Kurzbericht: Konjunkturlage Monatsbericht – Juli 2024
Veröffentlicht am 7/22/2024
Monatsbericht – Juli 2024
Monatsberichtsaufsatz
1 Deutsche Wirtschaft erholt sich allmählich
Die deutsche Wirtschaftsleistung legte im Frühjahr wohl ein wenig langsamer zu als erwartet. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte im zweiten Quartal nur leicht gestiegen sein. Zwischenzeitliche Hoffnungen auf eine baldige Verbesserung der Industriekonjunktur erfuhren mit Veröffentlichung der Mai-Zahlen einen spürbaren Dämpfer. Die Industrieproduktion sank deutlich, und die sich mit dem starken Orderplus im April abzeichnenden Stabilisierungstendenzen beim Auftragseingang schwächten sich merklich ab. Daher dürfte die Industrie die Konjunktur im zweiten Quartal gebremst haben. Die gestiegenen Finanzierungskosten drückten weiterhin die Investitionen und damit die inländische Nachfrage nach Industrieerzeugnissen und Bauleistungen. Aus diesem Grund – sowie wegen eines Gegeneffekts nach der milden Witterung im ersten Quartal – dürfte auch die Bauproduktion im zweiten Quartal gesunken sein. Dagegen setzte sich die Belebung im Dienstleistungssektorwohl fort. Dafür sprechen etwa die Umfrageergebnisse des ifo Instituts und von S&P Global. Der private Konsum dürfte die Nachfrage nach Dienstleistungen gestützt haben. Insgesamt lassen die verfügbaren Indikatoren nämlich darauf schließen, dass der private Konsum im zweiten Quartal leicht zulegte.
Im dritten Quartal dürfte sich die Konjunktur etwas festigen. Der private Konsum wird wohl etwas mehr Fahrt aufnehmen. Dazu dürften insbesondere die günstigen Rahmenbedingungen aus kräftig steigenden Löhnen, einer nachlassenden Inflation und einem robusten Arbeitsmarkt beitragen. Zudem nahm trotz der enttäuschenden Juni-Ergebnisse der Pessimismus unter den Einzelhändlern und Dienstleistern gemäß ifo Geschäftserwartungen im zweiten Quartal insgesamt spürbar ab. Das gilt auch für das Verarbeitende Gewerbe. Allerdings spricht der jüngste Dämpfer beim industriellen Auftragseingang dafür, dass die Nachfrageschwäche noch nicht gänzlich überwunden ist und sich die Industriekonjunktur wohl nur zögerlich verbessern wird. Daher könnte das BIP-Wachstum aus heutiger Perspektive auch im dritten Quartal ein wenig hinter den Erwartungen aus der Deutschland-Prognose der Bundesbank vom Juni zurückbleiben. 1
2 Aufhellung der Industriekonjunktur erfährt einen Dämpfer
Zwischenzeitliche Hoffnungen auf ein Ende der Industrieschwäche erfüllten sich nicht, denn die Industrieproduktion ging im Mai kräftig zurück.Im Vergleich zum Vormonat verringerte sich die Industrieproduktion saisonbereinigt 2 kräftig und fiel auf den zwischenzeitlichen Tiefpunkt vom Dezember 2023 zurück. Damit liegt auch das Produktionsniveau im Durchschnitt von April und Maispürbarunter demjenigen des ersten Quartals. Dieser Rückgang war über die Branchen recht breit verteilt, wobei es zwei gewichtige Ausnahmen gab: Die Hersteller von Kfz und Kfz-Teilen weiteten ihre Produktion kräftig aus. Dies dürfte sich im Juni nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie fortgesetzt haben. Zudem war die Produktion in den energieintensiven Wirtschaftszweigen ein Lichtblick. Nachdem sie sich zu Jahresbeginn kräftig erhöht hatte, lag sie im Durchschnitt von April und Mai abermals etwas über dem Mittel des Vorquartals. Gleichwohl blieb das Produktionsniveau in der energieintensivenIndustrie weiterhin erheblich unter den Ständen von vor dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
Die sich im April abzeichnenden Stabilisierungstendenzen bei der Industrienachfrage schwächten sich ab, sind aber noch vorhanden. Der Auftragseingang in der deutschen Industrie ging im Mai gegenüber dem Vormonat spürbar zurück. Er lag im Mittel von April und Mai deutlich unter dem Durchschnitt des ersten Quartals. Im Kern – also ohne die volatilen Großaufträge – büßte der industrielle Auftragseingang seinen kräftigen Zuwachs aus dem April wieder ein. Waren für das starke Plus im April noch vor allem deutlich mehr Aufträge aus dem Euroraum ausschlaggebend, ging der Rückprall im Mai auf deutlich weniger Bestellungen aus Drittländern zurück. Dank des starken Aprils legte der industrielle Auftragseingang ohne Großaufträge im Mittel von April und Mai gegenüber dem Vorquartal gleichwohl noch moderat zu. Insofern schwächten sich die Signale für eine Stabilisierung der Nachfrage zwar ab, sie sind aber noch vorhanden. Ähnliches gilt auch mit Blick auf die Umfragedaten: Trotz eines Dämpfers im Juni bei der Unternehmensstimmung nahm der Pessimismus im zweiten Quartal insgesamt gegenüber dem Vorquartal merklich ab. Dies gilt insbesondere für die ifo Geschäftserwartungen, aber auch für die ifo Produktionspläne und Exporterwartungen.
3 Dienstleister dürften Wirtschaftsleistung gestützt haben
Die Belebung im Dienstleistungssektor dürfte sich fortgesetzt haben und vom privaten Konsum zunehmend unterstützt worden sein. Produktionsdaten im Dienstleistungssektor (ohne Handel) liegen zwar bislang nur bis zum März vor, versprechen aber günstige Ausgangsbedingungen für das zweite Quartal. 3 Die nunmehr für das gesamte zweite Quartal vorliegenden Stimmungsindikatoren legen zudem nahe, dass die Dienstleister ihre Aktivität noch weiter erhöhten. So waren sie gemäß Umfragen des ifo Instituts mit ihrer Geschäftslage spürbar zufriedener als zuvor. Zudem lag der entsprechende Einkaufsmanagerindex von S&P Global durchweg über der Expansionsschwelle. Der private Konsum dürfte die Aktivitätsausweitung der Dienstleister unterstützt haben. Zwar deuten die bislang nur bis April vorliegenden realen Umsätze im Gastgewerbe noch auf ein eher zögerliches Konsumverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Bereich hin. Allerdings fielen im Einzelhandel die preis- und saisonbereinigten Umsätze im April deutlich höher aus als im Mittel des Vorquartals. Und auch die bereits für das gesamte zweite Quartal vorliegenden Daten zu den Kfz-Zulassungen privater Halter zeigen ein leichtes Plus an – dank eines kräftigen Anstiegs im Juni. Zudem bewerteten die Einzelhändler, aber auch die Unternehmen im Gastgewerbe ihre Geschäftslage gemäß ifo Umfragen im zweiten Quartal besser als im Vorquartal. Dies könnte signalisieren, dass Vorsichtsmotive bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern allmählich an Bedeutung verlieren und sie ihre Konsumausgaben angesichts steigender Realeinkommen und eines robusten Arbeitsmarkts bereits wieder etwas ausweiteten. Dafür spricht auch der GfK-Konsumklimaindex, der sich im zweiten Quartal erholte. So verbesserten sich danach – auf das gesamte Quartal bezogen – die Konjunkturaussichten und insbesondere die Einkommenserwartungen. Die Sparneigung ließ allerdings nur etwas nach, und auch die Anschaffungsneigung erhöhte sich nur leicht.
4 Arbeitsmarkt widerstandsfähig, kommt aber nicht voran
Die schwache Konjunktur führt in Kombination mit der starken Zuwanderung aktuell dazu, dass sowohl die Beschäftigung als auch die Arbeitslosigkeit in Deutschland leicht steigen. Die geringen konjunkturellen Impulse reichen einerseits bislang nicht aus, um die Erwerbstätigkeit im Verarbeitenden Gewerbe und am Bau – wie auch in der Leiharbeit – konstant zu halten. Andererseits steigt die Beschäftigung weiterhin in den meisten Dienstleistungszweigen. Insbesondere Bereiche der öffentlichen Grundversorgung wie der Gesundheits- und Pflegebereich, die Bildung und die Energie- und Wasserversorgung und auch der Öffentliche Dienst stellten spürbar mehr Personal ein. Über alle Branchen hinweg erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen im Mai saisonbereinigt um 20 000 Personen. Um diesen Betrag stieg auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Durchschnitt der Monate März und April. 4 Andererseits erhöhte sich der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Kurzarbeit weiter. Im April bezogen 0,7 % von ihnen Kurzarbeitergeld, der allergrößte Teil im Verarbeitenden Gewerbe.
Die Frühindikatoren der Beschäftigung sprechen für eine Fortsetzung der derzeitigen Entwicklung in den nächsten Monaten. Das ifo Beschäftigungsbarometer ist für das Verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe weiterhin negativ, stabilisierte sich jedoch zuletzt. Das IAB Beschäftigungsbarometer für die Gesamtwirtschaft zeigt weiterhin einen leichten Beschäftigungsanstieg an. Die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten offenen Stellen sinkt jedoch deutlich. Insbesondere der Zugang an neuen offenen Stellen ist niedrig.
Die Arbeitslosigkeit stieg im Juni nahezu genauso stark wie im Mai. In saisonbereinigter Rechnung waren 2,78 Millionen Personen als arbeitslos registriert, rund 18 000 mehr als im Mai. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich leicht auf 6,0 %. Zuletzt stieg vor allem die konjunkturreagible Arbeitslosigkeit im Versicherungssystem des SGB III. Im Vorjahresvergleich nahm die Arbeitslosigkeit um 172 000 Personen zu. Die gesamte Unterbeschäftigung, die auch Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen mitzählt, stieg jedoch weniger stark, da die Zahl der geförderten Personen sank. Das IAB Barometer Arbeitslosigkeit erholte sich nach dem deutlichen Rückgang im Mai wieder etwas, ist jedoch weiterhin unterhalb der neutralen Schwelle. Dies lässt in den nächsten Monaten eine etwas langsamer steigende Arbeitslosigkeit erwarten.
5 Energierohstoffpreise zuletzt leicht gestiegen
Die Energierohstoffpreise stiegen zuletzt leicht an. Insbesondere die Rohölnotierungen zogen in den vergangenen Wochen etwas an. Ein Fass der Sorte Brent kostete zum Abschluss dieses Berichts 88 US-$ und damit gut 6 % mehr als noch im Mai. Maßgeblich dafür dürften vor allem neue Förderkürzungen einiger OPEC-Staaten und ihrer Partner sowie zeitweise wieder zunehmende Spannungen im Nahen Osten gewesen sein. Auch die europäischen Großhandelspreise für Gas legten geringfügig zu. Preisstützend wirkten dabei Sorgen um russische Gaslieferungen nach Europa sowie eine starke asiatische Flüssiggasnachfrage.
6 Inflationsrate sank im Juni wieder etwas
Auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen setzte sich der positive Preistrend bei Produkten ohne Energie fort. Bei Energie waren zwar sowohl die Erzeuger- als auch Einfuhrpreise im Juni beziehungsweise Mai, dem jeweils jüngsten Datenstand, rückläufig. Für im Inland abgesetzte Produkte ohne Energie stiegen die Preise auf der Erzeugerstufe zuletzt ähnlich stark wie in den Vormonaten an. Bei den Einfuhren ohne Energie ging die Preisdynamik etwas zurück. Insgesamt unterschritten die gewerblichen Erzeugerpreise ihren Vorjahresstand um nur noch knapp 2 % und die Einfuhrpreise kaum noch.
Die Inflationsrate sank im Juni wieder etwas. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) stieg saisonbereinigt nur noch um 0,1 % gegenüber dem Vormonat, nach 0,2 % im Mai. Dämpfend wirkten auf der Verbraucherstufe erneut günstigere Preise für Energie. Dagegen verteuerten sich Nahrungsmittel, insbesondere solche, die unverarbeitet sind, deutlich. Auch die Preise für Industriegüter ohne Energie stiegen wieder leicht. Bei den Dienstleistungen nahm die Preisdynamik hingegen spürbar ab. 5 In der Vorjahresbetrachtung fiel die Gesamtteuerungsrate merklich, von 2,8 % im Mai auf 2,5 % im Juni. 6 Die Kernrate (HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel) sank etwas weniger stark, von 3,5 % auf 3,3 %. Sie liegt damit weiterhin deutlich über der Gesamtrate.
In den kommenden Monaten dürfte die Inflationsrate zwar schwanken, aber in der Tendenz wohl nicht weiter sinken. Dies liegt auch an der hohen Volatilität der Ölpreise im vergangenen Jahr, deren Wirkung sich nun als Basiseffekt in den Verbraucherpreisen niederschlägt. Die Teuerung bei den Dienstleistungen dürfte in den nächsten Monaten angesichts eines nach wie vor kräftigen Lohnwachstums nur zögerlich nachlassen.