Überblick Monatsbericht – Mai 2025

1 Weltwirtschaft

1.1 Weltwirtschaft im Zollsturm

Die Weltwirtschaft war zu Jahresbeginn 2025 noch in solider Verfassung. Vorzieheffekte in Erwartung zusätzlicher US-Zölle scheinen den Welthandel und die globale Industrieproduktion sogar vorübergehend stimuliert zu haben. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass die Wirtschaftsleistung im Euroraum im abgelaufenen Quartal merklich zulegte. In China blieb das Wachstumstempo vorerst solide. In den USA sank das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Umfeld des sprunghaften Anstiegs der Einfuhren zwar leicht, andere Indikatoren zeigten aber noch keine maßgebliche Beeinträchtigung der Konjunktur an.

Ab dem Frühjahr dürfte der protektionistische Schwenk der US-Handelspolitik zunehmend auf der Weltwirtschaft lasten. Die handelspolitische Unsicherheit war bereits seit der Wahl des neuen US-Präsidenten erheblich angestiegen. Anfang 2025 hatte die neue US-Regierung dann begonnen, erste Zusatzzölle auf Einfuhren aus verschiedenen Ländern zu erheben. Weitere Zollanhebungen folgten. Zum Teil kam es zu Vergeltungsmaßnahmen der Handelspartner. Teils wurden die Zollanhebungen später wieder zurückgenommen. Im Handel zwischen den USA und China waren die gegenseitigen Zollsätze vorübergehend prohibitiv hoch. Zuletzt war der durchschnittliche Effektivzollsatz der USA gegenüber allen Handelspartnern um mehr als 13 Prozentpunkte höher als zum Jahresbeginn und damit auf dem höchsten Stand seit den 1930er Jahren. 1 Vielen Handelspartnern der USA drohen ab Juli weitere Zollanhebungen, sofern Verhandlungen über eine Neugestaltung der bilateralen Handelsbeziehungen scheitern. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die neuen Zölle und die anhaltende handelspolitische Unsicherheit die Weltwirtschaft zunehmend belasten. Gemäß Unternehmensumfragen trübten sich die Geschäftserwartungen nicht nur im Verarbeitenden Gewerbe, sondern auch im Dienstleistungsbereich in den letzten Monaten deutlich ein. 

1.2 Disinflation schreitet voran, in einzelnen Ländern Risiken aufgrund der Zölle

Angesichts der eingetrübten Nachfrageaussichten gaben die Rohstoffpreise auf breiter Front nach. Dies gilt insbesondere für die Energierohstoffpreise. Ein Fass der Sorte Brent kostete zum Abschluss dieses Berichts 66 US-$ und damit rund 13 % weniger als noch im Februar. Neben dem verschlechterten weltwirtschaftlichen Ausblick trug dazu die Entscheidung einiger OPEC-Staaten bei, ihre Ölförderung stark auszuweiten. Die europäischen Gaspreise sanken ebenfalls merklich. Auch die Preise für Industrie- und Nahrungsmittelrohstoffe ermäßigten sich zuletzt etwas.

Der globale Disinflationsprozess schreitet voran, in den USA dürften die Zollanhebungen jedoch weiteren Fortschritten entgegenstehen. Unter dem Einfluss der gesunkenen Energiepreise schwächte sich der Verbraucherpreisanstieg in den Industrieländern bis April auf 2,4 % im Vorjahresvergleich ab. Die ohne Energie und Nahrungsmittel berechnete Kernrate gab leicht auf 2,8 % nach. Perspektivisch dürften die massiven Zollanhebungen der USA die dortigen Verbraucherpreise in die Höhe treiben. In anderen Industrieländern sollten die niedrigen Rohstoffpreise und die Aufwertung ihrer Währungen gegenüber dem US-Dollar den weiteren Disinflationsprozess in den nächsten Monaten eher unterstützen. 

2 Finanzmarktumfeld

2.1 Unruhe an den Finanzmärkten durch die US-Politik

Die internationalen Finanzmärkte wurden ebenfalls stark von den politischen Entwicklungen in den USA beeinflusst. So lösten die US-Zollankündigungen Anfang April gravierende Finanzmarktreaktionen aus, die wohl auch zeigten, dass zumindest vorübergehend das Vertrauen in den "Safe haven"-Status der US-Währung beschädigt war. Zum Teil vermuteten die Marktteilnehmer hinter diesem Politikvorstoß auch einen weiter gefassten wirtschaftspolitischen Versuch, das US-Handelsbilanzdefizit über einen schwächeren US-Dollar zu verringern. Diese Wahrnehmung wurde dadurch verstärkt, dass der US-Präsident wiederholt Vertreter der US-Notenbank öffentlich und teils scharf kritisierte. Marktteilnehmer rechneten aus all diesen Gründen mit beträchtlichen Wachstums- und Anlagerisiken für die US-Wirtschaft. Die aufkommenden Sorgen führten zu einer äußerst ungewöhnlichen Finanzmarktreaktion: Der US-Dollar geriet auf breiter Basis unter merklichen Abwertungsdruck. Gleichzeitig brach der Risikoappetit der Investoren ein, was zu kräftigen Verlusten am Aktienmarkt bei hoher Finanzmarktvolatilität führte, und die Kurse von US-Staatsanleihen gaben spürbar nach. Die Reaktion wich damit qualitativ von den sonst üblichen "Safe haven"-Bewegungen unter Finanzmarktstress ab, bei denen der US-Dollar aufwertet und US-Treasuries an Wert gewinnen. 

2.2 Hohe Unsicherheit an den Märkten für Staatsanleihen

Die internationalen Staatsanleiherenditen entwickelten sich bei hoher Unsicherheit uneinheitlich. Zu Beginn des ersten Quartals 2025 dominierte die Sorge der Marktteilnehmer vor einer weiteren deutlichen Konjunkturabkühlung. Die Zollankündigungen der US-Regierung verstärkten diese Entwicklungen, stoppten den vorangegangenen Rückgang der US-Renditen aber abrupt und sorgten für einen sprunghaft steigenden US-Renditevorsprung gegenüber Bundeswertpapieren. Hierzu trug bei, dass die Bundesanleiherenditen deutlich fielen, da sie von den Anlegern als sicherer Hafen betrachtet wurden. Über den gesamten Berichtszeitraum betrachtet standen dem aber die Einflüsse der hohen geplanten Fiskalausgaben für Verteidigung und Infrastruktur in Deutschland und im Rest des Euroraums gegenüber, die für sich genommen aus Sicht der Marktteilnehmer mit mittelfristigen Wachstumsimpulsen einhergehen und dadurch vor allem das Bild höherer längerfristiger Realzinsen stützten. Auch der erwartete zunehmende Streubesitz von Bundesanleihen angesichts des erwarteten Emissionsvolumens trug zu dem Renditeanstieg bei. 

2.3 Zeitweise starke Kurseinbrüche an den Aktienmärkten

Durch die US-Politik nahm der Risikoappetit unter den Marktteilnehmern zeitweise markant ab. Der Markt für riskante Finanzmarktanlagen geriet damit massiv unter Druck. So kam es mit den Zollankündigungen zu kräftigen Aktienkursverlusten, zunehmenden Renditeaufschlägen bei Unternehmensanleihen und einem außergewöhnlich starken Anstieg der impliziten Aktienmarktvolatilitäten. Die Ankündigung der US-Regierung, eine Vielzahl von Zöllen temporär auszusetzen, führte dann aber wieder zu einer Gegenbewegung und trug zu kräftigen Kursgewinnen bei, die die vorangegangenen Verluste mehr als wettmachten. Das Potenzial für Abwärtskorrekturen bei weiteren Volten der US-Wirtschaftspolitik bleibt weiter beachtlich. Bei vergleichsweise günstigen Gewinnaussichten europäischer Unternehmen lastete die mit der US-Zollpolitik weiterhin verbundene Unsicherheit vor allem auf den US-Gewinnerwartungen. Insgesamt legten die US-amerikanischen Aktienkurse leicht zu, während europäische Aktien kräftige Kursgewinne verzeichneten.

3 Geldpolitik und Bankgeschäft

3.1 EZB-Rat senkt Leitzinsen zwei weitere Male ab

Auf seinen geldpolitischen Sitzungen im März und April 2025 beschloss der EZB-Rat zwei weitere Zinssenkungen. Der Zinssatz für die Einlagefazilität, mit dem der EZB-Rat den geldpolitischen Kurs steuert, notiert nun bei 2,25 %. Der EZB-Rat begründete die Zinssenkungen vor allem mit dem gut voranschreitenden Disinflationsprozess: Die Inflation hat sich im Wesentlichen im Einklang mit den im März neu erstellten Projektionen entwickelt. Der EZB-Rat betonte in seiner Kommunikation die außergewöhnlich hohe Unsicherheit, die derzeit von den internationalen Spannungen und ihren möglichen Folgen für den Euroraum ausgeht. Insbesondere in einer solchen Situation wird die weitere Festlegung des angemessenen geldpolitischen Kurses von der Datenlage abhängen und weiterhin von Sitzung zu Sitzung erfolgen. 

3.2 Kreditvergabe im Euroraum erholte sich weiter

Der Anstieg des breit gefassten Geldmengenaggregats M3 setzte sich im ersten Quartal 2025 fort; die Kreditvergabe erholte sich weiter. Die monetäre Dynamik stabilisierte sich zunehmend; die Jahreswachstumsrate von M3 lag Ende März bei 3,6 %. Der Zuwachs zu M3 stammte insbesondere aus Zuflüssen zu täglich fälligen Einlagen, während die übrigen kurzfristigen Einlagen erneut rückläufig waren. Ursächlich hierfür waren die fortgesetzten Leitzinssenkungen, die den Renditevorteil kurzfristiger Termineinlagen inzwischen erkennbar reduziert haben. Auf der Entstehungsseite bildete die Kreditvergabe der Banken an heimische Nichtbanken den mit Abstand bedeutendsten Gegenposten zum Geldmengenwachstum. Ausschlaggebend dafür war die Kreditvergabe an private Haushalte. Aber auch die Buchkredite an nichtfinanzielle Unternehmen legten weiter zu. Der Fortgang dieser Erholung dürfte nicht zuletzt vom Ausgang der aktuellen Handelskonflikte und ihren Folgen für die einzelnen Mitgliedsländer abhängen. 

3.3 Kreditgeschäft deutscher Banken mit Zuwachs

Das Buchkreditgeschäft deutscher Banken mit dem inländischen nichtfinanziellen Privatsektor wuchs im ersten Quartal spürbar. Die Vergabe von Wohnungsbaukrediten an private Haushalte setzte ihre seit Sommer 2024 beobachtete Erholung fort. Eine optimistischere Einschätzung der privaten Haushalte zu den Aussichten am Wohnimmobilienmarkt sowie der Rückgang des allgemeinen Zinsniveaus förderten in diesem Segment die Kreditnachfrage. Das Kreditgeschäft mit dem nichtfinanziellen Unternehmenssektor blieb dagegen erneut ohne nennenswerten Impuls. Die verhaltene Nachfrage deutscher Unternehmen nach Bankkrediten spiegelt vor allem den unsicheren Wirtschaftsausblick wider. Hierzu passt, dass die Banken laut BLS ihre Kreditrichtlinien im ersten Quartal 2024 erneut – wenngleich marginal – strafften und dies mit den ihrer Ansicht nach gestiegenen Kreditrisiken begründeten.

4 Deutsche Wirtschaft

4.1 Deutsche Wirtschaftsleistung zu Jahresbeginn gestiegen

Die Wirtschaftsleistung in Deutschland erhöhte sich im ersten Quartal 2025 etwas. Laut der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes stieg das reale BIP saisonbereinigt um 0,2 % gegenüber dem Vorquartal, in dem es in gleicher Größenordnung gesunken war. Die Produktion sowohl in der Industrie als auch im Bau legte im ersten Quartal zu. Zu dem Anstieg der Industrieproduktion dürften neben einer insgesamt etwas verbesserten Auftragslage auch Vorzieheffekte aufgrund der angekündigten Anhebungen von Zöllen seitens der US-Regierung beigetragen haben. Die Warenexporte legten aufgrund dieser Effekte ebenfalls deutlich zu. Auch die privaten Konsumausgaben trugen zum Anstieg der wirtschaftlichen Aktivität bei. Sie profitierten noch von den im vergangenen Jahr kräftig gestiegenen Löhnen. Sowohl die höhere Produktion in der Industrie als auch der gestiegene private Konsum dürften die Dienstleister gestützt haben. Trotz des Gegenwinds durch eine hohe wirtschaftspolitische Unsicherheit und eine niedrige Kapazitätsauslastung in der Industrie sind die Ausrüstungsinvestitionen wohl gestiegen. 

4.2 Arbeitsmarkt zum Jahresstart mit wenig Bewegung, Lohnanstieg deutlich abgeschwächt

Der Arbeitsmarkt änderte sich im ersten Quartal kaum. Nachdem sich der Beschäftigungsstand bereits im Herbst seitwärts bewegt hatte, blieb die gesamte Erwerbstätigkeit auch im Berichtsquartal gegenüber dem Vorquartal unverändert. Dabei glichen wie bereits zuvor die Beschäftigungsgewinne in den Dienstleistungen den Rückgang im Produzierenden Gewerbe aus. Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich moderat. Die Aussichten bleiben gedämpft. 

Die Tarifverdienste stiegen im ersten Quartal erheblich schwächer als im Vorquartal. Einschließlich der Nebenvereinbarungen erhöhten sie sich um lediglich 0,9 % gegenüber dem Vorjahr, nach 5,8 % im vierten Quartal 2024. Ausschlaggebend für den niedrigeren Lohnanstieg waren vor allem negative Basiseffekte aus den hohen Inflationsausgleichsprämien im ersten Quartal 2024, die dieses Jahr wegfallen. Werden ausschließlich die Grundvergütungen betrachtet, nahmen die Tarifverdienste im ersten Quartal mit 6,7 % gegenüber dem Vorjahr dagegen ähnlich stark zu wie im vierten Quartal 2024. Die Effektivverdienste stiegen im ersten Quartal voraussichtlich deutlich stärker als die Tarifverdienste.

Die jüngsten Tarifabschlüsse fielen überwiegend niedriger aus als zuvor. Auch die Lohnforderungen gehen allmählich zurück. Aufgrund der wirtschaftlichen Schwächephase, der Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung und gesunkener Inflationsraten wird es wohl weiterhin spürbar niedrigere Abschlüsse geben als in den vergangenen zwei Jahren. Die unabhängige Mindestlohnkommission wird bis Ende Juni eine Empfehlung zur Anpassung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns an die Bundesregierung geben. Die Mindestlohnkommission soll frei und unabhängig abwägen, wie sie ihren gesetzlichen Spielraum nutzt. Käme es, wie teilweise von politischer Seite gefordert und laut Koalitionsvertrag als im Jahr 2026 erreichbar dargestellt, zu einer raschen Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 € je Stunde, hätte dies voraussichtlich deutliche Auswirkungen auf die Tarifverdienste in Handwerk, Bau und arbeitsintensiven Dienstleistungen. Hier würden dann die unteren Lohngruppen wohl spürbar angehoben.

4.3 Die Inflationsrate stieg im ersten Vierteljahr erneut leicht an

Der Preisauftrieb verstärkte sich im ersten Quartal 2025 etwas. Gegenüber dem Vorquartal stiegen die Verbraucherpreise (HVPI) saisonbereinigt um 0,7 %, nach 0,5 % im Schlussquartal 2024. Das lag vor allem an den Dienstleistungen. Außerdem stiegen die Energiepreise im Durchschnitt des ersten Quartals wieder an, nachdem sie in den zwei vorangegangenen Quartalen noch gefallen waren. Sowohl Industriegüter ohne Energie als auch Nahrungsmittel verteuerten sich zum Jahresstart dagegen nur moderat und deutlich weniger kräftig als noch im Schlussvierteljahr 2024. In der Vorjahresbetrachtung stieg die Inflationsrate im ersten Quartal 2025 erneut leicht (auf 2,6 %). Die Kerninflationsrate (HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel) verharrte dagegen bei 3,2 %. 

Im April zogen die Preise insgesamt moderat an. Die Inflationsrate sank leicht von 2,3 % im März auf 2,2 %. Die Kernrate stieg aufgrund der dynamischen Dienstleistungspreise dagegen kräftig von 2,8 % auf 3,1 % an. Auch nach anderen Maßen ist die zugrunde liegende Inflation weiterhin erhöht, verlor aber seit der Hochinflationsphase merklich an Dynamik.

Der Inflationsausblick ist aktuell besonders unsicher; aus gegenwärtiger Sicht dürfte die Inflationsrate in den kommenden Monaten um 2 % schwanken. Die immer noch kräftige Verteuerung der Dienstleistungen sollte allmählich nachlassen. Darüber hinaus dürften die gesunkenen Energiepreise die Inflationsrate dämpfen. Von den im Koalitionsvertrag angekündigten staatlichen Maßnahmen mit direkter Preiswirkung geht weiterer Abwärtsdruck auf die Energiepreise aus (zum Beispiel Senkung der Stromsteuer und Netzentgelte). Allerdings ist noch unklar, wann die Maßnahmen umgesetzt werden. Dann könnte die Inflationsrate in Deutschland für eine Weile unter 2 % fallen. 

4.4 Im zweiten Quartal dürfte die Wirtschaft in etwa stagnieren

Im zweiten Quartal könnte die deutsche Wirtschaft in etwa auf der Stelle treten. Vielfältige Belastungsfaktoren bestehen fort, und mit der verschärften Zollpolitik der US-Regierung kommt zusätzlicher Gegenwind hinzu. Dieser trifft insbesondere die Exportwirtschaft, die ohnehin mit einer schwierigen Wettbewerbsposition und schwacher Nachfrage zu kämpfen hat. Die Auslandsnachfrage nach deutschen Industrieerzeugnissen befindet sich nämlich nach wie vor auf schwachem Niveau. Die Handelspolitik der US-Regierung belastet den Exportausblick nicht nur durch die verhängten oder angedrohten Zölle, sondern auch durch die mit den Finanzmarktreaktionen einhergegangene kräftige Aufwertung des Euro. Kurzfristig könnten zwar drohende noch höhere Zölle weitere Vorzieheffekte zur Folge haben. Grundsätzlich führen vorgezogene Produktion oder Exporte jedoch früher oder später zu einem entsprechenden Rückpralleffekt. Solche Belastungen könnten durchaus schon im laufenden Quartal auftreten. Die mit dem Zollkonflikt verbundene Unsicherheit beeinträchtigt zusätzlich die Planungssicherheit und damit die Investitionsneigung der Unternehmen. Letztere wird zudem durch die immer noch niedrige Kapazitätsauslastung in der Industrie geschwächt. Die Bremswirkung der zuvor erhöhten Finanzierungskosten auf die Investitionen dürfte zwar allmählich auslaufen, die Banken verschärften aber angesichts der unsicheren makroökonomischen Lage ihre Vergaberichtlinien für Unternehmenskredite im ersten Quartal noch einmal marginal. Die Bauinvestitionen könnten in etwa stagnieren. Denn die Nachfrage nach Bauleistungen ist noch nicht so gefestigt, dass schon kurzfristig Impulse zu erwarten sind. Etwas Auftrieb könnte erneut vom privaten Konsum ausgehen. Von den Arbeitseinkommen sind zwar kurzfristig keine Impulse zu erwarten, aber die Verbraucherstimmung hellte sich gemäß Umfragen von GfK im April auf. 

4.5 Maßnahmen des Koalitionsvertrags entfalten wohl erst ab 2026 spürbare Wachstumsimpulse

Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen dürften in den kommenden Jahren konjunkturstützend wirken. Bis neue Infrastrukturprojekte im Bauwesen zusätzliche Aufträge generieren, sind allerdings zunächst Planungs-, Genehmigungs- und Vergabeverfahren zu durchlaufen. Selbst wenn diese deutlich beschleunigt werden sollen, sind spürbare Impulse für die Bauproduktion wohl frühestens ab dem kommenden Jahr zu erwarten. Dabei hängt ihre Stärke auch von den verfügbaren Produktionskapazitäten ab. Die geplanten beschleunigten Abschreibungsmöglichkeiten dürften die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen stärken. Höhere Verteidigungsausgaben schlagen sich nach dem nötigen administrativen Vorlauf in höheren staatlichen Investitions- und Konsumausgaben nieder. Die höhere Nachfrage dürfte zwar teilweise durch höhere Importe Anbietern aus dem Ausland zugutekommen, letztlich dürften aber nicht zuletzt inländische Hersteller von Rüstungsgütern davon profitieren. Die angelegte höhere gesamtwirtschaftliche Nachfrage könnte mittelfristig zu etwas höheren Inflationsraten führen. Allerdings sind im Koalitionsvertrag auch einige fiskalische Maßnahmen enthalten, die vorübergehend die Inflation unmittelbar dämpfen, insbesondere bei Energie. Die konkreten makroökonomischen Effekte der expansiveren Fiskalpolitik werden im Rahmen der neuen Deutschland-Prognose genauer abgeschätzt. Diese wird im Juni veröffentlicht. 

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung enthält einige angebotsseitige Vorhaben, die das langfristige Wachstum der deutschen Volkswirtschaft stärken können. Dies gilt insbesondere für Maßnahmen zur Verbesserung des Umfelds für Unternehmensinvestitionen. Hierzu zählen die Vorhaben zum Bürokratieabbau, zur Modernisierung der staatlichen Verwaltung und Digitalisierung ebenso wie die geplanten steuerlichen Investitionsanreize. Auch Maßnahmen zur Steigerung der Innovationstätigkeit, wie ein besserer Wagniskapitalzugang für junge Unternehmen, können einen Beitrag leisten. Bei vielen Vorhaben wird die Wachstumswirkung maßgeblich von der konkreten Umsetzung abhängen. Bei der Energiewende steht ein schlüssiges Gesamtkonzept noch aus. Mit effizienzsteigernden Maßnahmen und marktbasierten Mechanismen können die Kosten der Energiewende begrenzt werden. Die Pläne der neuen Regierung zielen zum Teil in diese Richtung. Das Arbeitsangebot wird zwar durch einzelne Maßnahmen gestärkt. So dürfte die geplante Bürgergeldreform die Suchanreize arbeitsloser Personen und dadurch das Arbeitsangebot steigern. Die Maßnahmen zur Stärkung der Fachkräftezuwanderung überzeugen hingegen nur teilweise. Zudem hätten an etlichen Stellen inländische Reserven beim Arbeitsangebot stärker genutzt werden können.

5 Staatsfinanzen

5.1 Expansive Finanzpolitik lässt staatliche Defizit- und Schuldenquote künftig deutlich steigen

Die deutsche Finanzpolitik ändert ihren Kurs: Defizit- und Schuldenquote dürften in den nächsten Jahren deutlich steigen. Der Gesetzgeber hat die Schuldenbremse gelockert und die staatlichen Kreditspielräume damit umfangreich erweitert. Gemäß Koalitionsvertrag wird die Finanzpolitik die erweiterten Spielräume nutzen. Zu erwarten sind derzeit erhebliche Mehrausgaben für Verteidigung und staatliche Infrastruktur, aber auch für Subventionen und Renten. Hinzu kommt der demografisch bedingte Ausgabendruck. Alles in allem könnte die strukturelle Ausgabenquote in den kommenden Jahren deutlich über 50 % steigen. Einnahmenseitig sind höhere Beitragssätze zur Renten-, Gesundheits- und Pflegeversicherung angelegt, weil deren Ausgaben dynamisch wachsen. Die Abgabenquote dürfte daher trotz der angekündigten Steuerentlastungen zunehmen. Alles in allem könnte die gesamtstaatliche Defizitquote im Jahr 2027 eine Größenordnung von 4 % erreichen. Im laufenden Jahr könnte die Defizitquote aber zunächst noch etwas sinken (von 2,8 % im Vorjahr): Die Steuereinnahmen wachsen merklich, die Sozialbeitragssätze steigen kräftig, und die fiskalische Neuausrichtung schlägt sich wegen des nötigen Vorlaufs wohl noch kaum nieder. 

5.2 Mit anstehenden Gesetzesänderungen verlässliche Leitplanken vereinbaren

Deutschland steht vor großen wirtschafts- und verteidigungspolitischen Herausforderungen, und es ist wichtig, sie zügig zu bewältigen. Aufgrund der relativ guten Ausgangslage der Staatsfinanzen sind vorübergehend deutlich höhere Defizite gut zu verkraften. 

Dauerhaft hohe Defizite wären allerdings nicht mit soliden Staatsfinanzen und den EU-Regeln vereinbar. Steigende und hohe Zinslasten würden die fiskalischen Handlungsspielräume empfindlich einschränken und hohe Schuldenquoten die Resilienz der Staatsfinanzen beschädigen. Aus gutem Grund zielen die EU-Regeln – einschließlich des EU-Vertrags – darauf, dass Schuldenquoten über 60 % im Normalfall sinken. Bindende EU-Fiskalregeln sind ein wichtiger Anker für solide Staatsfinanzen und eine stabilitätsorientierte Währungsunion. 

Die EU-Vorgaben für die deutschen Staatsfinanzen werden zumindest nach einer Übergangsphase deutlich enger sein als die neuen nationalen Kreditspielräume. Aktuell besteht noch keine Klarheit hinsichtlich der konkreten nationalen und EU-Vorgaben. So fehlen zu den reformierten nationalen Regeln noch Ausführungsgesetze. Für die EU-Ebene muss Deutschland erstens noch einen Fiskalplan für die laufende vier- bis siebenjährige Planungsperiode vereinbaren. Zweitens ist noch offen, welche Zusatzspielräume die beantragte Ausweichklausel für höhere Verteidigungsausgaben eröffnet. Nach einer Periode mit temporär gelockerten EU-Vorgaben wird Deutschland aber voraussichtlich eine strukturelle gesamtstaatliche Defizitquote von etwa 1 % anstreben müssen. Dies entspricht ungefähr dem jahresdurchschnittlichen Kreditspielraum des neuen Infrastrukturfonds. Perspektivisch stehen die neuen nationalen Verschuldungsmöglichkeiten folglich nur teilweise zur Verfügung.

Bund und Länder sollten in den anstehenden Beschlüssen bereits berücksichtigen, dass die gesamtstaatlichen Defizite im weiteren Verlauf wieder erheblich sinken müssen. Es wäre folgerichtig, diesen absehbaren Korrekturbedarf von vornherein zu begrenzen, indem sie die neu geschaffenen Kreditspielräume ausschließlich für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen bei Verteidigung und Infrastrukturinvestitionen (einschließlich Klimaneutralität) reservieren. Andere zusätzliche Maßnahmen wären dann gegenzufinanzieren. Hierzu bietet sich nicht zuletzt an, Wirtschaftlichkeitsreserven etwa durch eine digitale Verwaltung zügig zu heben und Subventionen abzubauen. Darüber hinaus könnte das Steuer- und Transfersystem überprüft werden und dabei insbesondere effizienter und zielgenauer ausgestaltet werden. Änderungen in diese Richtungen sieht der Koalitionsvertrag auch vor. Er stellt aber gleichzeitig zahlreiche neue Ausnahmetatbestände bei Steuern oder punktuelle Förderungen in Aussicht. Wichtige Ansatzpunkte für eine höhere Erwerbsbeteiligung sollen wohl nicht genutzt werden. Nahe läge unter anderem, Sonderregeln für vorgezogene Renteneintritte abzuschaffen und das gesetzliche Rentenalter ab 2031 mit der Lebenserwartung weiter steigen zu lassen. Dies würde die Rentenversicherung beschäftigungsfreundlicher und die öffentlichen Finanzen robuster gegenüber der demografischen Entwicklung aufstellen, und der mehrjährige Vorlauf gäbe den Beschäftigten und Arbeitgebern Planungssicherheit.

Zu empfehlen wäre, den deutschen Staatshaushalten in den Gesetzen zur Ausgestaltung der geänderten Schuldenbremse wieder verlässliche Leitplanken zu geben. Im Rahmen der anstehenden Ausführungsgesetze wäre es ratsam, die neuen Kreditspielräume für Maßnahmen zum Bewältigen der Herausforderungen bei Verteidigung und Infrastrukturinvestitionen (einschließlich Klimaneutralität) zu reservieren, die über das 2024 Erreichte hinausgehen. Es könnten also der Verwendungsbereich und die Zusätzlichkeit konkret abgesichert werden. Darüber hinaus könnten Bund und Länder abstecken, wie sie ihre jeweiligen, nationalen Verschuldungsspielräume für die aktuelle Übergangsphase in Einklang mit den (zu vereinbarenden) EU-Vorgaben zu Fiskalplan und Ausweichklausel bringen. Dies würde mehr Transparenz bieten und wäre insbesondere dann wichtig, wenn die EU-Vorgaben enger ausfallen als die nationalen Spielräume.

In der angekündigten weiteren Reform der Schuldenbremse lassen sich solide Staatsfinanzen und die Ziele der EU-Regeln wieder über bindende Kreditgrenzen im Grundgesetz verankern. Denn es wäre damit nicht vereinbar, verteidigungsbezogene Ausgaben dauerhaft weitgehend von der Schuldenbremse auszunehmen. Die Vorschläge der Bundesbank für eine grundlegende Reform der Schuldenbremse bieten demgegenüber weiterhin geeignete Ansatzpunkte für eine langfristig tragfähige Regel: Sie zielen darauf, sowohl den staatlichen Investitionen (in Infrastruktur und Verteidigung) Vorrang einzuräumen als auch solide Staatsfinanzen und die EU-Regeln abzusichern. 

 

 

 

 

 

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