Wie die Schuldenbremse weiterentwickelt werden könnte
1 Überblick 1
Geltende Kreditgrenzen bis 2029: Hohe Defizite sind möglich; Kredite sind aber auf große Bedarfe für Verteidigung und Infrastruktur fokussiert. Übergangsphase 2030‑2035: Die Defizite werden im Sinne der EU - Regeln sukzessive zurückgeführt, um solide Staatsfinanzen wieder zu erreichen. Zielzone ab 2036: Die Schuldenbremse verstetigt den Kreditspielraum für staatliche Investitionen und gewährleistet solide Staatsfinanzen sowie stetige Haushaltspolitik.
Ein konsistentes Gesamtpaket für handlungsfähige Finanzpolitik und solide Staatsfinanzen: Vorübergehend sind hohe Defizite möglich, um Verteidigung und Infrastruktur zu stärken, im weiteren Verlauf werden solide Staatsfinanzen verlässlich abgesichert. Planbarkeit und Stetigkeit: Die Defizite werden in der Ausnahmephase absehbar und gleichmäßig zurückgeführt; es wird nicht abrupt konsolidiert. Trägt den EU - Regeln Rechnung: Die 60 % Schuldenquote ist der Anker. Hohe strukturelle Defizitquoten werden um rd. ½ PP pro Jahr abgebaut. Der Zielwert für eine solide Haushaltsposition ist eine strukturelle Defizitquote von 1 % bzw. 1½ % des BIP . Verteidigungsausgaben werden Schritt für Schritt weniger kreditfinanziert, Kreditspielräume für Infrastrukturinvestitionen verstetigt: Kreditspielräume sind zunehmend investiv fokussiert, es wird nahtlos an das Sondervermögen Infrastruktur/Klimaneutralität ( SV IK ) angeschlossen. Zusätzliche Reform-Elemente ab 2036 erleichtern u. a. eine stetige Haushaltspolitik.
Vorhandene Kreditgrenzen bestehen fort. Die (strukturelle) Defizitquote könnte damit im Jahr 2029 im Einklang mit den EU - Regeln bei etwa 4 % liegen, wenn der Bund die ohnehin weichen Defizitregeln nicht noch weiter dehnt. Zudem ist empfehlenswert, zusätzliche Schulden für Verteidigung und Infrastruktur enger an zusätzliche Ausgaben in diesen Bereichen zu binden. Diese Schulden würden so gezielt eingesetzt, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen. Dafür wären stärker Prioritäten zu setzen, aber der spätere Konsolidierungsbedarf wäre auch geringer.
Die strukturelle Defizitquote sinkt sukzessive Richtung 1 % (um etwa ½ PP p.a.). Dies dürfte in Einklang mit den EU - Regeln stehen. Im Einzelnen:
Verteidigungsausgaben werden zunehmend ohne Kredite finanziert. Die Schwelle, ab der kreditfinanziert werden darf, steigt in gleichen jährlichen Schritten. Am Ende der Übergangsphase beträgt sie 4 % des BIP . Abfluss aus SV IK wird verstetigt (etwa 0,8 % des BIP p.a. und damit im letzten Übergangsjahr letzte Mittel auszahlen). Bund & Länder behalten Kreditgrenzen von je 0,35 % des BIP . Die Ausschöpfung wird beschränkt, falls sonst ein Konflikt mit EU - Vorgaben besteht.
Investitionen werden privilegiert: Der Kreditspielraum des Bundes für Zusatzinvestitionen beträgt 0,8 % des BIP (anknüpfend an SV IK , unabhängig von Schuldenquote). Zusatz-Kreditspielräume für Bund und Länder sind abhängig von der Schuldenquote, um den 60 %- EU -Referenzwert gut zu verankern: > 60 %: der Kreditspielraum für Bund & Länder beträgt je 0,1 % des BIP ; < 60 %: der Kreditspielraum beträgt je 0,35 % des BIP (wie derzeit). Die Ausschöpfung wird beschränkt, falls sonst ein Konflikt mit EU - Vorgaben besteht. Die Tilgungsplanpflicht für Notlagenkredite könnte entfallen. Weitere Ausgestaltungsoptionen unterstützen eine stetige Haushaltspolitik. U.a. ein modifiziertes Konjunkturbereinigungsverfahren.
2 Ausgangslage: Was deutsche und europäische Fiskalregeln erlauben
2.1 Die Schuldenbremse wurde im März 2025 deutlich gelockert
Bund: strukturelle Nettokreditaufnahme 0,35 % des BIP . Länder: strukturelle Nettokreditaufnahme: 0 %. Bundeswehr-Sondervermögen (seit 2022): Kreditspielraum von 100 Mrd €. (Nutzung 2024: 17 Mrd €, ca. 0,4 % des BIP ; Ende 2024 verblieben: 77 Mrd €).
Bund: unbegrenzte Kreditmöglichkeit, soweit verteidigungs- und sicherheitsbezogene Ausgaben größer als 1 % des BIP (im Folgenden verkürzt: verteidigungsbezogene Ausgaben). SV IK : 500 Mrd €. Es gibt keine jahresbezogenen Obergrenzen für Abflüsse, das SV steht für 12 Jahre bereit. Länder: 0,35 % des BIP . Frei verwendbar, Aufteilung etwa gemäß Königsteiner Schlüssel.
2.2 Die EU - Regeln erlauben ausnahmsweise und vorübergehend hohe Defizite
Der aktuelle Fiskalplan läuft bis 2029. Deutschland muss (spätestens) für die Jahre ab 2030 einen neuen Plan vereinbaren. Das zu vereinbarende Ausgabenwachstum setzt dann auf der Defizitquote 2029 auf. Es erscheint plausibel, dass bei einer 7-jährigen Anpassungszeit ein Ausgabenwachstum zu planen sein wird, mit dem die strukturelle Defizitquote bis 2036 auf etwa 1 % sinkt. Ab 2030 wäre die strukturelle Defizitquote damit jährlich um etwa ½ PP abzubauen. Die Schuldenquote läge aber auch dann noch 2040 deutlich oberhalb von 60 %. Mit einer strukturellen Defizitquote von weiterhin 1 % könnte sie bei den getroffenen Annahmen Mitte der 2050er Jahre unter 60 % fallen.
3 Die Reformempfehlungen der Bundesbank: 3 Stufen
3.1 Geltende Kreditgrenzen bis 2029: Eine stringente Umsetzung im Fokus
Der Bund finanziert dann 2½ % an Sicherheits- und Verteidigungsausgaben per Kredit ( NATO - Quote von 3½ % des BIP angekündigt), das SV IK gibt knapp 1 % des BIP p.a. aus, und Bund und Länder schöpfen jeweils 0,35 % des BIP - Grenze aus.
die Zusätzlichkeit der Investitionen so zu konkretisieren, dass die Kreditfinanzierung über das SV IK zusätzliche Investitionen gegenüber dem Ausgangsjahr 2024 absichert, eine solche Zusätzlichkeitsvorgabe auch für die Länder vorzusehen, die 10 %-Investitionsquote im Bundeshaushalt anders abzugrenzen und die Verteidigungsausnahme zu ändern, sodass nur Mehrausgaben gegenüber der Verteidigungs-Quote 2024 zählen.
3.2 Die Übergangsphase 2030 bis 2035: Annäherung an eine solide Position
Verteidigung: wird zunehmend ohne Kredite finanziert. Der Vorschlag sieht vor, Verteidigungsausgaben perspektivisch ohne Verteidigungs-Sonderkredite zu finanzieren, um erweiterte Kreditspielräume v.a. für investive Ausgaben zu reservieren. Dazu wird die Bereichsausnahme Verteidigung in der Übergangsphase planvoll zurückgebaut (in der Zielzone ab 2036 gibt es die Ausnahme nicht mehr). Vorgeschlagen wird hier, die Schwelle, ab der Sonderkredite möglich sind, um 0,5 PP pro Jahr anzuheben: auf 1,5 % in 2030 und bis auf 3,5 % in 2034 und 4 % in 2035. 2 SV IK Mittel: fließen in der Übergangsphase relativ gleichmäßig ab. Die Ende 2029 noch vorhandenen Mittel werden relativ gleichmäßig auf die Übergangsphase verteilt. Der Vorschlag unterstellt Abflüsse für 2028 bis 2035 von 0,8 % des BIP p.a.. Kreditgrenzen Bund & Länder: bleiben grundsätzlich bei je 0,35 % des BIP ; sie stehen aber unter Prüfungsvorbehalt, ob damit die EU - Regeln eingehalten werden. Die Prüfung kann der Stabilitätsrat, unterstützt durch den unabhängigen Beirat übernehmen. Um den Übergang in die Zielzone gleichmäßiger zu gestalten, könnten die Grenzen für Bund & Länder bereits 2034 auf je 0,2 % sinken (und dann (bei einer Schuldenquote über 60 %) auf je 0,1 % mit Eintritt in Zielzone).
3.3 Die Zielzone ab 2036
3.3.1 Der überarbeitete Reformvorschlag der Bundesbank vom März tritt in Kraft
Generell erhält der Bund einen Kreditspielraum von 0,8 % des BIP für zusätzliche Sachinvestitionen 3 (unabhängig von der Schuldenquote). Damit würde das SV IK verstetigt, das im Rahmen des Vorschlags bis 2035 rund 0,8 % des BIP jährlich kreditfinanziert ausgibt. Investitionszuschüsse an die Länder für zusätzliche Investitionen von Ländern und Kommunen kämen ungeachtet des neuen Kreditspielraums der Länder weiterhin in Betracht. Zudem gibt es frei verfügbaren Kreditspielraum abhängig von der Schuldenquote Bei einer Schuldenquote unter 60 % bleibt der bisherige strukturelle Kreditspielraum von je 0,35 % des BIP für Bund und Länder erhalten. Bei einer Schuldenquote über 60 % sinkt der strukturelle Kreditspielraum von Bund und Ländern auf je 0,1 % des BIP , um den 60 %-Anker für die Schuldenquote zügiger zu erreichen und den EU - Regeln Rechnung zu tragen.
Die Grenzen dürften nicht ausgeschöpft werden, wenn andernfalls ein Konflikt mit den EU - Regeln auftritt (wie in der Übergangsphase).
Eine gesamtstaatliche Defizitquote von rund 1 % bei Schulden oberhalb von 60 % des BIP und rund 1½ % bei Schulden unterhalb von 60 % passt zu den grundlegenden EU - Vorgaben und dem 60 %-Anker für die Schuldenquote. 4 Die Aufteilungen auf den Bund und die Länder sowie die konkrete Abgrenzung der Investitionen und deren Zusätzlichkeit könnten auch anders ausgestaltet werden. Es spricht aber einiges dafür, die Verschuldungsmöglichkeiten beim Bund zu konzentrieren. Bedarfsweise könnten die Länder ein Recht auf bestimmte Zuweisungen daraus erhalten, um privilegierte Investitionen von Ländern/Kommunen zu finanzieren. Je weiter der Investitionsbegriff abgegrenzt wird, umso eher droht der erwünschte „Schutz“ von Investitionen ins Leere zu laufen. Dies ist auch der Fall, wenn die Zusätzlichkeit nur schwach abgesichert wird.