Kurzberichte Monatsbericht – März 2024

Veröffentlicht am 3/21/2024

Kurzberichte Monatsbericht – März 2024

Die konjunkturelle Erholung der deutschen Wirtschaft verzögert sich. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte im ersten Quartal wohl erneut etwas sinken. Die deutsche Wirtschaft erfährt weiterhin Gegenwind aus verschiedenen Richtungen. Insbesondere die Industrie bleibt wohl in der Schwächephase. Die Aufträge nach Industrieerzeugnissen aus deutscher Produktion gingen im In- und Ausland weiter zurück. Die gestiegenen Finanzierungskosten dämpfen weiterhin die inländische Nachfrage, insbesondere im Bereich der Investitionen. Ein weiterer Belastungsfaktor ist die erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit, insbesondere über die zukünftige Ausrichtung der Transformations- und Klimapolitik. Die Unternehmen nehmen zudem die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen wie wachsende Lasten durch Bürokratie und Regulierung als Hemmnis wahr. 1 Auch vom privaten Verbrauch sind vorerst keine großen Impulse zu erwarten. Die Konsumenten zeigen sich verunsichert und halten sich mit Ausgaben zurück, obwohl sich ihre Ausgabenspielräume dank sinkender Inflationsraten und kräftig steigender Löhne tendenziell verbessern. Immerhin geht der zuvor sehr hohe Krankenstand langsam zurück, und die milde Witterung im Februar dürfte den Bau vorübergehend gestützt haben. Die Baubranche bleibt gleichwohl in schwierigem Fahrwasser. Und auch insgesamt geben die weiterhin gedrückten Umfrageindikatoren, wie die ifo Geschäftserwartungen, derzeit auch für das zweite Quartal noch wenig Hinweise auf eine konjunkturelle Belebung.

Die Industrie hat ihre Schwächephase noch nicht überwunden und kämpft weiterhin mit einem schwierigen Wettbewerbsumfeld. Die Industrieproduktion stieg im Januar 2024 in vielen Branchen saisonbereinigt 2 im Vergleich zum Vormonat etwas an. Auffällig ist dabei, ähnlich wie schon zum Jahreswechsel von 2022 auf 2023, die Ausweitung der Produktion in den energieintensiven Branchen nach einem sehr schwachen Dezember. Der Dezember könnte in diesem Bereich vermehrt für Betriebsferien oder Ähnliches genutzt worden sein. Trotz des Plus im Vormonatsvergleich schrumpfte die Industrieproduktion im Januar gegenüber dem vierten Quartal 2023 über die Branchen hinweg. Die Produktion von Kraftfahrzeugen ging besonders deutlich zurück. 3 Auch die weiteren kurzfristigen Aussichten sind eher trüb, denn die Nachfrageschwäche setzt sich fort. Der industrielle Auftragseingang fiel nach einem starken Anstieg im Vormonat im Januar wieder kräftig, selbst ohne Berücksichtigung der volatilen Großaufträge. 4 Auch im Vergleich zum Vorquartal sieht das Bild nicht besser aus. Dafür waren vor allem die Aufträge aus dem Ausland verantwortlich, wenngleich auch weniger Bestellungen aus dem Inland eingingen. Besonders schwach war die Nachfrage nach Investitionsgütern, die vor allem aus dem Inland und dem Euroraum stark sank. Der im langfristigen Vergleich immer noch hohe Auftragsbestand in der Industrie dürfte die sich anhaltend abschwächende Nachfrage immer noch etwas abgefedert haben. Die nominalen Warenexporte konnten im Januar gegenüber dem Dezember und auch gegenüber dem vierten Quartal 2023 deutlich zulegen. Angesichts der persistenten Nachfrageschwäche aus dem Ausland bleibt jedoch abzuwarten, wie nachhaltig dieser positive Impuls ist. 

Tabelle 1.1a: Zur Wirtschaftslage in Deutschland, Teil 1
saison- und kalenderbereinigt, Erläuterungen siehe: Statistischer Teil, XI, und Statistische Fachreihe Saisonbereinigte Wirtschaftszahlen.
Position20232024
2. Vj.3. Vj.4. Vj.Nov.Dez.Jan.
Auftragseingang
(Volumen)
Industrie; 2021 = 100

90,8

86,8

88,4

85,2

95,4

84,6

 davon:

 

 Inland

90,6

83,8

86,2

83,5

91,8

81,5

 Ausland

91,0

89,0

90,1

86,5

98,0

86,8

Bauhauptgewerbe; 2015 = 100

104,8

119,1

107,7

102,3

110,4

Produktion
2021 = 100
Industrie

99,8

97,5

95,4

96,0

93,7

94,7

 darunter:

 

     Vorleistungsgüterproduzenten

91,4

90,2

87,2

88,6

84,2

87,9

     Investitionsgüterproduzenten

107,6

104,3

103,3

103,5

102,2

100,1

Baugewerbe

97,1

95,9

92,2

93,1

90,2

92,6

Außenhandel
Mrd €
   Ausfuhr

401,29

392,33

389,87

133,56

127,58

135,65

   Einfuhr

346,70

337,20

325,74

111,72

104,25

108,08

   Saldo

54,58

55,12

64,12

21,84

23,32

27,57

nachr.: Leistungsbilanzsaldo

66,60

68,48

58,21

23,22

22,93

29,28

Der private Konsum dürfte auch im laufenden Quartal allenfalls zögerlich zulegen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher zeigen sich weiterhin verunsichert. Im Einzelhandel sanken die preis- und saisonbereinigten Umsätze im Januar und lagen unter dem Stand des vierten Quartals 2023. Der Rückgang war über die Segmente breit angelegt. Auch die Kraftfahrzeug-Zulassungen lagen laut Angaben des Verbandes der Automobilindustrie im Mittel der Monate Januar und Februar unter dem Stand des Vorquartals. Durch das Auslaufen des Umweltbonus für private Elektrofahrzeuge kam es im Dezember 2023 zu Vorzieheffekten und im Januar zu einem starken Rückgang der zugelassenen elektrischen Personenkraftwagen. Lediglich die preis- und saisonbereinigten Umsätze im Gastgewerbe konnten zuletzt ein wenig zulegen. Gemäß den Umfragen des ifo Instituts im Februar trübte sich das Geschäftsklima in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen weiter ein. Die Einschätzung der Geschäftslage sank im Einzelhandel und insbesondere im Gastgewerbe im Februar ein weiteres Mal. Die Erwartungen für die kommenden sechs Monate hellten sich zwar in beiden Bereichen ein wenig auf, blieben aber weiter pessimistisch. Die Zurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher bestätigt auch der GfK-Konsumklimaindex, der sich für März auf niedrigem Niveau lediglich stabilisierte. Trotz steigender Einkommenserwartungen blieb die Anschaffungsneigung schwach und die Sparneigung deutlich erhöht.

Der Arbeitsmarkt zeigt sich in der nun bereits länger anhaltenden wirtschaftlichen Schwächephase weiterhin robust. Die Beschäftigung legte im Januar in saisonbereinigter Rechnung mit einem Plus von 54 000 Beschäftigten in etwa doppelt so stark zu wie im Vormonat. Nach der ersten Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit – diese liegt aktuell für den Dezember 2023 vor – nahm die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung saisonbereinigt um 19 000 Personen gegenüber dem Vormonat zu. Ein spürbares Plus besetzter Arbeitsplätze gab es dabei in den unternehmensnahen Dienstleistungen und im Bereich Gesundheit und Pflege. Zudem stieg die Beschäftigung im Öffentlichen Dienst, in der Energie- und Wasserversorgung sowie erneut auch im Gastgewerbe merklich. Dagegen dämpfte die konjunkturelle Entwicklung die Beschäftigung in der Arbeitnehmerüberlassung, dem Verarbeitenden Gewerbe, dem Handel und in geringem Maß auch in der Bauwirtschaft. Wirtschaftlich bedingte Kurzarbeit wurde im Dezember für rund 175 000 Beschäftigte in Anspruch genommen, etwas weniger als einen Monat zuvor. Die Beschäftigungsaussichten sind insgesamt stabil: Die Mehrzahl der Frühindikatoren der Beschäftigung befindet sich im Februar weiterhin im neutralen Bereich. Lediglich das ifo Beschäftigungsbarometer der gewerblichen Wirtschaft setzte seinen Abwärtstrend fort und fiel im Februar auf das tiefste Niveau seit dem Winter 2021.

Die registrierte Arbeitslosigkeit stieg im Februar leicht an. In saisonbereinigter Rechnung legte sie wieder um 12 000 Personen zu, nachdem der zuvor merkliche Anstieg im Januar vorübergehend zum Stillstand gekommen war. Die Zahl der betroffenen Personen erhöhte sich im Februar auf 2,7 Millionen, die zugehörige Quote verblieb rundungsbedingt bei 5,9 %. Im Vergleich zum Vorjahr nahm die Anzahl der Arbeitslosen um knapp 200 000 Personen zu, was einem Anstieg der Quote um 0,4 Prozentpunkte entspricht. Sieht man von Effekten hinsichtlich des Flüchtlingszuzugs ab, fiel der Anstieg der Arbeitslosigkeit im konjunkturell dominierten Versicherungssystem größer aus als im Grundsicherungssystem. Außerdem könnte der gleichwohl merkliche Anstieg im Grundsicherungssystem auf vermehrte Übergänge vom Versicherungssystem in das Grundsicherungssystem hindeuten, da die konjunkturelle Schwäche nunmehr bereits gut eineinhalb Jahre andauert. Für die nächsten Monate haben sich die Aussichten wie bereits in den Vormonaten leicht aufgehellt. Das IAB-Barometer Arbeitslosigkeit erhöhte sich im Februar etwas, ist aber weiterhin im negativen Bereich. Die Arbeitslosigkeit dürfte daher in den kommenden drei Monaten nur noch leicht ansteigen.

Tabelle 1.1b: Zur Wirtschaftslage in Deutschland, Teil 2
saison- und kalenderbereinigt; Erläuterungen siehe: Statistischer Teil, XI, und Statistische Fachreihe Saisonbereinigte Wirtschaftszahlen
Position20232024
2. Vj.3. Vj.4. Vj.Dez.Jan.Feb.
Arbeitsmarkt
Anzahl in 1000
Erwerbstätige

45 946

45 943

45 977

46 006

46 060

Offene Stellen1)

771

742

733

735

734

727

Arbeitslose

2 587

2 632

2 691

2 701

2 701

2 713

Arbeitslosenquote in %

5,6

5,7

5,8

5,9

5,9

5,9

Preise
Einfuhrpreise; 2015 = 100

126,5

125,2

126,7

125,8

Erzeugerpreise gewerblicher Produkte; 2021 = 100

130,4

129,1

128,5

127,6

127,6

126,9

Baupreise2); 2015 = 100 

161,0

161,6

162,4

.

.

.

Harmonisierte Verbraucherpreise; 2015 = 100

125,6

126,5

126,8

126,7

127,4

127,8

1 Ohne geförderte Stellen und ohne Saisonstellen. 2 Nicht saison- und kalenderbereinigt.

Die Energiepreise entwickelten sich zuletzt uneinheitlich. Während die Rohölnotierungen leicht stiegen, gaben die europäischen Gaspreise nochmals geringfügig nach. Rohöl der Sorte Brent kostete zum Abschluss dieses Berichts 87 US-$ pro Fass und damit rund 9 % mehr als noch im Januar 2024. Maßgeblich hierfür dürfte unter anderem die Entscheidung einiger OPEC-Staaten und ihrer Partner gewesen sein, ihre Förderkürzungen zu verlängern. Die europäischen Gaspreise gaben im gleichen Zeitraum um 5 % nach. Preisdämpfend wirkten die zwischenzeitlich sehr günstige Witterung in Europa sowie die anhaltend stabilen Gaslieferungen. 

Der Preisdruck auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen war zu Jahresbeginn weiterhin rückläufig, vor allem wegen Energie. Im Vergleich zum Vormonat fielen die Einfuhrpreise im Januar, wobei insbesondere die Preise für Energie kräftig nachließen. Die Erzeugerpreise, für die schon Angaben zum Februar vorliegen, waren insgesamt ebenfalls wegen Energie moderat rückläufig, blieben aber ohne Energie etwa konstant. Im Vergleich zum Vorjahr waren die Preise für eingeführte Güter zuletzt um 8,5 % und für inländische Erzeugnisse um etwa 4,1 % niedriger.

Die Verbraucherpreisdynamik war im Februar erneut hoch. Die Preise auf der Verbraucherstufe stiegen im Februar saisonbereinigt an. Dienstleistungspreise wurden erneut überdurchschnittlich stark angehoben. Auch Energie und Industriegüter ohne Energie verteuerten sich spürbar, während sich unverarbeitete Nahrungsmittel kräftig verbilligten. Insgesamt stieg der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) gegenüber dem Vormonat saisonbereinigt um 0,3 %. Trotzdem verringerte sich die Inflationsrate, gemessen am HVPI im Vergleich zum Vorjahr, von 3,1 % auf 2,7 %. 5 Hauptgrund dafür waren die im Vorjahresvergleich gefallenen Kosten für Nahrungsmittel, Energie und Industriegüter ohne Energie. Dienstleistungen wiesen dagegen nach wie vor eine überdurchschnittlich hohe Teuerungsrate auf. Die Kerninflationsrate ohne Berücksichtigung von Energie und Nahrungsmitteln blieb näherungsweise konstant und betrug 3,5 % (Januar: 3,4 %).

In den Frühlingsmonaten dürfte die Inflationsrate merklich schwanken. In den kommenden Monaten dürfte die Inflationsrate tendenziell weiter abnehmen. Während bei Nahrungsmitteln und nicht energetischen Industriegütern ein spürbar abnehmender Preisdruck erwartet werden kann, ist im Dienstleistungsbereich von einem deutlich langsameren Disinflationsprozess auszugehen. Dazu trägt auch das aktuell kräftige Lohnwachstum bei. Aufgrund der durch die frühe Osterwoche hervorgerufenen Kalendereffekte ist allerdings mit erhöhten Schwankungen der Inflationsrate im Vorjahresvergleich zu rechnen. So dürfte dieses Jahr der HVPI für Pauschalreisen im März deutlich höher und im April deutlich niedriger ausfallen als im letzten Jahr. 

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV: Krankenkassen und Gesundheitsfonds zusammen) verbuchte im Jahr 2023 nach ersten Angaben ein Defizit von 5 Mrd €. Das Defizit fiel 2 ½ Mrd € höher aus, als mit den Annahmen des GKV-Schätzerkreises vom Herbst 2023 zu erwarten war. 6 Dies lag im Wesentlichen an deutlich höheren Leistungsausgaben der Krankenkassen. Gegenüber dem Vorjahr verschlechterte sich das Finanzergebnis der GKV um 10 Mrd €. 7 Ursächlich waren im Wesentlichen geringere Sonderzuschüsse des Bundes. Anstelle dieser sollten die Kassen und der Gesundheitsfonds im Jahr 2023 teils umfangreiche Rücklagen einsetzen, um Defizite zu finanzieren. Die Verschlechterung war insoweit eingeplant.

Das Defizit fiel mit fast 3 ½ Mrd € zum größeren Teil beim Gesundheitsfonds an (2022: Überschuss gut 4 ½ Mrd €). Zum Jahresende 2023 errechnet sich eine Rücklage des Fonds von 9 ½ Mrd € (Untergrenze im Jahr 2023: 4 ½ Mrd €). 8 Die Krankenkassen schlossen mit einem Defizit von 2 Mrd € ab (Vorjahr: Überschuss ½ Mrd €). Ihre Rücklagen sanken zum Jahresende auf 8 ½ Mrd € (Untergrenze: 5 Mrd €).

Die GKV-Einnahmen sanken im Vergleich zum Vorjahr um 3 ½ %. Zwar wuchsen die Beitragseinnahmen mit gut 6 % kräftig. Dabei wirkten sozialabgabenfreie Inflationsausgleichsprämien sogar noch dämpfend. Etwa 1 Prozentpunkt des Anstiegs geht darauf zurück, dass die Zusatzbeitragssätze durchschnittlich um knapp 0,2 Prozentpunkte auf 1,5 % stiegen. Allerdings zahlte der Bund insgesamt 28 Mrd € weniger an den Gesundheitsfonds:

  • Die Sondermittel des Bundes zur Beitragsstabilisierung reduzierten sich um 12 Mrd € (auf 2 Mrd €; das überjährige Darlehen des Bundes von 1 Mrd € ist nicht eingerechnet).
  • Wegen weitgehend ausgelaufener pandemiebezogener Leistungen verringerte der Bund die diesbezüglichen Erstattungen um 20 Mrd € auf knapp 1 ½ Mrd €. 
  • Zusätzliche Mittel zahlte der Bund dagegen an Krankenhäuser, um sie von den gestiegenen Energiekosten zu entlasten (+ 4 Mrd €).

Die GKV-Ausgaben insgesamt gingen nur um ½ % zurück und damit weniger stark als die Einnahmen. Die Sonderzahlungen des Gesundheitsfonds sanken erheblich, da die gewichtigen pandemiebezogenen Zahlungen weitgehend entfielen. Im Gegenzug leitete der Fonds nun zwar neue energiepreisbezogene Mittel an Krankenhäuser weiter, die aber quantitativ deutlich geringer waren. Die Ausgaben der Krankenkassen stiegen hingegen deutlich.

Die Leistungsausgaben der Krankenkassen nahmen mit 5 ½ % kräftig zu. Dies übertraf die Erwartungen des GKV-Schätzerkreises vom Herbst 2023 um fast 1 Prozentpunkt (Mehrausgaben etwa 2 Mrd €). Vor allem die gewichtigen Ausgaben für Krankenhausbehandlungen stiegen mit 6 ½ % kräftig. Noch stärker legten die Zahlungen für Heil- und Hilfsmittel (+ 9 %) sowie für häusliche Krankenpflege zu (+ 13 %). Die Ausgaben für ärztliche Behandlungen (fast 2 %) und Arzneimittel (+ 3 %) entwickelten sich dagegen unterdurchschnittlich. Bei Letzteren wirkten sich offenbar die ausgabendämpfenden Maßnahmen aus, die für 2023 eingeführt worden waren. 

Tabelle 1.2: Gesetzliche Krankenversicherung: Finanzierungsübersicht des Gesamtsystems
in Mrd €
EinnahmenseiteAusgabenseite
Position20221)20232)Position20221)20232)
Gesundheitsfonds (GF)
Beiträge

239,5

252,3

Zuweisungen an KK3)

285,2

299,6

Zusatzbeiträge

21,8

25,3

Verwaltung

0,1

0,1

Bundeszuschüsse inkl. Corona-Mittel

50,0

21,8

Corona-Maßnahmen

21,4

5,3

Vermögensabgabe

-

2,5

Sonstige Ausgaben 4)

0,4

0,4

Sonstige Einnahmen

0,0

0,1

   
Defizit

-

3,3

Überschuss

4,3

-

Insgesamt

311,3

305,3

Insgesamt

311,3

305,3

 
Krankenkassen (KK)
Zuweisungen des GF3)

285,2

299,6

Leistungsausgaben

273,0

287,6

Sonstige Beiträge

1,1

1,1

Verwaltung

12,4

12,8

Bundeszuschuss an LKV

0,2

0,1

Sonstige Ausgaben 5)

3,4

3,4

Sonstige Einnahmen6)

2,7

3,5

Vermögensabgabe

 

2,5

Defizit

-

1,9

Überschuss

0,4

-

Insgesamt

289,2

306,2

Insgesamt

289,2

306,2

 
GKV-System insgesamt
Beiträge

262,4

278,7

Leistungsausgaben

273,0

287,6

Bundeszuschüsse inkl. Corona-Mittel

50,2

21,9

Verwaltung

12,4

12,8

Sonstige Einnahmen

2,7

3,7

Corona-Maßnahmen

21,4

5,3

Vermögensabgabe

-

2,5

Sonstige Ausgaben

3,7

3,7

   Vermögensabgabe

-

2,5

Defizit

-

5,1

Überschuss

4,7

-

Insgesamt

315,2

311,9

Insgesamt

315,2

311,9

1 Endgültige Jahresergebnisse (KJ 1). 2 Vorläufige Vierteljahresergebnisse (KV 45). 3 Einschließlich der zusätzlichen Mittel aus der Vermögensabgabe im Jahr 2023, die über den Gesundheitsfonds an die Kassen zurückfließen. 4 Einschließlich Zuweisungen an Innovations- und Strukturfonds 5 Einschließlich Zuweisungen an Innovationsfonds. 6 Einschließlich Differenz zu den vom Gesundheitsfonds ausgewiesenen Zuweisungen sowie der Differenz aus Forderungen und Verbindlichkeiten.

Für 2024 ergibt sich mit den Annahmen des GKV-Schätzerkreises vom Herbst 2023 im GKV-System ein Defizit von 4 Mrd €. Es fällt vollständig beim Gesundheitsfonds an. Der Fonds überweist den Kassen Mittel von gut 2 ½ Mrd € aus seiner Rücklage, um den Anstieg der Zusatzbeitragssätze zu begrenzen. Außerdem erhalten die Kassen ½ Mrd € aus dieser Rücklage für bessere Leistungen bei der Geburtshilfe und der Pädiatrie. Schließlich dürfte der Gesundheitsfonds 1 Mrd € aus seiner Liquiditätsreserve an den Innovations- und Strukturfonds zahlen. 9 Bei den Krankenkassen ergibt sich ein weitgehend ausgeglichenes Ergebnis: Die Ausgaben sollen um 6 % gegenüber dem geschätzten Jahresergebnis 2023 steigen, unter anderem wegen nachlaufender Inflationswirkungen bei den Leistungsentgelten. Auf dieser Basis ermittelte das Bundesgesundheitsministerium einen um 0,2 Prozentpunkte höheren ausgabendeckenden rechnerischen Zusatzbeitragssatz von 1,7 %. 

Aus heutiger Sicht dürfte das Ergebnis 2024 aber spürbar schlechter ausfallen, vor allem bei den Krankenkassen. Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz stieg zwar zu Jahresbeginn auf das vom Bundesgesundheitsministerium als ausgabendeckend ermittelte Niveau. Die Entwicklung im laufenden Jahr setzt aber auf die deutlich höher als geschätzten Kassenausgaben des Vorjahres auf. Wird dieser Basiseffekt fortgeschrieben, ergibt sich statt des ausgeglichenen Ergebnisses bei den Kassen ein Defizit von fast 2 Mrd €. Mit einer Größenordnung von 6 Mrd € würde das Defizit im Gesamtsystem dann höher ausfallen als 2023.

Ab 2025 dürften die Zusatzbeitragssätze beträchtlich steigen, sofern die angekündigte grundlegende Reform nicht noch gegensteuert.  Mit dem höheren Defizit 2024 wären die verfügbaren Rücklagen aufgebraucht. Allein dadurch besteht ab 2025 deutlicher Aufwärtsdruck beim durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz. Die angekündigten Reformvorhaben bei Krankenhäusern und hausärztlicher Versorgung würden diesen weiter deutlich erhöhen. Das Bundesgesundheitsministerium hat aber eine grundlegende Reform in Aussicht gestellt. Wichtig wäre, dass diese den trendmäßig starken Anstieg der Ausgaben dämpft. 

Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung

Die soziale Pflegeversicherung erzielte im Jahr 2023 einen Überschuss von fast 2 Mrd €. 10 Im Jahr davor war noch ein Defizit von 2 Mrd € angefallen. 11 Das gegenüber 2022 stark verbesserte Ergebnis geht vor allem auf drei Faktoren zurück:

  • Zur Jahresmitte stieg der Beitragssatz um 0,35 Prozentpunkte auf 3,4 %. 12 Insgesamt sind damit zusätzliche Einnahmen von 3 Mrd € verbunden.  
  • Die coronabezogenen Aufwendungen verringerten sich erheblich um gut 4 Mrd € (auf ½ Mrd €), während die Sondermittel des Bundes für diese Zwecke deutlich schwächer zurückgingen (um 2 ½ Mrd €). Dies entlastete die Finanzen der Pflegeversicherung gegenüber 2022 um gut 1 ½ Mrd €.
  • Die Zuführungen an den Pflegevorsorgefonds von 1 ½ Mrd € entfielen (im Jahr 2024 werden sie nachgeholt).

Zum Jahresende zahlte die Pflegeversicherung ½ Mrd € an den Bund zurück. Sie tilgte damit die Hälfte eines Bundesdarlehens aus dem Jahr 2022. Insgesamt erhöhten sich die liquiden Mittel zum Jahresende auf 7 Mrd €; wegen der Rückzahlung etwas weniger, als durch den Überschuss angelegt. Die liquiden Mittel entsprachen etwa 1,4 durchschnittlichen Monatsausgaben (rund 2 Mrd € oberhalb ihrer Untergrenze).

Die Beitragseinnahmen legten mit 11 ½ % sehr kräftig zu. Dies lag zum größeren Teil daran, dass die Beitragssätze zur Jahresmitte stiegen. Darum überschlägig bereinigt wuchsen die Beitragseinnahmen mit 5 ½ % immer noch stark. Dabei dämpften sozialabgabenfreie Inflationsausgleichsprämien noch den Anstieg der Beitragsbasis. Es entfielen aber die Sonderzuschüsse des Bundes aus dem Vorjahr weitgehend (- 2 ½ Mrd €). Insgesamt wuchsen die Einnahmen damit um 5 ½ %.

Die regulären Leistungsausgaben der Pflegeversicherung stiegen weiter kräftig um 9 ½ % und damit wesentlich stärker als die Beitragsbasis. Unter den regulären Leistungsausgaben legten die gewichtigen Aufwendungen für stationäre Pflege mit 10 % anhaltend stark zu. Die Geldleistungen stiegen mit 9 % ebenfalls kräftig, bei unveränderten Leistungssätzen. Jenseits der regulären Leistungsausgaben entlastete dagegen stark, dass pandemiebezogene Leistungen weitgehend entfielen. Zudem verschob die Versicherung auf Beschluss des Bundes Zuführungen an den Vorsorgefonds auf das laufende Jahr (- 1 ½ Mrd €). Insgesamt sanken die Ausgaben um 1 ½ %.

Im laufenden Jahr 2024 dürfte die Pflegeversicherung ihren Überschuss weitgehend abbauen. Zwar dürfte gemäß Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung die Beitragsbasis weiter kräftig zulegen. Hinzu kommt, dass die Beitragssätze im Vorjahr erst zur Jahresmitte gestiegen sind. Deshalb ist nochmals mit Mehreinnahmen von gut 3 Mrd € gegenüber dem Vorjahr zu rechnen. Finanzneutral ist für den operativen Bereich, dass dieser seine reguläre Zuführung an den Pflegevorsorgefonds verringert und gleichzeitig der jährliche Bundeszuschuss von 1 Mrd € entfällt. Allerdings holt die Pflegeversicherung die Zahlung von 1 ½ Mrd  € an den Vorsorgefonds nach, die sie im letzten Jahr aufgeschoben hatte. Zudem dürften die Kernausgaben weiter kräftig wachsen. Dies liegt vor allem an der letzten Pflegereform, die Leistungen im Ergebnis ausweitete. 13  

In den Folgejahren setzen die reguläre Leistungsdynamisierung und zunehmend die demografische Entwicklung die Pflegefinanzen unter Druck. Dadurch dürfte der Beitragssatz sukzessive weiter deutlich steigen. Das Bundesgesundheitsministerium hat für das Frühjahr aber eine umfassende Reform angekündigt. Ebenso wie für die Krankenversicherung wäre auch für die Pflegversicherung naheliegend, den trendmäßig starken Anstieg der Leistungsseite zu dämpfen. Zumindest sollte nachvollziehbar sein, welche Kosten für die Beitragspflichtigen – in Form höherer Beitragssätze – mit Anpassungen an den Leistungen verbunden sind. Dies wäre durch längerfristige Vorausberechnungen transparent offenzulegen.

Finanzen der sozialen Pflegeversicherung

Deutsche Bundesbank (2023a), Öffentliche Finanzen: Gesetzliche Krankenversicherung, Monatsbericht, Dezember 2023, S. 9.

Deutsche Bundesbank (2023b), Öffentliche Finanzen: Gesetzliche Krankenversicherung, Monatsbericht, März 2023, S. 15 f.

Deutsche Bundesbank (2023c), Öffentliche Finanzen: Soziale Pflegeversicherung, Monatsbericht, März 2023, S. 16.

Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) (2024), Deutsche Wirtschaft kommt nicht auf die Beine, Pressemitteilung 15. Februar 2024, DIHK - Umfrage 

Statistisches Bundesamt (Destatis) (2024), Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe im Januar 2024: -11,3 % zum Vormonat, Pressemitteilung 7. März 2024, Destatis - Auftragseingang.

Fußnoten
  1. Laut Umfragen der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) geben die befragten Unternehmen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zunehmend als Geschäftsrisiko an. Zuletzt waren es fast 60 %. In ihrer Pressemitteilung meldete das DIHK, dass die "wachsende Bürokratie, überbordende Regulierung und mangelnde wirtschaftspolitische Impulse" von den befragten Unternehmen am häufigsten genannt werden. 
  2. Die Saisonbereinigung umfasst hier und im Folgenden auch die Ausschaltung von Kalendereinflüssen, sofern sie nachweisbar und quantifizierbar sind.
  3. Laut Angaben des Verbandes der deutschen Automobilindustrie stieg die Anzahl der gefertigten Personenkraftwagen im Februar jedoch wieder etwas an. 
  4. Dies ist laut der Pressemitteilung von Destatis auf einen starken Anstieg der Großaufträge im Dezember zurückzuführen, die im Januar wieder auf ihr durchschnittliches Niveau zurückgegangen sind. 
  5. Beim nationalen Verbraucherpreisindex fiel die Rate von 2,9 % auf 2,5 %.
  6. Vgl. hierzu auch: Deutsche Bundesbank (2023a). Defizit hier ohne Zuflüsse aus dem Darlehen des Bundes ausgewiesen.
  7. Vorläufiges Rechnungsergebnis 2023 gegenüber endgültigem Jahresergebnis 2022 (siehe Tabelle 1.2). Das Schaubild 1.1 enthält dagegen für das Jahr 2022 die vorläufigen Jahresergebnisse.
  8. Der Bund leistete 2023 ein Darlehen von 1 Mrd € zur Defizitfinanzierung. Die damit verbundene Verbindlichkeit des Fonds wurde bei der Rücklage mindernd berücksichtigt.
  9. Der Schätzerkreis berücksichtigt bei seinen Angaben zum Saldo nicht diese Zuführungen an den Innovations- und Strukturfonds.
  10. Vorläufige Angaben. Die Darstellung bezieht sich auf den operativen Bereich, das heißt ohne Pflegevorsorgefonds. Dieser erhält seit 2015 in der Regel jährlich Zuweisungen des operativen Zweiges. Diese entsprachen bis 2022 den Einnahmen von 0,1 Prozentpunkten des Beitragssatzes. Im Jahr 2023 entfielen die Zuweisungen und sollen für das Jahr 2023 im Jahr 2024 nachgeholt werden. Die regulären Zuweisungen ab 2024 werden bis 2027 deutlich gekürzt. Das so gebildete Vermögen soll im nächsten Jahrzehnt abgeschmolzen werden, um den erwarteten Anstieg des Beitragssatzes zu dämpfen. Zum Jahresende 2023 beliefen sich diese kumulierten Rücklagen auf 11 Mrd €.
  11. Vorläufiges Rechnungsergebnis 2023 gegenüber endgültigem Rechnungsergebnis 2022. Das Schaubild 1.2 enthält dagegen die vorläufigen Jahresergebnisse.
  12. Der allgemeine Beitragssatz bezieht sich auf eine beitragspflichtige Person mit einem Kind. Für Kinderlose liegt der Beitrag höher, und er stieg stärker auf 4 %. Für besonders kinderreiche Versicherte sank der Beitragssatz hingegen und liegt nun bei 2,4 % (ab fünf Kindern unter 25 Jahren). Vgl. zu diesem und weiteren Elementen der Gesetzesänderung: Deutsche Bundesbank (2023b).
  13. Vgl. hierzu ausführlicher: Deutsche Bundesbank (2023c).