifiziert und dadurch für den Einzelnen tragbar. Zusätzlich tragen Erst- und Rückversicherer durch ihre Expertise im Risikomanagement zur angemessenen Bepreisung von Risiken im Finanzsystem bei.
Die deutschen NBFI haben die Zinsanstiegsphase gut bewältigt, doch bestehen bei ihnen Liquiditätsrisiken fort. Angesichts der aktuellen Risikolage auf dem Gewerbeimmobilienmarkt sind insbesondere Liquiditätsrisiken von offenen Immobilienfonds bedeutsam für die Finanzstabilität, die zumindest bei offenen Publikums-Immobilienfonds in Deutschland durch Mindesthalte- und Kündigungsfristen begrenzt werden (siehe Abschnitt 4.3.4 „Liquiditätsrisiken bei offenen Immobilienfonds werden durch Kündigungs- und Mindesthaltefristen verringert"). Innerhalb der deutschen NBFI spielen zudem Lebensversicherer eine wichtige Rolle, da sie hohe Kapitalanlagen haben und in der Vergangenheit hohe Zinsgarantien gegeben haben. Die Resilienz der Lebensversicherer, gemessen an der regulatorischen Solvenz nach Solvency II, ist seit dem Zinsanstieg im Jahr 2022 und auch angesichts der jüngsten Zinssenkungen hoch (siehe Abschnitt 4.3.3 „Trotz solider Eigenmittel könnten Lebensversicherer in Stressphasen das Finanzsystem weniger stark stabilisieren als bisher"). Gleichzeitig bildeten sich jedoch stille Lasten in den handelsrechtlichen Bilanzen der Lebensversicherer. Diese erhöhen Liquiditätsrisiken für Lebensversicherer und mindern gleichzeitig ihre Anreize, in Stressphasen bei stark gefallenen Preisen Wertpapiere zu kaufen. Dadurch könnten Lebensversicherer das Finanzsystem in den nächsten Jahren weniger stark stabilisieren als bisher.
Auch europäische und globale NBFI sind wichtig für die Finanzstabilität in Deutschland, da die deutschen Finanzintermediäre eng mit ausländischen NBFI verflochten sind. Seit der globalen Finanzkrise sind die NBFI insbesondere in Europa stark gewachsen (siehe Abschnitt 4.3.1 „Strukturwandel im Finanzsystem führt zu steigender Bedeutung von Nichtbank-Finanzintermediären"). Gleichzeitig ist die Verflechtung von deutschen Banken und Fonds mit ausländischen NBFI gestiegen. Dies eröffnet direkte und indirekte Ansteckungskanäle zwischen Banken und Fonds (siehe folgenden Exkurs „Ansteckungskanäle zwischen Banken und Investmentfonds").
Exkurs
Ansteckungskanäle zwischen Banken und Investmentfonds
Ansteckungskanäle zwischen Banken und Investmentfonds entstehen sowohl aus direkter als auch indirekter Vernetzung. 1 Direkte Ansteckungskanäle entstehen über vertragliche Beziehungen aus Finanzierungsinstrumenten, etwa Krediten, Aktien, Fondsanteilen oder Derivaten. Führt zum Beispiel ein realwirtschaftlicher Schock dazu, dass der Wert eines Investmentfonds einbricht, so wirkt sich dies direkt auf Banken aus, die die entsprechenden Fondsanteile halten. Investmentfonds können Schocks aber auch auf Banken übertragen, wenn sie nicht über vertragliche Beziehungen verbunden sind. Dies geschieht über indirekte Ansteckungskanäle. Verkauft ein Fondsmanager beispielsweise Wertpapiere infolge eines Liquiditätsschocks, kann der Preis der Wertpapiere dadurch fallen. Ein Preisverfall wirkt sich indirekt auf Banken und andere Finanzintermediäre aus, die gleiche oder ähnliche Papiere in der Bilanz haben. Die wachsende Portfolioähnlichkeit im Fondssektor (Portfolio-Overlap) kann Preiseffekte bei Notverkäufen und damit indirekte Ansteckungsrisiken erhöhen (siehe Abschnitt 4.3.5 „Steigende Verflechtung innerhalb des Fondssektors kann Resilienz der offenen Wertpapierfonds schwächen"). 2
Ein europäisches Stresstestmodell quantifiziert diese Ansteckungskanäle für Banken und Investmentfonds und zeigt, dass die Ansteckungseffekte zwischen Banken und Investmentfonds signifikant sein können. 3 Das Modell behandelt ein exemplarisches realwirtschaftliches Stressszenario. Es zeigt, dass Verluste für Banken unterschätzt werden, wenn Ansteckungseffekte, die von Investmentfonds ausgehen, nicht berücksichtigt werden. So verringern sich zum Beispiel die Kapitalquoten der Banken im betrachteten Stressszenario im Schnitt um einen Prozentpunkt, wenn im Modell zusätzlich zu Banken auch Investmentfonds berücksichtigt werden. Der Großteil der Verluste ergibt sich aus indirekten Ansteckungseffekten, da Banken und Fonds gleiche oder ähnliche Wertpapiere halten. Daher ist der Blick auf das gesamte Finanzsystem notwendig, um die direkte und indirekte Vernetzung zwischen verschiedenen Sektoren des Finanzsystems zu berücksichtigen.
Die Ergebnisse aus diesem europäischen Stresstestmodell lassen sich nicht eins zu eins auf das deutsche Finanzsystem übertragen, sind aber aufgrund der länderübergreifenden Vernetzung für das deutsche Finanzsystem relevant. Im Vergleich zu anderen europäischen Fondssektoren gibt es in Deutschland einen großen Anteil von Ein-Anleger-Spezialfonds (siehe Abschnitt 4.3.1 „Strukturwandel im Finanzsystem führt zu steigender Bedeutung von Nichtbank-Finanzintermediären"). Diese Fonds haben ein geringeres Liquiditätsrisiko im Vergleich zu anderen Fonds. Dadurch sind Notverkäufe und die daraus resultierenden Ansteckungseffekte weniger wahrscheinlich. Mögliche Ansteckungseffekte zwischen Banken und Investmentfonds in Deutschland sind derzeit noch nicht in einem integrierten Stresstestmodell quantifiziert. Da deutsche Banken und andere Finanzintermediäre zudem eng mit ausländischen NBFI vernetzt sind, ist sowohl eine sektor- als auch länderübergreifende Perspektive wichtig, um Transmissionskanäle zu analysieren. Nur so können Zweitrundeneffekte aus dem Ausland für die Analyse der deutschen Finanzstabilität quantifiziert werden. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist der internationale Austausch von Daten (siehe Abschnitt 4.4.3 „Makroprudenzielle Überwachung des Nichtbank-Finanzsektors sollte gestärkt werden").
Direkte Ansteckungsrisiken für das deutsche Bankensystem bestehen unter anderem über Derivateverflechtungen mit ausländischen Hedgefonds. So sind einzelne große deutsche Banken stark mit Hedgefonds vernetzt, die einen hohen Verschuldungsgrad aufweisen. Ein hoher Anteil der Derivate zwischen Banken und Hedgefonds wird zudem bilateral abgewickelt, sodass die betroffenen Kontrahenten hohe Anforderungen an ihr Risikomanagement stellen müssen. Gerät ein Hedgefonds in Zahlungsschwierigkeiten, können große Verluste bei Banken entstehen, die an den Derivategeschäften beteiligt sind. Dies verdeutlicht der Fall des amerikanischen Family Offices "Archegos Capital Management", das wie ein Hedgefonds agierte und im Jahr 2021 in Zahlungsschwierigkeiten geriet. Obwohl die internationale Finanzstabilität in diesem Fall nicht gefährdet war, erlitten einige Kreditinstitute Verluste in Milliardenhöhe. Die begrenzten Melde- und Offenlegungspflichten für Family Offices 4 in den USA erschweren, solche Risiken zu identifizieren. 5
Insbesondere ausreichend kapitalisierte europäische Banken stützen in Stressphasen die Fonds ihrer konzerneigenen Fondsgesellschaften. Ähnlich wie im europäischen Ausland gehören in Deutschland Fondsgesellschaften vor allem zu großen Bank- und Versicherungskonzernen. Insbesondere ausreichend kapitalisierte europäische Banken stützen in Stressphasen die konzerninternen Fonds, indem sie deren Anteilsscheine kaufen, wenn andere Investoren diese zurückgeben. 6 Dieses Verhalten kann weitere Mittelabflüsse aus den Fonds begrenzen und dadurch die Resilienz des Fondssektors stärken. Entscheidend für die Resilienz des Finanzsystems ist, inwiefern die stützenden Banken die Risiken in den Fonds angemessen einschätzen und tragen können.
4.3.1 Strukturwandel im Finanzsystem führt zu steigender Bedeutung von Nichtbank-Finanzintermediären
Der NBFI-Sektor ist weltweit und auch in Deutschland seit der globalen Finanzkrise deutlich gewachsen. Global und im Euroraum halten NBFI rund die Hälfte der finanziellen Aktiva. 78 Im Euroraum ist dieser Anteil seit der globalen Finanzkrise um rund 18 Prozentpunkte gestiegen. Zudem stellen NBFI im Euroraum rund 40 % der Finanzierung der Realwirtschaft bereit, insbesondere die direkte Kreditvergabe durch NBFI wächst. 79 Deutsche NBFI, also Versicherer und Pensionseinrichtungen, Fonds sowie sonstige Finanzinstitute, halten zusammen rund 40 % der finanziellen Aktiva des deutschen Finanzsystems (Schaubild 4.3.1). Der Anteil von NBFI am deutschen Finanzsystem ist seit dem Jahr 2009 um 15 Prozentpunkte angestiegen und damit etwas weniger stark als im übrigen europäischen Finanzsystem. Der Bankensektor spielt im deutschen Finanzsystem weiterhin die größte Rolle und hält 49 % der finanziellen Aktiva.
Im internationalen Vergleich ist die Finanzierung der Realwirtschaft in Deutschland trotz des Wachstums von NBFI weiterhin vorwiegend bankbasiert. 80 In Deutschland stammen rund 32 % der Finanzierung der Realwirtschaft von Krediten deutscher Banken, während Kredite von deutschen NBFI nur rund 8 % ausmachen. Zusätzlich finanzieren deutsche NBFI die Realwirtschaft über den Kauf von Kapitalmarktinstrumenten wie Unternehmensanleihen. Die europäische Kapitalmarktunion hat unter anderem das Ziel, den Zugang der Realwirtschaft zum Kapitalmarkt weiter zu stärken, auch für kleine und mittlere Unternehmen. Dadurch können Unternehmen ihre Finanzierungsquellen stärker diversifizieren und ihre Abhängigkeit von Bankkrediten verringern. Dies kann positive Auswirkungen auf die Finanzstabilität und die Realwirtschaft haben. Eine Voraussetzung dafür ist, dass neben dem Bankensektor auch der NBFI-Sektor resilient ist, insbesondere in Stressphasen. 81 Daher ist es wichtig, die makroprudenzielle Überwachung des bedeutender werdenden NBFI-Sektors zu stärken (siehe Abschnitt 4.4.3 „Makroprudenzielle Überwachung des Nichtbank-Finanzsektors sollte gestärkt werden").
Der deutsche NBFI-Sektor unterscheidet sich strukturell von den globalen und europäischen NBFI-Sektoren. Die größten NBFI in Deutschland sind Wertpapierfonds mit etwa 12 % und Lebensversicherer mit etwa 6 % der finanziellen Aktiva des deutschen Finanzsystems. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist der Anteil von Geldmarkt- und Hedgefonds in Deutschland mit weniger als 0,1 % der finanziellen Aktiva sehr gering. Ausländische Geldmarkt- und Hedgefonds spielen aufgrund ihrer Verflechtung mit dem deutschen Finanzsystem allerdings eine wichtige Rolle (siehe Exkurs „Ansteckungskanäle zwischen Banken und Investmentfonds"). 82 Der deutsche Investmentfondssektor besteht zu rund 54 % des gesamten Fondsvermögens aus Ein-Anleger-Fonds. Diese Fonds haben nur einen einzigen, institutionellen Anleger, der daher keinen Anreiz hat, seine Mittel früher als andere Anleger aus dem Fonds abzuziehen. Vor allem deutsche Lebensversicherer haben seit der globalen Finanzkrise immer mehr über Fonds investiert, vorwiegend über Ein-Anleger-Fonds, um ihre bilanziellen Gewinne zu steuern. Eine Analyse der Bundesbank bestätigt, dass Versicherer in Stressphasen weniger Mittel aus Fonds abziehen als Banken und andere Investmentfonds, gleiches gilt für private Haushalte. Gleichzeitig werden Investmentfonds in Deutschland jedoch zunehmend wichtige Halter anderer Fonds. Diese Verflechtung innerhalb des Fondssektors kann die Resilienz von Fonds in Stressphasen schwächen (siehe Abschnitt 4.3.5 „Steigende Verflechtung innerhalb des Fondssektors kann Resilienz der offenen Wertpapierfonds schwächen").
Europäische und globale NBFI sind wichtig für die Finanzstabilität in Deutschland, da sie eng mit dem deutschen Finanzsystem verflochten sind. Da die Kreditvergabe an die deutsche Realwirtschaft hauptsächlich über Banken erfolgt, sind Ansteckungsrisiken von NBFI für die deutschen Banken besonders relevant. Diese Risiken können sich aus direkten und indirekten, also nicht-vertraglichen, Verflechtungen ergeben (siehe Exkurs „Ansteckungskanäle zwischen Banken und Investmentfonds"). Die direkten, bilanziellen Forderungen deutscher Banken gegenüber dem globalen NBFI-Sektor betrugen zum zweiten Quartal 2024 etwa 12 % der aggregierten Bilanzsumme des deutschen Bankensystems. 83 Seit Jahresende 2019 ist dieser Anteil um ein Fünftel gestiegen. Die Verbindlichkeiten deutscher Banken gegenüber dem globalen NBFI-Sektor sind im gleichen Zeitraum um gut 2 Prozentpunkte auf mittlerweile 13 % der aggregierten Bilanzsumme gestiegen. Globale NBFI sind somit sowohl für die Refinanzierung als auch für die Anlagerisiken von deutschen Banken wichtig. Die direkte und indirekte Verflechtung zwischen deutschen Banken und globalen NBFI rückt zunehmend in den Fokus der makroprudenziellen Aufsicht. Vorhandene Daten zu NBFI sollten künftig europaweit zwischen makroprudenziellen Behörden geteilt werden, ebenso sollte der globale Datenaustausch verbessert werden (siehe Abschnitt 4.4.3 „Makroprudenzielle Überwachung des Nichtbank-Finanzsektors sollte gestärkt werden").
4.3.2 Lebensversicherer haben erhöhte, aber verkraftbare Liquiditäts- und Anlagerisiken
Bei den deutschen Lebensversicherern bauen sich Verwundbarkeiten aus stillen Lasten deutlich langsamer ab als bei Banken. Wie im Bankensektor haben sich durch den Zinsanstieg im Jahr 2022 stille Lasten in der HGB-Bilanz der Lebensversicherer gebildet, da der Marktwert festverzinslicher Kapitalanlagen unter den Buchwert gesunken ist (Schaubild 4.3.2). 84 Aufgrund der langen Laufzeiten der Aktiva sind die stillen Lasten bei Lebensversicherern wesentlich höher als bei Banken. So betragen die stillen Lasten der Lebensversicherer im zweiten Quartal 2024 rund 9 % der Kapitalanlagen zu Buchwerten (Schaubild 4.3.2, oben). Mehr als 80 % der deutschen Lebensversicherer haben stille Lasten (Schaubild 4.3.2, unten). Da die langfristigen Zinsen im dritten Quartal 2024 geringfügig gesunken sind, dürften auch die stillen Lasten etwas zurückgegangen sein. Den stillen Lasten stehen Mittel aus der frei werdenden Zinszusatzreserve gegenüber. 85 Laut einer Umfrage der BaFin planen die Lebensversicherer, die ab dem Jahr 2026 vermehrt frei werdende Zinszusatzreserve teilweise dafür zu nutzen, stille Lasten zu realisieren. 86 Dennoch bleiben laut dieser Umfrage bei unveränderten Kapitalmarktbedingungen stille Lasten noch bis zum Ende des Prognosehorizonts im Jahr 2036 bestehen. Damit sinken die stillen Lasten bei deutschen Lebensversicherern deutlich langsamer als bei Banken.
Die stillen Lasten erhöhen die Liquiditätsrisiken im deutschen Lebensversicherungssektor. Für die Lebensversicherer und ihre Kunden wirken sich die höheren Marktzinsen nur allmählich in der Neu- und Wiederanlage aus. Die Wertpapieranlagen der Lebensversicherer stammen überwiegend noch aus der Niedrigzinsphase und sind daher trotz der jüngsten Zinssenkungen überwiegend niedriger verzinst als am Markt gehandelte Wertpapiere. Das begrenzt die Attraktivität von Lebensversicherungen im Vergleich zu anderen Kapitalanlagen. 87 Bei Kündigung hingegen sehen deutsche Lebensversicherungen oft feste, vom Zinsniveau unabhängige, Rückkaufswerte vor. Somit fallen bei einer Kündigung keine Abschläge an, wenn die Wertpapieranlagen im Wert gesunken sind und stille Lasten bestehen. Daher kann es sich für Versicherungsnehmer lohnen, ihre Policen zu kündigen und die Beträge am Kapitalmarkt anzulegen. 88
Das Risiko einer Kündigungswelle bei deutschen Lebensversicherern erscheint jedoch weiterhin begrenzt. Die Vertragsstornierungen bei deutschen Lebensversicherern bewegen sich derzeit auf einem etwas höheren Niveau als vor dem Zinsanstieg. 89 Laut einer Umfrage der Bundesbank würden die Stornoquoten in Deutschland aber erst dann massiv steigen, wenn risikoarme Bankanlagen eine jährliche Rendite von mindestens 6 % versprächen. 90 In Deutschland enthalten Lebensversicherungsverträge zudem oft eine Absicherung gegen andere Risiken, zum Beispiel gegen Berufsunfähigkeit. Das mindert die Anreize der Kunden, ihre Lebensversicherung zu stornieren. Das Risiko einer Kündigungswelle bei deutschen Lebensversicherern bleibt daher begrenzt, kann aber bei besonders ungünstigen Entwicklungen, beispielsweise wenn mehrere Schocks zusammen auftreten, nicht ausgeschlossen werden (siehe Abschnitt 4.1.6 „Das makrofinanzielle Umfeld bleibt herausfordernd"). Um mögliche Liquiditätsrisiken bei Lebensversicherern in Stressphasen begrenzen zu können, sieht die geplante Anpassung von Solvency II zusätzliche Befugnisse für die makroprudenzielle Aufsicht vor (siehe Abschnitt 4.4.3 „Makroprudenzielle Überwachung des Nichtbank-Finanzsektors sollte gestärkt werden").
Aufgrund von Liquiditätsrisiken und einer inversen Zinsstrukturkurve haben Lebensversicherer kurzfristiger investiert. Die durchschnittliche Laufzeit von Festzinstiteln in der Neu- und Wiederanlage sank von fast 21 Jahren im Jahr 2021 auf etwas über 13 Jahre im Jahr 2023. Insgesamt gibt es bisher nur wenig Daten zum Liquiditätsrisiko bei Lebensversicherern. Durch die geplanten Änderungen im Regulierungsrahmen Solvency II könnten künftig mehr Informationen zur Liquidität verfügbar sein (siehe Abschnitt 4.4.3 „Makroprudenzielle Überwachung des Nichtbank-Finanzsektors sollte gestärkt werden").
Anlagerisiken aus Gewerbeimmobilien konzentrieren sich bei einigen Lebensversicherern, scheinen aber für den Sektor insgesamt überschaubar. So hielten deutsche Lebensversicherer im Juni 2024 Anlagen in Gewerbeimmobilien von knapp 80 Mrd €, dies entspricht gut 7 % ihrer gesamten Kapitalanlagen. Rund ein Drittel der Anlagen in Gewerbeimmobilien sind Investitionen über Fremdkapitalinstrumente wie Kredite und Anleihen. Eigenkapitalinstrumente machen hingegen zwei Drittel aus. Darunter fallen auch Anlagen in Immobilienfonds, die insgesamt 23 % der Anlagen in Gewerbeimmobilien von deutschen Lebensversicherern ausmachen (siehe Abschnitt 4.3.4 „Liquiditätsrisiken bei offenen Immobilienfonds werden durch Kündigungs- und Mindesthaltefristen verringert"). Eingetretene Marktwertverluste wurden in den Portfolios teilweise bereits berücksichtigt. 91 Weitere Bewertungsverluste würden Lebensversicherer sehr unterschiedlich betreffen. So sind bei etwa einem Drittel der Lebensversicherer die Überschusseigenmittel höher als die gesamten Anlagen in Gewerbeimmobilien. Einige Lebensversicherer sind jedoch mit mehr als dem Dreifachen ihrer Überschusseigenmittel in Gewerbeimmobilien investiert und daher besonders verwundbar.
4.3.3 Trotz solider Eigenmittel könnten Lebensversicherer in Stressphasen das Finanzsystem weniger stark stabilisieren als bisher
Die regulatorische Eigenmittelausstattung der Lebensversicherer ist solide. Durch den Zinsanstieg sind die Solvenzquoten ohne Übergangsmaßnahmen der Lebensversicherer ab dem Jahr 2022 gestiegen (Schaubild 4.3.3). 92 Ausschlaggebend dafür ist, dass die Verbindlichkeiten der Lebensversicherer deutlich längere Laufzeiten aufweisen als die Kapitalanlagen. 93 Dadurch verlieren die Verbindlichkeiten bei einem Zinsanstieg stärker an Wert als die Kapitalanlagen. Im zweiten Quartal 2024 betrug die regulatorische Solvenzquote der deutschen Lebensversicherer im Median gut 300 %. 94 Selbst die 10 % am schwächsten kapitalisierten Lebensversicherer wiesen immerhin noch eine Solvenzquote von knapp 200 % auf. Damit haben deutsche Lebensversicherer, auch angesichts der jüngsten Zinssenkungen, ausreichende Eigenmittel.
Aufgrund ihrer lang laufenden Verbindlichkeiten können Lebensversicherer kurzfristige Wertschwankungen im Normalfall ignorieren und antizyklisch investieren. 95 Dies dämpft Schocks im Finanzsystem und trägt so zur Resilienz bei. Eine wichtige Voraussetzung für dieses antizyklische Handeln in Stressphasen ist eine ausreichende Eigenmittelausstattung der Lebensversicherer. Bei knapper Eigenmittelausstattung könnten Lebensversicherer in Stressphasen riskante Kapitalanlagen veräußern, um ihre Solvenzquote zu verbessern. 96 Damit würden sie den Schock an den Finanzmärkten prozyklisch verstärken und die Resilienz des Finanzsystems schwächen. 97 Seit dem Zinsanstieg im Jahr 2022 weisen alle deutschen Lebensversicherer eine solide Solvenzquote auf. Daher haben Lebensversicherer derzeit geringe Anreize, in Stressphasen prozyklisch zu handeln, um ihre Solvenzquoten zu verbessern.
Seit dem Zinsanstieg verringern jedoch stille Lasten die Anreize der Lebensversicherer, antizyklisch zu handeln und dadurch in Stressphasen Schocks im Finanzsystem zu dämpfen. So kaufen und verkaufen Lebensversicherer seit dem Jahr 2022 deutlich weniger festverzinsliche Wertpapiere als im Niedrigzinsumfeld (Schaubild 4.3.4). Der Grund hierfür kann sein, dass Lebensversicherer ihre bilanziellen Gewinne steuern. 98 Im Niedrigzinsumfeld mussten Lebensversicherer eine Zinszusatzreserve aufbauen und haben daher ihre Portfolios umgeschichtet, um stille Reserven zu realisieren. 99 Seit dem Zinsanstieg haben Lebensversicherer jedoch stille Lasten und müssen keine weitere Zinszusatzreserve mehr aufbauen (siehe Abschnitt 4.3.2 „Lebensversicherer haben erhöhte, aber verkraftbare Liquiditäts- und Anlagerisiken"). Um ihre bilanziellen Gewinne zu optimieren, könnten Lebensversicherer vermeiden, Kapitalanlagen mit stillen Lasten zu veräußern. Denn dadurch würde das handelsrechtliche Kapitalanlageergebnis sinken und damit auch die Überschussbeteiligung der Versicherten und die Ausschüttung an Aktionäre. 100 Um die Attraktivität von Lebensversicherungsverträgen und ihren Aktien nicht zu schmälern, könnten Lebensversicherer daher davon absehen, aktiv zu handeln. Zwar würden die Lebensversicherer dann auch keine Schocks verstärken, aber eben auch nicht wie bisher dämpfen. Analysen der Bundesbank zeigen, dass der deutsche Versicherungssektor, der maßgeblich von Lebensversicherern geprägt ist, seit dem Zinsanstieg im Jahr 2022 eher seltener antizyklisch gehandelt hat als zuvor. 101 Im dritten Quartal sanken die langfristigen Zinsen zwar, jedoch nur geringfügig. Sofern die langfristigen Zinsen nicht deutlich sinken, werden die stillen Lasten der Lebensversicherer aufgrund des langsamen Pull-to-Par-Effekts auch künftig nur langsam zurückgehen. 102 In der Folge erhöhen sich die Anreize der Lebensversicherer, in Stressphasen als stabilisierende Investoren aufzutreten, künftig nur in kleinen Schritten. Insgesamt könnten Lebensversicherer daher in den nächsten Jahren in Stressphasen weniger stark stabilisierend auftreten als bisher.
Bei einem stärkeren Abschwung im Gewerbeimmobilienmarkt dürften Lebensversicherer derzeit als stabilisierendes Element wegfallen. (siehe Abschnitt 4.1.2 „Abschwung des Finanzzyklus verlangsamt sich") Lebensversicherer haben trotz des Preisrückgangs weiterhin stille Reserven in ihren Anlagen in Gewerbeimmobilien. Aufgrund von Transaktionskosten und dem langfristigen Anlagehorizont der Lebensversicherer ist es bei der aktuellen Risikolage nicht sehr wahrscheinlich, dass sie in großem Umfang Gewerbeimmobilien verkaufen, nur um stille Reserven zu heben und ihre bilanziellen Gewinne zu steuern. 103 Selbst wenn Lebensversicherer Schocks am Gewerbeimmobilienmarkt daher nicht verstärken, würden sie Schocks derzeit auch nicht dämpfen und entfallen in diesem Segment ebenfalls als stabilisierende Akteure.
4.3.4 Liquiditätsrisiken bei offenen Immobilienfonds werden durch Kündigungs- und Mindesthaltefristen verringert
Bei offenen Immobilienfonds bestehen Liquiditätsrisiken, die Schocks am Gewerbeimmobilienmarkt verstärken können. Offene Immobilienfonds investieren typischerweise in Gewerbeimmobilien. Diese sind illiquide Anlagen, deren Veräußerung häufig mehrere Monate dauern kann. Deswegen halten Immobilienfonds liquide Mittel, um Anteilsscheinrückgaben bedienen zu können. Aus deutschen offenen Publikums-Immobilienfonds sind zuletzt auch deshalb netto Mittel abgeflossen, weil Anleger bei alternativen Investitionen höhere Renditen im Verhältnis zum eingegangenen Risiko erwarten. In der Folge ist das Vermögen deutscher offener Publikums-Immobilienfonds leicht gesunken (Schaubild 4.3.5). Bei offenen Spezial-Immobilienfonds hat sich das Fondsvermögen zuletzt kaum verändert. Dies dürfte auf die im Vergleich zu Publikumsfonds geringere Anzahl an Anlegern und dadurch bedingte Anreizstrukturen zurückzuführen sein. 104 Hohe Netto-Mittelabflüsse bei offenen Immobilienfonds können die Preisrückgänge am Gewerbeimmobilienmarkt verstärken, sofern die Fonds gezwungen sind, Immobilien in einem illiquiden Transaktionsmarkt zu veräußern (siehe Abschnitt 4.1.2 „Abschwung des Finanzzyklus verlangsamt sich"). Wenn die Manager von Immobilienfonds in dieser schwierigen Marktsituation zuerst die leichter verkäuflichen Vermögenswerte veräußern und die weniger attraktiven im Fonds behalten, verschlechtert sich das Risiko-Rendite-Verhältnis für die verbleibenden Anleger. Damit haben die Fondsanleger einen Anreiz, bei Problemen möglichst früh Mittel abzuziehen (First-Mover Advantage). Bislang war dieser Verstärkungskanal dadurch begrenzt, dass die Risiken im Gewerbeimmobilienmarkt bei nur wenigen Finanzintermediären eingetreten sind und regulatorische Vorgaben die Liquiditätsrisiken der Publikums-Immobilienfonds begrenzen.
Die bestehenden Liquiditätspuffer der deutschen Immobilienfonds mindern die Liquiditätsrisiken. Die liquiden Mittel deutscher Publikums-Immobilienfonds, also Bankguthaben, Geldmarktfondsanteile und liquide Wertpapiere, liegen deutlich über der regulatorisch geforderten Liquiditätsquote von 5 % des Fondsvermögens. 105 Allein Bankguthaben machten zuletzt im gewichteten Mittel rund 11 % des Vermögens von offenen Publikums-Immobilienfonds aus. Allerdings gibt es eine große Streuung dieses Anteils im Immobilienfondssektor, sodass einige Fonds anfälliger gegenüber Liquiditätsrisiken aus Nettomittelabflüssen sind.
Mindesthalte- und Kündigungsfristen begrenzen die Liquiditätsrisiken von deutschen Publikums-Immobilienfonds. Die in Deutschland im Jahr 2013 eingeführten Kündigungs- und Mindesthaltefristen begrenzen zum Teil die Liquiditätsrisiken für Publikums-Immobilienfonds, indem sie sie vor starken Ad-hoc-Mittelabflüssen schützen. Anleger in Publikums-Immobilienfonds müssen seitdem Anteilsscheinrückgaben zwölf Monate im Voraus ankündigen, und es gilt eine Mindesthaltedauer von 24 Monaten. 106 Fonds erhalten dadurch im Regelfall mehr Zeit, um rechtzeitig auf angekündigte Anteilsscheinrückgaben reagieren zu können. Zudem können die Mindesthalte- und Kündigungsfristen die Anlegerbasis von offenen Immobilienfonds dahingehend verändern, dass eher Anleger mit einem sehr langfristigen Anlagehorizont investieren. Insgesamt wird dadurch das prozyklische Verhalten von Immobilienfonds in einem Abschwung gedämpft und das Risiko von Verstärkungseffekten am Gewerbeimmobilienmarkt gemindert. Für offene Spezial-Immobilienfonds gelten die Kündigungs- und Mindesthaltefristen nicht.
4.3.5 Steigende Verflechtung innerhalb des Fondssektors kann Resilienz der offenen Wertpapierfonds schwächen
Offenen Wertpapierfonds fließen weiter netto Mittel zu, aber Liquiditätsrisiken bestehen fort. 107 Die Netto-Mittelzuflüsse seit Januar 2024 betragen knapp 17 Mrd € und damit rund 0,7 % des aggregierten Fondsvermögens. Liquiditätsrisiken bei offenen Wertpapierfonds entstehen, weil Anleger ihre Anteile häufig innerhalb eines Tages zurückgeben können, die liquiden Mittel der Fonds aber üblicherweise begrenzt sind. Anleger können deshalb in Stressphasen einen Anreiz haben, ihre Mittel frühzeitig abzuziehen, zulasten verbleibender Anleger. Zudem verkaufen Fondsmanager in Stressphasen tendenziell mehr Aktiva als sie müssten, um die Netto-Mittelabflüsse zu bedienen. Denn in Stressphasen möchten sie ihre liquiden Mittel erhöhen (Cash-Hoarding). 108 Insgesamt handeln offene Wertpapierfonds daher in Stressphasen meist prozyklisch und können Schocks verstärken. Bei Wertpapierfonds sollten Liquiditätsrisiken daher durch Liquiditätsmanagementinstrumente begrenzt werden (siehe Abschnitt 4.4.3 „Makroprudenzielle Überwachung des Nichtbank-Finanzsektors sollte gestärkt werden").
Die steigende Verflechtung innerhalb des Fondssektors kann dazu führen, dass offene Wertpapierfonds Schocks im Finanzsystem verstärken. 109 Wertpapierfonds halten Anteile von anderen Wertpapierfonds zur Diversifikation ihres Portfolios und als liquide Mittel (Cross-Fund-Holdings). Denn Anteile von Wertpapierfonds können kurzfristig zurückgegeben werden. Diese Verflechtung innerhalb des Fondssektors ist seit der globalen Finanzkrise in vielen bedeutenden Fonds-Jurisdiktionen gestiegen (Schaubild 4.3.6). In Deutschland machten Anteile anderer Fonds zuletzt sogar 23 % des Fondsvermögens aus. Analysen der Bundesbank zeigen, dass die Fonds durch die Cross-Fund-Holdings aber überwiegend in volatilere oder illiquidere Wertpapiere investieren als bei ihrer Direktanlage. 110 Wenn ein Fondsmanager seine Anteile an anderen Fonds nun aufgrund der kurzfristigen Rückgabemöglichkeit als liquide Mittel betrachtet, überschätzt er die Liquiditätsausstattung seines Fonds in Stressphasen. Durch die gestiegenen Cross-Fund-Holdings werden Renditen im gesamten Fondssektor prozyklischer und volatiler. Zudem sind sich die Portfolios einzelner Fonds durch das gegenseitige Halten von Fondsanteilen viermal ähnlicher als sie es wären, wenn die Fonds sie nicht gegenseitig halten würden. In der Folge sind Fonds stärker gleichgerichtet von Schocks betroffen. Dies erhöht Ansteckungsrisiken.
4.4 Gesamteinschätzung und Implikationen für die makroprudenzielle Politik
4.4.1 Deutsches Finanzsystem hat den außergewöhnlich starken Zinsanstieg gut verkraftet
Das deutsche Finanzsystem hat die Phase stark steigender Zinsen insgesamt gut verkraftet und war auch im vergangenen Jahr stabil. Der Zinshöhepunkt ist mittlerweile überschritten; im Juni 2024 begann die EZB die Leitzinsen zu senken. Die Transmission des Zinsanstiegs im Bankensystem dürfte weitgehend abgeschlossen sein. Bei den Lebensversicherern wirken sich die höheren Marktzinsen erst allmählich aus, da die meisten Festzinstitel im Bestand noch aus der Niedrigzinsphase stammen. Die stillen Lasten, die sich während des Zinsanstiegs in den Bilanzen der Finanzintermediäre aufgebaut hatten, sinken mittlerweile, bei Lebensversicherern jedoch langsamer als bei Banken. Bestehende stille Lasten erhöhen die Liquiditätsrisiken und mindern die Resilienz des Finanzsystems. Müssten die Banken die nicht ausgewiesenen Verluste realisieren, wären die vergleichsweise hohen Eigenkapitalquoten niedriger. Bei Lebensversicherern mindern stille Lasten die Anreize, in Stressphasen als stabilisierende Käufer am Finanzmarkt wie in der Vergangenheit aufzutreten.
Die hohen Verwundbarkeiten, die sich in der langen Niedrigzinsphase im deutschen Finanzsystem aufgebaut hatten, gehen bislang geordnet zurück, allerdings nur allmählich. Die Verwundbarkeiten im deutschen Finanzsystem bleiben substanziell. Angesichts einer verbesserten Schuldentragfähigkeit und einer robusten Widerstandskraft privater Haushalte sinken aber die Risiken aus Wohnimmobilienfinanzierungen für Banken und Versicherer tendenziell. Der nichtfinanzielle Unternehmenssektor befindet sich aufgrund struktureller Herausforderungen und der verhaltenen konjunkturellen Entwicklung jedoch nach wie vor in schwierigem Fahrwasser. Zudem steht bei einem Teil der bestehenden Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte die Refinanzierung zu höheren Zinssätzen noch aus. Wenn sich das makrofinanzielle Umfeld wie erwartet entwickelt und nicht weiter verschlechtert, ist jedoch mit keinem starken Anstieg der Kreditausfälle zu rechnen. Insgesamt dürften Wertberichtigungsquoten, insbesondere bei Bankkrediten an Unternehmen, zwar in den kommenden Quartalen noch weiter steigen. Dies sollte jedoch für die Banken verkraftbar bleiben.
Erhöhte Finanzstabilitätsrisiken gehen weiterhin vom Gewerbeimmobilienmarkt aus. Die Preise für Gewerbeimmobilien sind in der ersten Hälfte des Jahres 2024 nicht weiter zurückgegangen, das Risiko weiterer Preisrückgänge bleibt jedoch erhöht. Wertberichtigungen aus Engagements mit Gewerbeimmobilienbezug sind deutlich gestiegen. Anlagerisiken aus Gewerbeimmobilien scheinen für den Banken- und Versicherungssektor insgesamt verkraftbar, sind bei einigen Intermediären jedoch stark konzentriert. Offene Publikums-Immobilienfonds in Deutschland verzeichnen trotz der Mindesthalte- und Kündigungsfristen jüngst Netto-Mittelabflüsse. Sollten diese Abflüsse Verkäufe nötig machen, könnte dies die Situation am Gewerbeimmobilienmarkt verschärfen. Lebensversicherer dürften aufgrund der stillen Lasten bei einem verstärkten Abschwung am Gewerbeimmobilienmarkt kaum als Investoren auftreten.
Das Risiko adverser Entwicklungen bleibt angesichts aktueller geopolitischer Spannungen hoch. Geopolitische Spannungen können das Finanzsystem sowohl über das makrofinanzielle Umfeld als auch unmittelbar treffen, etwa wenn es zu schwerwiegenden Cyberangriffen kommt. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nehmen Cyberangriffe auf den Finanzsektor deutlich zu. Diese Cyberangriffe haben bisher nur moderate Schäden verursacht. Dennoch wird die Angriffsfläche durch die fortschreitende Digitalisierung und die hohe operationelle Vernetzung tendenziell größer, nicht zuletzt durch die zunehmende Nutzung spezialisierter IT-Dienstleistungen und Softwareprodukte.
Das makroprudenzielle Maßnahmenpaket mit dem antizyklischen Kapitalpuffer und dem sektoralen Systemrisikopuffer von Januar 2022 bleibt angesichts der Gesamtrisikolage weiter angemessen. 111 Die Unsicherheit im makrofinanziellen Umfeld ist nach wie vor erhöht und Verwundbarkeiten bestehen fort. Vor diesem Hintergrund stärkt der antizyklische Kapitalpuffer (Countercyclical Capital Buffer, CCyB) die Widerstandsfähigkeit des Bankensystems gegen zyklische Risiken. Der sektorale Systemrisikopuffer wirkt zusätzlich den spezifischen Risiken am Immobilienmarkt entgegen, die nicht vollständig durch den antizyklischen Kapitalpuffer adressiert werden können. Allerdings bauen sich die Verwundbarkeiten hier nur allmählich ab. Insgesamt ist ein geordneter Abbau der Verwundbarkeiten am Wohnimmobilienmarkt wahrscheinlicher geworden. Die makroprudenzielle Aufsicht wird die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich beobachten.
4.4.2 Die makroprudenzielle Politik in Europa entwickelt sich weiter
Um eine dauerhafte Resilienz der Banken zu gewährleisten, muss die makroprudenzielle Aufsicht gerade auch in Stressphasen handlungsfähig bleiben. Ein wichtiges Instrument makroprudenzieller Politik sind freigebbare Kapitalpuffer, wie im derzeitigen Maßnahmenpaket in Deutschland und anderen europäischen Ländern vorgesehen. Im Unterschied zu mikroprudenziellen Kapitalanforderungen können diese Kapitalpuffer im Krisenfall herabgesetzt werden. Dies reduziert die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Anpassungen, nämlich, dass Banken bei Kapitalverlusten ihr Kreditangebot reduzieren. Damit die freigebbaren Puffer ihren Zweck erfüllen können, müssen sie ausreichend hoch sein.
Vor diesem Hintergrund hat eine Reihe europäischer Länder ihre makroprudenzielle Strategie für den Bankensektor angepasst. Vor der Corona-Pandemie wurde der antizyklische Kapitalpuffer in vielen Ländern nur zögerlich und in geringem Maße aufgebaut (Schaubild 4.4.1). Daher war der makroprudenzielle Handlungsspielraum bei Ausbruch der Pandemie eingeschränkt. Viele Länder haben den CCyB daher nach der Pandemie frühzeitig wieder aktiviert, vielfach auf einem Niveau, das deutlich über demjenigen vor der Pandemie liegt. Einige Länder haben zudem sehr grundlegend ihre Strategie geändert, wie sie den CCyB festlegen. Sie führten eine explizite Zielquote für den CCyB ein. Diese ist auch dann gültig, wenn zyklische Risiken nicht erhöht sind. Sollten die zyklischen Risiken stark steigen, wird dann von der Zielquote aus eine weitere Erhöhung des CCyB erwogen. Diese Länder wählen ihre positive neutrale Quote (PNQ) zwischen 0,5 % und 2 % (Schaubild 4.4.2). Analysen der Bundesbank bestätigen, dass ein rechtzeitiger Aufbau freigebbarer Puffer die Wahrscheinlichkeit von Bilanzverkürzungen deutlich reduziert. Daher fördert ein früher und vorausschauender Aufbau freigebbarer Puffer grundsätzlich die Finanzstabilität. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten hierfür sind gering, wenn die Aufbauphase so gewählt wird, dass die Banken die Kapitalpuffer durch einbehaltene Gewinne aufbauen (siehe folgenden Exkurs „Der ökonomische Nutzen freigebbarer Kapitalpuffer und die Positive Neutrale Quote"). 112
Der Wohnimmobiliensektor ist vielfach Auslöser von krisenhaften Entwicklungen; daher sollte das makroprudenzielle Politik-Instrumentarium diesbezüglich ergänzt werden. Derzeit kann die BaFin keine Obergrenzen für einkommensbezogene Kreditvergabestandards festlegen. Mit einem vollständigen Instrumentarium könnte die BaFin systemische Gefahren für die Finanzstabilität gezielt begrenzen, die durch steigende Immobilienpreise, wachsende Wohnimmobilienkreditbestände und nachlassende Kreditvergabestandards entstehen. 113
Exkurs
Der ökonomische Nutzen freigebbarer Kapitalpuffer und die Positive Neutrale Quote
Ein strukturelles Modell für den Bankensektor des Euroraums illustriert, dass durch freigebbare Kapitalpuffer die krisenbedingte Einschränkung des Kreditangebots deutlich unwahrscheinlicher und gesamtwirtschaftlich weniger gravierend wird. 1 Besonders in Zeiten, in denen Banken sehr hohe Verluste verzeichnen, zeigen sich die Vorteile freigebbarer Kapitalpuffer. Die Eigenkapitalquoten im Bankensystem könnten in Verlustphasen so stark zurückgehen, dass die Banken die aufsichtlich einzuhaltenden Quoten unterschreiten oder zu unterschreiten drohen. Das Bankensystem stößt damit an harte Bilanzbeschränkungen. 2 Die regulatorischen Eigenkapitalanforderungen können dann nur durch eine starke Bilanzverkürzung eingehalten werden, etwa indem Wertpapiere verkauft, Kredite oder Kreditlinien nicht verlängert werden oder die Neukreditvergabe eingeschränkt wird. Eine Freigabe verfügbarer Kapitalpuffer, die zuvor in ausreichender Höhe aufgebaut wurden, kann diese Bilanzbeschränkung lockern und eine übermäßige Krediteinschränkung reduzieren oder sogar verhindern. Die Modellsimulationen zeigen, dass freigebbare Puffer von 1 % der risikogewichteten Aktiva die Wahrscheinlichkeit, dass Kapitalanforderungen unterschritten werden, auf rund 3 % senken. Ohne freigebbare Puffer läge die Wahrscheinlichkeit bei mehr als 10 %. 3 Ein Puffer von 2,5 % senkt die Wahrscheinlichkeit auf etwa 1 % (Schaubild 4.4.3).
Das Risiko, dass Banken das Kreditangebot stark reduzieren, würde mit freigebbaren Puffern deutlich sinken. Im Modell wird ein Fall extremer Verluste betrachtet. Laut den Simulationen könnte in diesem Szenario die Kreditvergabe ohne Puffer mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 % um mehr als 20 % einbrechen (Schaubild 4.4.3). Mit freigebbaren Kapitalpuffern von 2,5 % würde die Kreditvergabe unter denselben extremen Bedingungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 % jedoch nur um etwa 6 % zurückgehen.
Eine formalisierte Zielquote ist dabei ein möglicher Weg, dass freigebbare Puffer frühzeitig und mit möglichst geringen Kosten aufgebaut werden. Im Modell können die Auswirkungen einer Positiven Neutralen Quote (PNQ) untersucht werden. Dafür wird eine Regel formuliert, nach der ein antizyklischer Kapitalpuffer immer dann bis zur vorgegebenen Zielquote aufgebaut wird, wenn der Bankensektor ausreichend Gewinne erzielt und Dividenden ausschüttet. In solchen Zeiten können Banken die Eigenkapitalquote leicht erhöhen, indem sie in jeder Periode einen Teil der Gewinne einbehalten und damit etwa Kredite finanzieren. Wie schnell dabei die Puffer auf die PNQ-Zielquote aufgebaut werden, hängt somit auch von der Profitabilität des Bankensektors ab: Bei einer sehr guten Gewinnlage kann die PNQ zügig zur Zielquote aufgebaut werden, wohingegen bei mäßiger Gewinnlage eine längere Aufbauphase nötig ist. Die Kosten der PNQ entstehen, weil Banken einen größeren Anteil ihrer Kreditvergabe durch Eigenmittel finanzieren müssen. Im Modell steigen die Kreditzinsen nur leicht: Wenn eine PNQ von 1 % (2,5 %) eingeführt wird, steigen die Kreditzinsen im Euroraum von durchschnittlich 4,42 % ohne Puffer um 0,12 (0,25) Prozentpunkte.
4.4.3 Makroprudenzielle Überwachung der Nichtbank-Finanzintermediäre sollte gestärkt werden
Die makroprudenzielle Perspektive in der Überwachung und Regulierung von Nichtbank-Finanzintermediären (NBFI) ergänzt die bislang vorrangig mikroprudenziell ausgerichtete Regulierung. Die makroprudenzielle Perspektive auf NBFI ist wichtig, insbesondere um die Liquiditätsrisiken und Ansteckungsrisiken aus der Verflechtung analysieren und begrenzen zu können (siehe Abschnitt 4.3 „Nichtbank-Finanzintermediäre: Verwundbarkeiten und Resilienz"). In Deutschland, mit seinem bankbasierten Finanzsystem, sind insbesondere Ansteckungsrisiken auf die Banken wichtig für die von NBFI ausgehenden Finanzstabilitätsrisiken (siehe Exkurs „Ansteckungskanäle zwischen Banken und Investmentfonds"). Der Schwerpunkt in der makroprudenziellen Politik sollte sein, die Resilienz von NBFI vorbeugend zu stärken. Ein umfassender Ansatz für die makroprudenzielle Perspektive auf NBFI könnte sowohl auf Entitäten abzielen, also Arten von NBFI, wie im derzeitigen makroprudenziellen Rahmenwerk, sowie ergänzend auf Aktivitäten. Dies trägt der Vielfalt der Aktivitäten und Risiken in diesem Sektor Rechnung. Die makroprudenzielle Überwachung und Regulierung von Versicherern ist weiter fortgeschritten als die von Fonds.
In der europäischen Regulierung von Versicherern, Solvency II, sind neue Befugnisse für die makroprudenzielle Aufsicht geplant, um die Resilienz des Versicherungssektors zu stärken. 114 Die im politischen Prozess erzielte Einigung sollte zeitnah vom nationalen Gesetzgeber umgesetzt werden. Diese sieht ein Bündel an Maßnahmen vor, das die Solvenz- und Liquiditätsrisiken im Versicherungssektor begrenzt und dadurch die Resilienz des ganzen Finanzsystems stärken kann. So kann die Aufsicht bei erheblichen Liquiditätsrisiken die Rückzahlungen aus Lebensversicherungsverträgen zeitlich befristet aussetzen. Dies kann Liquiditätsrisiken von Lebensversicherern in Stressphasen begrenzen und dadurch prozyklischem Handeln entgegenwirken. Zudem sollen Datenlücken geschlossen werden, indem die Versicherer künftig Indikatoren zum Liquiditätsrisiko entwickeln, Liquiditätsrisiko-Managementpläne erstellen und ihre unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (Own Risk and Solvency Assessment, ORSA) um makroprudenziell relevante Szenariorechnungen erweitern. 115
Auch die EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen (Insurance Recovery and Resolution Directive, IRRD) trägt dazu bei, Finanzstabilitätsrisiken im Finanzsystem in Stresssituationen zu mindern. 116 Die Richtlinie verlangt harmonisierte Sanierungs- und Abwicklungsinstrumente für die größten Versicherer und stärkt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der nationalen Abwicklungsbehörden. 117 Die neuen Regeln können helfen, in Stresssituationen frühzeitig grenzüberschreitend zu reagieren und negative Folgen einer drohenden Insolvenz eines großen Versicherers zu mildern. 118
Eine global koordinierte und konsistente Regulierung von Fonds ist wichtig. Der Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board, FSB) empfiehlt, Instrumente zum Liquiditätsmanagement in Fonds sowie angemessene Rückgabefristen einzuführen, um die Liquiditätsrisiken von Fonds zu begrenzen, sofern solche noch nicht geschaffen worden sind. (siehe Abschnitt 4.3 „Nichtbank-Finanzintermediäre: Verwundbarkeiten und Resilienz"). 119 Zudem empfiehlt der FSB, die Resilienz von Geldmarktfonds zu stärken. Die Europäische Kommission führt bis zum 22. November 2024 eine Konsultation zum Anpassungsbedarf in der makroprudenziellen Politik für NBFI durch. Aus Sicht der Bundesbank sollten die FSB-Empfehlungen zeitnah in Europa umgesetzt werden. Zudem sollte das makroprudenzielle Instrumentarium für NBFI zielgerichtet ausgebaut und systemweite Top-Down-Stresstests im Euroraum eingeführt werden. Hierfür ist der Austausch von granularen Daten innerhalb Europas essenziell.
Angesichts der länderübergreifenden Verflechtung von Fonds benötigt die makroprudenzielle Aufsicht eine Gesetzesgrundlage für den europäischen Datenaustausch. Die hohe Verflechtung des deutschen Finanzsystems mit europäischen und globalen Fonds führt dazu, dass nationale Fondsdaten nicht ausreichen, um Risiken für die deutsche Finanzstabilität umfassend zu beurteilen. Beispielsweise kann die nationale makroprudenzielle Aufsicht Ansteckungsrisiken aus dem europäischen Ausland derzeit nur schwer einschätzen, da Daten zu den Fonds in anderen europäischen Ländern nicht geteilt werden. Zudem erschweren Datenlücken zu sonstigen Finanzinstituten die Einschätzung von Risiken bei Verbriefungszweckgesellschaften und unternehmenseigenen Finanzierungseinrichtungen. 120 Die Bundesbank setzt sich daher dafür ein, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen verbesserten Datenzugang und -austausch für die nationalen makroprudenziellen Behörden in Europa geschaffen werden. Art und Umfang des Datenzugangs und -austausches müssen dafür noch konkretisiert werden. Über den europäischen Prozess hinaus ist auch eine Grundlage für den internationalen Datenaustausch erstrebenswert.
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