Monatsbericht – August 2024

Monatsberichtsaufsatz

1 Weltwirtschaft auf moderatem Wachstumskurs

Die Weltwirtschaft expandierte im Frühjahr 2024 weiterhin moderat, allerdings mit regionalen Unterschieden. In China ließ das Wirtschaftswachstum wegen der schwächelnden Binnennachfrage nach. Im Euroraum setzte sich das Wachstum vom Jahresanfang zwar fort. Es zeichnet sich aber kein kräftiger, breit angelegter Aufschwung ab. In den USA sowie im Vereinigten Königreich blieb die Konjunktur hingegen recht lebhaft. In Japan expandierte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach drei schwachen Quartalen wieder deutlich.

Die globale Industriekonjunktur fasste im Frühjahr weiter Tritt, doch die kurzfristigen Aussichten trübten sich zuletzt wieder etwas ein. Insbesondere in den USA und in Japan stieg die industrielle Produktion deutlich an. In der Gruppe der Schwellenländer setzte sich das lebhafte Produktionswachstum fort. Damit gewann die Erholung der globalen Industrie an Breite. Eine wichtige Ausnahme blieb der Euroraum. Im zweiten Vierteljahr nahm die Produktion dort weiter ab. Der Welthandel zog im Einklang mit der globalen Industrieproduktion an. Laut den jüngsten Umfrageergebnissen unter den Einkaufsmanagern könnte die Erholung der globalen Industrie zuletzt jedoch ins Stocken geraten sein. Die industrielle Erzeugung nahm im Juli wohl kaum zu, und die Auftragseingänge sanken.

Viele Rohstoffpreise gaben angesichts der zuletzt etwas gedämpfteren Aussichten für die Industriekonjunktur nach. Lediglich der europäische Gaspreis stieg in den letzten Wochen vor dem Hintergrund der Eskalationen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie im Nahen Osten merklich an. Die Preise für Industrierohstoffe sanken seit Juni spürbar. Auch der Rohölpreis ging zurück. In der ersten Augusthälfte kostete ein Fass der Sorte Brent im Durchschnitt 82 US-$ und damit etwas weniger als noch im Mai. Sorgen vor einer möglichen Eintrübung der globalen Konjunktur wirkten wohl den preisstützenden Faktoren wie den andauernden Förderkürzungen der OPEC und ihrer Partner sowie den Spannungen im Nahen Osten entgegen. Trotz des jüngsten Rückgangs übertrafen die meisten Rohstoffnotierungen dennoch ihre Vorjahresstände. Letzteres gilt auch für die Preise für Nahrungsmittelrohstoffe. Die rekordhohen globalen Temperaturen der letzten zwölf Monate dürften hierzu einen Beitrag geleistet haben (siehe Exkurs zu den Auswirkungen saisonaler Temperaturanomalien auf die Weltmarktpreise für Nahrungsmittelrohstoffe).

Exkurs

Zu den Auswirkungen saisonaler Temperaturanomalien auf die Weltmarktpreise für Nahrungsmittelrohstoffe

Die rekordhohen globalen Temperaturen in den Sommermonaten 2023 und 2024 könnten zu den anhaltend hohen Weltmarktpreisen von Nahrungsmittelrohstoffen beigetragen haben. Laut der US-amerikanischen Wetterbehörde übertrafen die globalen Sommertemperaturen im letzten Jahr ihr langjähriges Mittel erstmals seit Aufzeichnungsbeginn um mehr als 1,5°C. 1 Für den Sommer 2024 zeichnen sich sogar nochmal etwas höhere Temperaturen ab. 2 Solch ungewöhnlich hohe Temperaturen können in einigen Weltregionen mit Ernteeinbußen einhergehen und sind deshalb ein möglicher Grund für die aktuell hohen Nahrungsmittelpreise. 3 Die internationalen Preise von Nahrungsmittelrohstoffen, die ab Mitte 2021 im Zuge der Coronavirus-Pandemie und des Überfalls Russlands auf die Ukraine steil angestiegen waren, notieren jedenfalls weiterhin deutlich über ihrem Vorpandemieniveau. Bis zuletzt übertrafen sie den Stand des Jahres 2019 um knapp ein Drittel. Gesunkene Düngemittel- und Energiepreise sowie robuste Getreideexporte der Ukraine hätten eigentlich eine stärkere Normalisierung der Preise für Nahrungsmittelrohstoffe erwarten lassen können.

Zeitreihenanalysen zeigen, dass überdurchschnittlich hohe Sommertemperaturen tatsächlich oftmals mit einem merklichen Anstieg der Weltmarktpreise von Nahrungsmittelrohstoffen einhergehen. 4 Dies gilt zumindest für Temperaturanomalien auf den Landflächen der Nordhalbkugel. 5 Fallen dort die Sommertemperaturen ein halbes Grad höher aus als im Mittel der vorangegangenen zehn Jahre, wie dies beispielsweise 2023 näherungsweise der Fall war, geht dies den Schätzungen zufolge in den ersten sechs Monaten nach Auftreten der Temperaturanomalie mit einem um rund 15 Prozentpunkte stärkeren Anstieg der Weltmarktpreise für Nahrungsmittelrohstoffe einher. 6 Die Preise verharren über einen längeren Zeitraum auf dem erhöhten Niveau.

Insbesondere Getreidepreise scheinen stark auf Temperaturanomalien zu reagieren. Dies gilt etwa für die Notierungen von Weizen, Gerste, Hafer, Hirse oder Mais. Aber auch bei Sojabohnen und einigen pflanzlichen Ölen zeigt sich ein solcher Zusammenhang. Für andere Nahrungsmittel wie Reis oder Genussmittel wie Zucker, Kaffee oder Kakao finden sich hingegen keine signifikanten Effekte.

Ursächlich für die Preisanstiege dürften vor allem Ernteausfälle sein. Höhere Sommertemperaturen auf der Nordhalbkugel scheinen in der Regel mit einer verringerten Nahrungsmittelproduktion einherzugehen. 7 Im Einklang damit fiel das Wachstum der globalen Produktion verschiedener Nahrungsmittelrohstoffe im Jahr 2023 eher schwach aus, und die globalen Getreidelagerbestände nahmen ersten Schätzungen zufolge leicht ab. 8

Die hohen Sommertemperaturen 2023 dürften daher zu den anhaltend hohen Weltmarktpreisen für Nahrungsmittelrohstoffe beigetragen haben. Die aktuell erneut sehr hohen Temperaturen dürften die Notierungen weiter stützen. Dies könnte auch den globalen Disinflationsprozess ein Stück weit erschweren.

 

Der Rückgang der Inflationsraten in den Industrieländern kommt weiterhin nur langsam voran. Bis Juli verringerte sich dort die Vorjahresrate der Verbraucherpreise auf 2,7 %. Drei Monate zuvor hatte sie 3,0 % betragen. Ähnlich moderate Fortschritte gab es bei der Eindämmung der Kerninflation. Die Teuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel belief sich im Juli auf 3,0 %, verglichen mit 3,3 % im April. Eine Rückkehr zu den Preisstabilitätszielen zeichnet sich für die nähere Zukunft noch nicht ab. Dem steht vor allem das vielerorts anhaltend lebhafte Lohnwachstum entgegen. Insbesondere bei arbeitsintensiven Dienstleistungen blieb der Preisauftrieb bis zuletzt hartnäckig hoch. 1

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) betonte zuletzt Risiken für den weiteren Disinflationsprozess. Im turnusmäßigen Update seines globalen Wirtschaftsausblicks bestätigte der IWF-Stab im Juli im Wesentlichen sein Konjunkturbild vom April. 2 Die Prognose für das globale Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr beließ er bei 3,2 %. Für das kommende Jahr stellte er ein ähnlich moderates Wachstum der Weltwirtschaft in Aussicht. Gleichzeitig korrigierte der Stab seine Inflationsprognose für die Industrieländer für das laufende und kommende Jahr etwas nach oben. In diesem Länderkreis dürfte demnach die Teuerungsrate auch 2025 noch leicht über 2 % liegen. Zudem betonte der IWF Aufwärtsrisiken für die Preisprognose. Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählte er neben dem anhaltend kräftigen Lohnwachstum auch mögliche Enttäuschungen bei der Produktivitätsentwicklung sowie eine Verschärfung von Handelskonflikten.

1.1 Abgeschwächte, zweigeteilte Konjunktur in China

Die chinesische Wirtschaft konnte das Wachstumstempo vom Jahresanfang nicht halten. Gemäß der offiziellen Schätzung halbierte sich das Wachstum des realen BIP gegenüber dem Vorquartal im zweiten Vierteljahr saisonbereinigt auf 0,7 %. Die Vorjahresrate fiel mit 4,7 % ebenfalls merklich geringer aus als zuvor. Ausschlaggebend war die verhaltene Dynamik des privaten Verbrauchs. Die Einzelhandelsumsätze lagen im zweiten Quartal nur 2,6 % höher als ein Jahr zuvor, und auch der Dienstleistungskonsum dürfte weiter an Fahrt verloren haben. Der Anstieg der Verbraucherpreise blieb vor diesem Hintergrund äußerst verhalten: Der Verbraucherpreisindex (VPI) legte im Vergleich zum Vorjahr gerade einmal um 0,3 % zu. Die Schwäche des privaten Verbrauchs dürfte auch mit der schweren Krise am Häusermarkt zusammenhängen, die sich in den vergangenen Monaten fortsetzte. Dass die chinesische Wirtschaft trotz der vielfältigen Belastungen dennoch auf Wachstumskurs blieb, lag insbesondere an dem anhaltend florierenden Exportgeschäft. Somit blieb die Konjunkturentwicklung in China bis zuletzt zweigeteilt.

Chinas Exportwirtschaft gerät zunehmend unter Druck. Die Industrie weitete in jüngerer Zeit ihre Produktionskapazitäten bei hochwertigen Waren erheblich aus. Auch angesichts der eher schleppenden Binnennachfrage drang sie verstärkt auf Auslandsmärkte vor und setzte dort etablierte Anbieter unter Druck. Mehrere Handelspartner werfen China vor, seinen Unternehmen mithilfe von Subventionen künstliche Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Zuletzt kündigten die USA sowie die EU die Einführung von Zusatzzöllen auf chinesische Importe an, unter anderem auf E-Autos. Chinas Regierung wies die Kritik zurück und möchte an ihrem industriepolitischen Kurs festhalten. Zur Ankurbelung der Binnennachfrage stellte sie in den letzten Wochen weitere wirtschaftspolitische Stimuli in Aussicht. Die Zentralbank lockerte ihre Geldpolitik im Juli etwas.

1.2 Andere große Schwellenländer mit Licht und Schatten

In Indien setzte sich der kräftige Wirtschaftsaufschwung fort. Im ersten Quartal, bis zu dem Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen vorliegen, stieg das reale BIP um knapp 8 % gegenüber dem Vorjahr. Den jüngsten Indikatoren zufolge dürfte die schnelle Expansion, die offenbar breite Teile der indischen Wirtschaft erfasst hat, angehalten haben. Der Verbraucherpreisanstieg war im zweiten Vierteljahr mit 4,9 % annähernd so hoch wie im Quartal zuvor. Die Teuerungsrate lag damit weiterhin im oberen Bereich des Zielkorridors der Zentralbank, die den Leitzins bei 6,5 % beließ.

In Brasilien dürfte die Konjunktur im zweiten Vierteljahr wieder an Schwung verloren haben. Die Wirtschaft Brasiliens war recht gut in das Jahr 2024 gestartet: Im ersten Quartal legte das reale BIP saisonbereinigt um 0,8 % gegenüber dem Vorquartal zu. Im zweiten Quartal scheint das Tempo den vorliegenden Indikatoren zufolge etwas nachgelassen zu haben. Dazu dürften auch massive Überschwemmungen in Teilen des Landes beigetragen haben, die vorübergehend zu starken wirtschaftlichen Beeinträchtigungen führten. Der Preisanstieg auf der Verbraucherstufe schwächte sich im Durchschnitt des zweiten Quartals auf 3,9 % ab. Damit lag er weiterhin im geldpolitischen Zielkorridor. Die Zentralbank senkte den Leitzins im Mai um 25 Basispunkte auf 10,5 %.

In Russland expandierte die Wirtschaft trotz zunehmender angebotsseitiger Engpässe weiterhin kräftig. Gemäß den Angaben des nationalen Statistikamts stieg das reale BIP im zweiten Quartal um 4,0 % im Vorjahresvergleich. Hinter dem Aufschwung der russischen Wirtschaft stehen insbesondere steigende Staatsausgaben, vor allem für die Rüstung. Infolge der zunehmenden Engpässe am Arbeitsmarkt – die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei saisonbereinigt 2,5 % – zogen die Löhne sehr kräftig an. Dies beflügelte den privaten Verbrauch, was die Konjunktur zusätzlich antrieb. Alles in allem werden die Überhitzungserscheinungen in der russischen Wirtschaft immer deutlicher. Der Verbraucherpreisanstieg verstärkte sich im Juli weiter auf 9,1 %. Die Zentralbank hob den Leitzins daher um 200 Basispunkte auf 18 % an.

1.3 Anhaltend robuste Konjunktur in den USA

Die US-Konjunktur blieb im Frühjahr in guter Verfassung. Das reale BIP legte im Quartalsvergleich saisonbereinigt um 0,7 % zu. Im Winter hatte es noch etwas verhaltener expandiert. Triebfeder des Wachstums war die Binnenkonjunktur. Die privaten Haushalte zeigten sich weiter recht ausgabefreudig. Die Unternehmen weiteten ihre Aufwendungen für Ausrüstungen und die Vorratshaltung sogar verhältnismäßig kräftig aus. Auch die öffentliche Nachfrage stieg spürbar. Hingegen machten sich im Bausektor die weiterhin ungünstigen Finanzierungsbedingungen bemerkbar. Die gewerblichen Bauinvestitionen sanken ebenso wie die Investitionen im privaten Wohnungsbau. Die Importe stiegen vor dem Hintergrund der lebhaften Binnennachfrage deutlich an.

Im weiteren Jahresverlauf dürfte die US-Konjunktur merklich an Schwung verlieren. Angesichts der weitgehend aufgezehrten Überschussersparnisse aus der Pandemiezeit dürften sich die privaten Haushalte stärker an den mäßigen Realeinkommenszuwächsen orientieren. Die zuvor sehr hohe Auslastung des Arbeitsmarktes ließ schon seit Jahresbeginn nach. Unternehmen schrieben weniger Stellen aus, zugleich fiel es ihnen zunehmend leichter, Vakanzen zu füllen. Hierzu wird wohl der vermehrte Zuzug von Arbeitskräften aus dem Ausland beigetragen haben. Zuletzt schwächte sich das lange solide Beschäftigungswachstum deutlich ab, und auch das starke Lohnwachstum ließ nach. Insgesamt spricht das Indikatorenbild für eine Mäßigung der Konjunktur. Eine harte Landung zeichnet sich allerdings nicht ab.

Das Nachlassen des Lohnwachstums verringert den Kostendruck für Unternehmen und dürfte den weiteren Disinflationsprozess begünstigen. Zwischen April und Juli fiel die Vorjahresrate der Verbraucherpreise zwar um 0,5 Prozentpunkte, blieb mit 2,9 % aber immer noch hoch. Die ohne Energie und Nahrungsmittel gerechnete Kernrate lag sogar etwas darüber. Die Notenbank sah vor diesem Hintergrund vorerst weiterhin von Leitzinssenkungen ab.

1.4 Wirtschaftsleistung Japans nach Schwächephase etwas erholt

Die Wirtschaftsleistung Japans legte im Frühjahr deutlich zu. Laut der ersten Schätzung expandierte das BIP saison- und preisbereinigt um 0,8 %, nach drei schwachen Quartalen. Die Fertigung von Kraftfahrzeugen, die im Winter aufgrund eines Produktionsstopps bei einem Hersteller eingebrochen war, 3 und entsprechend auch die Industrieproduktion erholten sich zu einem guten Stück wieder. Auch die Ausfuhren stiegen etwas. Die privaten Bruttoanlageinvestitionen legten spürbar zu, und die privaten Haushalte weiteten ihre Konsumausgaben deutlich aus. Dabei profitierten die Verbraucher davon, dass die hohen Abschlüsse der diesjährigen Lohnrunde wirksam wurden und die Reallöhne zuletzt deutlich stiegen. Getragen von dem Lohnwachstum und der Yen-Abwertung, die die Einfuhren verteuerte, blieb der allgemeine Preisauftrieb für japanische Verhältnisse hoch. Im Juni stiegen die Verbraucherpreise im Vorjahresvergleich um 2,8 %. Ohne Energie und Nahrungsmittel gerechnet waren es 1,9 %. Die Notenbank hob daher im Juli ihren Leitzins, dessen Zielspanne zuvor zwischen 0 % und 0,1 % gelegen hatte, auf 0,25 % an.

1.5 Konjunktur im Vereinigten Königreich fasst weiter Tritt

Die britische Wirtschaft expandierte auch im Frühjahr lebhaft. Die Wirtschaftsleistung stieg im zweiten Vierteljahr saison- und preisbereinigt um 0,6 % gegenüber dem Winterquartal. Maßgeblich war dabei vor allem die weiter anziehende Aktivität im Dienstleistungssektor. Die Bautätigkeit sank dagegen erneut etwas. Hier machten sich die noch immer ungünstigen Finanzierungsbedingungen sowie stärker als übliche Regenfälle zu Quartalsbeginn bemerkbar. Auch das Verarbeitende Gewerbe knüpfte nicht an das starke Vorquartal an. Im Einklang mit der insgesamt positiven Konjunkturentwicklung blieb der Einkaufsmanagerindex für die Gesamtwirtschaft aber bis Juli klar im expansiven Bereich. Die Verbraucherstimmung besserte sich weiter, wobei die Realeinkommenssteigerungen der letzten Monate eine wichtige Rolle gespielt haben dürften. Der Preisauftrieb auf der Verbraucherstufe änderte sich zuletzt kaum. Im Juli lag die Vorjahresrate des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) bei 2,2 %. Die ohne Energie und Nahrungsmittel gerechnete Kernrate war mit 3,3 % aber immer noch recht hoch. Dennoch senkte die Bank of England aufgrund der bisherigen Erfolge im Disinflationsprozess im August erstmals seit März 2020 ihren Leitzins um 25 Basispunkte.

1.6 Wirtschaftliche Erholung in Polen verstärkt sich

In Polen verstärkte sich die wirtschaftliche Erholung im zweiten Vierteljahr. Die Industrie- und die Dienstleistungsproduktion stiegen deutlich an. Verwendungsseitig wird die Konjunkturaufhellung weiterhin von dem anziehenden privaten Verbrauch getragen, der von der robusten Arbeitsmarktlage und deutlichen Lohnsteigerungen bei einem grundsätzlich nachlassenden Preisauftrieb begünstigt wird. Ähnliche Faktoren begünstigten auch die Konjunktur in den anderen mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten (siehe Exkurs „Neuer Schwung für die Konvergenz in Mittel- und Osteuropa 20 Jahre nach dem EU-Beitritt?“). Die Arbeitslosenquote stieg im zweiten Vierteljahr nur leicht an, und die Bruttolöhne im Unternehmenssektor legten im Vorjahresvergleich um 11 % zu. Dämpfend dürfte vorübergehend das Auslaufen von Stützungsmaßnahmen wirken. Im April lief die befristete, zuvor aber bereits einmal verlängerte Mehrwertsteuerbefreiung von Grundnahrungsmitteln aus, was temporär deutliche Spuren in den Einzelhandelsumsätzen hinterließ. Im Gegensatz zum privaten Verbrauch dürften die Investitionen erneut gesunken sein. Die Bauproduktion blieb zuletzt hinter dem Niveau des ersten Quartals zurück. Infolge des Auslaufens der Unterstützungsmaßnahmen verstärkte sich der Verbraucherpreisanstieg von 2,0 % im März auf 2,6 % im Juni, blieb aber im geldpolitischen Zielkorridor. Die Kerninflationsrate ohne Energie und Nahrungsmittel sank weiter auf 3,6 %. Die Notenbank beließ ihren Leitzins bei 5,75 %.

Exkurs

Neuer Schwung für die Konvergenz in Mittel- und Osteuropa 20 Jahre nach dem EU-Beitritt?

In den mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten fasste die Konjunktur im Laufe des Jahres 2023 allmählich wieder Tritt. Die mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten hatten erheblich unter den wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges Russlands gegen die Ukraine gelitten. 1 Die davon ausgelöste Schwächephase zog sich bis in das Jahr 2023 hinein und löste sich nur zögerlich auf. Wesentlich für die konjunkturelle Besserung war die Erholung des privaten Verbrauchs. Vor dem Hintergrund der nachlassenden Inflation und teilweise sehr kräftigen Lohnsteigerungen bei gleichzeitigen Beschäftigungszuwächsen erholte sich die Kaufkraft der privaten Haushalte wieder. Die Exporte stiegen hingegen nur zögerlich an. Die Nachfrage aus dem Euroraum blieb schwach. Zudem hatte sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert. Die Investitionstätigkeit wurde noch von verschiedenen Infrastrukturprojekten gestützt. 2 Insgesamt stieg das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) dieser Ländergruppe im Jahr 2023 um 0,6 %, verglichen mit 0,5 % in der EU insgesamt. Die für diese Ländergruppe untypisch niedrige jahresdurchschnittliche BIP-Wachstumsrate war vor allem die Folge der schwachen zweiten Hälfte des Jahres 2022. Die Jahresverlaufsrate, also die Jahresveränderungsrate im vierten Quartal, fiel im Jahr 2023 mit 1,2 % deutlich günstiger aus.

Die wirtschaftliche Lage verbesserte sich dabei in den meisten EU-Ländern Mittel- und Osteuropas. Fast alle Länder, deren Wirtschaftsleistung infolge des Kriegsausbruchs und der Energiekrise im Verlauf des Jahres 2022 zurückgegangen war, darunter Polen und Ungarn, überwanden die Rezession. Auch in den baltischen Ländern verbesserte sich die Lage zumeist. Nur in Estland sank die Wirtschaftsleistung weiter. In der Tschechischen Republik, die 2022 noch nicht so hart von der Krise getroffen worden war, stagnierte die Wirtschaftsleistung allerdings im Jahresverlauf 2023. Die südlichen Länder, insbesondere Rumänien, Bulgarien und Kroatien, profitierten von dem schwungvollen Tourismusgeschäft und auch von der Verlagerung der Produktions- und Transportketten infolge des Krieges Russlands gegen die Ukraine. In diesem Zusammenhang wurde auch vermehrt in die maritime Infrastruktur investiert. 3

Der Auftrieb der Verbraucherpreise mäßigte sich in den mittel- und osteuropäischen EU-Ländern spürbar. Die Inflationsrate sank in diesem Länderkreis, gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), von ihrem Höchststand im Februar 2023 mit gut 16 % auf 6,1 % am Jahresende 2023 und weiter auf 3,3 % im Juni 2024. Die Inflationsraten waren dort nach dem Ausbruch der Energiekrise zunächst besonders stark gestiegen, nicht zuletzt, weil in diesen Ländern der Anteil von Energie und Lebensmitteln an den Konsumausgaben besonders groß ist. Spiegelbildlich schlug später aber auch der Rückgang der Energiepreise kräftig auf die Verbraucherpreise durch. Auch dürfte die insgesamt noch verhaltene Konsumkonjunktur inflationsdämpfend gewirkt haben. Die mittlere Inflationsrate der mittel- und osteuropäischen EU-Länder übertraf die des Euroraums zuletzt nur noch um rund 1 Prozentpunkt. Die Bandbreite der Inflationsraten blieb jedoch hoch und reichte von 1,0 % in Litauen bis 5,3 % in Rumänien. Auch die Kerninflationsrate ohne Energie und Nahrungsmittel ließ nach, ging jedoch bis Juni 2024 nur auf 4,7 % zurück.

Der binnenwirtschaftliche Preisdruck blieb angesichts der angespannten Arbeitsmärkte in den meisten EU-Mitgliedsländern Mittel- und Osteuropas hoch. Die Inflationsdynamik wurde zuletzt zunehmend durch inländische Faktoren und insbesondere durch die kräftig steigenden Arbeitskosten bestimmt. Die Löhne stiegen, gemessen an den Arbeitnehmerentgelten je abhängig Beschäftigten, im Jahresdurchschnitt 2023 um 13,1 %, nach 11,9 % im Jahr zuvor. Der Zuwachs blieb im ersten Vierteljahr 2024 mit 12,9 % im Vorjahresvergleich sehr hoch, vor allem wegen weiter steigender Zuwachsraten in Polen und Kroatien. In den meisten anderen Ländern mäßigte sich der Lohnanstieg hingegen etwas. Die Produktivität stieg gleichzeitig nur moderat. Die kostenseitige Wettbewerbsfähigkeit verschlechterte sich in einer Reihe von Ländern daher spürbar. Der hohe Lohndruck dürfte zu einem wesentlichen Teil der vorausgegangenen Erosion der Kaufkraft geschuldet sein. Allerdings überstiegen in einigen Ländern die Reallöhne inzwischen den Stand von vor dem Ausbruch der Energiekrise deutlich. Dazu dürfte neben der bemerkenswert kräftigen Anhebung der Mindestlöhne in mehreren Ländern zum Jahresbeginn 2024 die starke Arbeitsmarktanspannung in diesem Länderkreis beigetragen haben. 4 Die Lage an den Arbeitsmärkten verschlechterte sich jedenfalls seit dem ersten Vierteljahr 2024 wenig. Die Erwerbslosenquote 5 blieb trotz der konjunkturellen Schwächephase im historischen Vergleich äußerst niedrig.

Die Zentralbanken der mittel- und osteuropäischen EU-Länder außerhalb des Euroraums begannen teilweise bereits im letzten Jahr mit vorsichtigen Zinssenkungen. Sie hatten zuvor recht frühzeitig mit einer deutlichen Straffung auf das Anziehen der Inflation reagiert. Als erste senkte die polnische Nationalbank im September 2023 ihren Leitzins, gefolgt von der ungarischen. Andere folgten später. Gleichwohl liegen die Zinsen, ebenso wie die Inflationsraten, teilweise noch deutlich über denen im Euroraum beziehungsweise der übrigen EU. In der Folge verfehlten bei der Konvergenzprüfung im Juni 2024 mehrere Länder die notwendigen Voraussetzungen für die Euro-Einführung. Insbesondere Bulgarien hatte die Einführung des Euro für Anfang 2025 angestrebt. 6 Zwar ist durch das geldpolitische Regime des Currency Boards der bulgarische Lew fest an den Euro gekoppelt, Bulgarien verfehlte aber das Kriterium der Preisstabilität. Die Staatsfinanzen verbesserten sich in den meisten mittel- und osteuropäischen EU-Ländern, auch wegen des Auslaufens der Unterstützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie und des schrittweisen Abbaus der Hilfsmaßnahmen zur Abfederung der hohen Energie- und Nahrungsmittelpreise. Allerdings wurden mehrere Länder nicht den Haushaltsregeln der EU gerecht. Diese waren im April dieses Jahres wieder wirksam, nachdem sie in der Pandemie ausgesetzt worden waren. Infolgedessen empfahl die Europäische Kommission, gegen Polen, Ungarn und die Slowakei das Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits (Excessive Deficit Procedure, EDP) zu eröffnen. 7

Die wirtschaftliche Konvergenz der mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedsländer kam 2023 erstmals zum Erliegen. Das war vor allem die Folge davon, dass dieser Länderkreis besonders stark von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges Russlands gegen die Ukraine betroffen war. In den drei baltischen Staaten gab es im Vergleich zum EU-Durchschnitt sogar spürbare Realeinkommensverluste. Nahezu unverändert blieb die relative Einkommensposition in Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn. In anderen Ländern, darunter Rumänien, Bulgarien und Kroatien, gab es hingegen weitere Konvergenzfortschritte.

In den 20 Jahren seit der großen Osterweiterung der EU waren die Konvergenzfortschritte hingegen erheblich. Zum Zeitpunkt der Erweiterung im Jahr 2004 8 hatte sich das BIP pro Kopf dieser Ländergruppe, berechnet in Kaufkraftparitäten, auf knapp 58 % des damaligen EU-Durchschnitts belaufen. Zehn Jahre danach waren es knapp 70 % und 2023 bereits gut 80 %. Bemerkenswert ist dabei, dass es weder während der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 noch während der Coronakrise und den darauffolgenden Belastungen zu nennenswerten Konvergenzrückschritten kam. Empirische Auswertungen legen nahe, dass fast ein Drittel des aktuellen Lebensstandards in dieser Ländergruppe dem EU-Beitritt zugeschrieben werden kann. Dies entspricht etwa der Hälfte des Anstiegs des BIP pro Kopf zwischen 2004 und 2019. 9 Die große EU-Osterweiterung ist damit in wirtschaftlicher Hinsicht als beachtlicher Erfolg zu werten.

Der Konvergenzprozess der mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedsländer dürfte nach der Pause im Jahr 2023 nun wieder spürbare Fortschritte machen. Dafür spricht zunächst einmal das Anziehen des BIP-Wachstums in diesem Länderkreis seit Jahresbeginn. Dies zeigt, dass die grundlegenden wachstumsfördernden Faktoren, die in den Jahren zuvor wirksam waren, ihre Kraft nicht verloren haben. Dazu trägt auch bei, dass die mittel- und osteuropäischen Länder erheblich durch EU-Fördermittel unterstützt werden, nicht zuletzt mit Mitteln aus dem neu geschaffenen NGEU-Instrument. 10

Mittelfristig dürfte der Konvergenzprozess der mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten jedoch vor allem wegen demografischer Belastungen an Fahrt verlieren. Die Bevölkerung der mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten schrumpft und altert besonders schnell. 11 Ein schrumpfendes Arbeitskräfteangebot und alterungsbedingt gedrückte Produktivitätszuwächse, verbunden mit einem auch demografisch bedingt zunehmenden Druck auf die öffentlichen Finanzen, dürften das Wirtschaftswachstum und damit auch den Konvergenzprozess erheblich verlangsamen. Dieses Problem wird dadurch verschärft, dass diese Ländergruppe den demografischen Herausforderungen in einem früheren Entwicklungsstand ausgesetzt ist als viele fortgeschrittene Volkswirtschaften. Es gibt jedoch durchaus Möglichkeiten, den produktivitätsdämpfenden Effekten der Demografie entgegenzuwirken. Hierzu zählt vor allem die Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen. In den letzten Jahren gab es hier aber teilweise sogar spürbare Rückschritte. Dies zeigen zumindest die Governance-Indikatoren der Weltbank 12 zu regulatorischer Qualität, Regierungseffektivität, Bekämpfung von Korruption und Rechtsstaatlichkeit für Bulgarien, Polen und Ungarn an. Hingegen verbesserten sich zuletzt die Rahmenbedingungen in der Tschechischen Republik und in Rumänien, dort allerdings von einem gedrückten Niveau aus.

2 Weiterhin moderate Expansion im Euroraum

Im Euroraum setzte sich die moderate Expansion der Wirtschaftsleistung im zweiten Vierteljahr 2024 fort; ein kräftiger, breit angelegter Aufschwung zeichnet sich aber bisher nicht ab. Der Schnellschätzung von Eurostat zufolge stieg das BIP wie im ersten Vierteljahr preis- und saisonbereinigt um 0,3 % gegenüber dem Vorquartal. Getragen wurde das Wachstum von den Dienstleistungen. Hingegen hielt die Schwächephase des Verarbeitenden Gewerbes an. Die Impulse aus der Weltwirtschaft scheinen kaum Auswirkungen auf die Industrie im Euroraum zu haben. Auch für das laufende Quartal zeichnet sich hier keine Besserung ab. Die Dienstleistungskonjunktur hält sich trotz einer gewissen Abschwächung noch gut. Die bemerkenswerte Zweiteilung der Konjunktur, die bereits seit Anfang 2023 anhält, scheint sich also fortzusetzen.

Der private Verbrauch erholte sich weiter. Die Einzelhandelsumsätze legten preisbereinigt spürbar zu, und die Aufwendungen für Dienstleistungen stiegen wohl ebenfalls erneut. Die Zahl der Kraftfahrzeug-Neuzulassungen ging hingegen nochmals zurück. Maßgeblich für die steigende Nachfrage der privaten Haushalte dürften die merklichen Kaufkraftgewinne gewesen sein. Die Arbeitseinkommen wuchsen kräftig, zugleich ließ der Preisanstieg nach. Diese Kaufkraftgewinne wurden aber wohl weiterhin nur in Teilen ausgabenwirksam. Die Sparquote war bereits im ersten Vierteljahr noch einmal deutlich gestiegen, und die Sparneigung blieb laut Umfragen hoch.

Die Investitionstätigkeit ließ vermutlich nach. 4 Insbesondere die Bauinvestitionen dürften im zweiten Vierteljahr saisonbereinigt gesunken sein, nachdem sie im Vorquartal noch von dem außergewöhnlich milden Winterwetter profitiert hatten. Die Bauleistung sank im April und Mai gegenüber dem Mittel des ersten Quartals merklich. Bei den Ausrüstungsinvestitionen dürfte es vor dem Hintergrund der anhaltenden Industrieschwäche in weiten Teilen des Euroraums ebenfalls ein Minus gegeben haben. Die Inlandsumsätze der Produzenten von Kapitalgütern sanken im April und Mai preisbereinigt. Die Aufwendungen für Informations- und Kommunikationstechnologien sowie für geistiges Eigentum dürften hingegen im Zuge des Digitalisierungstrends weiter gestiegen sein.

Die Exporte verloren im zweiten Vierteljahr trotz des lebhaften Welthandels wohl merklich an Schwung. Die Exporte von Kapitalgütern dürften erneut gesunken sein, und der Anstieg der Ausfuhren von Vorleistungsgütern verlangsamte sich vermutlich spürbar. Die Warenexporte blieben damit weiter hinter der anziehenden globalen Nachfrage zurück. Ein wesentlicher Grund für diesen Verlust an Marktanteilen dürfte die verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit der Industrie im Euroraum sein. Die Industrieunternehmen stufen in den Umfragen der Europäischen Kommission ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Märkten seit einiger Zeit als nicht gut ein. Neben der Belastung durch hohe Energiekosten spielen hier vermutlich Sortimentseffekte eine Rolle, insbesondere im Automobilbereich. Nach Ländern sanken wohl vor allem die Ausfuhren nach China merklich, während die Exporte in die USA und das Vereinigte Königreich zulegten. Die Dienstleistungsexporte des Euroraums dürften den Zahlungsbilanzangaben zufolge erneut gestiegen sein, wenn auch weniger kräftig als zuvor. Die Wareneinfuhren aus Drittländern nahmen im Frühjahr wohl spürbar zu, insbesondere die Importe von Verbrauchsgütern, was mit der Erholung des privaten Verbrauchs zusammenhängen dürfte.

Im Verarbeitenden Gewerbe hielt die Schwächephase an, und die industrielle Kapazitätsauslastung fiel weiter unter ihren langfristigen Durchschnitt. Die Erzeugung von Vorleistungen und Investitionsgütern sank im zweiten Vierteljahr. Hingegen erholte sich die Konsumgüterproduktion nach dem Rückgang im Vorquartal etwas, einschließlich der Herstellung von Kraftfahrzeugen. Neben der Wettbewerbsschwäche auf den internationalen Märkten war hier auch die gedämpfte Investitionskonjunktur im Euroraum von Bedeutung. Der Preisdruck auf der Erzeugerstufe ist weiterhin gering. Die Erzeuger- und die Importpreise von Vorprodukten sanken im Vorjahresvergleich bis zuletzt, im Vormonatsvergleich stiegen sie allerdings seit März wieder. Bei den Fertigprodukten schwächte sich der Preisanstieg binnen Jahresfrist ab, und binnen Monatsfrist blieb er verhalten.

Die Expansion im Dienstleistungsbereich setzte sich fort. Insbesondere die Aktivitäten der Informations- und Kommunikationsbranche, aber auch die der unternehmensnahen Dienstleister dürften merklich zugenommen haben. Lediglich im Hotel- und Gastgewerbe flachte die Geschäftstätigkeit wohl wieder ab. Laut Umfragen der Europäischen Kommission belastet weiterhin ein Mangel an Arbeitskräften die Dienstleistungsbranche.

In den meisten Mitgliedsländern setzte sich das Wirtschaftswachstum im zweiten Vierteljahr fort. Dabei gab es allerdings weiterhin erhebliche Unterschiede. Die Wirtschaft wuchs vor allem in den Ländern, in denen der Tourismus eine große Rolle spielt und Projekte durch den Europäischen Aufbaufonds gefördert werden. Umgekehrt dämpfte die andauernde Schwäche des Verarbeitenden Gewerbes das Wachstum in Ländern mit einem hohen Industrieanteil, darunter vor allem Deutschland. 5

In Frankreich stieg die Wirtschaftsleistung im zweiten Vierteljahr noch einmal merklich. Das reale BIP legte laut erster Schätzung wie im Vorquartal um 0,3 % zu. Das Wirtschaftswachstum ging maßgeblich auf starke Exporte zurück. Auch das Tourismusgeschäft war lebhaft. Die inländische Nachfrage blieb dagegen verhalten. Zwar stiegen die Investitionen erstmals seit drei Quartalen etwas, aber der private Verbrauch stagnierte erneut. Hier stand der merklich gestiegenen Nachfrage nach Dienstleistungen ein schwacher Warenkonsum gegenüber. Entstehungsseitig blieb die Geschäftsentwicklung im Dienstleistungssektor schwungvoll. Das Gastgewerbe nahm nach dem schwachen Jahresbeginn deutlich Fahrt auf, und die Aktivität bei den unternehmensnahen Dienstleistungen und in der Informations- und Kommunikationsbranche blieb hoch. Dagegen gab es in der Industrie und im Bau wiederum ein Minus.

In Italien legte die gesamtwirtschaftliche Aktivität erneut zu. Das reale BIP stieg vorläufigen Angaben zufolge um 0,2 %, nach einem Zuwachs von 0,3 % im Vorquartal. Impulse kamen insbesondere von einer verstärkten inländischen Nachfrage. Der private Verbrauch und die Investitionstätigkeit dürften leicht zugelegt haben. Hingegen sanken die Güterexporte wohl, worin sich auch die Schwäche der italienischen Industrie widerspiegelt. Wie schon im Vorquartal ging deren Erzeugung zurück. Die Aktivität der Dienstleister stieg hingegen.

In Spanien setzte sich der kräftige Aufschwung fort. Das reale BIP nahm laut erster Schätzung wie schon im Vorquartal um 0,8 % zu. Getragen wurde das Wachstum von einer Ausweitung des privaten Verbrauchs und einer gesteigerten Investitionstätigkeit. Darüber hinaus stiegen die Ausfuhren erneut merklich. Die Einfuhren sanken hingegen leicht. Entstehungsseitig legte die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe und im Bereich der Dienstleistungen deutlich zu. In der Bauwirtschaft stagnierte die Aktivität dagegen nahezu.

In fast allen kleineren Mitgliedsländern stieg die Wirtschaftsleistung im zweiten Vierteljahr weiter. Insbesondere in Irland, den Niederlanden, Litauen und in Zypern nahm das reale BIP deutlich zu. In Belgien, Finnland, der Slowakei, Slowenien und Estland gab es moderate Zuwächse. In Österreich und Portugal stagnierte die Wirtschaft, in Lettland ging die Aktivität deutlich zurück.

Die Arbeitsmarktlage blieb auch im zweiten Vierteljahr günstig. Die Arbeitslosenquote lag im Juni mit 6,5 % weiterhin nahe ihrem Tiefstand, und die Zahl der Beschäftigten stieg abermals leicht an. Die Anspannung des Arbeitsmarktes nahm dabei weiter ab. So sank die Quote der offenen Stellen, das Horten von Arbeitskräften ließ gemäß einem Indikator der Europäischen Kommission etwas nach, 6 und die Beschäftigungserwartungen für die nächsten drei Monate gingen zurück. Das Lohnwachstum fiel aber auch im zweiten Vierteljahr mit voraussichtlich 4 % bis 5 % gegenüber dem Vorjahr vergleichsweise hoch aus.

Der Preisauftrieb ließ im zweiten Vierteljahr kaum nach und war weiterhin erhöht. Gemessen am HVPI stiegen die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um 0,6 %, was annualisiert einer Rate von 2,4 % entspricht. Ausschlaggebend für den weiterhin vergleichsweise starken Preisanstieg war die nach wie vor starke Aufwärtsdynamik der Preise von Dienstleistungen, bei denen sich die kräftigen Lohnzuwächse besonders stark auswirken. Die Preise für Nahrungsmittel stiegen dagegen nur noch wenig an. Bei Industrieerzeugnissen ohne Energie kam der Preisauftrieb vollständig zum Erliegen. Die Energiepreise, die im Winter noch leicht gestiegen waren, sanken etwas.

Auch im Vorjahresvergleich blieb der Preisauftrieb nahezu unverändert. Die Inflationsrate war im zweiten Vierteljahr mit 2,5 % nur wenig geringer als im Vorquartal (2,6 %). Auch hier lieferten im Vorjahresvergleich die Dienstleistungspreise den mit Abstand größten Beitrag. Hier verharrt die Teuerung seit Ende 2023 bei rund 4 %. Sie ist somit deutlich höher als bei den anderen Komponenten des HVPI und auch merklich stärker als im langfristigen Mittel. Dagegen schwächte sich die Preisdynamik bei Nahrungsmitteln und Industriegütern ohne Energie merklich ab. Hier entsprachen die Teuerungsraten mit 2,6 % beziehungsweise 0,7 % ungefähr den langfristigen Mittelwerten. Dies spricht dafür, dass der Disinflationsprozess bei Waren weitgehend abgeschlossen ist. Nachdem die Energiepreise vier Quartale im Vorjahresvergleich gesunken waren, waren sie nun ähnlich hoch wie vor Jahresfrist. Die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel schwächte sich etwas weiter von 3,1 % auf 2,8 % ab.

Im Juli stieg die Inflationsrate zwar wieder leicht an, dürfte danach aber zunächst etwas sinken. Im Juli stieg die Inflationsrate gemäß der Vorausschätzung von Eurostat von 2,5 % im Juni auf 2,6 %. Insbesondere Energie verteuerte sich stärker als zuvor. Bei den anderen Komponenten war der Preisauftrieb ähnlich stark wie zuvor. Die Kernrate verharrte daher bei 2,9 %. Damit legte der Disinflationsprozess wie erwartet eine Pause ein. In den nächsten Monaten dürfte die Inflationsrate aber vorübergehend wieder etwas sinken, bevor sie in den letzten Monaten des laufenden Jahres wieder steigen dürfte. Diese Schwankungen gehen vor allem auf Basiseffekte bei Energie zurück. Erst zum Beginn des Jahres 2025 sollte der grundsätzlich abwärts gerichtete Trend der Inflation wieder stärker sichtbar werden.

Im laufenden Vierteljahr könnte sich die gesamtwirtschaftliche Erholung im Euroraum in etwa mit dem bisherigen Tempo fortsetzen. Der private Verbrauch sollte die aufwärtsgerichtete konjunkturelle Grundtendenz wohl weiter unterstützen. Das Konsumentenvertrauen besserte sich jedenfalls bis Juli stetig. Die Haushalte bewerteten vor allem ihre finanzielle Lage besser. Auch stieg ihre Bereitschaft zu größeren Anschaffungen zuletzt deutlich. In der Industrie stehen die Zeichen dagegen weiterhin auf Kontraktion. Die Stimmung sank, was an der verschlechterten Wettbewerbsposition der Unternehmen im Euroraum sowie einer gewissen Eintrübung der globalen Industriekonjunktur liegen dürfte. Die Aussichten der Bauwirtschaft blieben verhalten. Laut Umfragen gingen die Aufträge erneut zurück, und die Zahl der Wohnbaugenehmigungen verharrte auf einem niedrigen Niveau. Die Dienstleistungsbranche setzt ihre Expansion hingegen wohl fort, wenn auch die grundsätzlich positive Stimmung etwas nachließ. Einen kräftigen und breit angelegten Aufschwung wird es wohl erst geben, wenn die Industrie ihre ausgeprägte Schwächephase überwindet und der private Verbrauch noch stärker Fahrt aufnimmt.

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