Öffentliche Finanzen Monatsbericht – August 2025

1 Staatlicher Gesamthaushalt 1

1.1 Finanzpolitik wird expansiv ausgerichtet

Die deutsche Finanzpolitik steht vor einer expansiven Phase, nachdem der Gesetzgeber die Schuldenbremse erheblich gelockert hat. Im laufenden Jahr dürfte das Defizit aber zunächst sinken. 2  Bund und Länder werden die neuen fiskalischen Spielräume wohl noch recht wenig nutzen können, weil viele Maßnahmen Vorlauf benötigen. Die Ausgaben für Renten, Gesundheit und Pflege wachsen zwar weiterhin stark. Durch die höheren Beitragssätze der Krankenkassen und der Pflegeversicherung legen aber auch deren Einnahmen kräftig zu. Zudem stützt es die Einnahmen aus Steuern und Sozialbeiträgen deutlich, dass die abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien wegfallen und teilweise durch normal belastete Löhne ersetzt werden. Bei den Steuern kommen weitere Sonderentwicklungen hinzu, wie der starke Anstieg des Aufkommens aus der Abgeltungsteuer. Im Ergebnis dürfte die Defizitquote im laufenden Jahr Richtung 2 % sinken (2024: 2,7 %). Die Schuldenquote dürfte etwas steigen (2024: 62,5 %).

Ab 2026 werden Defizit- und Schuldenquote dann deutlich zunehmen.2026 könnte die Defizitquote auf rund 3½ % steigen. 2027 könnte sie sowohl unbereinigt als auch strukturell bei etwa 4 % liegen. 

  •  Durch den Wegfall der stützenden steuerlichen Sonderentwicklungen und durch Steuersenkungen wachsen die Einnahmen deutlich schwächer. Allerdings dürften die Beitragssätze der Sozialversicherungen weiter steigen, um Mehrausgaben für Gesundheit, Pflege und Renten zu finanzieren. Per saldo könnte die strukturelle Abgabenquote (aus Sozialbeiträgen und Steuern) daher bis einschließlich 2027 mehr oder weniger stabil bleiben (Größenordnung 42 %). 

  •  Auf der Ausgabenseite kommen zu den genannten Mehrausgaben bei der Sozialversicherung steigende Aufwendungen für Verteidigung, nicht militärische Investitionen und Subventionen (zum Beispiel bei Entgelten für Stromnetze). Die strukturelle Ausgabenquote lag 2024 mit 49 % bereits hoch, und sie könnte bis 2027 weiter auf 52 % steigen. 

  •  Die Schuldenquote könnte bis Ende 2027 auf 66 % zunehmen.

Für den weiteren Verlauf ab 2028 zeichnet sich bisher kein gesamtstaatlicher Defizitrückgang ab. Die Finanzplanung des Bundes sieht noch deutliche Mehrausgaben für Verteidigung vor (siehe unten stehende Tabelle 5.2: Wichtige Kennzahlen zu den Bundesfinanzen). Abgesehen davon setzt die demografische Entwicklung Sozialausgaben, Beitragssätze und Rentenzuschüsse des Bundes unter Aufwärtsdruck. Die Schuldenquote dürfte zunächst auf einem Aufwärtspfad bleiben. Durch die höheren Schulden und die steigende Durchschnittsverzinsung legen die Zinslasten Schritt für Schritt zu. 

1.2 Höhere Defizite nur teilweise auf Infrastruktur und Verteidigung fokussiert

Ein höheres Defizit ist für ein paar Jahre gut verkraftbar. Dauerhaft hohe Defizite und steigende Schuldenquoten wären aber problematisch. Dies würde die künftigen Fiskalspielräume noch stärker einschränken und wäre nicht kompatibel mit den EU-Regeln.

Die Kreditspielräume erweiterte der Gesetzgeber, um die Verteidigungsfähigkeit und die staatlichen Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz zu stärken. Nun sollen die Spielräume aber in erheblichem Maße anders genutzt werden (siehe Abschnitt „Bundesfinanzen“). Dass mit den erweiterten Spielräumen bestehende Haushaltslücken gestopft oder Projekte jenseits von Verteidigung oder Infrastruktur finanziert werden sollen, veranschaulicht: Es ist offenbar schwer, eigentlich zweckgebundene Verschuldungsspielräume tatsächlich nur zweckgemäß einzusetzen. 

Unabhängig davon müssen nach einer Übergangsphase Defizit- und Schuldenquote im weiteren Verlauf wieder sinken, um solide Staatsfinanzen abzusichern. Nicht zuletzt sehen die europäischen Vorgaben vor, die Schuldenquote perspektivisch wieder zum Referenzwert von 60 % zurückführen. Die Verteidigungsausnahme im Rahmen der EU-Regeln endet 2028. Danach ist das Defizit zu senken, um den Aufwärtstrend der Schuldenquote umzukehren. 

Die angekündigte Reform der Schuldenbremse lässt sich nutzen, um wieder klare Perspektiven auf solide Staatsfinanzen zu geben und staatliche Investitionen dauerhaft zu schützen. Die Reformvorschläge der Bundesbank zeigen einen Weg auf, der zurück zu einer regelbasierten nationalen Fiskalpolitik führt und die Spielräume für Investitionen erhält. 3 Dazu steuern sie mit den Kreditgrenzen eine moderate strukturelle gesamtstaatliche Defizitquote von etwa 1 % bis 1½ % an. Dies würde die Schuldenquote wieder auf den EU-Referenzwert von 60 % zurückführen. Die Kreditspielräume sind gemäß den Vorschlägen überwiegend für zusätzliche staatliche Sachinvestitionen reserviert (gemessen am Vergleichswert aus 2024). Weitere Elemente erleichtern eine stetige Haushaltspolitik, ohne die Bindungswirkung der Regeln zu schwächen. 

1.3 EU-Regeln: Deutschland hat Plan vorgelegt

Neben den nationalen Fiskalregeln muss Deutschland die neuen europäischen Fiskalregeln beachten. Die Bundesregierung hat diesbezüglich ihren finanzpolitisch-strukturellen Plan (FSP) vorgelegt 4 und beantragt, die Verteidigungsausnahme (nationale Ausweichklausel) zu nutzen. Die zuständigen europäischen Gremien haben offenbar signalisiert, beidem zuzustimmen (der Exkurs „Wie die EU-Fiskalvorgaben für Deutschland zustande kommen“ ergänzt die folgenden Ausführungen).

Deutschland beantragt mit seinem FSP umfangreiche fiskalische (Ausgaben-)Spielräume, die anfangs einen sehr expansiven Kurs ermöglichen (vgl. unten stehendes Schaubild 5.1). Zu den erheblichen Spielräumen trägt bei, dass der FSP

  •  den Anpassungszeitraum von vier auf sieben Jahre streckt, 

  •  anfangs ein erhöhtes Wachstum des Produktionspotenzials und des BIP-Deflators unterstellt (gegenüber den Referenzpfaden der Europäischen Kommission), 

  •  zunächst eine Expansion vorsieht und die nötige Konsolidierung in die späteren Jahre verschiebt und

  •  die Absicherungen (Safeguards) aussetzt, die unter anderem einen Mindestrückgang der Schuldenquote gewährleisten sollen.

Zudem greift Deutschland auf die Verteidigungsausnahme zurück, wodurch zusätzliche kreditfinanzierte Verteidigungsausgaben erlaubt sind. Die Verteidigungsausnahme ist dabei (für alle Mitgliedstaaten) so ausgestaltet, dass sie den Ausgabenspielraum nach ihrem Ende 2028 weiterhin erhöht: Die vereinbarten Ausgabenzuwachsraten setzen auf das höhere Ausgabenniveau auf. Im FSP ist die Verteidigungsausnahme noch nicht berücksichtigt, und der FSP enthält auch nicht nachrichtlich ergänzende Angaben zu den „on top“ geplanten Verteidigungsausgaben. Insoweit weist er Defizit- und Schuldenquoten zu niedrig aus.

EU-Regeln: Zusätzliche Spielräume beim deutschen Fiskalplan gegenüber dem Pfad der Europäischen Kommission
EU-Regeln: Zusätzliche Spielräume beim deutschen Fiskalplan gegenüber dem Pfad der Europäischen Kommission

Angesichts der aktuellen besonderen Herausforderungen ist es nachvollziehbar, dass Deutschland auf die Verteidigungsausnahme zurückgreift. 5 Im Rahmen der EU-Regeln sind die damit erlaubten zusätzlichen Verteidigungsausgaben angemessen abgegrenzt und zeitlich begrenzt (anders als bei der deutschen Schuldenbremse).

Plausibel ist auch, dass Deutschland den Anpassungszeitraum auf sieben Jahre verlängert. Dies setzt allerdings ein Reformpaket voraus, um die Verlängerung zu rechtfertigen. Wesentliche Teile dieses Pakets sind noch nicht konkret. Es bleibt abzuwarten, ob die Ziele zum Beispiel zu Investitionen, Beschäftigung und Bürokratieabbau erreicht werden. 6

An den anderen Stellen werden die Regeln auf kritische Weise gedehnt, um sich deutlich höhere Spielräume zu verschaffen. 

  •  In der FSP-Laufzeit (2025 bis 2029) sind die Zuwächse von BIP-Potenzial und -Deflator unplausibel hoch veranschlagt: Sie sind für den FSP mit 0,9 % (durchgängig) beziehungsweise mit 2½ % (durchschnittlich) angesetzt. Dies ist deutlich höher als für die aktuellen Bundesplanungen und als die Annahmen der Europäischen Kommission für ihre Referenzpfade. Zwar erlaubt eine Übergangsbestimmung der EU-Regeln, das Potenzialwachstum zu glätten. Diese Bestimmung so zu nutzen, überzeugt indes nicht. 

  •  Die Konsolidierung wird (über die Verteidigung hinaus) auf die lange Bank geschoben. Die geltenden Regeln sehen grundsätzlich eine Konsolidierung in gleichmäßigen jährlichen Schritten vor. Demgegenüber legt der FSP zunächst sogar einen expansiven Kurs an und verlagert die vorgesehene Konsolidierung auf die hinteren Jahre. Die tatsächliche Umsetzung im Haushaltsvollzug obliegt dann bereits der nachfolgenden Bundesregierung. Wenn Regierungen Schritte für solide Staatsfinanzen regelmäßig vertagen, laufen Fiskalregeln ins Leere.

Auf Basis des FSP könnte die Defizitquote zwischenzeitlich regelkonform eine Größenordnung von 6 % erreichen, wenn Deutschland die ausgeweiteten Ausgabenspielräume ausnutzt. Die Schuldenquote könnte dann bis 2029 auf 80 % steigen (vgl. oben stehendes Schaubild 5.1). 7 Die zusätzlichen (geschätzten) Defizitspielräume aus der Verteidigungsausnahme und den höheren nominalen BIP-Zuwächsen im Vergleich zu den Kommissionsannahmen 8 bauen sich im Zeitverlauf auf. Die Spielräume aus der verschobenen Konsolidierung sind vorübergehend und 2026 und 2027 am größten. Zusätzliche Defizite sind zudem im Vollzug möglich, soweit sie nicht die Grenzen des Kontrollkontos überschreiten. 

Insgesamt sind die fiskalischen Spielräume mit FSP und Verteidigungsausnahme so weit gesteckt, dass die aktuellen Bundesplanungen bis 2029 damit kompatibel sein könnten (siehe zu den Planungen: Abschnitt „Bundesfinanzen“). Mit den ursprünglichen Kommissionsansätzen für die EU-Vorgaben wäre die Bundesplanung hingegen nicht vereinbar gewesen – auch nicht mit der Verteidigungsausnahme: Damit regelkonform wären wohl Defizitquoten von in der Spitze 3½ %. Die Schuldenquote würde damit eine Größenordnung von 70 % erreichen.

Exkurs

Wie die EU-Fiskalvorgaben für Deutschland zustande kommen 1

Mit dem finanzpolitisch-strukturellen Plan (FSP) und der Verteidigungsausnahme beantragt die Bundesregierung weite Defizit- und Schuldenspielräume im Rahmen der EU-Regeln. Dieser Exkurs erläutert, wie der FSP die Spielräume gegenüber den Berechnungen der Europäischen Kommission (im Folgenden: Kommission) erweitert. Schaubild 5.1 stellt die Ausgangsrechnungen der Kommission sowie diese Zusatzspielräume dar. 

Vorbemerkung zu den EU-Vorgaben

Zunächst stellt die Kommission Referenzpfade auf. Referenzpfade enthalten Obergrenzen für das Wachstum der Nettoausgaben 2 , die für ein Land über einen Anpassungszeitraum gelten sollen. Am Ende des Zeitraums soll damit ein Haushaltsziel für den strukturellen Primärsaldo erreicht werden. Vereinfacht gesprochen wird dieses so festgelegt, dass damit unter bestimmten Annahmen in einer Tragfähigkeitsanalyse (DSA) bestimmte Vorgaben erfüllt werden. Grundsätzlich sind mit dem Haushaltsziel auch die Anforderungen aus den sogenannten Absicherungen (Safeguards) erfüllt. Die Safeguards sind Mindestanforderungen an die Entwicklungen der Schuldenquote und des strukturellen Primärsaldos im Anpassungszeitraum. Die Referenzpfade sehen einen Anpassungszeitraum von im Regelfall vier Jahren vor. Dieser kann auf bis zu sieben Jahre verlängert werden, wenn das Land größere Reformen plant. 

Ausgehend von den Referenzpfaden legen die Mitgliedstaaten einen FSP vor. Wenn der Rat diesem zustimmt, gilt das Wachstum der Nettoausgaben im FSP als verbindliche Obergrenze. Die Staaten verhandeln ihren FSP zunächst bilateral mit der Kommission. Sie können dabei von den Referenzpfaden abweichen, müssen dies jedoch begründen. Die FSP-Laufzeit erstreckt sich nicht notwendigerweise über den gesamten Anpassungszeitraum, sondern der FSP bildet die ersten vier oder fünf Jahre davon ab. 

Mit der Verteidigungsausnahme dürfen die FSP-Obergrenzen in begrenztem Umfang überschritten werden. 

  •  Die Überschreitung für Verteidigung ist zunächst in zweierlei Hinsicht beschränkt: (1) Sie ist auf 1,5 % des BIP pro Jahr gedeckelt, in der Regel im Vergleich zum Ausgabenniveau 2021. (2) Sie gilt nur für Verteidigungsausgaben in der VGR-COFOG-Abgrenzung. Anders als bei der deutschen Schuldenbremse sind die zusätzlich erlaubten kreditfinanzierten Verteidigungsausgaben damit angemessen abgegrenzt. 3

  •  Die Verteidigungsausnahme ist für die Jahre 2025 bis 2028 aktiviert. Sie erhöht den allgemeinen Defizit- und Ausgabenspielraum (nicht nur für Verteidigungsausgaben) aber nicht nur bis 2028, sondern auch danach: Denn die Vorgaben für die Ausgabenzuwächse setzen ab 2029 auf das Ausgabenniveau 2028 auf, das durch die Verteidigungsausnahme erhöht ist. 

  •  Und einen weiteren Spielraum räumen Kommission und Rat für Länder ein, wenn die Verteidigungsausnahme aktiviert ist: Die Ausgabengrenzen im FSP (ohne Verteidigungsausnahme) müssen dann nicht mehr die Safeguards erfüllen. Das heißt, durch den Rückgriff auf die Verteidigungsausnahme können bis 2028 auch nicht verteidigungsbezogene Ausgaben höher liegen. 4

Zur Umsetzung im deutschen FSP

Ausgangspunkt der folgenden Darstellung bildet der Referenzpfad der Kommission für den Standardfall eines vierjährigen Anpassungszeitraums einschließlich Safeguards. 

Die Streckung des Anpassungszeitraums auf sieben Jahre und die Nutzung der Verteidigungsausnahme 5 erweitern die Ausgabenspielräume: 

  •  Der siebenjährige Anpassungszeitraum verringert das angestrebte Haushaltsziel für den strukturellen Primärsaldo 6 , und die Konsolidierung wird gestreckt. In den Referenzpfaden der Kommission sinken die jährlichen Konsolidierungsschritte von 0,94 % des BIP für eine vierjährige Anpassungszeit auf 0,46 % bei sieben Jahren. Eine solche Verlängerung setzt ein Paket an Reform- und Investitionszusagen voraus, das verschiedene Kriterien erfüllen muss. Die Regierung hat dafür auf Teile der geplanten oder bereits verabschiedeten Reformen verwiesen. 

  •  Durch den Wegfall der Safeguards sinken die Konsolidierungsschritte weiter auf 0,26 % pro Jahr. Deutschland nutzt hier den zusätzlichen Spielraum für Länder mit aktivierter Verteidigungsausnahme (siehe oben).

  •  Die Verteidigungsausnahme selbst erlaubt, die im FSP vereinbarten Grenzen für das Ausgabenwachstum im oben beschriebenen Umfang zu überschreiten.  

Schaubild 5.1 zeigt den Defizitspielraum mit verlängertem Anpassungszeitraum und ohne Safeguards als Ausgangsbasis. Damit liegt die Defizitquote unter dem Referenzwert von 3 %. Diese Schaubild-Position („KOM-Pfad“) zeigt die diesbezüglichen Werte, welche die Kommission Deutschland zur Verfügung gestellt hatte. 

Hinzu kommen geschätzte Effekte der erlaubten zusätzlichen Verteidigungsausgaben. Dadurch erhöht sich die Defizitquote, und sie liegt teils leicht über 3 %. Die Schuldenquote steigt in der Szenario-Rechnung mit zusätzlichen erlaubten Verteidigungsausgaben bis 2029 auf 70 %. 

Weitere Abweichungen des FSP vom Referenzpfad der Kommission weiten den Ausgabenspielraum nochmals stark aus:

  •  Die Wachstumsraten des BIP-Potenzials für 2025 bis 2029 sind im FSP deutlich höher veranschlagt als im Referenzpfad (durchschnittlich 0,9 % statt 0,5 %). 7 Die Bundesregierung nutzt eine Übergangsbestimmung der europäischen Regeln: Demnach dürfen die Mitgliedstaaten für die ersten Pläne „stabilere Zeitreihen“ für das Potenzialwachstum verwenden. Dies sollen sie mit wirtschaftlichen Argumenten begründen. Die Regierung begründet sie mit positiven Effekten neuer Maßnahmen auf Investitionen und Kapitalstock und verweist dafür auf aktuellere Abschätzungen. Vergleichsschätzungen für die Potenzialraten mit üblichen Verfahren und ähnlich hohen Werten scheinen nicht vorzuliegen. Zudem enthält die gerade verabschiedete Haushalts- und Finanzplanung des Bundes niedrigere Werte. Demnach wächst das Potenzial von 2025 bis 2029 ebenfalls nur um durchschnittlich 0,5 %. Die Bundesbank schätzt die Potenzialraten in diesen Jahren ähnlich ein. 8

  •  Die Wachstumsraten des BIP-Deflators sind 2025 bis 2029 deutlich höher veranschlagt als im Referenzpfad (durchschnittlich 2,6 % statt 2,2 %). Die Bundesbank erwartet gemäß ihrer Deutschland-Prognose für 2026 und 2027 mit Deflator-Raten von gut 2 % ähnliche Raten wie die Kommission. 9

  •  Der FSP vertagt nicht nur die Konsolidierung, sondern erlaubt bis 2026 einschließlich sogar einen expansiven Kurs (ohne dass dies auf erlaubte zusätzliche Verteidigungsausgaben zurückgeht). Die geforderte Konsolidierung setzt entsprechend später ein und muss dann zudem ambitionierter ausfallen – sie wurde letztlich in die nächste Legislaturperiode verlagert. Die EU-Regeln sehen dagegen grundsätzlich eine lineare Konsolidierung vor. Darüber hinaus muss gemäß den Regeln die kumulierte Konsolidierung in den Jahren des FSP proportional zur gesamten Konsolidierung des (vier- bis siebenjährigen) Anpassungszeitraums sein. Die Länge des FSP ist gemäß den EU-Regeln auf die Länge der Legislaturperiode abzustimmen. Die geforderte Proportionalität erreicht Deutschland allerdings nur, indem es den FSP nicht für vier Jahre entwirft, sondern für fünf. 

Mit den letzten drei Abweichungen könnte die Defizitquote zwischenzeitlich regelkonform eine Größenordnung von 6 % erreichen. Die Schuldenquote könnte damit bis 2029 auf etwa 80 % steigen (siehe Schaubild 5.1). Es wird bei diesen Berechnungen unterstellt, dass Deutschland den Ausgabenspielraum ausschöpft, aber die plausibleren Annahmen der Kommission für BIP-Potenzial und -Deflator eintreten. 

Die bislang beschriebenen Spielräume beziehen sich auf die Planungen. Weitere Spielräume können im Vollzug entstehen. 10 Auch dies veranschaulicht das Schaubild 5.1(Position „Kontrollkonto ausgereizt“): Ein Land kann die Obergrenzen im Vollzug begrenzt überschreiten, ohne den Budgeteffekt dieser Verfehlung später korrigieren zu müssen. Dazu führt die Kommission für jedes Land ein Kontrollkonto: Verfehlungen von bis zu 0,3 % des BIP in einem einzelnen Jahr und kumuliert von bis zu 0,6 % lösen keine Korrekturanforderungen aus. Reizt das Land diese Flexibilität voll aus, so können die Defizite ceteris paribus ab dem zweiten Planjahr um 0,6 % des BIP höher liegen als für den FSP angenommen. Denn der erlaubte Ausgabenzuwachs setzt auf der im Vollzug überhöhten Vorjahresbasis auf. Würde Deutschland das Kontrollkonto ausreizen, würde dies die Schuldenquote bis 2029 für sich genommen um 2½ Prozentpunkte erhöhen. 

Die ersten Erfahrungen mit den reformierten EU-Regeln bestätigen, dass sie sehr komplex und wenig transparent sind. Die Regeln lassen sehr viel Gestaltungsfreiraum bei der Herleitung der länderspezifischen fiskalischen Grenzen. Wie dieser Freiraum genutzt wird, ist nur noch sehr schwer zu durchschauen, weil die Regeln komplex und die Informationen nicht leicht zugänglich sind. Ebenso schwer einzuschätzen ist, ob die Planungen eines Landes damit kompatibel sind und wie die Europäische Kommission die Regeleinhaltung konkret bewerten wird. Letzteres eröffnet nochmals etliche Spielräume. Es bleibt unverändert entscheidend, künftig die Pläne und Vorgaben stringent aufzusetzen und zu überwachen. Andernfalls laufen die reformierten EU-Regeln ins Leere und verfehlen ihr Ziel, auf solide Staatsfinanzen hinzuwirken (vgl. Exkurs „EU-Regeln stringent umsetzen“).

Exkurs

EU-Regeln stringent umsetzen

Die bestehenden EU-Fiskalregeln sollten konsequent auf solide Staatsfinanzen ausgerichtet werden. Dies kann durch folgende Maßgaben unterstützt werden: 

  •  Die Mitgliedstaaten setzen ihre Pläne strikt um – und die Kommission überwacht dies stringent. Entscheidende Aspekte sind hier beispielsweise: i) in der Haushaltsüberwachung werden die Budgeteffekte einnahmenseitiger Maßnahmen nicht optimistisch eingeschätzt, um so Haushaltsgrenzen einzuhalten; ii) stellt die Kommission in der Haushaltsüberwachung Verfehlungen fest, leitet sie tatsächlich die vorgesehenen Verfahrensschritte ein. Das heißt, sie verzichtet darauf, Exkulpationsmöglichkeiten auszureizen, und erhöht den Anpassungsdruck. 

  •  Künftige Pläne werden unter strikter Einhaltung der bestehenden Regeln aufgestellt: i) die jetzt aktivierten nationalen Ausweichklauseln werden nicht verlängert. Zwar sind Ausweichklauseln ein wichtiger Bestandteil von Fiskalregeln. Sie dürfen aber kein Dauerzustand sein, da sonst solide Staatsfinanzen gefährdet wären. Deshalb sollte auch die aktuelle Ausweichklausel nur den Übergang zu höheren Verteidigungsausgaben erleichtern. Es ist wichtig, diese wohl strukturell höheren Ausgaben im weiteren Verlauf ohne Kreditaufnahme zu finanzieren. Es gibt keinen Gegensatz von Verteidigungsfähigkeit und soliden Staatsfinanzen. Beides ist nötig, um die Widerstandsfähigkeit eines Landes zu gewährleisten; ii) die Absicherungen (Safeguards) gelten wie vereinbart. Das heißt, nach Ende der Ausweichklausel binden auch die sich daraus ergebenden Anforderungen an den Ausgabenpfad wieder. Ohnehin war es sachfremd, mit der Ausweichklausel für Verteidigung auch Spielraum für zusätzliche allgemeine Ausgaben einzuräumen; iii) die Ausgabenobergrenzen verteilen die geplanten Anpassungsschritte gleichmäßig. Eine Regierung kann die Konsolidierungsanforderungen nicht aus ihrer Amtszeit hinausschieben; iv) die zentralen makroökonomischen Annahmen, wie etwa zum BIP-Potenzial und -Deflator, sind von unabhängiger Stelle als plausibel testiert – auch für jedes einzelne Jahr. Insbesondere bei hohen Schuldenquoten sind die Annahmen eher konservativ. 

Die Bindungskraft der Regeln steigt zudem mit mehr Transparenz und weniger Spielraum. Diese lässt sich mit Änderungen an verschiedenen Stellen erreichen, darunter: 

  •  Die Mitgliedstaaten veröffentlichen den Referenzpfad, sobald sie ihn von der Kommission erhalten. 

  •  Die Pläne der Mitgliedstaaten weisen die erwartete Defizit- und Schuldenentwicklung aus. Sie erläutern, welche Ausgabenspielräume aus welcher Abweichung gegenüber dem Referenzpfad resultieren. Diese Angaben werden bei veränderten Bedingungen aktualisiert (zum Beispiel, wenn die Ausweichklausel nach Planerstellung aktiviert wurde) 

  •  Die Kommission stellt in einer öffentlichen Datenbank alle Annahmen bereit. Abrufbar sind die Daten der Kommission und die der Mitgliedstaaten, die in der Herleitung des jeweiligen Anpassungspfades verwendet wurden. 

  •  Die Kommission aktualisiert die Annahmen bei jeder Haushaltsüberwachung. Sie stellt nachvollziehbar dar, wie sich Defizit- und Schuldenquoten mit den aktuellen Annahmen entwickeln, wenn der Mitgliedstaat die Ausgabenobergrenzen ausschöpft.

  •  Fehlschätzungen werden frühzeitiger korrigiert: In den laufenden Haushaltsüberwachungen werden auch die Annahmen überprüft, auf denen der Plan beruhte. Die Ausgabenwachstumsgrenzen für die Folgejahre werden bei stärkeren Korrekturen der Annahmen angepasst, mit dem Ziel, Budgeteffekte von Fehleinschätzungen zumindest teilweise zu korrigieren.

  •  Das Kontrollkonto wird dauerhaft geführt. Es wird nicht mit einem neuen FSP auf null gesetzt. Es bleibt bestehen, bis das Haushaltsziel erreicht ist. 

2 Steuereinnahmen 9

2.1 Dynamischer Zuwachs im ersten Halbjahr 2025 – Abschwächung im weiteren Jahresverlauf

Die Steuereinnahmen wuchsen bis Ende Juni 2025 dynamisch um 8 % (+ 34 Mrd € gegenüber dem ersten Halbjahr des Vorjahres). Im zweiten Halbjahr dürften sich die Zuwachsraten aber deutlich abschwächen. 

  •  Die Lohnsteuer wuchs im ersten Halbjahr um 6 %, auch weil teilweise steuerpflichtige Lohnelemente an die Stelle steuerfreier Entgeltbestandteile (Inflationsausgleichsprämie) traten. In der zweiten Jahreshälfte dürfte dieser Effekt nachlassen. 

  •  Die Umsatzsteuer nahm ebenfalls erheblich zu (+ 6½ %). Auch hier sind nun geringere Zuwächse zu erwarten: Zum einen schlugen im Vorjahresvergleich in der ersten Jahreshälfte 2025 noch Rechtsänderungen positiv zu Buche. Insbesondere galt bis Ende März 2024 ein ermäßigter Steuersatz auf Erdgas und Fernwärme. Zum anderen wurden in der zweiten Jahreshälfte 2024 umfangreiche Nachzahlungen vereinnahmt. Solch umfangreiche Nachzahlungen dürften 2025 wohl nicht mehr anfallen.

  •  Die Einnahmen aus der Besteuerung von Zins- und Veräußerungserträgen stiegen kräftig. Ursächlich dürften insbesondere Veräußerungserträge gewesen sein. Im zweiten Halbjahr erwartete die Steuerschätzung hier keinen weiteren Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 

  •  Auch die Erbschaftsteuer trug zum starken Halbjahreszuwachs bei (+ 4 Mrd € gegenüber dem ersten Halbjahr 2024). Entscheidend dafür war offenbar ein einmaliger Effekt in Bayern. 

Für das Gesamtjahr 2025 erscheint es aus heutiger Sicht möglich, dass die Steuereinnahmen leicht über der offiziellen Steuerschätzung vom Mai liegen (+ 3½ %, ohne Gemeindesteuern). 10 Die Schätzung vom Mai enthielt zwar nicht die neu beschlossenen Steuererleichterungen für Unternehmen (vgl. Abschnitt „Steuererleichterungen für Unternehmen“). Aber diese dämpfen das Aufkommen im laufenden Jahr praktisch noch nicht.

Steueraufkommen
Steueraufkommen
Tabelle 5.1: Steueraufkommen

 

 

 

 

 

Steuerart

1. Halbjahr

 

Schätzung für
2025 1)

20242025

 

 

Mrd €

Veränderung
gegenüber
Vorjahr
Veränderung
gegenüber
Vorjahr
in Mrd €in %in %
Steuereinnahmen
insgesamt 2)

414,0

447,6

+ 33,6

+ 8,1

+ 3,7

darunter:

 

Lohnsteuer 3)

119,8

127,1

+ 7,4

+ 6,2

+ 4,4

Gewinnabhängige Steuern

83,6

90,1

+ 6,4

+ 7,7

− 0,7

davon:

 

Veranlagte 
Einkommensteuer 4)

33,9

36,9

+ 3,0

+ 8,8

+ 0,3

Körperschaftsteuer 5)

20,5

19,8

− 0,7

− 3,5

− 10,0

Nicht veranlagte Steuern vom Ertrag

19,4

18,9

− 0,5

− 2,5

− 4,9

Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge

9,8

14,5

+ 4,7

+ 47,6

+ 22,0

Steuern vom Umsatz 6)

144,9

154,2

+ 9,4

+ 6,5

+ 3,2

Übrige verbrauchsabhängige Steuern 7)

43,8

48,3

+ 4,5

+ 10,2

+ 7,8

Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Arbeitskreis Steuerschätzungen und eigene Berechnungen. 1 Laut offizieller Steuerschätzung vom Mai 2025. 2 Umfasst die gemeinschaftlichen Steuern sowie die Bundes- und Ländersteuern. Einschließlich EU-Anteilen am deutschen Steueraufkommen, einschließlich Zöllen, ohne Erträge aus Gemeindesteuern. 3 Kindergeld und Altersvorsorgezulage vom Aufkommen abgesetzt. 4 Arbeitnehmererstattungen und Forschungszulage vom Aufkommen abgesetzt. 5 Forschungszulage vom Aufkommen abgesetzt. 6 Umsatzsteuer und Einfuhrumsatzsteuer. 7 Energiesteuer, Versicherungsteuer, Tabaksteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Stromsteuer, Alkoholsteuer, Luftverkehrsteuer, Kaffeesteuer, Schaumweinsteuer, Zwischenerzeugnissteuer, Alkopopsteuer sowie Rennwett- und Lotteriesteuer, Feuerschutzsteuer, Biersteuer. 

2.2 Steuererleichterungen für Unternehmen

Der Gesetzgeber hat verschiedene Maßnahmen verabschiedet, um die Investitionsbedingungen für Unternehmen zu verbessern. Die Körperschaftsteuer sinkt demnach ab 2028 schrittweise pro Jahr um 1 Prozentpunkt. Ab 2032 soll der Körperschaftsteuersatz dann 10 % betragen. Für Unternehmensgewinne, die der Einkommensteuer unterliegen, sinkt die Steuer für einbehaltene Gewinne schrittweise ab 2028. Des Weiteren dürfen Unternehmen bewegliche Wirtschaftsgüter schneller als bisher abschreiben, sofern sie diese bis Ende 2027 anschaffen. Unternehmen können Elektrofahrzeuge zudem sehr rasch abschreiben: im Jahr der Anschaffung bereits drei Viertel. Zudem weitet der Gesetzgeber die steuerliche Forschungsförderung aus. 

Die geplanten Maßnahmen sind grundsätzlich geeignet, Investitionen und den Unternehmensstandort attraktiver zu machen. Dass der Körperschaftsteuersatz erst ab 2028 sinkt, legt den Schwerpunkt mit den beschleunigten Abschreibungen zunächst auf die Investitionsförderung. So lassen sich Investitionen noch teilweise unter den höheren Steuersätzen abschreiben, und spätere Gewinne unterliegen den niedrigeren Sätzen. Mit der großzügigeren Forschungszulage steigen die Anreize, in Deutschland in Innovationen zu investieren – bei begrenzten Mindereinnahmen. 11

Das Gesetzespaket führt zu deutlichen, teils aber nur temporären Steuerausfällen. In den Jahren 2026 bis 2028 wächst das Steueraufkommen dadurch um ½ Prozentpunkt im Jahresdurchschnitt weniger. Die Mindereinahmen aus der Senkung des Körperschaftsteuersatzes nehmen danach noch deutlich weiter zu. In der Endstufe im Jahr 2032 liegt der Körperschaftsteuersatz 5 Prozentpunkte niedriger als derzeit. Aktuell erbringen 5 Prozentpunkte ein jährliches Aufkommen von 23 Mrd € (inklusive Solidaritätszuschlag, 2½ % des gesamten Steueraufkommens im Jahr 2025). Die beschleunigten Abschreibungen senken die Einnahmen zwar zunächst deutlich: Im Jahr 2028 erreichen die Ausfälle ihre Spitze mit 12½ Mrd €. Ab 2029 nehmen sie wieder ab, und langfristig kompensieren spätere Mehreinnahmen die anfänglichen Mindereinnahmen größtenteils. Denn die steuerlich relevanten Gewinne fallen bei höheren Abschreibungen anfänglich niedriger, später jedoch höher aus. Eine dauerhafte Steuerentlastung für als Kapitalgesellschaften veranlagte Unternehmen folgt aus dem Zusammenspiel von beschleunigten Abschreibungen und niedrigerem Körperschaftsteuersatz.

3 Bundesfinanzen

3.1 2025 stark steigende Defizite geplant

Die neue Bundesregierung plant für 2025 mit stark steigenden Defiziten im Kernhaushalt und den Extrahaushalten 12 . Das Gesamtdefizit soll von 49 Mrd € im Jahr 2024 auf 146 Mrd € steigen (siehe für diese und folgende Angaben die Tabelle 5.2, „Wichtige Haushaltskennzahlen des Bundes“, hier Position 1.d). Damit fallen die Bundesdefizite erheblich höher aus als von der vorherigen Bundesregierung im Sommer 2024 geplant (Gesamtdefizit damals etwa 90 Mrd €). 

Die hohen Defizite sind möglich, weil der Gesetzgeber die Schuldenbremse im März erheblich gelockert hat. 13 Mit dem Ziel, die Verteidigungsfähigkeit und die staatliche Investitionstätigkeit zu stärken, erweiterte er die Kreditspielräume: Durch die „Bereichsausnahme Verteidigung“ kann der Bund verteidigungsbezogene Ausgaben oberhalb von 1 % des BIP 14 nun unbegrenzt im Kernhaushalt aus Krediten finanzieren (zusätzlich stand beim Bundeswehrfonds zu Jahresbeginn noch ein Kreditspielraum von 77 Mrd € zur Verfügung, vgl. Tabelle 5.2, Position 3.b; dieser soll mit offenbar bereits eingegangenen Verpflichtungen bis Ende 2027 aufgebraucht werden). Neu hinzugekommen ist zudem ein Kreditspielraum von 500 Mrd € für das Sondervermögen Infrastruktur/Klimaneutralität (SV IK), der sich über zwölf Jahre erstreckt.

Das Defizit für das Haushaltsjahr 2025 setzt sich wie folgt zusammen:

  •  Mit der Grenze für die Nettokreditaufnahme, die aus der ursprünglichen Schuldenbremse fortbesteht, ist ein Defizit von 50 Mrd € verbunden. Kreditfinanzierte Defizite sind damit zulässig im Umfang von 15 Mrd € aus der strukturellen Neuverschuldung von 0,35 % des BIP, 18 Mrd € für errechnete konjunkturbedingte Lasten und gut 16 Mrd € für finanzielle Transaktionen (vgl. Tabelle 5.2, Positionen 2.f2, 2.d und 2.e). 

  •  Hinzu kommt das Defizit aus dem erweiterten verteidigungspolitischen Spielraum: Die Regierung plant, diesen im Kernhaushalt mit einem zusätzlichen Defizit von 32 Mrd € zu nutzen (vgl. Tabelle 5.2, Position 2.f1). Sie rechnet die Ausgaben des Verteidigungsministeriums, zur militärischen Unterstützung der Ukraine sowie für weitere inländische sicherheitsbezogene Zwecke von insgesamt 75 Mrd € an. Davon zieht sie 43 Mrd € (1 % des BIP von 2024) ab, die innerhalb der regulären Kreditgrenze zu finanzieren sind.

  •  Im Bundeswehrfonds ist ein kreditfinanziertes Defizit von 24 Mrd € vorgesehen (vgl. Tabelle 5.2, Positionen 3.a und 1.b2).

  •  Im neuen SV IK ist ein kreditfinanziertes Defizit von 37 Mrd € veranschlagt (vgl. Tabelle 5.2, Positionen 3.c und 1.b1).

  •  Die übrigen Sondervermögen fallen planmäßig weniger stark ins Gewicht (vgl. Tabelle 5.2, Positionen 1.b3 und 1.b4).

Defizite des Bundes einschließlich Extrahaushalte
Defizite des Bundes einschließlich Extrahaushalte
Tabelle 5.2: Wichtige Kennzahlen zu den Bundesfinanzen*) 
in Mrd € (soweit nicht anders gekennzeichnet)
PositionIst 20242025 E22026 E202720282029
1.Finanzierungssalden (Überschuss: +, Defizit: -) 
1.aKernhaushalt

− 25,0

− 81,9

− 99,7

− 89,3

− 116,7

− 127,1

1.bExtrahaushalte mit Planzahlen1)

− 43,2

− 64,4

− 91,6

− 84,6

− 58,4

− 59,2

 darunter:

 

1.b1Sondervermögen Infrastruktur/Klimaschutz (SV IK)

-

− 37,2

− 58,9

− 57,1

− 58,4

− 59,2

1.b2Bundeswehrfonds

− 17,2

− 24,1

− 25,5

− 27,5

-

-

1.b3Klimafonds

− 23,1

− 3,9

− 2,1

.

.

.

1.b4sonstige2)

− 3,0

0,8

− 5,2

.

.

.

1.cExtrahaushalte ohne Planzahlen1) 3)

19,5

.

.

.

.

.

1.dBund insgesamt (1.a + 1.b + 1.c)

− 48,7

− 146,3

− 191,4

− 173,9

− 175,1

− 186,3

2. Für Schuldenbremse relevante Angaben (Kernhaushalt)

 

2.a Rücklagenzuführung (-)/-entnahme (+) (ab 2027: s)

-

-

9,7

1,0

-

-

2.a-nnachrichtlich: Bestand der allgemeinen Rücklage

10,7

10,7

1,0

-

-

-

2.b Münzeinnahmen (ab 2027: s)

0,2

0,1

0,2

0,2

0,2

0,2

2.cNettokreditaufnahme (NKA) (-)/Tilgung (+) (1.a + 2.a + 2.b)

− 24,8

− 81,8

− 89,9

− 88,1

− 116,5

− 126,9

2.dKonjunkturkomponente im Haushaltsverfahren5)

− 20,6

− 18,2

− 12,9

− 8,2

− 3,9

-

2.d-nnachrichtlich: Konjunkturkomponente Bundesbank

1,5

− 6,1

− 5,4

− 3,2

.

.

2.e Saldo finanzieller Transaktionen (ab 2027: s)6)

− 1,4

− 16,4

− 7,6

− 0,3

− 2,1

− 1,1

2.fStrukturelle NKA (-)/Tilgung (+)7) (2.c. – 2.d. – 2.e)

− 8,9

− 47,1

− 69,4

− 79,6

− 110,5

− 125,9

 darunter: 

 

2.f1Bereichsausnahme Verteidigung

-

− 32,1

− 54,3

− 64,2

− 107,2

− 122,1

2.f1-nnachrichtlich: Zunahme Verteidigung gegenüber Ist 20248) (s)

-

11

29

39

80

94

2.f2Strukturelle NKA (-)/Tilgung (+) ohne Bereichsausnahme (2.f – 2.f1)

− 2,8

− 15,1

− 15,1

− 15,4

− 3,3

− 3,8

2.gRegelgrenze von 0,35 % des BIP9)

− 5,9

− 15,1

15,1

− 15,4

− 3,3

− 3,8

2.g-nnachrichtlich: Überschreitung (+)/Unterschreitung (-)

− 3,1

-

-

-

-

-

2.hStand des Kontrollkontos10)

55,7

55,7

55,7

55,7

55,7

55,7

2.iAusstehender Tilgungsbetrag inklusive Bundeswehrfonds (ab 2028: s)11)

349,4

373,5

398,9

426,4

413,9

401,4

2.i-nnachrichtlich: Ausstehender Tilgungsbetrag aus NGEU-Transfers (s)12)

65

92

118

118

114

111

3.NKA Extrahaushalte (außerhalb der Schuldenbremse)

 

3.aNKA Bundeswehrfonds

− 17,2

− 24,1

− 25,5

− 27,5

-

-

3.bDanach verbleibende Kreditermächtigung

77,0

52,9

27,5

-

-

-

3.cNKA  SV IK

-

− 37,2

− 58,9

− 57,1

− 58,4

− 59,2

3.c-nnachrichtlich: Zunahme Infrastrukturinvestitionen gegenüber Ist 202413)

-

4,7

17,2

.

.

.

3.dDanach verbleibende Kreditermächtigung

-

462,8

403,9

346,8

288,4

229,2

4.Ergänzende Angaben zum Kernhaushalt

 

4.aAusgaben14)

465,7

503,0

520,5

507,5

546,4

572,1

 darunter:

 

4.a1Investitionen

56,7

62,7

56,1

48,6

46,9

46,5

4.a2Investitionen (ohne finanzielle Transaktionen, ab 2026: s)

50,8

45,4

47,7

46,6

46,4

44,7

4.a3Investitionen in die Bundesinfrastruktur 13)

30,9

20,8

23,9

.

.

.

4.a4Investitionsquote in % (relevant für SV IK)15)

11,6

10,0

10,4

10,6

10,6

10,0

4.a4-nnachrichtlich: darunter über Bereichsausnahme Verteidigung finanziert

-

2

3

.

.

.

4.a5Zinsen

34,2

30,2

30,3

41,3

55,3

66,5

4.a6Globale Mehr-/Minderausgaben (ab 2027: Handlungsbedarf laut Medien)

-

− 5,7

− 8,4

− 34

− 64

− 74

4.bEinnahmen 14) 16) 

440,6

421,1

420,8

418,3

429,8

445,1

 darunter:

 

4.b1Steuereinnahmen 17)

375,0

386,8

383,8

400,6

412,3

423,9

4.b2aus NGEU

13,5

-

10,6

-

-

-

4.b3Globale Mehr-/Mindereinnahmen

-

− 1,1

− 4,2

.

.

.

* Quelle: BMF und eigene Berechnungen. Methodische Erläuterungen finden sich in: Deutsche Bundesbank (2016).1 Einbezogen sind nur Extrahaushalte, für die der Bund monatliche Kassenergebnisse vorlegt. Ausgeschlossen sind damit vor allem Gesellschaften wie die Autobahn GmbH und die Infrastruktur- und Regionalverkehrssparten der Deutschen Bahn AG. Planzahlen gemäß Kredifinanzierungsplan. 2 Vor allem Kommunalinvestitionsförderungsfonds, Grundschulkinder-Betreuungsfonds und (bis 2024) Digitalisierungsfonds. 3 Vor allem Wirtschaftsstabilisierungsfonds und Pensionsvorsorge-Sondervermögen. 4 Für das Ist 2024 abweichend vom Ausweis in der Haushaltsrechnung: Ohne Aufschlag für getilgte Notlagenkredite (auch Defizit entsprechend niedriger als dort). 5 Für 2024 gemäß Haushaltsrechnung (Stand März 2025), danach gemäß Frühjahrsprojektion 2025 der Bundesregierung. 6 Ab 2027 so geschätzt, dass die ausgewiesene NKA die Grenze der Schuldenbremse voll ausschöpft; ab 2028 unter Einrechnen einer Tilgung von Notlagenkrediten und Bundeswehrfonds von 12,5 Mrd € p.a. 7 Abweichend von Haushaltsrechnung: mit Konjunkturkomponente gemäß Frühjahrsprojektion 2025, um die strukturelle Entwicklung unverzerrt darzustellen. 8 Ausgabenanstieg im Kernhaushalt ermittelt aus geplantem Anstieg der NATO-Quoten auf 2,4 % in 2025, 2,8 % in 2026 und 3,5 % in 2029 gegenüber gemeldeter Ist-Quote 2024 von 2,0 % unter Abzug des Bundeswehrfonds. 9 Bezogen auf das BIP des Jahres vor Aufstellung des Haushalts (für die Haushaltsentwürfe 2025 und 2026: 2024). In 2024 abzüglich Rückzahlung von Notlagenkrediten von 8,5 Mrd €. Ab 2028: abzüglich 12,5 Mrd € Tilgung von Notlagenkrediten und Bundeswehrfonds (s).10 Vorjahresstand abzüglich Überschreitung der Regelgrenze (2.g-n), soweit die Ausnahmeklausel nicht gezogen wurde. 11 Vorjahresstand zuzüglich Überschreitung der Regelgrenze (2.g-n), soweit die Ausnahmeklausel gezogen war zuzüglich Betrag der NKA des Bundeswehrfonds (-3.a), ab 2028 abzüglich Tilgungen gemäß Tilgungsplan. 12NGEU-Planzahlen und Schätzungen (ab 2025), jeweils multipliziert mit dem deutschen Anteil am EU-Bruttonationaleinkommen von 25 %. Ab 2028 abzüglich eines festen Tilgungsbetrags über 31 Jahre. 13 Investitionen in die Infrastruktur des Bundes, finanziert aus Kernhaushalt und bei 3.c-n auch aus SV IK: alle Sachinvestitionen sowie Investitionszuschüsse an Bundesunternehmen wie Deutsche Bahn AG und Autobahn GmbH und öffentliche Einrichtungen etwa für den Ausbau des Breitbandnetzes (aus dem Gruppierungsplan: Hauptgruppe 7, Obergruppen 81 und 82, Gruppierungen 891 und 894). 14 Ohne Rücklagenzuführungen bzw. -entnahmen und ohne die in Fußnote 17 genannten Abzugspositionen. 15 Die Bundesregierung sieht die Zusätzlichkeit der kreditfinanzierten Ausgaben des SV IK als gewahrt an, wenn die Planquote mindestens 10 % beträgt. 16 Ohne Münzeinnahmen.17 Nach Abzug der Bundesergänzungszuweisungen, der Länder-Anteile am Energiesteueraufkommen, des Ausgleichs gemäß Kraftfahrzeugsteuer-Reform 2009 an die Länder und der Sanierungshilfen (an Bremen und das Saarland).
Exkurs

Zusatzschulden nicht auf Verteidigung und Infrastruktur fokussiert

Es ist in der aktuellen Lage nachvollziehbar, die Verteidigungsfähigkeit und die Infrastruktur kreditfinanziert zu stärken. Aber offenbar werden die neuen Verschuldungsmöglichkeiten in erheblichem Maße genutzt, um anderweitige Haushaltsspielräume zu schaffen (vgl. Schaubild 5.4). 

Möglich wird dies insbesondere dadurch, dass die Zusätzlichkeitskriterien für Verteidigungs- und Investitionsausgaben bislang nicht geeignet ausgestaltet sind. Weder die Schwellenwerte (10 %-Mindest-Investitionsquote im Kernhaushalt und die „1 %-des-BIP-Schwelle“ für Verteidigungsausgaben) noch die dabei jeweils berücksichtigten Ausgaben sind dafür passgenau. Denn damit kann der Bund umfangreiche Ausgabenpositionen, die er bereits im Haushalt von 2024 aus dem Spielraum der alten Schuldenbremse finanziert hatte, oder Mehrausgaben mit wenig Zielbezug mit zusätzlichen Krediten finanzieren. Dies sind dann aber keine zusätzlichen Ausgaben zur Bewältigung der Herausforderungen (vgl. ausführlicher, wie dadurch konkret Spielräume entstehen: Deutsche Bundesbank (2025a), Exkurs „Gelockerte Schuldenbremse stabilitätswahrend ausgestalten“). Anschaulich wird die anderweitige Nutzung der Verschuldungsmöglichkeiten aber auch an folgenden Beispielen:

  •  Im Haushaltsentwurf 2025 ist die Mindest-Investitionsquote von 10 % im Kernhaushalt genau erreicht (vgl. Tabelle 5.2, Position 4.a4), und der Bund kann deshalb auf das Sondervermögen Infrastruktur/Klimaneutralität (SV IK) zugreifen. Bei der Ermittlung der Quote sind im Nenner (bei den Gesamtausgaben) die Ausgaben der Bereichsausnahme Verteidigung abgezogen (dadurch fällt die Quote höher aus). Folgerichtig wäre, die in dieser Bereichsausnahme (insbesondere im Verteidigungsetat) veranschlagten Investitionen auch im Zähler abzuziehen. Dies ist aber nicht vorgesehen. Diese Investitionen sind folglich durch die Bereichsausnahme kreditfinanziert. Weil sie trotzdem in die 10 %-Mindest-Investitionsquote eingehen, entstehen entsprechende Freiräume für andere Zwecke (vgl. Tabelle 5.2, Position 4.a4-n).

  •  Zudem erscheinen die Planzahlen für Investitionen im Entwurf 2025 überhöht. Nicht zuletzt hat die Regierung einen neuen investiven Vorsorgetitel von 1½ Mrd € eingerichtet. Aus diesem will sie in Vorjahren budgetierte Investitionen finanzieren, die noch nicht abgeflossen waren. Üblich waren bislang niedrigere pauschale Vorsorgen ohne investive Klassifizierung. Um zu verhindern, dass Investitionen mehrfach hintereinander in die Mindestquote eingehen oder diese überhöht geplant werden, sollte hier der Haushaltsabschluss maßgeblich sein. 

  •  Bei den jüngsten Steuersenkungen für Unternehmen forderten die Länder einen Ausgleich für ihre Steuerausfälle. Der Bund sagte ihnen weitere 8 Mrd € aus dem SV IK zu. Die Länder müssen diese Mittel aber nicht für zusätzliche Investitionen verwenden, sondern können dafür bereits reservierte Mittel nun anders einsetzen. 

Insgesamt drohen damit die Schulden anzusteigen, ohne Verteidigungsfähigkeit und Infrastruktur im gleichen Maße zu stärken.

  •  Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit: Die in die Bereichsausnahme fallenden NATO-Ausgaben dürften gegenüber dem Ist 2024 um etwa 20 Mrd € weniger steigen als die diesbezügliche Kreditaufnahme. Die geplante Zunahme der NATO-Ausgaben wird hier (pragmatisch) als Maßstab für zusätzliche Verteidigungsausgaben herangezogen. Die NATO-Ausgaben steigen lediglich um etwa 11 Mrd € (nach Abzug der Mehrausgaben des Bundeswehrfonds, die ebenfalls kreditfinanziert werden, vgl. Tabelle 5.2, Position 2.f1-n). Der Bund plant dagegen für die Bereichsausnahme Verteidigung einen zusätzlichen Kreditspielraum von 32 Mrd € (vgl. Tabelle 5.2, Position 2.f1). Davon abzuziehen wären im Übrigen eigentlich auch noch die Einnahmen des Verteidigungsressorts, die sich auf 1½ Mrd € belaufen sollen. Ein solcher Abzug ist bislang offenbar nicht vorgesehen.

  •  Verbesserung der Infrastruktur: Die Differenz zwischen Ausgabenanstieg und Kreditaufnahme dürfte beim SV IK sogar noch größer ausfallen. Dort soll die Kreditaufnahme 37 Mrd € betragen (vgl. Tabelle 5.2, Position 3.c). Die geplanten investiven Infrastrukturausgaben 1 des Bundes (Kernhaushalt und SV IK zusammengenommen) steigen gegenüber dem Ergebnis 2024 aber nur leicht um etwa 2½ Mrd € (vgl. Tabelle 5.2, Position 3c-n abzüglich 4a4-n). Die Investitionszuweisungen des Sondervermögens an die Länder (8½ Mrd €) sollen nicht mit der Auflage zusätzlicher Infrastrukturverbesserung verbunden sein. Angesichts beträchtlicher Defizite in den Haushalten von Ländern und Gemeinden ist zu befürchten, dass sie mit den für sie reservierten Mitteln des SV IK stattdessen eher vorhandene Finanzierungslücken schließen. Der Klimafonds erhält vom SV IK 10 Mrd €, ohne dass gewichtige neue Maßnahmen vorgesehen sind, die Infrastruktur stärken oder die Treibhausgasemissionen verringern. Stattdessen ist insbesondere geplant, eine Finanzierungslücke bei der Gasspeicherumlage zu schließen und damit die Preise für den Gasverbrauch zu senken. 

Zusatzverschuldung des Bundes 2025 für Verteidigung und Infrastruktur soll anderweitige Haushaltsspielräume schaffen
Zusatzverschuldung des Bundes 2025 für Verteidigung und Infrastruktur soll anderweitige Haushaltsspielräume schaffen

Sollen zusätzliche Schulden tatsächlich Verteidigung und Infrastruktur stärken, wäre es folgerichtig, dies deutlich besser abzusichern als bislang geplant. Dazu wären die vorgesehenen Ausführungsbestimmungen für die neuen Kreditspielräume anzupassen. Ein erster Ansatzpunkt wäre, die Bereichsausnahme Verteidigung nur auf Ausgaben oberhalb des Niveaus von 2024 (ohne den Bundeswehrfonds) zu beziehen. Auf die Kredite des SV IK sollten die Gebietskörperschaften nur insoweit zugreifen dürfen, als eine angemessen abgegrenzte Investitionsquote im Ergebnis gegenüber dem Wert von 2024 steigt (vgl. für eine geeignete Abgrenzung beim Bund: Fußnote 13 im Haupttext). Die Gesetze zum Sondervermögen sind noch nicht verabschiedet, und die Haushaltsplanungen können noch angepasst werden. Würden die Schulden nur für zusätzliche Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur eingesetzt, so wären Spielräume für die anderen Ausgaben und Steuererleichterungen im Haushalt zu erwirtschaften – oder es wäre darauf zu verzichten. Dies ist politisch ambitioniert. Es entspräche aber den Zielen, die formuliert wurden, als die Schuldenspielräume stark ausgeweitet wurden. 

Die vorstehende Darstellung verdeutlich auch, wie intransparent und wenig nachvollziehbar die Bundesfinanzen mittlerweile sind. Erhebliche Verbesserungen ließen sich bereits erreichen, indem Ausgaben aus Sondervermögen in den Kernhaushalt zurückverlagert, 2 Kennziffern für die Schuldenbremse leichter nachvollziehbar abgegrenzt und Unterlagen dazu übersichtlich gestaltet werden.

3.2 2025 Defizit wohl niedriger als geplant

Das Defizit des Bundes einschließlich Extrahaushalten fiel im ersten Halbjahr 2025 deutlich niedriger aus als im Vorjahreshalbjahr. Es ging von 27 Mrd € auf knapp 16 Mrd € zurück. Dies resultierte insbesondere aus dynamisch wachsenden Steuereinnahmen. Eine Rolle spielte aber auch, dass der Bund Disagien nun periodengerecht verbucht: Hierdurch sanken die im Haushalt gebuchten Zinsausgaben.

Kernhaushalt des Bundes: Finanzierungssalden
Kernhaushalt des Bundes: Finanzierungssalden
Finanzierungssalden der Extrahaushalte des Bundes
Finanzierungssalden der Extrahaushalte des Bundes

Im Kernhaushalt dürfte das Defizit zwar in der zweiten Jahreshälfte deutlich höher ausfallen als im Vorjahr. Den Vorjahressaldo hatten EU-Mittel aus dem Fonds Next Generation EU(NGEU) von fast 14 Mrd € (vgl. Tabelle 5.2, Position 4.b2) und Rückzahlungen von Krisenhilfen-Transfers von 8½ Mrd € entlastet. Diesbezügliche Einnahmen dürften im laufenden Jahr weniger stark ins Gewicht fallen. Zudem dürfte sich der Zuwachs des Steueraufkommens deutlich abschwächen, und weiter steigende Ausgaben dürften belastend auf das Defizit durchschlagen. 

Im Gesamtjahr dürfte das Defizit im Kernhaushalt dennoch erheblich unter den eingeplanten 82 Mrd € bleiben. Die Steuereinnahmen könnten sich günstiger entwickeln als geplant. Zudem scheint für ausgabenseitige Belastungen im Haushaltsentwurf gut vorgesorgt. So könnten insbesondere die Verteidigungsausgaben weniger stark steigen. Auch die Ansätze etwa für das Personal und die Investitionen scheinen hoch: sowohl gemessen am Halbjahresergebnis als auch am Vorjahresergebnis. 

Auch bei den Extrahaushalten dürfte das Defizit deutlich niedriger ausfallen als geplant (64 Mrd €). 15 Im ersten Halbjahr lag es bei 2½ Mrd €. Beim Bundeswehrfonds gingen die Ausgaben und damit das Defizit sogar etwas zurück. Die geplante Defizitzunahme um 7 Mrd € im Gesamtjahr ist insoweit nicht angelegt. Beim SV IK ist nicht absehbar, dass nach dessen Errichtung bis zum Jahresende die veranschlagten 37 Mrd € vollständig abfließen. Zudem gehen von den Gesamtmitteln 10 Mrd € an den Klimafonds, womit das Defizit dort geringer als geplant ausfallen könnte.

3.3 2026 weiterer deutlicher Defizitanstieg geplant

Für das nächste Jahr plant die Bundesregierung einen weiteren deutlichen Defizitanstieg auf insgesamt 191 Mrd € (vgl. Tabelle 5.2, Position 1.d). Das Plus von 45 Mrd € gegenüber den Planungen 2025 geht sowohl auf den Kern- als auch die Extrahaushalte zurück. 

Das Defizit im Kernhaushalt soll gegenüber der Planung für das laufende Jahr um weitere 18 Mrd € auf 100 Mrd € zunehmen. Die Einnahmen gehen leicht zurück. Die Steuereinnahmen sinken dabei um 3 Mrd € gegenüber dem Planwert für 2025. So erwartet der Bund stark steigende Abführungen an den EU-Haushalt, und er plant Steuersenkungen. Entlastend wirkt dagegen, dass 2026 aus dem EU-Fonds NGEU fast 11 Mrd € zufließen sollen: Durch einen verzögerten Teilabruf werden die Mittel nicht mehr 2025 vereinnahmt. Auf der Ausgabenseite veranschlagt der Bund einen Zuwachs um 3½ % (+ 17½ Mrd €). Ursächlich sind wachsende Ausgaben in der Bereichsausnahme Verteidigung (+ 22 Mrd €). Dies ermöglicht insoweit auch eine stärkere Kreditfinanzierung. Dagegen plant der Bund mit einem deutlich geringeren Nettoerwerb von Finanzvermögen als im laufenden Jahr: Er will der Deutschen Bahn kein zusätzliches Eigenkapital und auch keine Darlehen zum Ablösen höher verzinslicher Kredite des Unternehmens mehr zur Verfügung stellen. 16 Stattdessen soll sie ab 2026 zusätzliche Investitionszuschüsse vom SV IK erhalten.

Im Hinblick auf die Schuldenbremse setzt sich das geplante Defizit des Kernhaushalts von 100 Mrd € wie folgt zusammen: 

  •  Aus der alten Grenze für die Nettokreditaufnahme leitet die Regierung in der Planung einen Defizitspielraum von gut 45 Mrd € ab. Davon entfallen 15 Mrd € auf die zulässige strukturelle Kreditaufnahme von 0,35 % des BIP, 13 Mrd € auf konjunkturbedingte Belastungen, 7½ Mrd € auf den Erwerb von Finanzvermögen und fast 10 Mrd € auf die Entnahme aus der verbliebenen Rücklage. 

  •  Den neuen verteidigungspolitischen Defizitspielraum im Kernhaushalt schöpft die Regierung mit gut 54 Mrd € aus. Ausgangspunkt sind die Ausgaben im Verteidigungsministerium, zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine sowie für weitere inländische sicherheitsbezogene Zwecke. Zusammen belaufen sie sich auf 97 Mrd €. Davon sind 1 % des BIP abzuziehen (43 Mrd €). 

Insgesamt könnte der Kernhaushalt aus heutiger Sicht auch im kommenden Jahr besser abschließen als im Entwurf veranschlagt. Die Haushaltsansätze scheinen teilweise betont vorsichtig. Dies gilt insbesondere für die Abführungen an die EU (auch bei Gegenrechnen der veranschlagten globalen Mehreinnahme von 4 Mrd €) und die Verteidigungsausgaben. Zudem scheinen die Ansätze für die Investitionen und die Personalausgaben teilweise recht hoch dotiert.

Bei den Extrahaushalten für 2026 plant die Regierung weiterhin ein deutlich steigendes Gesamtdefizit. Ausschlaggebend sind die Ansätze beim SV IK.

  •  SV IK: Das Defizit soll von 37 Mrd € im laufenden Jahr auf 59 Mrd € steigen. Zu Buche schlägt dabei mit insgesamt 6 Mrd €, dass das SV IK Ausgaben vom Klimafonds übernimmt. Dies betrifft neben der Förderung von Mikroelektronik (Investitionszuschüsse an private Unternehmen) auch die Förderung des Ausbaus von Wärmenetzen (Investitionszuschüsse an andere staatliche Haushalte). Die übrigen zusätzlichen Ausgaben sind überwiegend für den Bund eingeplant. Ein Großteil ist für höhere Investitionszuschüsse an die Bahn vorgesehen. Diese ersetzen im Wesentlichen zuvor aus dem Kernhaushalt kreditfinanzierte Eigenkapitaleinlagen. 17 Anders als im laufenden Jahr ist damit für 2026 ein merklicher Anstieg der Infrastrukturinvestitionen vorgesehen (Kernhaushalt und SV IKzusammen, vgl. Tabelle 5.2, Position 3c-n abzüglich 4a4-n)). Allerdings bleibt abzuwarten, ob der Bund diesen angesichts der kurzen Vorlaufzeit wirklich erreicht. Dazu schiene es nötig, zügig die Planungs- und Genehmigungsprozesse für solche Maßnahmen deutlich zu vereinfachen und zu beschleunigen. 

  •  Bundeswehrfonds: Das Defizit soll um 1½ Mrd € auf fast 26 Mrd € steigen. Der Planwert schöpft damit knapp die Hälfte des Kreditspielraums aus, der planmäßig Ende 2025 verbleibt. Neben militärischen Beschaffungen sind auch 1 Mrd € für Zinsausgaben auf die bislang aufgelaufenen Schulden des Fonds veranschlagt. 

  •  Klimafonds: Beim Klimafonds halbiert sich das geplante Defizit auf 2 Mrd €. Die verbliebene Rücklage soll diese Finanzierungslücke decken. Gegenüber dem laufenden Jahr treten bei den Ausgaben 6½ Mrd € für die Subventionierung der Strom-Netzentgelte hinzu. Dagegen entfällt eine Ausgabe zum Ausgleich der Gasspeicherumlage von 3½ Mrd €. Auch die Zuschüsse für energieeffiziente Gebäude sollen deutlich sinken. Ausgaben zur Förderung der Mikroelektronik und zur Förderung von Wärmenetzen will die Regierung in das SV IK verlagern. Die Einnahmen aus dem SV IK bleiben stabil bei 10 Mrd €, und auch die Einnahmen aus Zertifikaten, die zu Emissionen von Treibhausgasen berechtigen, sollen kaum zulegen.

  •  Fonds für inflationsindexierte Bundeswertpapiere: Im Jahr 2026 plant der Bund ein Defizit von 5 Mrd €, nach einem Überschuss von 2 Mrd €2025. Nächstes Jahr steht nämlich die Tilgung eines inflationsindexierten Bundeswertpapiers an. 18

3.4 Finanzplanung bis 2029 mit hohen Defiziten und zusätzlich hohen Handlungsbedarfen

Bis zum Endjahr 2029 sieht die Finanzplanung der Regierung sehr hohe Defizite vor. Für Kernhaushalt und Extrahaushalte zusammen soll das Defizit im Endjahr 186 Mrd € betragen. Das strukturelle Defizit des Bundes wächst dabei schrittweise auf fast 4 % des BIP. Insgesamt plant die Regierung in den Jahren von 2025 bis 2029 eine Nettokreditaufnahme des Bundes einschließlich der Sondervermögen in einer Größenordnung von 850 Mrd €, ausgehend von einem Schuldenstand von rund 1 730 Mrd € Ende 2024. In Relation zum BIP würden die Schulden des Bundes von etwa 40 % auf 52 % steigen. 

Im Kernhaushalt wachsen die Gesamteinnahmen bis 2029 nur verhalten. 

  •  In struktureller Betrachtung steigen die Steuereinnahmen nur um 2 %, wobei Steuersenkungen dämpfen. Der nominale Zuwachs ist höher. Er gleicht zum Teil aber den Rückgang der 2026 noch recht hohen Konjunkturlast aus. 

  •  Die Einnahmen werden dadurch gedämpft, dass hohe temporäre Zuflüsse aus NGEU aus dem Jahr 2026 danach entfallen (fast 11 Mrd €). 

Der starke Defizitanstieg im Kernhaushalt liegt an den zunehmenden Verteidigungsausgaben, die nicht mehr der Schuldenbremse unterliegen. 

Die (strukturellen) Gesamtausgaben ohne die Verteidigungsausgaben nehmen dagegen bis 2029 nicht zu.  Dabei steigen die Ausgabenlasten im Ressort Arbeit und Soziales sowie für den Schuldendienst stark an. Bei der Rentenversicherung schlagen sich die geplanten Leistungsausweitungen zulasten der Bundeskasse nieder (Ausweitung „Mütterrente“ und Verlängerung der Haltelinie von 48 % für das Versorgungsniveau, vgl. Abschnitt „Rentenpolitische Vorhaben belasten Bundeshaushalt“). Abgesehen davon sind die Bundeszuschüsse weitgehend an die Zuwächse der Bruttolöhne und -gehälter pro Arbeitnehmer und des Rentenbeitragssatzes gekoppelt. Der Beitragssatz steigt vor Ende dieses Jahrzehnts stark. Bei den Zinsausgaben (vgl. Tabelle 5.2, Position 4.a5) wirken mehrere belastende Faktoren. So schlägt sich die hohe Neuverschuldung zunehmend nieder. Zusätzlich belastet der Schuldendienst des Bundeswehrfonds ab 2028 den Kernhaushalt: Zuvor deckte der Bund diese Lasten aus dem Kreditrahmen des Fonds, der dann aber verbraucht ist. Darüber hinaus steigen die Durchschnittszinsen, da noch immer lang laufende Schuldtitel aus der Niedrigzinsphase zu refinanzieren sind. Schließlich setzen umfangreiche Tilgungsverpflichtungen für Notlagenkredite ein, die der Bund zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie aufgenommen hatte. 

Insgesamt ergibt sich daraus für den Kernhaushalt ab 2027 ein stark wachsender Handlungsbedarf, um die Schuldenbremse einzuhalten. Dieser ist noch zu erwirtschaften, um die bereits sehr hohen Plandefizite nicht noch zu überschreiten. Im Endjahr 2029 soll er rund 74 Mrd € betragen (vgl. Tabelle 5.2, Position 4.a6). Dieser Betrag insgesamt entspricht etwa 17 % der veranschlagten Steuereinnahmen. Ausgabenseitig wäre sogar eine noch stärkere Kürzung nötig, insbesondere weil Anpassungen der Verteidigungsausgaben lediglich die Kreditspielräume in der Bereichsausnahme beeinflussen würden und einige Ausgaben wie die Zinsen nicht disponibel sind.

Es scheint kaum vorstellbar, diesen Handlungsbedarf auch nur annähernd durch eine strukturelle Beschleunigung des BIP-Wachstums aufzufangen. 19 Eine vorsichtige Finanzplanung sollte einen Weg zu soliden Finanzen aufzeigen, der nicht auf optimistischen Wachstumsannahmen basiert. Die Bundesregierung ist jedenfalls wegen des Handlungsbedarfs in ihrem Finanzplan bis 2029 gefordert, ihren Haushaltskurs im weiteren Verlauf deutlich anzupassen. 

Unabhängig vom Handlungsbedarf in den Planungen ist der erweiterte Kreditspielraum nicht nachhaltig und längerfristig nicht kompatibel mit den EU-Regeln. Es erscheint nicht nachhaltig und auch ökonomisch nicht gut begründet, umfangreiche Verteidigungsausgaben längerfristig von der Kreditgrenze auszunehmen. Im Zuge dessen würde die Schuldenquote weiter steigen und der wachsende Schuldendienst die Haushaltsspielräume zunehmend verengen. Gleichzeitig belasten die demografischen Herausforderungen die Staatsfinanzen immer stärker. Als ein zentraler Stabilitätsanker der Währungsunion ist Deutschland zudem besonders gefordert, die Fiskalregeln der EU einzuhalten, ohne sie übermäßig zu dehnen. Der Kreditrahmen der gegenwärtigen Schuldenbremse ist offensichtlich dafür zu weit. Zwar zeichnen sich für die Jahre bis 2029 EU-Vorgaben ab, die mit den aktuellen Planungen zum Bund kompatibel sein könnten (vgl. Abschnitt „EU-Regeln: Deutschland hat Plan vorgelegt“). Im weiteren Verlauf erfordern die EU-Regeln aber deutlich geringere Defizite als die Vorgaben Schuldenbremse sowie eine wieder sinkende Schuldenquote. 

Deswegen ist es wichtig, die nationalen Fiskalregeln wieder auf solide Staatsfinanzen auszurichten. Die angekündigte weitere Reform der Schuldenbremse bietet dazu die Gelegenheit. 20  Die weitere Reform würde zu kurz greifen, wenn sie im Wesentlichen einen Anschluss für das befristete SV IK schafft. Vielmehr muss es auch darum gehen, die Kreditfinanzierung perspektivisch wieder auf ein tragbares Niveau zu begrenzen. Dazu wäre der Schwellenwert von 1 % des BIP, ab dem Verteidigungsausgaben kreditfinanziert werden dürfen, sukzessive zu erhöhen und schließlich gänzlich auslaufen zu lassen. Die Vorschläge der Bundesbank von Anfang März erscheinen weiter gut geeignet, um die Schuldenbremse weiterzuentwickeln. 21

4 Länderhaushalte

Die Länderhaushalte könnten in diesem Jahr besser abschließen als im Vorjahr. Das vergangene Jahr beendeten sie mit einem Defizit von 18 Mrd € (Kernhaushalte und Extrahaushalte). Die unterjährigen Länderergebnisse für das laufende Jahr sind wie üblich schwer zu interpretieren, deuten aber bereits auf eine Verbesserung hin. Während die Kernhaushalte das erste Halbjahr 2024 ausgeglichen abgeschlossen hatten, wiesen sie im ersten Halbjahr 2025 einen Überschuss von 1½ Mrd € aus. Die Extrahaushalte verbesserten ihr Ergebnis im ersten Quartal ebenfalls leicht (Angaben zum zweiten Quartal liegen noch nicht vor). Auch im weiteren Jahresverlauf scheint bei den Ländern insgesamt eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr möglich. Zwar dürften die Steuereinnahmen im zweiten Halbjahr langsamer wachsen als im ersten Halbjahr. Andererseits entfallen in der zweiten Jahreshälfte erhebliche defiziterhöhende Sonderfaktoren aus dem Vorjahr. 22 Zudem beabsichtigt der Bund, den Ländern im weiteren Jahresverlauf die ersten 8½ Mrd € aus dem SV IK zu überweisen. Diese dürften die Länder zum Teil an die Gemeinden weiterleiten und zum Teil für eigene neue Vorhaben verwenden. Ein Teil dürfte aber auch ihr Defizit senken, denn neue Vorhaben können sie kurzfristig wohl allenfalls in kleinerem Umfang umsetzen. Aus diesem Grund dürften sie auch die neuen strukturellen Verschuldungsspielräume von 0,35 % des BIP (rund 15 Mrd €) 23 kurzfristig kaum für neue Vorhaben nutzen können. Die höheren Spielräume dürften wohl vor allem ohnehin angelegte defizitäre Entwicklungen decken 24 oder zusätzliche Rücklagen ermöglichen. 25

Finanzierungssalden der Länder
Finanzierungssalden der Länder

Die Länder erhalten auch in den kommenden Jahren zusätzliche Haushaltsspielräume aus Zuschüssen des SV IK und höheren eigenen Verschuldungsmöglichkeiten (0,35 % des BIP). Bisher zeichnet sich nicht ab, dass sie damit maßgeblich ihre Investitionen stärken. Länder und Gemeinden sind rechtlich nicht verpflichtet, ihre Anteile am SV IK ausschließlich für zusätzliche Investitionen einzusetzen. Darauf haben einige Länder offenbar in den Verhandlungen zur Gesetzgebung explizit Wert gelegt. Insofern ist nicht auszuschließen, dass die Herausforderungen, die bei der Infrastruktur bestehen, nicht zügig und nachdrücklich angegangen werden. Es wäre daher wie auch für den Bund empfehlenswert, die Zusätzlichkeit der Mittel des SV IK im weiteren Verlauf besser abzusichern.

Mit der umfassenderen Verschuldungsmöglichkeit der Länder gehen wohl höhere Länderschulden einher, die künftige Fiskalspielräume einengen und die Wahrscheinlichkeit von Schieflagen erhöhen. Dies ist vor allem für Länder kritisch, die wie Bremen oder das Saarland ohnehin bereits eine überhöhte Verschuldung aufweisen. Insgesamt steigen mit dem eigenen neuen Verschuldungsspielraum Überlastungsgefahren in den Ländern. Um Schieflagen frühzeitig zu erkennen, ist eine effektive Haushaltsüberwachung durch den Stabilitätsrat noch wichtiger. Entsprechend dringlich sind transparente Länderfinanzen. 26

5 Rentenversicherung

5.1 Ausblick auf 2025 und 2026

Die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) dürfte sich 2025 deutlich verschlechtern, und es ist mit einem erheblichen Defizit zu rechnen (2024: Defizit fast 1 Mrd €). Bereits im ersten Halbjahr 2025 verbuchte die GRV ein Defizit von 2½ Mrd €. Bis zum Ende des Jahres dürfte es noch deutlich ansteigen. Bezogen auf das Gesamtjahr dürften die Einnahmen im Vorjahrsvergleich zwar spürbar wachsen. Dabei unterstützt, dass teilweise beitragspflichtige Einkommen abgabenfreie Inflationsausgleichsprämien ersetzen (die insbesondere noch im ersten Halbjahr 2024 gezahlt wurden). Allerdings dürften die Ausgaben deutlich stärker zulegen: Zum einen steigen die Renten im Jahresdurchschnitt kräftig um gut 4 % (Anpassung zur Jahresmitte 2025 gut 3½ %). Zum zweiten nimmt die Rentenzahl merklich zu. Zum dritten kommen die stark gestiegenen Zusatzbeiträge 27 der gesetzlichen Krankenkassen hinzu. 28

Finanzen der Deutschen Rentenversicherung
Finanzen der Deutschen Rentenversicherung

Im nächsten Jahr dürfte sich das Defizit weiter stark ausweiten: Die Ausgaben dürften weiterhin stärker wachsen als die Einnahmenbasis. Der Beitragssatz bleibt so lange unverändert, bis die Rentenversicherung ihre Nachhaltigkeitsrücklage auf das gesetzliche Minimum zurückgeführt hat. Zur Jahresmitte lag sie bei knapp 1,4 Monatsausgaben (41½ Mrd €). Die Bundesregierung plant, diese Untergrenze von 0,2 auf 0,3 Monatsausgaben anzuheben, um die unterjährige Liquidität der Rentenversicherung stärker abzusichern. Sie beträgt dann 9½ Mrd €. Aus heutiger Sicht könnte eine Beitragssatzerhöhung im Jahr 2027 erforderlich werden.

5.2 Rentenpolitische Vorhaben belasten Bundeshaushalt

Die Bundesregierung will die Haltelinie von 48 % für das Versorgungsniveau über das Jahresende hinaus bis 2031 verlängern und die „Mütterrente“ ausweiten. 29 Die Mehrausgaben soll der Bund tragen und zusätzliche Zuweisungen leisten. Bei der Mütterrente 30 erscheint dies folgerichtig, da es sich um nicht-beitragsgedeckte Leistungen handelt. Bei der Haltelinie ist ein Bundeszuschuss dagegen eher unsystematisch. Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Rentenerhöhung, die in einem äquivalenten Umlagesystem eigentlich nicht vom Bund zu finanzieren ist.

Insgesamt spricht einiges dafür, künftig einen klareren und besser nachvollziehbaren Rahmen für die Bundeszuschüsse zu schaffen. Es entsteht der Eindruck, dass Finanzierungslasten zwischen Bund und GRV nicht zuletzt nach Kassenlage und nicht nach sachlichen Kriterien verteilt werden. Um die Finanzbeziehungen künftig nachvollziehbarer zu ordnen, sollte der Bund darlegen, welche Leistungen der Rentenversicherung er aus welchem Grund als versicherungsfremd und damit nicht beitragsgedeckt einstuft. Diese Leistungen sollte er dann regelgebunden über Zuschüsse (aus seinen Steuermitteln) finanzieren.

Die Zuschüsse für die verlängerte Haltelinie bedeuten für den Bundeshaushalt erhebliche dauerhafte Mehrbelastungen. Aktuell ist vorgesehen, dass die Haltelinie bis 2031 bei 48 % bleibt. Ohne diese Verlängerung läge das Versorgungsniveau 2031 bei knapp 47 %. Nach Auslaufen der Haltelinie dämpft der Nachhaltigkeitsfaktor die Rentenanpassungen zwar wieder. 31 Da das Ausgangsniveau aber höher ist, kommt es auch nach 2031 zu dauerhaften Mehrbelastungen beim Bund (siehe Schaubild 5.9). 

Auswirkung der verlängerten Haltelinie und der ausgeweiteten "Mütterrente" auf den Bundeshaushalt
Auswirkung der verlängerten Haltelinie und der ausgeweiteten "Mütterrente" auf den Bundeshaushalt

Die Bundesregierung möchte das Arbeiten über das gesetzliche Rentenalter hinaus erleichtern. Dazu hebt sie das Vorbeschäftigungsverbot auf. Dies dürfte für sich genommen positive Impulse für den Arbeitsmarkt liefern. Die Aufhebung ermöglicht, eine befristete Beschäftigung nach Erreichen der Regelaltersgrenze an ein vorheriges Arbeitsverhältnis anzuschließen. Dies ist bislang nicht möglich. 32

Die geplante Steuervergünstigung von Erwerbseinkünften nach dem gesetzlichen Rentenalter scheint demgegenüber weniger naheliegend. Finanzielle Überlegungen sind oft nicht ausschlaggebend dafür, dass Menschen nach Erreichen des Rentenalters arbeiten. Insofern ist mit Mitnahmeeffekten zu rechnen, die den ohnehin angespannten Bundeshaushalt belasten. Studien ermitteln je nach Ausgestaltung Ausfälle beim gesamtstaatlichen Steueraufkommen von 1½ Mrd € bis 3 Mrd € pro Jahr. 33 Zudem eröffnen steuerliche Sonderregeln Möglichkeiten zur Steuergestaltung. Dies steht auch dem Ziel der Bundesregierung entgegen, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Um die Erwerbstätigkeit über das gesetzliche Rentenalter hinaus finanziell attraktiver zu machen, wäre es überzeugender, für diese Lebensphase die Belastung durch Rentenbeiträge zu beenden. Bislang stellt hier der Arbeitgeberbeitrag eine Sonderabgabe dar, weil damit keine zusätzlichen Ansprüche in der GRV entstehen. 34

Um die Erwerbstätigkeit zu erhöhen und die Rentenfinanzen zu entlasten, scheint es naheliegend, an den Altersgrenzen anzusetzen. So lassen sich die Altersgrenze für den frühestmöglichen Rentenzugang und nach 2031 auch das gesetzliche Rentenalter an die Lebenserwartung anknüpfen. 35 Zudem lässt sich die Sonderregel eines abschlagsfreien Rentenzugangs für besonders langjährig Beschäftigte beenden. Neben positiven Impulsen für die Erwerbsbeteiligung Älterer dämpfen solche Maßnahmen den demografischen Druck auf die Staatsfinanzen. 

Abgesehen davon ist es empfehlenswert, die Ab- und Zuschläge in der Rentenversicherung zu überprüfen und an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. 36 Ziel wäre es, die Entscheidung vorgezogen oder aufgeschoben in Rente zu gehen, nicht durch finanzielle Anreize zu verzerren.

6 Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verbuchte im ersten Halbjahr 2025 ein Defizit von 3 Mrd € (Vorjahreshalbjahr: 1 Mrd €). Auch im Gesamtjahr dürfte ein deutliches Defizit anfallen, weil die Zahlungen für Arbeitslosengeld deutlich steigen. Das Defizit dürfte höher sein als geplant (1½ Mrd €), weil sich der Arbeitsmarkt ungünstiger entwickelt. Es könnte im laufenden Jahr die verfügbaren Mittel der freien Rücklage übersteigen (Ende 2024: 3 Mrd €). Im Bedarfsfall sieht der Bund in seinen Haushaltsplanungen für 2025 ein überjähriges Darlehen von bis zu 2½ Mrd € vor. Und für das kommende Jahr sieht der Haushaltsentwurf des Bundes ein Darlehen von fast 4 Mrd € vor. Die gesamten Darlehen soll die BA dann in den nächsten Jahren im Zuge der erwarteten gesamtwirtschaftlichen Erholung aus Überschüssen zurückzahlen. Danach soll dann wieder ein Rücklagenaufbau erfolgen.

Finanzen der Bundesagentur für Arbeit
Finanzen der Bundesagentur für Arbeit

In diesem Beitrag wurden Daten bis zum 20. August 2025, 11:00 Uhr berücksichtigt.

Literaturverzeichnis

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Bundesministerium der Finanzen, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2025), Deutscher mittelfristiger finanzpolitisch-struktureller Plan für den Zeitraum 2025 bis 2029 , August 2025.

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Deutsche Bundesbank (2025d), Früher, regulär, später: Wann Versicherte in Rente gehen und wie Ab- und Zuschläge ausgestaltet werden könnten, Monatsbericht, Juni 2025.

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Deutsche Bundesbank (2024b), Öffentliche Finanzen, Monatsbericht, August 2024.

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Santoleri, P., A. Mina, A. Di Minin und I. Martelli (2024), The causal effects of R&D grants: Evidence from a regression discontinuity , Review of Economics and Statistics, Vol. 106(6), S. 1495 – 1510, November 2024.

Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht (2025), Urteil vom 14. Februar 2025 – LVerfG 1/24 – Verfassungsmäßigkeit von Notkrediten im Landeshaushalt 2024 , Februar 2025.

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