Zentralverwahrer in Europa: stabiles Fundament der Kapitalmarktunion Monatsbericht – März 2025

Zentralverwahrer sorgen für eine schnelle Abwicklung und die sichere Verwahrung von Wertpapieren, indem sie Wertpapierkonten führen, zentrale Verwahrungsdienste erbringen und Dienstleistungen etwa im Zusammenhang mit Dividenden- und Zinszahlungen anbieten. Sie erfüllen als sogenannte kritische Nachhandelsinfrastruktur eine essenzielle Funktion für das europäische Finanzsystem. Damit kommt ihnen auch eine wichtige Rolle zu, wenn es gilt, den Kapitalmarkt in der EU weiter zu integrieren und damit effizienter und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Auch Zentralbanken haben speziell mit Blick auf die Stabilität des Finanzsystems ein großes Interesse daran, dass Zentralverwahrer zuverlässig funktionieren. Nicht zuletzt spielen diese eine wichtige Rolle bei der Besicherung geldpolitischer Zentralbankgeschäfte.

Um ihrem besonderen Stellenwert Rechnung zu tragen, hat die EU mit der Verordnung zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der EU und über Zentralverwahrer (Central Securities Depositories Regulation, CSDR) ein wirksames Aufsichts- und Überwachungsregime etabliert, das für alle Zentralverwahrer in der EU gilt.

Die Landschaft der Zentralverwahrer in der EU ist historisch gewachsen und trotz des Euro als einheitlicher Währung recht vielfältig. Dabei spielt auch der spezifische Rechtscharakter der EU eine Rolle. Um die Barrieren in der grenzüberschreitenden europäischen Wertpapierabwicklung abzubauen, wurden in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Maßnahmen initiiert. Insbesondere die seit 2015 vom Eurosystem betriebene TARGET2-Securitys, (T2S)-Abwicklungsplattform hat dazu beigetragen, zahlreiche technische Hürden zu beseitigen. Auch ist unter den EU-Zentralverwahrern eine deutliche Tendenz zur Konsolidierung festzustellen. Als globale Besonderheit existieren in Europa zwei Internationale Zentralverwahrer mit einer stärker grenzüberschreitenden Ausrichtung. Vor dem Hintergrund, dass Veränderungen in diesem Umfeld zumindest kurz- und mittelfristig eher durch evolutionäre Weiterentwicklung und nicht durch radikale Neuausrichtung erreicht werden können, sollte der bisherige Weg der marktgetriebenen Integration und Konsolidierung fortgesetzt werden. Hierbei könnten auch die Rolle und die Nutzung von T2S weiter gestärkt werden. Ergänzend sollte das Momentum der Kapitalmarktunion genutzt werden, um gerade auch im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung die immer noch bestehenden nationalen Unterschiede beim Steuer- und Wertpapierrecht anzugleichen oder durch ein optionales, europäisches Sonderregime zum Beispiel für große Emissionen abzumildern.

Neue Technologien wie Tokenisierung und Distributed-Ledger-Technology (DLT) könnten langfristig die Struktur der Wertpapierabwicklung und die Rolle von Zentralverwahrern sowohl global als auch in Europa verändern. Zentralbanken, Politik und Marktteilnehmer haben den Dialog aufgenommen und sollten sich frühzeitig über eine längerfristige Vision für die Abwicklung im nächsten Jahrzehnt und die notwendigen Schritte auf dem Weg dorthin einigen. Dabei wird es aus heutiger Sicht aber in jedem Fall ein längeres Nebeneinander von konventionellen und neuartigen Strukturen wie DLT geben müssen. Gleichzeitig gilt es, auch in einer neuen technischen Landschaft die Sicherheit der Abwicklung durch einen adäquaten regulatorischen Rahmen zu gewährleisten.

1 Bedeutung von Zentralverwahrern

Zentralverwahrer (Central Securities Depositories, CSDs

) sind unerlässlich für das effiziente Funktionieren des Finanzsystems und haben eine systemische Bedeutung für die Finanzmärkte. Historisch gesehen wurden Zentralverwahrer eingerichtet, um Risiken im Nachhandelsbereich zu reduzieren sowie die Effizienz der Abwicklung und Verwahrung zu erhöhen. Im Zuge der Emission von Wertpapieren übernehmen Zentralverwahrer eine quasi-notarielle Funktion und gewährleisten die korrekte Registrierung der emittierten Wertpapiere.
1
 Vgl.: Deutsche Bundesbank (2024a).
Sie bieten Wertpapierkonten, zentrale Verwahrungsdienste und weitere Dienstleistungen für Wertpapiere an, die auch Services im Zusammenhang mit Kapitalmaßnahmen (beispielsweise Dividendenausschüttungen und Zinserträge) und Rückzahlungen von Anleihen umfassen können.
2
Vgl.: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2012) sowie Deutsche Bundesbank (2012).
Zudem sorgen sie für eine schnelle und sichere Übertragung von Wertpapieren, indem sie Wertpapierabwicklungssysteme bereitstellen. Somit bieten Zentralverwahrer Dienstleistungen über den gesamten Lebenszyklus eines Wertpapiers an. Darüber hinaus bieten sie weitere Dienstleistungen beispielsweise in Bezug auf Sicherheitenverwaltung und Wertpapierleihgeschäfte an. Sie liefern somit einen wichtigen Beitrag für die Stabilität und Sicherheit des Finanzsystems.

Einer der bedeutendsten Effizienzgewinne, den Zentralverwahrer ermöglicht haben, war die Immobilisierung von Wertpapieren für den gesamten (heimischen) Markt. Die aufwändige physische Bewegung von Wertpapieren zwischen unterschiedlichen Verwahrstellen konnte dadurch entfallen. Da die Zentralverwahrer in der Regel die ihnen anvertrauten Wertpapiere als „Sammelbestand“ halten, an dem die jeweiligen Inhaber der Wertpapierkonten einen entsprechend dokumentierten Anteil halten und die Übertragung dieser Anteile rein kontenmäßig erfolgt, wird häufig auch von „Girosammelverwahrung“ gesprochen. Die erste Immobilisierung von Wertpapieren in zentralen Einrichtungen zur Erleichterung der Abwicklung ohne physische Lieferung fand Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland in sogenannten Kassenvereinen statt.

3
Vgl.: Chan et al. (2007).
Historisch betrachtet wurden Zentralverwahrer in vielen Ländern von nationalen Behörden wie der Zentralbank oder dem Finanzministerium beziehungsweise unter deren Leitung eingerichtet. Diese öffentliche Beteiligung wurde dadurch gerechtfertigt, dass Zentralverwahrer als kritische Dienstleister angesehen wurden, die in einem durch beträchtliche Größen- und Verbundvorteile (Netzwerkeffekte) gekennzeichneten Marktumfeld tätig sind. Nach der Liberalisierung der Finanzmärkte in den 1980er und 1990er Jahren sind die meisten europäischen Zentralverwahrer in privates Eigentum überführt worden. Der Weltbank zufolge wurden im Jahr 2022 von weltweit 107 Zentralverwahrern 41 von Zentralbanken betrieben und 66 vom Privatsektor; in OECD-Staaten mit hohen Einkommen wurden fast 80 % der Zentralverwahrer von privaten Akteuren betrieben.
4
Vgl.: Weltbank (2023).

Die internationale Dimension wird bei den Zentralverwahrern in der EU

zunehmend wichtiger. Zentralverwahrer dienten zuerst ausschließlich den jeweiligen nationalen Finanzmärkten. Mit der Zeit ermöglichten Zentralverwahrer bei grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften über Verbindungen zu anderen Zentralverwahrern (sogenannte Links) auch die Lieferung von Wertpapieren, die in anderen Märkten über den dortigen Zentralverwahrer begeben wurden. Zu diesem Zweck eröffnen einheimische Zentralverwahrer Konten bei ausländischen Zentralverwahrern und werden zumeist regulärer Teilnehmer am Abwicklungsprozess in diesem Land. Seit den frühen 1970er Jahren gibt es in Europa auch zwei sogenannte Internationale Zentralverwahrer (International Central Securities Depositories, ICSDs), die insbesondere Wertpapiere abwickeln und verwahren, die nicht in einem nationalen Rahmen begeben wurden.

Verwahrketten und Wertpapierabwicklung in der EU

umfassen sowohl Zentralverwahrer als auch Depotbanken. Zentralverwahrer nehmen über den gesamten Lebenszyklus eines Wertpapiers eine herausgehobene Stellung im Ökosystem der Wertpapierabwicklung ein. Allerdings spielen hier auch Depotbanken und andere professionelle Marktakteure eine große Rolle. So sind es in der Regel lokale oder globale Depotbanken (Custodian), die als Teilnehmer und Kontoinhaber bei den Zentralverwahrern auftreten und sowohl Kunden- als auch Eigenbestände hinterlegen.
5
In den meisten Ländern werden die Kundenbestände auf (insolvenzgesicherten) Konten der Depotbanken gehalten. In einigen Ländern können die Kundenbestände aber auch auf gesonderten Konten im CSD gehalten werden (sogenanntes End-Investor-Modell).
Im Übrigen müssen Banken ihre Bestände nicht selbst bei einem Zentralverwahrer unterhalten, sondern können auch eine andere Depotbank damit beauftragen. Diese Variante wird sehr häufig im internationalen Geschäft gewählt, weil die entsprechende Depotbank im Ausland einen maßgeschneiderten Service zum Beispiel mit Blick auf die steuerliche Behandlung oder Kapitalmaßnahmen während der Laufzeit des Wertpapiers erbringen kann. Da auch Zentralverwahrer in den letzten Jahren ihr Leistungsspektrum erweitert haben, hat sich die Kundenbeziehung zwischen Zentralverwahrern und Teilnehmern gerade bei den großen, international aufgestellten Depotbanken verändert. Ferner bestehen zwischen (Internationalen) Zentralverwahrern und nationalen Zentralbanken wichtige Beziehungen (siehe Abbildung 5.1).

Verwahrketten und Wertpapierabwicklung in der Europäischen Union
Verwahrketten und Wertpapierabwicklung in der Europäischen Union

Das Ökosystem der Zentralverwahrer in der EU

und die Finanzmarktinfrastrukturen, die sie betreiben, sorgen für ein stabiles und leistungsfähiges technisches Fundament für den europäischen Kapitalmarkt. Allerdings ist dieser nach wie vor stark entlang nationaler Grenzen gegliedert. Diese Fragmentierung erschwert unter anderem die kapitalmarktbasierte Finanzierung von Unternehmen und die grenzüberschreitende Risikoteilung. Abhilfe soll hier die Kapitalmarktunion schaffen. Maßnahmen hierzu wurden zum Beispiel jüngst in entsprechenden EU-Berichten von Letta und Draghi diskutiert, die unter anderem auch institutionelle (wie zum Beispiel Struktur der Aufsicht) und infrastrukturelle Aspekte thematisieren.
6
Vgl.: Europäische Kommission (2024a, 2024b).

1.1 Regulierung, Beaufsichtigung und Überwachung von Zentralverwahrern in der Europäischen Union

Zentralverwahrer sind als systemisch relevante Infrastruktur von entscheidender Bedeutung für die Stabilität und Effizienz der Finanzmärkte. Zentralverwahrer sind durch folgende Merkmale charakterisiert: Bei der Emission von Wertpapieren übernehmen sie eine quasi-notarielle Funktion und gewährleisten die korrekte Registrierung der emittierten Wertpapiere; sie betreiben Handels- oder Abwicklungssysteme, denen allgemein eine kritische Bedeutung beigemessen wird; sie zeichnen sich durch bedeutende Größenvorteile (Skaleneffekte) aus; sie stellen Dienstleistungen bereit, die für eine Vielzahl von Marktakteuren nutzbringend sind; sie weisen eine staatliche Beteiligung oder Einflussnahme auf.

7
Vgl.: Lee (2010).
Die systemische Relevanz von Zentralverwahrern hat zu einer besonderen Regulierung, Beaufsichtigung und Überwachung ihrer Aktivitäten geführt.

In der EU

werden Zentralverwahrer durch eine Reihe von Vorschriften und Richtlinien reguliert, die den Zweck haben, die Sicherheit und Effizienz der Finanzmärkte zu gewährleisten. Eines der wichtigsten regulatorischen Rahmenwerke für Zentralverwahrer ist die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der EU und über Zentralverwahrer (Central Securities Depositories Regulation, CSDR).
8
Vgl.: Europäische Union (2014).
Die CSDR wurde eingeführt, um ein einheitliches Regelwerk für Zentralverwahrer in der EU zu schaffen. Sie bildet zusammen mit der Markets in Financial Instruments Directive (MiFiD) in Bezug auf den Handel und der European Market Infrastructure Regulation (EMIR) für das Clearing einen umfassenden europäischen Regulierungsrahmen für die Finanzmarktinfrastrukturen. Die CSDR zielt darauf ab, die Abwicklungsprozesse von Wertpapiergeschäften zu harmonisieren und zu verbessern, die Sicherheit der Abwicklung zu erhöhen und die Abwicklungsdisziplin zu stärken. In der CSDR werden Zentralverwahrer als juristische Personen definiert, die ein Wertpapierabwicklungssystem betreiben sowie mindestens eine der beiden folgenden Dienstleistungen anbieten: Erstverbuchung von Wertpapieren in einem Buchführungssystem (quasi-notarielle Funktion) sowie Bereitstellung und/oder Führung von Wertpapierkonten (zentrale Kontoführung).
9
Vgl.: European Securities and Markets Authority (2024a).

Die CSDR

ist das einheitliche europäische Regime für die Beaufsichtigung von Zentralverwahrern. Mit der CSDR wurden der bis dato eher unverbindliche regulatorische Rahmen für die risikoorientierte Überwachung von Finanzmarktinfrastrukturen, auch durch die Notenbanken (CPMI/IOSCO-Prinzipien für Finanzmarktinfrastrukturen), und die bis dahin nationalen Aufsichtsrahmen für Zentralverwahrer (beziehungsweise in Deutschland sogenannte Wertpapiersammelbanken im Sinne des Kreditwesengesetz) in ein rechtlich bindendes europäisches Regime überführt. Die Verordnung definiert einen harmonisierten regulatorischen Rahmen in der EU mit Anforderungen an die CSDs und einem einheitlichen Aufsichts- und Überwachungsmandat für die zuständigen Behörden. Sie regelt unter anderem, dass Zentralverwahrer von den zuständigen Behörden ihres Heimatlandes zugelassen und beaufsichtigt werden müssen. Als zuständige nationale Behörde überprüft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Deutschland in regelmäßigen Abständen die entsprechenden Regelungen, Verfahren und Mechanismen des hier zugelassenen Zentralverwahrers Clearstream Banking AG. Zudem bewertet die BaFin auch die potenziellen Risiken, denen der Zentralverwahrer ausgesetzt sein könnte. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA) spielt eine zentrale Rolle bei der Koordinierung dieser Aufsicht über Zentralverwahrer innerhalb der EU.
10
Vgl.: European Securities and Markets Authority (2024b).
Darüber hinaus bindet die BaFin die Bundesbank als Überwachungsbehörde insbesondere hinsichtlich des Funktionierens der vom Zentralverwahrer betriebenen Wertpapierliefer- und Wertpapierabwicklungssysteme in die regelmäßigen Überprüfungen und Bewertungen ein. Soweit die Abrechnungen in diesen Systemen in Euro erfolgen, ist zudem eine Einbindung des Eurosystems geboten.

Die CSDR

legt ferner Eigenkapitalanforderungen fest. Diese sollen sicherstellen, dass Zentralverwahrer über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügen, um ihre Betriebs- und Systemrisiken handhaben zu können. Die Verordnung führte außerdem Regeln ein, um die pünktliche Abwicklung von Wertpapiergeschäften zu fördern, einschließlich Maßnahmen bei verspäteter Abwicklung wie etwa Bußgelder und erforderlichenfalls als Ultima Ratio obligatorische Eindeckungen, die ein Scheitern des Wertpapiergeschäftes (zum Beispiel weil der Verkäufer die Wertpapiere nicht bereitstellen konnte) verhindern sollen.
11
Vgl.: Ferran und Hickman (2021).

Die CSDR

fördert die Interoperabilität zwischen Zentralverwahrern, um einen effizienten grenzüberschreitenden Wertpapierverkehr in der EU zu ermöglichen. Die CSDR verpflichtet Zentralverwahrer zur Zusammenarbeit, indem sie zum Beispiel technische und betriebliche Verbindungen zu anderen Zentralverwahrern ermöglichen müssen. Darüber hinaus unterstützt die Verordnung die Dematerialisierung und Immobilisierung von Wertpapieren. Dies wird unter anderem durch harmonisierte Standards und Verfahren für die Abwicklung und Verwahrung von Wertpapieren erreicht, aber auch durch entsprechende Gebote gegenüber den Emittenten von Wertpapieren. Durch die Verpflichtung von Zentralverwahrern, Informationen über ihre Dienstleistungen und die damit verbundenen Risiken und Gebühren offenzulegen, wird daneben auch die Transparenz in diesem zentralen Marktsegment gefördert. Zentralverwahrer müssen außerdem über einen angemessenen Notfall- und Sanierungsplan verfügen, und ihre Aufsichtsbehörden müssen sicherstellen, dass ein adäquater Abwicklungsplan erstellt und eingehalten wird.

Im Rahmen einer Novellierung (dem sogenannten Refit) wurde die CSDR

zwischenzeitlich an einigen Stellen überarbeitet oder ergänzt. Materiell betrifft dies unter anderem den erleichterten Zugang von Zentralverwahrern zu Dienstleistungen, die von anderen Zentralverwahrern erbracht werden sowie Vereinfachungen beim sogenannten Passporting zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen innerhalb der EU. Die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichts- und Überwachungsbehörden soll zudem durch Aufsichtskollegien für diejenigen Zentralverwahrer weiter gestärkt werden, die aufgrund ihrer Dienstleistungserbringung in mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten von wesentlicher Bedeutung für die betroffenen Wertpapiermärkte sind.

1.2 Das Verhältnis zwischen Zentralbanken und Zentralverwahrern

Zwischen Zentralbanken und Zentralverwahrern gibt es mehrere signifikante Berührungspunkte, weshalb das sichere und reibungslose Funktionieren von Zentralverwahrern im besonderen Interesse des Eurosystems liegt. Das Verhältnis zwischen Zentralbanken und Zentralverwahrern ist generell durch Kooperation und Regulierung geprägt. Einige Zentralbanken, wie etwa die Belgische Nationalbank oder die US

-Notenbank Federal Reserve, betreiben auch eigene Zentralverwahrer. Dabei haben Zentralbanken speziell mit Blick auf die Stabilität des gesamten Finanzsystems ein großes Interesse an zuverlässig funktionierenden Zentralverwahrern und übernehmen in diesem Zusammenhang eine Überwachungsfunktion (Oversight).

Weiter spielen Zentralverwahrer eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Besicherung geldpolitischer Zentralbankgeschäfte, zum Beispiel Innertages- oder Übernachtkredite. So werden bei einem Zentralverwahrer gehaltene Wertpapierbestände von Banken für die Besicherung solcher Geschäfte mit der Zentralbank genutzt. Nicht zuletzt stellen Zentralbanken Dienstleistungen zur Abwicklung in Zentralbankgeld zur Verfügung. Dieses ist sicherer und liquider als Geschäftsbankengeld und daher sowohl regulatorisch als auch aus Marktsicht das bevorzugte Medium für den Geldausgleich der über Zentralverwahrer abgewickelten Wertpapiergeschäfte.

12
Nicht alle Wertpapiertransaktionen werden über Zentralverwahrer abgewickelt, sondern zum Beispiel auch über Depotbanken. Hier erfolgt der Geldausgleich in der Regel in Geschäftsbankengeld. Gleiches gilt bislang auch in der Regel für Konten bei Internationalen Zentralverwahrern.
Dabei ist anzustreben, dass Geld- und Wertpapierübertragung synchron erfolgen, um dadurch eine Zug-um-Zug-Abwicklung (Übertragung der Rechte an den Wertpapieren gegen Bezahlung) zu erreichen. Diese Art der Abwicklung wird auch „Lieferung-gegen-Zahlung“ (Delivery-versus-Payment) genannt, um Erfüllungsrisiken (wenn zum Beispiel der Käufer schon gezahlt hat, aber die Wertpapiere nicht erhält) auszuschalten. Während das Prinzip international in verschiedenen Formen angewandt wird, herrscht im Euroraum das sogenannte „integrierte Modell“ vor – die Abwicklung sowohl der Geld- als auch der Wertpapierseite erfolgt auf einer technischen Infrastruktur. Eine besondere Rolle spielt dabei die Plattform TARGET2-Securities (T2S).
13
Vgl.: Deutsche Bundesbank (2024a).

T2S

ist eine Plattform für die zentrale Abwicklung von Wertpapiergeschäften in der EU, die Wertpapiertransaktionen mit unmittelbarer Finalität in sicherem Zentralbankgeld verrechnet. Mit T2S bietet das Eurosystem eine harmonisierte und zentrale Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld für alle europäischen Zentralverwahrer an. Die Plattform ist mehrwährungsfähig und ermöglicht derzeit neben der Abwicklung in Euro auch die Abwicklung in Dänischen Kronen.
14
Vgl.: Deutsche Bundesbank (2024b).
Während die Geldkonten der Hoheit der jeweiligen Zentralbanken unterliegen, fallen die entsprechenden Wertpapierkonten in die Hoheit der teilnehmenden Zentralverwahrer, das heißt, diese haben Konten auf T2S verlagert. T2S nahm im Juni 2015 seinen Betrieb auf. Im März 2025 waren insgesamt 24 Zentralverwahrer aus 23 Staaten an T2S angebunden (einschließlich zum Beispiel aus Dänemark und der Schweiz, die nicht dem Euroraum angehören).
15
Vgl.: Europäische Zentralbank (2024b).
Auch der Internationale Zentralverwahrer Euroclear Bank wird noch dieses Jahr neue Abwicklungsmöglichkeiten in T2S bereitstellen. Weitere Zentralverwahrer (zum Beispiel aus Schweden) beabsichtigen, in der Zukunft T2S beizutreten.
16
Vgl.: Riksbank (2024).
Im Jahr 2023 wurden über T2S insgesamt fast 178 Millionen Transaktionen im Wert von knapp über 200 Billionen € abgewickelt.
17
Vgl.: Europäische Zentralbank (2024a).
Dabei besteht auch die Möglichkeit, zur Abwicklung der Transaktionen automatisiert auf Innertageskredit der Zentralbanken zurückzugreifen, welcher durch die Transaktion selbst oder den Gesamtbestand im Wertpapierkonto besichert wird. Dies wurde im Jahr 2023 bei nicht ganz einem Fünftel aller Lieferung-gegen-Zahlung-Geschäfte genutzt.
18
Vgl.: Europäische Zentralbank (2024a).

2 Die Landschaft der Zentralverwahrer in Europa

Der Umstand, dass es in der EU

über 25 verschiedene Zentralverwahrer gibt, erklärt sich aus deren historischer Entstehung und Entwicklung. Fast alle Zentralverwahrer sind als Institutionen entstanden, die zunächst die Verwahrung von Wertpapieren in einem bestimmten nationalen Markt zentralisiert haben. Konsolidierungen über die Ländergrenzen hinweg wurden dabei vor allem durch unterschiedliche nationale Wertpapier- und Steuer-Gesetzgebungen erschwert. Zusätzlich entstanden vor gut 50 Jahren zwei Internationale Zentralverwahrer – heute Euroclear Bank und Clearstream Banking Luxembourg –, vornehmlich für Wertpapiere, die bewusst nicht unter der jeweiligen nationalen Rechtsordnung begeben wurden, häufig auf US-Dollar lauteten und sich stärker an internationale Investoren richteten.

Abbildung 5.2 zeigt die zehn größten Zentralverwahrer in der EU

gemessen am Wert der dort verwahrten Wertpapiere im Jahr 2023. Die bei Euroclear Bank (Belgien) verwahrten Wertpapiere hatten 2023 einen Wert von 18,5 Billionen €. Danach folgen die Clearstream Banking AG (Deutschland) mit 11,9 Billionen € sowie Clearstream Banking Luxembourg mit 10,1 Billionen €. Weitere bedeutende Zentralverwahrer sind Euroclear France (Frankreich) mit 9,4 Billionen € verwahrten Wertpapieren, Euronext Milan (ehemals Monte Titoli, Italien) mit 3,7 Billionen € sowie Iberclear (Spanien) mit 2,5 Billionen €.
19
Vgl.: Europäische Zentralbank (2024c).

Wert der verwahrten Wertpapiere bei Zentralverwahrern in der EU
Wert der verwahrten Wertpapiere bei Zentralverwahrern in der EU

Die herausgehobene Funktion einiger Zentralverwahrer zeigt sich auch im Wert der abgewickelten jährlichen Transaktionen sowie der Anzahl der angeschlossenen Teilnehmer. Im Jahr 2023 betrug der Wert aller Lieferanweisungen bei Euroclear Bank (Belgien) die im internationalen Vergleich außergewöhnlich hohe Summe von 746,2 Billionen € (siehe Abbildung 5.3). Dies bedeutet, dass Euroclear Bank (Belgien) der aktivste Zentralverwahrer weltweit war, bezogen auf den Wert der jährlich abgewickelten Transaktionen.

20
Vgl.: Internationaler Währungsfonds (2023) sowie Bech et al. (2020).
Im selben Zeitraum betrug dieser Wert bei Clearstream Banking Luxembourg 292,3 Billionen €, bei EuroclearFrance 158,2 Billionen € und bei Clearstream Banking AG (Deutschland) 127,7 Billionen €.
21
Vgl.: Europäische Zentralbank (2024c).

Wert der Lieferanweisungen bei Zentralverwahrern in der EU
Wert der Lieferanweisungen bei Zentralverwahrern in der EU

Angesichts der spezifischen Natur der Zentralverwahrer und insbesondere der Größen- und Skaleneffekte kann es nicht überraschen, dass sich in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Fusionsaktivität herausgebildet hat. Im Ergebnis haben sich – neben einigen kleineren nationalen Zentralverwahrern – vier größere grenzüberschreitende Unternehmensgruppen herausgebildet. Die Aggregation der Daten auf Konzernebene zeigt, dass eine relativ hohe Konzentration vorliegt (siehe Abbildung 5.4). Im Jahr 2023 verwahrte die Euroclear Gruppe, die neben dem ICSD

Euroclear Bankauch die nationalen Zentralverwahrer in Belgien, Finnland, Frankreich, Irland, den Niederlanden, Schweden und dem Vereinigten Königreich umfasst, 51 % aller Wertpapiere (nach Wert) in der EU. Die Gruppe Deutsche Börse (ICSD Clearstream BankingLuxembourg und nationale Zentralverwahrer in Deutschland und Luxemburg) kam auf einen Marktanteil von 33 %, gefolgt von der Euronext Gruppe (nationale Zentralverwahrer in Dänemark, Italien, Norwegen und Portugal) mit 9 %. Andere Zentralverwahrer, unter anderem die neu konstituierte SIX-BME-Gruppe mit den nationalen Zentralverwahrern in der Schweiz und in Spanien, hatten einen Anteil von 7 %.

Verwahrte Vermögenswerte und Abwicklungsumsatz bei Zentralverwahrern in der EU
Verwahrte Vermögenswerte und Abwicklungsumsatz bei Zentralverwahrern in der EU

Die Anzahl der an einen Zentralverwahrer angeschlossenen Teilnehmer kann darüber Aufschluss geben, wie wichtig die Rolle ist, die er für die Finanzmärkte in der EU

sowie darüber hinaus spielt. Die beiden Internationalen Zentralverwahrer Euroclear Bank (Belgien) mit 1 832 angeschlossenen Teilnehmern und Clearstream Banking Luxembourg mit 1 431 Teilnehmern liegen hier mit sehr deutlichem Abstand vor den nationalen Zentralverwahrern (siehe Abbildung 5.5). Die unterschiedliche Kundenstruktur verdeutlicht, dass sie in einem anderen Marktsegment agieren als kleinere nationale Zentralverwahrer.

Anzahl der Teilnehmer bei Zentralverwahrern in der EU
Anzahl der Teilnehmer bei Zentralverwahrern in der EU

2.1 Internationale Zentralverwahrer

Die Internationalen Zentralverwahrer Euroclear Bank (Belgien) und Clearstream Banking Luxembourgsind nur bedingt mit nationalen Zentralverwahrern vergleichbar, da sie nicht in einem rein nationalen Kontext entstanden sind.

22
Vereinzelt wird auch der Schweizer Zentralverwahrer SIX SIS als ICSD bezeichnet, mit 313 angeschlossenen Teilnehmern und einem Wert der verwahrten Wertpapiere von 3,5 Billionen US-$ im Jahr 2022 entspricht die Größe und Konnektivität jedoch eher der eines nationalen Zentralverwahrers.
Beide Organisationen spielen durch ihre außergewöhnliche Größe und hohe Konnektivität zu einer Vielzahl von internationalen privaten institutionellen Investoren und Finanzinstituten sowie zu vielen Zentralbanken eine wichtige Rolle für die Effizienz und die Sicherheit der europäischen und der globalen Finanzmärkte.
23
Vgl.: Internationaler Währungsfonds (2017, 2023).

Die Entstehung von Euroclear geht zurück auf die späten 1960er Jahre, als die Brüsseler Niederlassung der Morgan Guaranty Trust Company of New York das Euroclear-System gründete.

24
Vgl.: Euroclear (2024b).
Das System wurde entwickelt, um die Abwicklung von grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktionen zu vereinfachen und damit verbundene Risiken zu minimieren, insbesondere im Hinblick auf Eurobonds. Bei diesen handelt es sich um europäische Anleihen, die außerhalb des Landes emittiert wurden, in dessen Währung sie denominiert waren.
25
Vgl.: International Capital Market Services Association (2024). Der Begriff Eurobonds bezieht sich darauf, dass diese Anleihen in Europa emittiert wurden; Eurobonds sind häufig auch in US-Dollar, Britischem Pfund oder Japanischem Yen denominiert. Hier nicht mit dem Begriff Eurobonds gemeint sind von der EU gemeinsam emittierte Anleihen.
Die Gründung von Euroclear und die Einführung computergestützter Systeme war eine Reaktion auf das rapide Wachstum des Eurobondmarkts in den 1960er Jahren und die damit verbundenen Herausforderungen bei der Abwicklung von Wertpapiergeschäften. Im Jahr 2000 wurde Euroclear Bank gegründet und erwarb in den folgenden Jahren zahlreiche nationale Zentralverwahrer.
26
Vgl.: Ferran und Hickman (2021). Euroclear erwarb die nationalen Zentralverwahrer in Frankreich (Sicovam), den Niederlanden, Belgien, Schweden, Finnland sowie Großbritannien und Irland.
Euroclear ist in Privatbesitz; die größten Anteilseigner kommen aus Frankreich (knapp 30 %), Belgien (13 %) und Neuseeland (9 %). Eine zur chinesischen Zentralbank gehörenden Investment-Gesellschaft hält weitere 7 %.
27
Vgl.: Euroclear (2024c) sowie Stafford (2020). Die größten Aktionäre sind die Sicovam Holding (Frankreich) mit 15,9 %, die staatliche belgische Holding-Organisation Société Fédérale de Participations et d'Investissement mit 12,9 %, das staatliche französische Finanzinstitut Caisse des Dépôts et Consignations mit 10,9 %, der neuseeländische Staatsfonds NZSF mit 8,7 %, die der chinesischen Zentralbank gehörende Gesellschaft Kuri Atyak Investment (domiziliert in den British Virgin Islands) mit 7,3 % sowie diverse kleinere private Finanzinstitute und Versicherungen.

Cedel (Centrale de Livraison de Valeurs Mobilières) wurde 1970 als Reaktion auf die gleichen Marktbedürfnisse und mit gleicher Zielsetzung wie Euroclear von einer aus insgesamt 66 großen internationalen Banken bestehenden Investorengruppe ins Leben gerufen.

28
Vgl.: Clearstream (2024a).
Im Jahr 2000 fusionierte Cedel mit der Deutschen Börse Clearing AG, der Abwicklungssparte der Deutschen Börse, zu Clearstream und der heutigen Clearstream Banking Luxembourg, dem Internationalen Zentralverwahrer der Gruppe Deutsche Börse. Die Deutsche Börse ist eine börsengelistete Gesellschaft mit einem breit gestreuten internationalen Aktionärskreis. Der deutsche Zentralverwahrer Clearstream Banking AG sowie der luxemburgische Zentralverwahrer LuxCSD befinden sich ebenfalls im Eigentum der Deutschen Börse.
29
Vgl.: LuxCSD (2024).

Die Internationalen Zentralverwahrer Euroclear Bank und Clearstream Banking Luxembourg spielen eine besondere Rolle im europäischen und internationalen Finanzsystem. Sie kümmern sich unter anderem um die Abwicklung in Fremdwährungen und agieren als übergeordnete Anlaufstellen für internationale Investoren in Europa. Ihre Kundenbasis und ihre Dienstleistungen, die zum Beispiel auch Wertpapierleihgeschäfte und die Verwaltung von Sicherheiten umfassen, sind global ausgerichtet, wenngleich mittlerweile mit stärkerem europäischem Fokus, besonders im Segment Eurobonds.

30
Vgl.: Deutsche Börse (2024). Im Jahr 2024 wurden 63 % der Eurobonds von europäischen Investoren gehalten und 37 % von solchen außerhalb Europas (hauptsächlich aus den USA); zum selben Zeitpunkt stammten 68 % aller Eurobonds von europäischen Emittenten und dementsprechend 32 % von nicht-europäischen Emittenten (in erster Linie aus den USA).
Das Konzept des Internationalen Zentralverwahrers gibt es in dieser Form nur in Europa (siehe Exkurs Zentralverwahrer in den USA, China und Japan). Allerdings ist die Abgrenzung zwischen (nationalen) Zentralverwahrern und Internationalen Zentralverwahrern nicht mehr so eindeutig, wie sie es in der Vergangenheit war. Die CSDR unterscheidet beispielsweise nicht zwischen diesen zwei Arten von Zentralverwahrern.

Exkurs

Zentralverwahrer in den USA, China und Japan

In den USA

gibt es nur einen einzigen privatwirtschaftlichen Zentralverwahrer, die Depository Trust Company (DTC), ein Tochterunternehmen der Depository Trust and Clearing Corporation (DTCC). Dieser Zentralverwahrer befindet sich vollständig im Besitz seiner Teilnehmer. Die DTC erbringt Verwahrung- und Abrechnungsdienstleistungen für nahezu alle Aktien, Unternehmens- und Kommunalanleihen, verbriefte Wertpapiere und Geldmarktinstrumente im US-Finanzsystem. Der Wert der von DTC im Jahr 2023 verwahrten Wertpapiere betrug 85 Billionen US-$; der Wert der in 2023 abgewickelten Transaktionen betrug 446 Billionen US-$.
1
Vgl.: Depository Trust and Clearing Corporation (2024).
Staatsanleihen hingegen werden in den USA ausschließlich über den Fedwire Securities Service abgewickelt. Der Fedwire Securities Service befindet sich im Besitz der US-amerikanischen Zentralbank und wird auch von dieser betrieben. Der Wert der im Jahr 2023 beim Fedwire Securities Service verwahrten Wertpapiere betrug 110 Billionen US-$, welches den größten Wert weltweit darstellt.
2
Vgl.: Federal Reserve (2024).

In China gibt es zwei große Zentralverwahrer. Die China Central Depository & Clearing (CCDC

) agiert sowohl als das Wertpapierabwicklungssystem als auch als der Zentralverwahrer für chinesische Staatsanleihen. Die CCDC begann ursprünglich als zentrale Verwahrstelle für Staatsanleihen und hat sich inzwischen zu einer zentralen Institution entwickelt, die Registrierungs-, Verwahrungs- und Abwicklungsdienste für verschiedene Finanzanlagen anbietet. Der Wert der 2022 bei der CCDC verwahrten Wertpapiere betrug 14 Billionen US-$.
3
 Vgl.: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2024a).
Die China Securities Depository and Clearing Corporation Limited (SD&C) ist die zentrale Gegenpartei, das Wertpapierabwicklungssystem und der Zentralverwahrer für alle an der Shanghai Stock Exchange und der Shenzhen Stock Exchange gehandelten Wertpapiere; diese beiden Börsen besitzen auch die SD&C. Im Jahr 2022 hatten die bei der SD&C verwahrten Wertpapiere einen Wert von fast 15 Billionen US-$.
4
 Vgl.: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2024b).

Der bedeutendste Zentralverwahrer in Japan ist das Japan Securities Depository Center (JASDEC

). Dies ist der Zentralverwahrer für alle vom privaten Sektor ausgegebenen Anleihen, Aktien und sonstigen Wertpapiere. Der Wert der von JASDEC im Jahr 2022 verwahrten Wertpapiere betrug 10 Billionen US-$.
5
 Vgl.: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2024c).
Das Bank of Japan Financial Network System (BOJ-NET) wickelt den Handel mit japanischen Staatsanleihen ab, die in seinem Buchungssystem gehalten werden. Im Jahr 2022 betrug der Wert der bei BOJ-NET verwahrten Wertpapiere 9 Billionen US-$.
6
 Vgl.: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2024d).

Daneben haben die beiden Internationalen Zentralverwahrer Clearstream Banking Luxembourg und Euroclear Bank eine wichtige Position inne, was die technologische Weiterentwicklung der europäischen und internationalen Anleihemärkte betrifft. Gemeinsam haben sie in den letzten Jahren das Emissionsverfahren für internationale Anleihen stark vereinfacht. So mussten früher bei Eurobonds aufwendige Umschreibungen vorgenommen werden, wenn sie zwischen Kunden verschiedener ICSDs

übertragen wurden; mittlerweile wird die Aufteilung nur noch durch das Rechenwerk der ICSDs bestimmt. Heute ist dabei auch die Emission elektronischer Globalurkunden
31
Globalurkunde oder auch Sammelurkunde ist die Bezeichnung für ein Wertpapier, in dem einheitlich die Rechte mehrerer Gläubiger einer Anleiheemission oder mehrerer Aktionäre einer Aktienemission verbrieft sind. Dies vereinfacht die Verwahrung von Wertpapieren signifikant, weil es keiner physischen Urkunden mehr bedarf.
sowie die Verwendung elektronischer Signaturen auf allen Emissionsunterlagen für Eurobonds möglich. Diese Innovation macht die Ausgabe von Eurobonds einfacher und deren Verwahrung sicherer.

2.2 Diskussionen über die Zentralverwahrer-Strukturen in Europa

Die Tatsache, dass es in der EU

über 25 unterschiedliche Zentralverwahrer gibt, wird oftmals als Indiz gedeutet, dass die europäische Abwicklungslandschaft zerklüftet, wenig integriert und im Vergleich zu anderen Währungsräumen im Hinblick auf Kosten, Abwicklungseffizienz und Zugang der Investoren zum europäischen Kapitalmarkt nachteilig sei.
32
Vgl.: Europäische Kommission (2024b).
Diese Diskussion wird derzeit auch im größeren Kontext der Kapitalmarktunion geführt. Mit der Kapitalmarktunion wird das Ziel verfolgt, grenzüberschreitende Investitionen zu erleichtern und mehr Investitionen in der EU anzuziehen. Neben Maßnahmen zum Beispiel zur Förderung von Verbriefungen, der Einführung von europäischen Investmentprodukten und Änderungen bei der Kapitalmarktaufsicht wird dabei auch – nicht zuletzt mit Hinweis auf die Marktstrukturen in den USA – infrastruktureller Konsolidierungsbedarf angemahnt. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei der EU um ein historisch gewachsenes Gebilde ohne Zentralstaat-Charakter handelt, was zum Beispiel mit eigenen, materiell teilweise unterschiedlichen Rechtsordnungen der verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einhergeht. Dabei wurden bereits in der Vergangenheit, insbesondere seit Einführung des Euro als Gemeinschaftswährung in mittlerweile 20 Mitgliedstaaten, verschiedene Initiativen gestartet, um eine stärkere Integration des europäischen Kapitalmarkts und der europäischen Nachhandelsinfrastruktur zu bewerkstelligen.

Eine zentrale Bedeutung kommt dabei den in den sogenannten Giovannini-Berichten aus den Jahren 2001 und 2003 identifizierten Barrieren zu. Die von Alberto Giovannini geleitete Gruppe mit breiter Marktexpertise identifizierte im Ergebnis 15 Hindernisse für eine stärkere Integration im Nachhandelsbereich, die sich in drei Bereiche gruppieren lassen: (i) unterschiedliche technische Systeme und Marktpraktiken in den verschiedenen Ländern; (ii) unterschiedliche nationale Steuerregelungen; (iii) unterschiedliche nationale Rechtsregeln im Wertpapierbereich.

33
Vgl.: Europäische Kommission (2016).
Im Nachgang wurde versucht, die identifizierten Hindernisse sowohl durch stärkere Kooperation der Marktteilnehmer (zum Beispiel zur Harmonisierung der Abwicklung von Kapitaldiensten), als auch von politischer Seite (beispielsweise durch die Einführung der CSDR) aufzulösen. In den Jahren 2016 und 2017 setzte die Europäische Kommission mit dem European Post Trade Forum erneut eine Expertenkommission ein, um eine Bestandsaufnahme der Nachhandelsstruktur in Europa durchzuführen.
34
Vgl.: European Post Trade Form (2017). Zwischenzeitlich wurden verschiedene Maßnahmen abgearbeitet. Derzeit arbeitet das Eurosystem auf Basis einer Marktbefragung an einem Bericht zu noch bestehenden Hindernissen.

Einen ganz konkreten und substanziellen Beitrag zur Integration der Wertpapierabwicklung leistet T2S

.Zielsetzung dieser gemeinsamen Abwicklungsplattform ist, die grenzüberschreitende Abwicklung zu vereinfachen, die Kosten der Wertpapierabwicklung mittelfristig zu senken, den Liquiditäts- und Sicherheitenbedarf für die Abwicklung zu reduzieren und den Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern zu stärken. Dabei wurde bewusst die eigentliche Funktion der Zentralverwahrer unberührt gelassen. T2S konnte insbesondere eine Reihe der im Giovannini-Bericht identifizierten technischen Hindernisse beseitigen und darüber hinaus eine weitergehende Harmonisierung anstoßen. T2S hat sich aus Sicht der Bundesbank bezüglich der Effizienz und Zuverlässigkeit der Wertpapierabwicklung als europäisches Erfolgsmodell erwiesen.

Kritisch wird im Hinblick auf den angestrebten stärkeren Wettbewerb zwischen den Zentralverwahrern angemerkt, dass in T2S

nach wie vor der überwiegende Anteil der Transaktionen, konkret 97,7 % (Stück) beziehungsweise 96,6 % (Wert) in 2023, innerhalb einzelner Zentralverwahrer („intra-CSD“) abgewickelt wird. Dementsprechend machte die Abwicklung zwischen unterschiedlichen Zentralverwahrern („cross-CSD“) nur einen sehr geringen Anteil aller Transaktionen aus.
35
Vgl.: Europäische Zentralbank (2024a). Nicht alle Wertpapiertransaktionen in der EU werden über T2S abgewickelt, ein signifikanter Anteil der Abwicklung erfolgt über Depotbanken und andere lokale Dienstleister. Insgesamt haben die cross-CSD-Umsätze damit nur einen eingeschränkten Aussagewert über die grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktionen, verstanden als Transaktionen auf ausländischen Märkten oder mit ausländischen Kontrahenten.

Dabei ist allerdings – wie ausgeführt – zu berücksichtigen, dass die Funktion der Zentralverwahrer stark von Skaleneffekten geprägt ist und es hier in den letzten Jahren erhebliche Konsolidierungsbewegungen gegeben hat. Dass die Integration vielfach zunächst nur auf gesellschaftsrechtliche Aspekte abzielte, verwundert nicht angesichts des hohen Aufwands, der mit einer technischen Systemintegration verbunden ist. Auch auf Teilnehmerseite wird häufig, unter anderem auch wegen der unterschiedlichen (nationalen) Rechtsrahmen, länger an tradierten Abwicklungspraktiken festgehalten. So dürfte nach wie vor zum Beispiel ein substanzieller Teil der grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklung gar nicht über T2S

erfolgen, sondern unverändert über Depotbanken, insbesondere bei Transaktionen in ausländischen (EU-)Märkten. Das Zusammenspiel zwischen den Internationalen Zentralverwahrern und T2S dürfte sich durch den OneClearstream-Ansatz der Gruppe Deutsche Börse
36
Vgl.: Clearstream (2025). OneClearstream bezieht sich auf harmonisierte Dienstleistungen über eine einzige Benutzeroberfläche, die Clearstream Banking Frankfurt als deutschen Zentralverwahrer, Clearstream Banking Luxembourg als Internationalen Zentralverwahrer und LuxCSD als luxemburgischen Zentralverwahrer umfasst.
sowie die direkte Teilnahme von Euroclear Bank weiter verbessern.

Nach mehr als 20 Jahren sind gemäß Aussagen der Marktakteure trotz T2S

immer noch zahlreiche der identifizierten Barrieren für eine bessere Integration im Nachhandelsbereich nicht beseitigt. Für die weitere Vertiefung der Kapitalmarktunion dürfte es deshalb eher auf die weitere Harmonisierung des Steuer-, Gesellschafts-, Insolvenz- und Wertpapierrechts ankommen. Gleichzeitig sollten aber auch die Integrationsbemühungen im Marktbereich weiter vorangetrieben werden. Davon dürfte im Übrigen auch die Ausgabe von Wertpapieren in Europa profitieren, da der heutige Emissionsprozess stark auf den jeweils nationalen Kontext ausgerichtet ist. Hier hat die Europäische Kommission zwischenzeitlich – mit Unterstützung des Eurosystems – einen eigenen EU-weiten Emissions-Service gestartet (siehe Exkurs zum EU Issuance Service).

Exkurs

EU Issuance Service

Im Jahr 2022 begann die Europäische Kommission mit der Organisation der Abwicklung von NextGenerationEU und anderen von der EU

emittierten Anleihen über die Zahlungs- und Abwicklungsinfrastruktur des Eurosystems. Nach einem Auswahlverfahren hat die Europäische Kommission beschlossen, mit der Europäischen Zentralbank – die als Zahlstelle fungiert – und der Belgischen Nationalbank (NBB-SSS) zusammenzuarbeiten, die als Emittenten-Zentralverwahrer und Verrechnungsstelle für alle EU-Schuldverschreibungen fungiert.
1
 Vgl.: Europäische Kommission (2023).
Der EU Issuance Service (EIS) wurde im Januar 2024 in Betrieb genommen. Die Europäische Kommission nutzt den EIS für die Emission und Abrechnung aller neuen Anleihen. Durch die Abwicklung in Zentralbankgeld in T2S ist der EIS ein effizienter und neutraler europäischer Dienst, der allen Beteiligten gleiche Bedingungen für den Zugang zu den von der Europäischen Kommission begebenen Wertpapieren bietet.

2.3 Neuere Entwicklungen im Zusammenhang mit Digitalisierung

Technologische Innovationen haben das Potenzial, die europäische Nachhandelsinfrastruktur in den nächsten Jahren tiefgreifend zu verändern. Eine besondere Rolle können hierbei die sogenannte Tokenisierung und die Distributed-Ledger-Technology (DLT

) spielen. Der Begriff Tokenisierung kann als die digitalisierte Abbildung eines (Vermögens-)Wertes inklusive der in diesem Wert enthaltenen Rechte und Pflichten sowie dessen hierdurch ermöglichte Übertragbarkeit definiert werden. Für die Einordnung eines Finanzinstruments als Wertpapier muss ferner das Kriterium der Handelbarkeit erfüllt sein.
37
Vgl.: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2019) sowie Droll und Minto (2022).
Konzeptionell kann man zwischen zwei Arten von Tokenisierung unterscheiden. Einerseits die digitale Repräsentation, die bereits bei in herkömmlicher Weise emittierten Wertpapieren möglich ist. Anderseits können rein digital emittierte Wertpapiere mithilfe von Token erzeugt werden, wie zum Beispiel in Deutschland Kryptowertpapiere nach dem im Jahr 2021 eingeführten Gesetz über elektronische Wertpapiere.
38
Vgl.: Deutsche Bundesbank (2019).
Durch den Einsatz von Tokenisierung könnten bedeutende Effizienzsteigerungen im Nachhandelsbereich erzielt werden.

In Zukunft könnten die aktuell existierenden langen Verwahrketten zwischen Emittenten und Investoren, in welchen zum Beispiel auch lokale und globale Depotbanken sowie Zentralverwahrer eingebunden sind, durch Tokenisierung in technischer Hinsicht deutlich verkürzt werden. Darüber hinaus könnten sogenannte Smart Contracts genutzt werden, um Kapitaldienste (beispielsweise Dividendenausschüttungen) effizienter durchzuführen.

39
Vgl.: Bech et al. (2020).
Durch den Einsatz von DLT könnten sowohl Investoren als auch Emittenten eine gemeinsame Datenhaltung (Single Source of Truth) nutzen, was den Abstimmungsbedarf und die bei der Abstimmung auftretende Fehlerquote erheblich senken dürfte. Durch Nutzung von DLT ist prinzipiell ein „Atomic Settlement“ möglich, also die sofortige und gleichzeitige (finale) Abwicklung beider Teile einer vollständig digitalen Wertpapiertransaktion mithilfe eines Smart Contracts (gegebenenfalls auch in einem gemeinsamen Prozessschritt mit dem Zustandekommen des zugrunde liegenden Handelsgeschäfts). Diese kurzen Ausführungen verdeutlichen, dass sich mit DLT die Rolle der heutigen Marktteilnehmer im Ökosystem, einschließlich der Zentralverwahrer, fundamental verändern könnte.

Die Tokenisierung von Wertpapieren durch DLT

hat das Potenzial, die Kosten und Komplexität bei der Abwicklung und Verwahrung zu reduzieren. Vielfach wird davon ausgegangen, dass die Wertschöpfungsketten im Wertpapierbereich unter der Nutzung verteilter Kontroll- und Zugriffsrechte spürbar effizienter werden und insbesondere Intermediäre sich auf ein wesentlich verändertes Umfeld einstellen müssen. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass ein Übergang zu Token-basierten Systemen abrupt erfolgen wird. Vielmehr dürfte es aufgrund des heute schon erreichten Effizienzniveaus, der notwendigen Kooperation zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern und des nicht unerheblichen Investitionsbedarfs einen langfristigen, eher graduellen Übergang geben. Währenddessen wird die Interoperabilität zwischen den heutigen kontenbasierten Systemen und den auf Token-Strukturen aufbauenden, neuen Infrastrukturen erforderlich sein. Im Mai 2024 haben die drei großen Zentralverwahrer Depository Trust and Clearing Corporation (DTCC) aus den USA sowie Clearstream und Euroclear aus Europa die sogenannten „Digital Asset Securities Control Principles“ publiziert, welche die Bereiche Rechtssicherheit, Einhaltung von Vorschriften, Ausfallsicherheit und Sicherheit, Schutz von Kundenanlagen, Konnektivität und Interoperabilität sowie betriebliche Skalierbarkeit umfassen.
40
Vgl.: Clearstream (2024c).
Das Ziel ist, eine internationale Diskussion über Rahmenbedingungen und Standards bei DLT-basierter Abwicklung und Verwahrung von Wertpapieren anzustoßen.

3 Ausblick

Technische Neuerungen, regulatorische Änderungen und marktgetriebene Entwicklungen werden die europäische Wertpapierentwicklung in den kommenden Jahren weiter innovativ verändern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Handels- und Abwicklungssysteme im übertragenen Sinn das „Schienennetz“ des Kapitalmarkts darstellen. Änderungen zum Beispiel im Produktangebot oder auch auf vorgelagerten Prozessstufen können sich deshalb auch auf die Abwicklungssysteme auswirken. Aktuell wird dabei insbesondere geplant, die Zeitspanne zwischen Handel und Abwicklung von derzeit bis zu zwei Geschäftstagen (sogenannte Abwicklung an „T+2“) auf einen Geschäftstag („T+1“) zu reduzieren und damit die Finanzmärkte in der EU

insgesamt moderner und effizienter aufzustellen.

Nach der im Mai 2024 erfolgten Verkürzung der Zeitspanne zwischen Abschluss und Abwicklung von Handelsgeschäften auf einen Geschäftstag in den USA

, Kanada und Mexiko sowie der Ankündigung eines vergleichbaren Schritts im Vereinigten Königreich wurde auch in der EU die politische Festlegung getroffen, den Abwicklungszyklus für (Börsen-) Handelsgeschäfte von T+2 auf T+1 zu verkürzen. Die ESMA legte hierzu im November 2024 eine umfassende Analyse unter Berücksichtigung der komplexen Gegebenheiten innerhalb der EU vor. Im Februar 2025 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Änderung der CSDR vorgelegt, der Oktober 2027 als Termin für eine Umstellung auf T+1 in der EU vorsieht und einen Gleichlauf mit entsprechenden Vorhaben in der Schweiz und dem Vereinigten Königreich ermöglichen soll. Als potenzielle Vorteile einer Umstellung werden etwa ein geringeres Kontrahenten- und Marktrisiko aufgrund der verkürzten Zeit offener Geschäfte und ein geringerer Bedarf an zu stellenden Sicherheiten (bei der Abwicklung unter Nutzung einer Zentralen Gegenpartei) erwartet. Eine Verkürzung auf T+1 wird dabei eine signifikante Verdichtung insbesondere der dem Settlement vorgelagerten erforderlichen Prozessschritte erforderlich machen und infolgedessen zu erheblichen Anpassungen bei den betroffenen Marktakteuren führen. In den Abwicklungssystemen selbst könnte es zum Beispiel zu zeitlich veränderten Einlieferungsmustern kommen, die unter Umständen zusätzliche Investitionen erfordern. Die Steuerung und Koordinierung der laufenden Projektarbeiten innerhalb der EU erfolgt unter gemeinsamer Leitung von Europäischer Kommission, EZB und ESMA. Die inhaltlich-technischen Arbeiten der Umstellung werden in den betroffenen Bereichen im Wesentlichen durch die jeweiligen Markt- und Industrieakteure wahrgenommen.

Die Umstellung auf T+1 wird in den nächsten Jahren von allen Marktteilnehmern erhebliche Anstrengungen verlangen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Bemühungen um eine weitere Integration der Nachhandelsinfrastruktur nachlassen. So sollte das derzeitige Momentum zur Vertiefung der Kapitalmarktunion insbesondere auch zu weiteren konkreten Harmonisierungsanstrengungen im Steuer-, Gesellschafts-, Insolvenz- und allgemeiner auch im Wertpapierrecht genutzt werden. Eine Möglichkeit wäre dabei, dem Markt wahlweise – zum Beispiel für größere Emissionen – ein europäisches Sonderregime zur Verfügung zu stellen.

Angesichts der historisch gewachsenen und leistungsfähigen Strukturen sowie der gegebenen Rahmenbedingungen ist die bisweilen geäußerte Idee, die Anzahl der in Europa tätigen Zentralverwahrer entscheidend zu reduzieren, bis auf Weiteres wenig realistisch. Ein solcher Schritt würde in jedem Fall eine umfassende Harmonisierung im Steuer- und Wertpapierrecht voraussetzen. Zudem würden sich vielfältige ordnungspolitische, rechtliche und – angesichts der Eigentümerstrukturen – gesellschaftsrechtliche Fragen stellen. Deshalb scheint es vorteilhaft, den marktgetriebenen Konsolidierungsansatz fortzusetzen. Hierzu sollte der Wettbewerb zwischen den Zentralverwahrern weiter erhöht werden, indem zum Beispiel die Nutzung von T2S

weiter intensiviert wird. Insbesondere sollte die grenzüberschreitende Abwicklung zwischen den an T2S teilnehmenden Zentralverwahrern weiter gefördert werden, unter anderem durch eine Vervollständigung der gegenseitigen Verbindungen.

Die Potenziale der Tokenisierung und der DLT

müssen konsequent ausgelotet und entwickelt werden. Dabei sollte das Eurosystem zum einen auch kurzfristig Leistungsangebote bereitstellen, die über entsprechende Interoperabilitätsschnittstellen eine Abwicklung von Wertpapiertransaktionen auf DLT-Basis in Zentralbankgeld erlauben.
41
Vgl.: Europäische Zentralbank (2025).
Zum anderen sollte mit allen relevanten Marktteilnehmern rasch ein Dialog aufgenommen werden, wie unter Berücksichtigung der Erfahrungen in den vergangenen 20 Jahren die Abwicklung digitaler Wertpapiere im nächsten Jahrzehnt aussehen könnte. Dieses schließt auch die Überlegung ein, ob – ähnlich wie mit T2S – eine gemeinsame DLT-Infrastruktur die Zielvision sein könnte und wie diese konkret auszugestalten wäre. In jedem Fall muss gewährleistet bleiben, dass sämtliche, gegebenenfalls veränderte Risikokategorien in der Abwicklung auch bei Nutzung neuer Technologien wirksam durch einen angemessenen Regulierungsrahmen begrenzt werden, wie er zum Beispiel in der heutigen Struktur insbesondere durch die CSDR gegeben ist. Insoweit werden auch im künftigen Ökosystem der europäischen Wertpapierabwicklung spezifische Rollen und Funktionen definiert werden müssen, die einer bestimmten Regulierung unterliegen. Vor allem sollten möglichst zügig die Arbeiten auf europäischer Ebene an einem gemeinsamen digitalen Wertpapierrecht aufgenommen werden, um eine mögliche weitere Fragmentierung zu überwinden.

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