Anhang: Methodische Vorgehensweise bei den Panel-Schätzungen zum Wechselkurs-Passthrough
Die Analyse prüft anhand von Paneldaten, ob der Wechselkurs-Passthrough vom landesspezifischen Inflationsumfeld abhängt, wobei die Verwendung von Panel-Methoden durch die geringe Zahl an Hochinflationsbeobachtungen in den 36 OECD-Ländern im Zeitraum 2000 bis 2024 motiviert ist. Im Zentrum der vorgestellten Analyse steht die Fragestellung, ob der Wechselkurs-Passthrough vom aktuell vorherrschenden landesspezifischen Inflationsumfeld abhängig ist. Da für viele der 36 betrachteten OECD-Länder – darunter insbesondere OECD-Industrieländer – nur vergleichsweise wenige Beobachtungen mit hohen Inflationsraten im Betrachtungszeitraum (Januar 2000 bis Juni 2024) vorliegen, werden ausschließlich Verfahren der Paneldatenanalyse verwendet. Die Verwendung von Paneldaten erhöht in der Regel die Schätzgenauigkeit gegenüber rein landesspezifischen Schätzungen, da sowohl die Variation der Daten über die Zeit als auch im Querschnitt der betrachteten Länder berücksichtigt wird. Zum anderen kann durch die Berücksichtigung von länderspezifischen Konstanten (fixen Effekten) für unbeobachtete zeitinvariante Heterogenität zwischen den Ländern kontrolliert werden, was im Fall rein landesspezifischer Schätzungen nicht möglich wäre. Ein Nachteil besteht darin, dass in den vorliegenden Panel-Schätzungen – zumindest innerhalb der jeweils betrachteten Ländergruppe – Homogenität der Steigungsparameter unterstellt wird. 46
Die Schätzungen erfassen den durchschnittlichen Einfluss von Wechselkursbewegungen auf die Verbraucherpreisentwicklung, ohne zwischen den Ursachen der Wechselkursänderungen zu unterscheiden. Alle Schätzungen basieren auf Eingleichungsmodellen, in denen nicht nach der Quelle von Wechselkursbewegungen unterschieden wird. Eingleichungsmodelle haben gegenüber komplexeren Modellen den Vorteil, dass Modellvariationen wie eine mögliche Regimeabhängigkeit – im vorliegenden Fall eine Abhängigkeit des Wechselkurs-Passthrough vom Inflationsumfeld – auf einfache Weise in das Modell integriert werden können und die Ergebnisse weiterhin intuitiv interpretierbar bleiben. Zwar zeigt die Literatur, dass sich der Wechselkurs-Passthrough je nach Ursache einer Wechselkursbewegung unterscheiden kann. 47 Schätzungen in reduzierter Form liefern jedoch ebenfalls wertvolle Erkenntnisse, da sie den durchschnittlichen Einfluss von Wechselkursbewegungen auf die Verbraucherpreisentwicklung im Beobachtungszeitraum abbilden – unabhängig von der Quelle der Wechselkursbewegung, die nicht immer zweifelsfrei und unmittelbar festgestellt werden kann.
Die zeitliche Stabilität des Wechselkurs-Passthrough wird beurteilt, indem ein empirisches Modell rollierend, also wiederholt für überlappende Dreijahres-Schätzfenster geschätzt wird, wobei sich das Fenster jeweils um einen Monat weiterbewegt. Ein gängiges Verfahren zur Schätzung des Wechselkurs-Passthrough ist das Distributed-Lag-Modell (DL-Modell). Im DL-Modell wird zugelassen, dass der Wechselkurs auch mit zeitlicher Verzögerung auf die Preise wirkt. Zuweilen wird dieses Modell auf mehrere Länder gleichzeitig angewandt (Querschnittsdimension). In diesem Fall spricht man von einem Panel-DL-Modell. 48 Dieser Ansatz wird auch in der vorliegenden Analyse verfolgt. Dem landesspezifisch gerade vorherrschenden Inflationsumfeld wird in diesem Modell nicht explizit Rechnung getragen.
$$ \begin{align} \Delta p_{i,t} &= \alpha_i+ \sum_{k=0}^{6} \beta_k\, \Delta neer_{i,t-k} + \sum_{k=0}^{6} \phi_k\, \Delta p^*_{i,t-k} \\& + \sum_{k=0}^{6} \eta_k\, og_{i,t-k}+ \sum_{k=0}^{6} \theta_k\, \Delta oil_{t-k}+ \varepsilon_{i,t} \end{align} \tag{1} $$
Das Modell erklärt die heimische Verbraucherpreisentwicklung anhand von nominalen effektiven Wechselkursänderungen, der Inflation in den Partnerländern, der Outputlücke und von Rohölpreisen, jeweils einschließlich zeitverzögerter Effekte. Als abhängige Variable fungiert im Modell die monatliche Änderungsrate des Verbraucherpreisindex des Landes \( i \) (\( \Delta p_{i,t} \)), als erklärende Variablen die Änderungsrate des nominalen effektiven Wechselkurses des Landes \( i \) (\( \Delta neer_{i,t} \)) sowie eine Reihe von Kontrollvariablen, die potenziell Einfluss auf die Verbraucherpreise von Land \( i \) haben und möglicherweise mit dem Wechselkursterm korreliert sind. 49 Dabei handelt es sich um die nach Handelsanteilen gewichtete Inflationsrate der Partnerländer (\( \Delta p^*_{i,t} \)), die Outputlücke des Landes \( i \) (\( og_{i,t} \)), also die Abweichung des gegenwärtigen Outputs vom Potenzialoutput, 50 sowie die Änderungsrate der globalen Rohölpreise (\( \Delta oil_t \)). Neben den kontemporären sind auch verzögerte Werte dieser drei erklärenden Variablen und der Wechselkursänderungsrate im Modell enthalten. 51 Zusätzlich enthält das Modell landesspezifische fixe Effekte (\( \alpha_i \)).
Die Summe der für jedes Dreijahres-Schätzfenster geschätzten sieben \( \beta_k \)-Koeffizienten steigt gegen Ende des Beobachtungszeitraums erkennbar an, was auf einen im Zeitverlauf zunehmenden Wechselkurs-Passthrough hindeutet. Von zentraler Bedeutung für die Bestimmung des Wechselkurs-Passthrough sind die geschätzten \( \beta_k \)-Koeffizienten. Deren Summe reflektiert den kumulierten prozentualen Einfluss einer gegenwärtigen Abwertung der Inlandswährung um 1 % auf den Verbraucherpreisindex über einen Zeitraum von \( k=0 \) bis \( K=6 \) Monaten. Um die Stabilität des Zusammenhangs zu überprüfen, wird das Modell für ein Panel bestehend aus 36 OECD-Staaten über überlappende Dreijahresfenster geschätzt. Dabei wird der Schätzzeitraum sukzessive um einen Monat nach hinten verschoben und das Modell neu geschätzt, bis schließlich das Ende des Untersuchungszeitraums, hier Mitte 2024, erreicht wird. Der so ermittelte Passthrough-Effekt steigt gegen Ende des Beobachtungszeitraums deutlich erkennbar an (vgl. auch Schaubild 2.1 im Haupttext). 52
Panel Local Projections eignen sich dafür, zu untersuchen, ob die Stärke des Wechselkurs-Passthrough nichtlinear vom Inflationsumfeld abhängt. Um zu untersuchen, ob der Wechselkurs-Passthrough vom aktuellen landesspezifischen Inflationsumfeld abhängt, wird auf zustandsabhängige Panel Local Projections zurückgegriffen. 53 Damit kann auf einfache und robuste Art der dynamische Anpassungspfad der heimischen Verbraucherpreise in Bezug auf Wechselkursänderungen geschätzt werden. Im Unterschied zum zuvor verwendeten Panel-DL-Modell ermöglichen Panel Local Projections eine flexible Integration nichtlinearer (das heißt regimeabhängiger) und anderer asymmetrischer Effekte, ohne eine feste Struktur für deren Dynamik vorzugeben. 54 Deshalb basieren alle weiteren Schätzungen auf diesem Verfahren.
Die weitere Analyse stützt sich durchgängig auf Panel Local Projections, wobei die Ergebnisse, die das landesspezifische Inflationsumfeld unberücksichtigt lassen, als Referenzpunkt für die Befunde dienen, bei denen das landesspezifische Inflationsumfeld berücksichtigt wird. Als Referenzpunkt für die zustandsabhängigen Regressionsergebnisse werden die Regressionen zunächst zustandsunabhängig, also ohne Modellierung des Einflusses der landesspezifischen Inflation auf den Passthrough, auf Basis von Panel Local Projections und einer ansonsten identischen Modellspezifikation geschätzt. Dies stellt sicher, dass Unterschiede zwischen den Ergebnissen regimeabhängiger und regimeunabhängiger Schätzungen nicht auf die Verwendung unterschiedlicher methodischer Ansätze – wie Panel-DL-Schätzungen und Panel Local Projections – zurückzuführen sind. Das zustandsunabhängige Modell lautet:
$$ \begin{align} p_{i,t+h} – p_{i,t-1} &= \alpha_{i,h} + \beta_{h} \Delta neer_{i,t} \\ &+ \sum_{j=0}^{J} \left( \delta_{j,h} og_{i,t-j} + \phi_{j,h} \Delta p^{*}_{i,t-j} + \zeta_{j,h} \Delta oil_{t-j} \right) \\ &+ \sum_{j=1}^{J} \left( \gamma_{j,h} \Delta neer_{i,t-j} + \phi_{j,h} \Delta p_{i,t-j} \right) + \varepsilon_{i,t+h} \end{align} \tag{2} $$
Mithilfe dieses Modells lässt sich auf einfache und robuste Weise die dynamische Reaktion der inländischen Preise auf Wechselkursänderungen über unterschiedliche Projektionszeiträume ermitteln, wobei \( h+1 \) mit \( h=\{0,...,H\} \) den jeweils betrachteten Projektionszeitraum in Monaten kennzeichnet. 55 Zusätzlich zu den im vorigen Modell enthaltenen Variablen werden hier auch verzögerte Werte der inländischen monatlichen Inflationsrate berücksichtigt.
Das „Panel Local Projections“-Verfahren schätzt auf den jeweiligen Projektionszeitraum bezogene Passthrough-Koeffizienten. Da für jeden Projektionszeitraum eine separate Panel-Regression geschätzt wird, liefert dieser Ansatz für jeden Projektionszeitraum auch jeweils einen direkt geschätzten Passthrough-Koeffizienten. 56 Die Dynamik der Effekte wird folglich in der Schätzung nicht beschränkt. Der Parameter \( \beta_h \) reflektiert damit ceteris paribus den prozentualen Effekt einer einprozentigen Abwertung des nominalen effektiven Wechselkurses auf das inländische Preisniveau innerhalb von \( h+1 \) Monaten. Das Modell wird für \( h=\{0,...,11\} \) geschätzt, umfasst also Projektionszeiträume von bis zu einem Jahr. 57
Das „Panel Local Projections“-Modell kann durch eine Indikatorvariable erweitert werden, sodass Passthrough-Koeffizienten abhängig von einem zuvor definierten Zustand, hier dem Inflationsumfeld, geschätzt werden können. Das „Panel Local Projections“-Modell wird um einen Interaktionsterm zwischen der Wechselkursänderungsrate und einer Indikatorvariable, \( I \), ergänzt. Letztere nimmt den Wert eins an, wenn die Jahresinflationsrate, \( \pi \), von Land \( i \) im Vormonat oberhalb eines Schwellenwerts \( q_h \) liegt, wobei der Schwellenwert im Modell bestimmt wird. Liegt die Jahresinflation unterhalb des Schwellenwerts, ist die Indikatorvariable gleich null (siehe Gleichung 3):
$$ \begin{align} p_{i,t+h} – p_{i,t-1} &= \alpha_{i,h} + \beta_{low,h} \Delta neer_{i,t} \\ &+ \beta_{\Delta high,h} I \left( \pi_{i,t-1} > q_h \right) \Delta neer_{i,t} \\ &+ \sum_{j=0}^{J} \left( \delta_{j,h} og_{i,t-j} + \phi_{j,h} \Delta p^{*}_{i,t-j} + \zeta_{j,h} \Delta oil_{t-j} \right) \\ &+ \sum_{j=1}^{J} \left( \gamma_{j,h} \Delta neer_{i,t-j} + \phi_{j,h} \Delta p_{i,t-j} \right) + \varepsilon_{i,t+h} \end{align} \tag{3} $$
wobei
$$ I(\pi_{i,t-1}>q_h)=\left\{\begin{array}{@{}l@{\quad}l@{}} 1 & \text{if } \pi_{i,t-1}>q_h,\\ 0 & \text{sonst} \end{array}\right. $$
Das erweiterte „Panel Local Projections“-Modell ermittelt für jeden Projektionszeitraum \( h+1 \) einen eigenen Schwellenwert zur Unterscheidung von Niedrig- und Hochinflationsregime. Um einen solchen Schwellenwert für die verzögerte Jahresinflationsrate zu bestimmen, wird für jeden Projektionszeitraum eine Rastersuche durchgeführt und derjenige Schwellenwert ermittelt, der den Erklärungsgehalt des Modells über beide Regime hinweg maximiert. 58 Anschließend wird jeder der ermittelten Schwellenwerte auf Signifikanz getestet. Die auf diese Weise identifizierten Schwellenwerte für die Inflationsrate liegen für das gesamte OECD-Panel alle in einer recht engen Spanne von 3,1 % bis 3,9 % und sind statistisch signifikant. Es erscheint daher vertretbar, zur Vereinfachung der Darstellung für alle betrachteten Projektionszeiträume einen einheitlichen Schwellenwert von 3 % anstelle der jeweiligen, endogen ermittelten optimalen Werte zu unterstellen. Der Wert von 3 % trennt in den Schaubildern 2.2 bis 2.4 und den diesen zugrunde liegenden Schätzungen folglich immer das Niedrig- vom Hochinflationsregime. Im Anschluss wird die dynamische Reaktion der Preise auf Wechselkursänderungen für verschiedene Panelzusammensetzungen (alle 36 betrachteten OECD-Staaten, OECD-Industrieländer, OECD-Schwellenländer sowie OECD-Mitgliedsländer aus dem Euroraum) abhängig vom Inflationsumfeld geschätzt. 59 Die so ermittelten Koeffizienten sind in Schaubild 2.3 dargestellt.