Auswirkungen von globaler Unsicherheit auf internationale Portfolioströme Monatsbericht – Oktober 2025
Veröffentlicht am 15.10.2025
Auswirkungen von globaler Unsicherheit auf internationale Portfolioströme Monatsbericht – Oktober 2025
Monatsbericht
Unsicherheit beeinflusste in der Vergangenheit – etwa während der globalen Finanzkrise 2008 und der Covid-19-Pandemie – das Verhalten von Investoren und die Dynamik der Kapitalmärkte erheblich. Diese Analyse verdeutlicht, dass sich höhere globale Unsicherheit deutlich stärker auf Portfolioströme in Schwellenländern auswirkte als auf Portfolioströme in entwickelten Volkswirtschaften. In Zeiten erhöhter Unsicherheit neigten Investoren demnach dazu, ihre Engagements in Schwellenländern überproportional stark zu reduzieren. Dies spiegelte sich in den Mittelabflüssen aus Investmentfonds wider: Die Abflüsse aus Schwellenländern waren im Median über die betrachteten Länder hinweg etwa dreimal so hoch wie aus entwickelten Volkswirtschaften. Diese Zahlen unterstreichen, dass Schwellenländer in der Vergangenheit anfälliger gegenüber externen Schocks waren als fortgeschrittene Volkswirtschaften. Auffällig ist auch, dass die in Prozent des gehaltenen Bestandes ausgedrückten Abflüsse aus Anleihefonds diejenigen aus Aktienfonds deutlich übersteigen.
In der ökonomischen Literatur werden neben verschiedenen Maßen für Unsicherheit auch unterschiedliche Ansätze genutzt, um zusätzliche Verunsicherung von Marktteilnehmern zu identifizieren. Die vorliegende Analyse nutzt hierfür eine Methode, die auf kurzfristigen Kursänderungen des Goldes basiert. Der Goldpreis spielt gerade für Schwellenländer eine wichtige Rolle und liegt in hoher Frequenz vor. Diese Kursänderungen werden mit Ereignissen in Verbindung gebracht, die Unsicherheit auslösten.
Schwellenländer sind ein Sammelbegriff für sehr verschiedene Volkswirtschaften. Die Länder in dieser Gruppe unterscheiden sich mit Blick auf ihre Produktionslandschaft, ihre Institutionen und ihre Finanzmärkte. Deshalb liegt es nahe zu untersuchen, ob länderspezifische Faktoren erklären, wie stark sich Unsicherheit auf die jeweiligen grenzüberschreitenden Portfolioströme auswirkten. Es zeigten sich deutliche Unterschiede innerhalb der untersuchten Ländergruppe: Insbesondere hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie entwickelte Finanzmärkte gingen damit einher, dass Unsicherheitsimpulse zu geringeren Mittelabflüssen führten. Sie sind insofern ein Proxy für Rahmenbedingungen, die einer höheren Stabilität von Portfolioströmen zuträglich sind.
1 Einleitung
Die internationalen Finanzmärkte waren in den vergangenen Jahrzehnten von Ereignissen geprägt, die hohe Unsicherheit zur Folge hatten. Prägnanteste Beispiele hierfür sind die globale Finanzkrise von 2008 und die weltweite Ausbreitung der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020. Beide Ereignisse kamen für die meisten Menschen unerwartet und verstärkten die Unvorhersehbarkeit künftiger Entwicklungen deutlich. Die hohe Unsicherheit schlug sich deutlich in der Dynamik der internationalen Portfolioströme nieder. Wie Schaubild 3.1 verdeutlicht, kam es in den beiden oben genannten Krisenphasen zu erheblichen Mittelabflüssen aus Investmentfonds. Besonders stark betroffen waren Anleihefonds, die ihre Mittel in Instrumenten von Schwellenländern investiert hatten: So zogen im Oktober 2008 internationale Investoren über 14 % des von ihnen gehaltenen Bestandes aus diesen Fonds ab. Die vorliegende Analyse widmet sich der Rolle von Unsicherheit als treibendem Faktor hinter diesen Entwicklungen.
Unsicherheit beeinflusst grenzüberschreitende Investorenentscheidungen bei Investmentfonds sehr deutlich und global asymmetrisch. Die vorliegende Studie zeigt, dass sich Unsicherheit global auf die Portfolioströme auswirkte, wobei die Intensität der Reaktion aber regional unterschiedlich war und sich – relativ gesehen – besonders stark in Schwellenländern bemerkbar machte. Die Ergebnisse dieser Analyse sind nicht nur für Investoren und Finanzinstitutionen von Bedeutung, sondern auch für politische Entscheidungsträger. Letztere sollten Maßnahmen ergreifen, um die Stabilität der Finanzmärkte zu gewährleisten und die wirtschaftlichen Folgen von Schocks abzufedern. Der Schwerpunkt der Analyse liegt deshalb darauf zu untersuchen, wie Unsicherheit das Verhalten von Investoren beeinflusst und wie die Auswirkungen von Unsicherheit auf Portfolioströme gedämpft werden kann.
2 Was ist Unsicherheit und wie lässt sie sich messen?
Die Unterscheidung zwischen Unsicherheit und Risiko ist ein zentraler Aspekt für das Verständnis wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse. In der ökonomischen Literatur wurde dieser Unterschied maßgeblich durch den Ökonomen Frank Knight geprägt, der eine Trennung zwischen den beiden Konzepten vorschlug. 1 Knight zufolge beschreibt Risiko Situationen, in denen der Ausgang eines Ereignisses zwar ungewiss ist, die Wahrscheinlichkeiten der möglichen Ergebnisse jedoch bekannt sind. Unsicherheit hingegen liegt vor, wenn es nicht möglich ist, Wahrscheinlichkeiten festzulegen. Ein klassisches Beispiel für Risiko ist das Werfen einer fairen Münze, bei dem die Wahrscheinlichkeit für Kopf oder Zahl jeweils 0,5 beträgt. Im Unterschied dazu steht die Unsicherheit, wie sie etwa bei der Pandemie eines neuartigen und weitgehend unerforschten Virus auftrat, bei der es nicht möglich war, die Wahrscheinlichkeiten für die möglichen Auswirkungen präzise zu bestimmen.
In der Theorie lassen sich Risiko und Unsicherheit voneinander abgrenzen, doch in der Praxis gestaltet sich diese Trennung schwierig. Die mangelnde Trennbarkeit führt dazu, dass Risiko und Unsicherheit in empirischen Studien ineinander übergehen. Dies erschwert es, Unsicherheit isoliert zu erfassen. Tatsächlich setzte sich deshalb in der Wissenschaft keine einzelne Methodik durch: Stattdessen werden in der ökonomischen Literatur eine Vielzahl von Ansätzen verwendet, die jeweils spezifische Facetten von Unsicherheit erfassen. 2 Diese Ansätze lassen sich in folgende Kategorien unterteilen:
Nachrichtenbasierte Maße leiten sich in der Regel aus in Medien vorkommenden Häufigkeiten bestimmter Schlüsselwörter wie beispielsweise „Unsicherheit“ oder „Krise“ ab. Diese Maße spiegeln somit die gesellschaftlichen Wahrnehmungen von Unsicherheit wider und sind nahezu in Echtzeit verfügbar. So verwendet der „Economic Policy Uncertainty“ (EPU)-Index Schlüsselwortsuchen in Nachrichtenartikeln, um politikbezogene Unsicherheit zu messen. 3 Daneben lässt sich geldpolitische Unsicherheit der Fed beispielsweise mithilfe des „Monetary Policy Uncertainty“ (MPU)-Index messen. 4
Umfragebasierte Maße erfassen die wahrgenommene Unsicherheit direkt bei Wirtschaftssubjekten und bieten Einblicke in spezifische Unsicherheitsdimensionen. Umfragebasierte Maße stellen eine direkte Möglichkeit dar, die Unsicherheit wahrzunehmen, wie sie von verschiedenen Wirtschaftssubjekten empfunden wird. Ein prominentes Beispiel ist der Survey of Business Uncertainty (SBU) der Federal Reserve Bank of Atlanta, der die Unsicherheit von Unternehmen in Bezug auf zukünftige Beschäftigung und Umsatz misst.
Marktbasierte Maße nutzen Finanzmarktdaten, um Unsicherheit sehr zeitnah abzubilden. Marktbasierte Maße bieten eine unmittelbare Möglichkeit, Unsicherheit aus Finanzmarktdaten abzuleiten. Sie umfassen unter anderem die realisierte Volatilität von Vermögenspreisen, die Schwankungen in den Märkten direkt widerspiegelt. Ein bekanntes Beispiel ist der „CBOE Volatility“-Index (VIX) – ein Volatilitätsindex für den US-Aktienmarkt; er basiert auf Optionspreisen des S&P 500. In der Regel steigt der VIX im Zusammenhang mit Unsicherheit an. Allerdings bildet er in erster Linie nur die Finanzmarktunsicherheit hinsichtlich der Erwartungen zum S&P 500 ab. Die Volatilität von Finanzmarktpreisen kann grundsätzlich ein geeignetes Instrument sein, um Unsicherheit zu identifizieren. 5 Zusätzlich können auch Maße zum Risikoappetit als Indikatoren für Unsicherheit herangezogen werden. 6 Solche Maße sind hilfreich, da sie zeitnah verfügbar sind und ein gutes Bild der Wahrnehmung der Marktteilnehmer zeichnen.
Ökonometrische Maße basieren auf statistischen Methoden und spiegeln häufig ein breiteres Bild der Unsicherheit wider. Makroökonomische Unsicherheit lässt sich beispielsweise durch Schwankungen in den Ausprägungen von Variablen messen, welche durch Modelle nicht vorhergesagt werden können. 7 Unsicherheit lässt sich auch durch Modelle aus Daten extrahieren. Ökonometrische Verfahren können auch genutzt werden, um unerwartete Unsicherheitsimpulse zu identifizieren.
In der Literatur werden beispielsweise auch hoch frequente Goldpreisbewegungen in Reaktion auf ausgewählte Ereignisse als Identifikationsinstrument für Unsicherheit genutzt. Goldpreisbewegungen können ein nützliches externes Instrument sein, wenn es darum geht, globale Unsicherheitsschocks zu identifizieren und von länderspezifischen Effekten zu trennen. 8 Der globale Aspekt spielt insbesondere bei den hier untersuchten weltweiten Portfolioströmen eine wichtige Rolle.
3 Wie kann sich Unsicherheit auf die Wirtschaft auswirken?
Unsicherheit kann sich über unterschiedliche Kanäle auf die Wirtschaft auswirken. Sie ist ein allgegenwärtiges Phänomen, das sowohl die Konsum- und Investitionsentscheidungen von Haushalten, staatlichen Einrichtungen als auch finanziellen und nichtfinanziellen Unternehmen beeinflusst. 9 Die Entscheidungen sind miteinander verwoben und wirken sich auch auf die internationalen Kapitalmärkte aus. Auch die Wirksamkeit der Geldpolitik kann durch Unsicherheit betroffen sein. Ausgewählte Effekte werden im Folgenden erörtert. 10
In Zeiten erhöhter Unsicherheit tendieren Individuen dazu, ihre Sparneigung zu erhöhen und ihren Konsum zu reduzieren. Dieses Verhalten ist eine Vorsichtsmaßnahme, um sich gegen zukünftige wirtschaftliche Schwankungen oder schlechtere Zeiten abzusichern. Durch das Anlegen von finanziellen Rücklagen können Wirtschaftssubjekte potenzielle negative Auswirkungen von Unsicherheit abmildern. Dies führt jedoch zu einer Reduzierung der Gesamtnachfrage, was wiederum die wirtschaftliche Aktivität beeinträchtigen kann.
Die Auswirkungen von Unsicherheit auf die Produktion von Unternehmen sind vielschichtig und lassen sich nicht eindeutig vorhersagen. Wie Unternehmen auf Unsicherheitsimpulse reagieren, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter Lagerkosten, Produktions- und Kostenstrukturen, Risikobereitschaft der Entscheidungsträger und dem Arbeitsmarkt als Ganzes. Häufig führt Unsicherheit dazu, dass Unternehmen aus Vorsicht ihre Investitionen zurückfahren, verschieben oder die Produktion drosseln, um potenzielle Verluste zu minimieren. 11 Allerdings gibt es auch Szenarien, in denen Unsicherheit zu einer Ausweitung der Produktion führen kann. Die Reaktionen von Unternehmen auf Unsicherheit sind daher nicht einheitlich und hängen stark von den individuellen Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ab.
Auch der Staat reagiert typischerweise auf Episoden erhöhter Unsicherheit und ist selbst von ihnen betroffen. Langfristig kann er die Resilienz der Wirtschaft durch eine stabilitätsorientierte Makro- und Fiskalpolitik erhöhen und für eine stabile finanzielle Infrastruktur sorgen (siehe hierzu auch den Exkurs „Empirische Messung der Auswirkungen von Unsicherheit auf Portfolioströme“). Kurzfristig kann er negativen Auswirkungen unerwarteter Ereignisse mit einer antizyklischen Konjunkturpolitik begegnen und bei Härtefällen gezielt eingreifen. Allerdings kann der Staat auch selbst durch systemische Schocks geschwächt und im Extremfall in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn er sich zuvor schon in einer prekären Verfassung befand. 12
Betroffen durch die Unsicherheit ist nicht nur die Realwirtschaft, sondern auch die Geldpolitik. Die operative Geldpolitik im Euroraum berücksichtigt bei ihren Entscheidungen den gesamten Transmissionsprozess und damit auch die Finanzierungsbedingungen an den Kapitalmärkten. Anpassungen der Geldpolitik sind insbesondere dann notwendig, wenn Unsicherheit die Transmission und Wirksamkeit geldpolitischer Maßnahmen beeinflussen. 13
Die Auswirkungen von Unsicherheit spiegeln sich in der Regel bereits an den Kapitalmärkten wider, noch ehe sie sich in der Realwirtschaft niederschlagen. 14 Denn Marktteilnehmer antizipieren die realwirtschaftlichen Effekte und handeln entsprechend. Dies führt in der Regel dazu, dass betroffene Unternehmen mit steigenden Finanzierungskosten konfrontiert werden, während Banken ihre Kreditvergabe einschränken. 15 Dies hat nicht nur Effekte auf die Marktpreise, sondern auch auf das gehandelte Volumen. 16 In einer Welt mit global vernetzten Kapitalmärkten führt dies unmittelbar zu Effekten auf die internationalen Portfolioströme.
Typischerweise führt gestiegene Unsicherheit insbesondere zu Verkäufen von risikoreichen Anlagen, niedrigeren Wertpapierkursen und somit höheren Risikoprämien, da Investoren eine Entschädigung für das eingegangene Risiko verlangen. Dies erhöht die Finanzierungskosten für Unternehmen und Staaten. Somit kommt es zu Mittelabflüssen aus Ländern und Märkten, die als unsicher gelten, und zu Mittelzuflüssen in als sicher geltende Länder und Vermögenswerte, wie zum Beispiel Gold. 17 Die Theorie der Portfolio-Diversifikation, wie sie von Markowitz entwickelt wurde, bietet einen Rahmen für das Verständnis dieser Anpassungen. 18
4 Auswirkungen von Unsicherheit auf Portfolioströme
Mithilfe ökonometrischer Modelle lassen sich ländergruppenspezifische Reaktionen von Portfolioströmen bestimmen und das Zusammenspiel mit strukturellen Faktoren untersuchen. Unsicherheitsimpulse, die durch globale Ereignisse wie Finanzkrisen, geopolitische Spannungen oder Pandemien ausgelöst werden, können Portfolioströme erheblich beeinflussen und weitreichende Konsequenzen für die wirtschaftliche Stabilität haben. Umgekehrt könnte aber auch die makroökonomische und finanzielle Verfassung einer Volkswirtschaft die Reaktion der Finanzmärkte auf Episoden mit erhöhter Unsicherheit bestimmen. Beide Aspekte lassen sich ökonometrisch untersuchen.
Exkurs
Empirische Messung der Auswirkungen von Unsicherheit auf Portfolioströme
Mithilfe eines zweistufigen ökonometrischen Modells lässt sich untersuchen, wie unerwartete Unsicherheitsimpulse Portfolioströme in Schwellen- und Industrieländern beeinflussen und welche Faktoren bei der Transmission eine Rolle spielen könnten. 1 Dabei wird zwischen dem Mittelaufkommen von Aktien- und Anleihefonds unterschieden, um den unterschiedlichen Eigenschaften der Vermögensklassen Rechnung zu tragen. 2 Die Analyse umfasst insgesamt 25 Schwellenländer und 21 Industrieländer im Zeitraum von August 2005 bis Dezember 2023. 3 Ein besonderer Fokus liegt auf der Frage, ob Schwellenländer aufgrund ihrer spezifischen wirtschaftlichen und institutionellen Merkmale stärker von Unsicherheitsimpulsen betroffen sind als entwickelte Volkswirtschaften.
Um diese Fragen zu beantworten, wird Unsicherheit innerhalb eines ökonometrischen Modells auf Basis von Veränderungen des Goldpreises identifiziert. Dieser Ansatz beruht auf der Annahme, dass Gold von Marktteilnehmern als ein sicherer Vermögenswert angesehen wird. In Zeiten erhöhter Unsicherheit steigt daher die Nachfrage nach Gold, was zu einem unmittelbaren Anstieg des Goldpreises führt. Umgekehrt sinkt der Goldpreis, sobald sich die Unsicherheit auflöst. Die Schwankungen des Goldpreises in einem kurzen Zeitraum rund um Ereignisse, die mit Unsicherheit in Verbindung stehen, dienen in statistischen Modellen somit als unabhängiger Indikator für das Maß an Unsicherheit. 4 Das Verfahren bietet sich hier an, da sich in Goldpreisbewegungen ein breites Spektrum an globaler Unsicherheit widerspiegeln kann, was gerade für Schwellenländer – in denen oft keine entwickelten Finanzmärkte existieren, aus denen sich länderspezifische Indizes herleiten lassen – von hervorgehobener Bedeutung ist. Das Verfahren ist zudem empirisch gut dokumentiert. 5 Bei hoch entwickelten Ländern bieten sich auch andere Verfahren an, die unmittelbar auf Finanzmarktdaten basieren.
Im vorliegenden Fall fließen die Goldpreisentwicklungen von 109 verschiedenen und länderübergreifenden Ereignissen in die Analyse ein. Auf diese Weise lassen sich die Auswirkungen von globalen Unsicherheitsimpulsen auf verschiedene Variablen untersuchen. Im vorliegenden Fall sind dies Portfolioströme.
In einem zweiten Schritt lässt sich zeigen, dass das Ausmaß der Mittelabflüsse nach einem Unsicherheitsimpuls mit den makroökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen in den betroffenen Volkswirtschaften korreliert. Dazu wird die länderspezifische Reagibilität des Mittelaufkommens für jede Region und Vermögensklasse in Beziehung zu makroökonomischen und institutionellen Faktoren gesetzt. Zu den betrachteten Faktoren zählen beispielsweise das Wirtschaftswachstum, die Inflation, die Entwicklung der Finanzmärkte sowie die Investitionen in Forschung und Entwicklung. Dabei zeigen sich der Entwicklungsstand der Finanzmärkte 6 und die Investitionen in Forschung und Entwicklung als Variablen, die in allen Regionen und Vermögensklassen stark mit dem Mittelaufkommen zusammenhängen: In Ländern mit einem hohen Entwicklungsstand der Finanzmärkte und hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung sind die Auswirkungen eines Unsicherheitsschocks auf das Mittelaufkommen geringer. Darüber hinaus lassen sich Korrelationen zwischen infrastrukturellen Faktoren und dem Mittelaufkommen von Anleihefonds feststellen. 7 Dabei dürften das Vertrauen internationaler Investoren in die strukturelle Verfassung eines Landes und die Fähigkeit der Regierung, mögliche Krisen zu meistern, eine Rolle spielen. Die genannten Faktoren sind klassische Indikatoren für die Resilienz einer Volkswirtschaft. 8 Zudem zeigen Aktienfonds, die in entwickelten Volkswirtschaften investieren, in Ländern mit niedrigen langfristigen Zinsen eine geringere Reagibilität auf Unsicherheitsschocks. Dieser Zusammenhang könnte mit der Risikoprämie in diesen Ländern in Verbindung stehen, er bleibt jedoch hier deskriptiv.
Eigene Analysen kommen zu dem Ergebnis, dass Unsicherheitsimpulse in Schwellenländern stärkere negative Auswirkungen auf die Portfolioströme haben als in entwickelten Volkswirtschaften. 19 Dies gilt sowohl für das Mittelaufkommen von Aktien- als auch von Anleihefonds. Zudem reagiert das Mittelaufkommen von Anleihefonds empfindlicher auf Unsicherheitsimpulse als das von Aktienfonds. In Schwellenländern sind die Mittelabflüsse nach Unsicherheitsimpulsen etwa dreimal so hoch wie in Industrieländern – und zwar sowohl bei Anleihe- als auch bei Aktienfonds. Allerdings ist das monatliche Mittelaufkommen in Prozent des gehaltenen Bestandes bei Anleihefonds deutlich ausgeprägter.
Diese Ergebnisse unterstreichen die größere Verwundbarkeit von Schwellenländern bei unerwarteter Zunahme der globalen Unsicherheit. Die hohe Sensitivität von Schwellenländeranleihen könnte darauf hindeuten, dass internationale Investoren in Zeiten erhöhter Unsicherheit insbesondere ihre Positionen in Schwellenländeranleihen reduzieren, um Risiken zu minimieren. Möglicherweise antizipieren Investoren stärkere Ansteckungseffekte unter Schwellenländern als unter entwickelten Volkswirtschaften. Im Unterschied dazu zeigen Aktienflüsse eine geringere Sensitivität gegenüber Unsicherheitsimpulsen als Anleiheflüsse. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Kurse von Aktien deutlich stärker schwanken als jene von Anleihen. Deren bei Fälligkeit erstatteter Nominalkurs dient als Anker. Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich Marktbewegungen stärker als bei Aktien in Mengenanpassungen niederschlagen. Bei Aktien sind hingegen die Preisanpassungen ausgeprägter.
Das Ausmaß der Auswirkungen von Unsicherheit steht in engem Zusammenhang mit makroökonomischen und institutionellen Faktoren. In Schwellenländern und entwickelten Volkswirtschaften sind die Auswirkungen von Unsicherheitsimpulsen auf die Portfolioströme tendenziell geringer, wenn ein Land starke Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie einen hohen Entwicklungsstand der Finanzmärkte aufweist. Im Hinblick auf Anleihefonds spielen auch Infrastrukturvariablen eine Rolle.
Die Ergebnisse dieser Studie haben wichtige Implikationen für die Wirtschaftspolitik, insbesondere in Schwellenländern. Internationale Investoren neigen in Zeiten der Unsicherheit den Ergebnissen zufolge dazu, ihre Positionen in Schwellenländern zu reduzieren, unabhängig davon, ob es sich um Anleihefonds oder Aktienfonds handelt. Anleihefonds sind von Mittelabflüssen jedoch stärker betroffen als Aktienfonds. Die Ergebnisse legen nahe, dass günstige makroökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen die Auswirkungen von Unsicherheitsimpulsen abmildern und Investoren „im Land halten“ können. Konkret erhöhen die Qualität der finanziellen und realen Infrastruktur die Resilienz eines Landes gegenüber unvorhergesehenen, ungünstigen Ereignissen. Zugleich verbessert eine Wirtschaftspolitik, die Investitionen in Forschung und Entwicklung fördert, den wirtschaftlichen Ausblick sowie die Anpassungsfähigkeit eines Landes.
Literaturverzeichnis
Baele, L., G. Bekaert, K. Inghelbrecht und M. Wie (2020), Flights to Safety, The Review of Financial Studies, Vol. 33(2), S. 689 – 746.
Baker, S. R., N. Bloom und S. J. Davis (2016), Measuring Economic Policy Uncertainty, The Quarterly Journal of Economics, Vol. 131(4), S. 1593 – 1636.