Handelspolitische Konflikte und anhaltende geopolitische Spannungen haben die Risiken für die Finanzstabilität im vergangenen Jahr erhöht, während strukturelle Herausforderungen die deutsche Wirtschaft zusätzlich belasten. Obwohl sich die handelspolitische Unsicherheit seit Mitte des Jahres 2025 etwas zurückgebildet hat, besteht das Risiko neuer Handelskonflikte fort (Schaubild A). Geopolitische Spannungen sind nach wie vor hoch. In einem solchen Umfeld könnten Marktteilnehmer besonders empfindlich auf abrupte Veränderungen reagieren. Dadurch ist das Risiko von Turbulenzen an den Finanzmärkten erhöht. Die exportorientierte deutsche Wirtschaft ist besonders von der protektionistischen US-Handelspolitik betroffen. Die anhaltende konjunkturelle Schwäche in Deutschland sowie strukturelle Herausforderungen aus dem In- und Ausland üben zusätzlichen Druck auf den deutschen Unternehmenssektor aus. Zu den strukturellen Herausforderungen gehören wachsende Konkurrenz aus aufstrebenden Volkswirtschaften, der demografische Wandel und hohe Bürokratielasten. Dies dämpft die Aussichten für den bislang recht robusten Arbeitsmarkt. Demgegenüber könnte das deutsche Fiskalpaket vom kommenden Jahr an die Konjunktur und die Finanzstabilität stützen. Darüber hinaus sind jedoch gezielte Strukturreformen notwendig, um den strukturellen Herausforderungen aus dem In- und Ausland zu begegnen und damit Finanzstabilitätsrisiken aus dem Unternehmenssektor mittelfristig zu verringern. Insgesamt haben sich vor diesem Hintergrund die Abwärtsrisiken für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Vergleich zum Vorjahr erhöht.
Angesichts der anhaltenden geopolitischen Spannungen stellen Cyberangriffe eine Gefahr für die Stabilität des deutschen Finanzsystems dar. Die zunehmende Digitalisierung und dadurch steigende Abhängigkeit von digitalen Infrastrukturen hat die Angriffsfläche im Finanzsystem für Cyberbedrohungen vergrößert. Gleichzeitig ist die Gefahr hybrider Bedrohungen in den vergangenen Jahren gestiegen, bei denen Cyberangriffe mit anderen destabilisierenden Maßnahmen wie Desinformationskampagnen kombiniert werden. Investitionen in Cyberresilienz im Finanzsektor sind daher von zentraler Bedeutung.
Neben den globalen und strukturellen Belastungsfaktoren bergen hohe Staatsschuldenquoten in einigen Euroländern zusätzliche Finanzstabilitätsrisiken in Deutschland. Steigende Staatsausgaben dürften zu höheren Schuldenquoten und einer wachsenden Zinsbelastung führen. Während die Schuldentragfähigkeit Deutschlands trotz des Fiskalpakets auch mittelfristig als solide angesehen wird, bestehen größere Tragfähigkeitsrisiken in anderen Euroländern. Trotz dieser Risiken sind die Renditedifferenzen vieler Euroländer gegenüber Deutschland in den vergangenen Jahren gesunken, was nicht zuletzt auf vergleichsweise optimistischere Wachstumserwartungen in diesen Ländern zurückzuführen ist. Sollten diese Erwartungen enttäuscht werden oder neue Unwägbarkeiten auftreten, könnten die Renditedifferenzen wieder schlagartig steigen. Aufgrund des in manchen Ländern ausgeprägten Staaten-Banken-Nexus und der starken Vernetzung des deutschen mit dem europäischen Finanzsystem bestehen erhebliche Finanzstabilitätsrisiken aus der wachsenden öffentlichen Verschuldung (Schaubild B).
Obwohl sich das makrofinanzielle Umfeld spürbar verschlechtert hat, gibt es erste Anzeichen dafür, dass der Finanzzyklus in Deutschland seine Talsohle durchschritten hat. Seit dem Jahr 2023 durchlief der Finanzzyklus eine ausgeprägte Abschwungphase. In dieser Zeit gingen die vormals aufgebauten Verwundbarkeiten im deutschen Finanzsystem geordnet, wenn auch nicht vollständig, zurück. Zu diesen zählen Zinsänderungsrisiken und potenziell überbewertete Immobilienpreise. Die gute Wirtschaftsentwicklung während der Niedrigzinsphase, die gesunkenen Kreditausfälle sowie die finanzpolitischen Interventionen zugunsten des Unternehmenssektors während der Corona-Pandemie haben die Einschätzung der mittelfristigen Kreditausfallrisiken nachhaltig erschwert. Aufgrund dieser Entwicklungen könnten Kreditrisiken auch weiterhin unterschätzt werden. Inzwischen weisen Indikatoren des Finanzzyklus auf den Beginn einer Aufschwungphase hin. Die Kreditvergabe des deutschen Bankensektors ist zwar historisch weiterhin verhalten, zeigt aber Anzeichen einer Belebung. Auch die Preisentwicklung auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt deutet auf eine Erholung hin. Die Preise auf den Gewerbeimmobilienmärkten stabilisieren sich, jedoch bleibt die Lage insgesamt fragil (Schaubild C). Nach den Verwerfungen auf den Finanzmärkten durch die US-Zollankündigungen im April 2025 haben sich risikobehaftete Wertpapiere wie Aktien- und Unternehmensanleihen zügig erholt. Die anhaltend hohen und gestiegenen Bewertungen an den Finanzmärkten bergen jedoch das Risiko erneuter und größerer, plötzlicher Marktpreiskorrekturen (Schaubild D).
Zugleich nehmen die Risiken im Kreditgeschäft der deutschen Banken seit einiger Zeit zu und könnten im Licht der konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen perspektivisch weiter steigen. Die Quote notleidender Kredite ist von Ende 2022 bis Ende 2024 kontinuierlich gestiegen, wobei der größte Beitrag von Krediten an die Immobilienwirtschaft kam (Schaubild E). Die schwache konjunkturelle Entwicklung und der Zinsanstieg im Jahr 2022 haben zu einem Anstieg der Kreditausfälle beigetragen. Die US-Zölle dürften künftig ebenfalls zu höheren Ausfällen bei Krediten von exportorientierten Unternehmen führen. Allerdings ist deren Anteil am gesamten Kreditvolumen deutscher Banken begrenzt. Auch bei privaten Haushalten sind die Kreditrisiken leicht gestiegen. Die Quote notleidender Kredite in der Wohnimmobilienfinanzierung ist weiterhin niedrig. Sie liegt deutlich unter der Quote der Konsumentenkredite. Ein bedeutender Anteil neuer Wohnimmobilienfinanzierungen wird mit erhöhten Verschuldungsrelationen, also dem Verhältnis von Schulden zu Einkommen, abgeschlossen. Aus diesem Grund bestehen moderate Verwundbarkeiten im Neugeschäft fort.
Das Risiko von Marktwertverlusten in den Anleihenportfolios der Banken nimmt aufgrund hoher und weiter steigender Staatsschuldenquoten in einigen Euroländern zu. Deutsche Banken sind nicht zuletzt aufgrund einer internationalen Ausrichtung ihres Anleihenportfolios Spread-Risiken ausgesetzt. Der Anteil deutscher Staatsanleihen im Portfolio deutscher Banken ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Gleichzeitig stieg der Anteil von Anleihen mit einer weniger guten Bonität. Die unmittelbaren Verluste in einer Stressepisode wären wohl für sich genommen begrenzt. Allerdings könnten mögliche Ansteckungseffekte Kapitalverluste deutlich erhöhen.
Die regulatorische Eigenkapitalausstattung der Banken erscheint nach wie vor solide, die Resilienz sollte aber im aktuellen makrofinanziellen Umfeld nicht überschätzt werden. Die regulatorischen Eigenkapitalquoten befinden sich auf einem hohen Niveau. Allerdings bleiben die mittleren Risikogewichte trotz der verschlechterten Risikolage und steigenden Kreditausfällen bei systemrelevanten Banken niedrig (Schaubild F). Bei Eigenkapitalverlusten oder steigenden Kapitalanforderungen könnten Banken ihre Bilanzen reduzieren, um ihre Eigenkapitalquoten stabil zu halten. Kapitalpuffer, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Beispiel bei systemweiten Verlusten freigeben kann, mindern dieses Risiko. Die Liquiditätsausstattung der Banken ist insgesamt gut, die Institute sind aber verwundbar gegenüber Störungen an den US-Dollar-Finanzierungsmärkten.
Das makroprudenzielle Maßnahmenpaket, bestehend aus dem antizyklischen Kapitalpuffer (Countercyclical Capital Buffer, CCyB) von 0,75 % und dem sektoralen Systemrisikopuffer (Sectoral Systemic Risk Buffer, sSyRB), bleibt bei weiterhin bestehenden Verwundbarkeiten angemessen. Nach dem teilweisen Abbau der Verwundbarkeiten am Wohnimmobilienmarkt senkte die BaFin im Mai 2025 den sektoralen Systemrisikopuffer für mit Wohnimmobilien besicherte Kredite von 2 % auf 1 %. Angesichts des verschlechterten Umfelds sollte der verbleibende makroprudenzielle Handlungsspielraum erhalten bleiben.
In Anbetracht der gestiegenen Komplexität der Bankenregulierung setzt sich die Bundesbank für deren Vereinfachung ein, begleitet von einer stärkeren Förderung der Kapitalmarktfinanzierung durch die Weiterentwicklung der Spar- und Investitionsunion. Die Basel III-Reformen haben die Resilienz des Bankensystems nachhaltig gestärkt. Gleichzeitig sind die aufsichtlichen Anforderungen komplexer geworden. Insbesondere kleine, nicht-komplexe Institute würden von einer stärker an der Größe und Risikostruktur der Banken ausgerichteten Regulierung profitieren. Die Regulierung darf jedoch nicht auf Kosten der Widerstandskraft des Finanzsystems vereinfacht werden. Neben einem resilienten und leistungsfähigen Bankensystem bedarf es auch resilienter und leistungsfähiger Kapitalmärkte, die zur Finanzierung der Realwirtschaft beitragen. Daher unterstützt die Bundesbank die Weiterentwicklung der Spar- und Investitionsunion (SIU).
Neben den Banken gewinnen Nichtbank-Finanzintermediäre wie Versicherer und Fonds an Bedeutung für die Stabilität des Gesamtsystems. Ihre engen Verflechtungen untereinander und mit dem Bankensystem können Schocks verstärken, aber auch abfedern (Schaubild G). Deshalb gilt es, ihre Widerstandskraft sowie die Qualität der verfügbaren Daten genau im Auge zu behalten und zu verbessern.
Die Solvenz der Versicherer ist insgesamt robust, könnte perspektivisch allerdings aufgrund regulatorischer Änderungen überschätzt werden. Die Solvenzquote deutscher Lebensversicherer liegt derzeit deutlich über den Anforderungen und hat sich seit dem Jahr 2024 weiter erhöht. Im Rahmen der Überprüfung von Solvency II durch die Europäische Kommission sind Erleichterungen bei der Einstufung von Investitionen als langfristige Eigenkapitalinvestitionen (Long-Term Equity Investments, LTEI) geplant. Dadurch könnte die Resilienz deutscher Lebensversicherer zukünftig überschätzt werden. Diese geplante Anpassung ist daher aus Sicht der Finanzstabilität kritisch zu bewerten. Daneben bestehen bei Lebensversicherern nach wie vor materielle stille Lasten. Diese schränken ihren Handlungsspielraum ein, das Finanzsystem zu stabilisieren, und können dadurch die Verwundbarkeit des Finanzsystems in Stressphasen erhöhen.
Der deutsche Fondssektor ist zwar insgesamt resilient; die Stressphase im April 2025 zeigte jedoch Verwundbarkeiten auf. Die US-Zollankündigungen im April 2025 sorgten für Netto-Mittelabflüsse bei deutschen Publikums-Wertpapierfonds. Dies führte zu einer zeitweise spürbaren Verschlechterung der Liquiditätssituation in Teilen dieses Sektors. Angesichts nachlassender handelspolitischer Spannungen und der vorläufigen Handelsvereinbarung, flossen jedoch netto wieder Mittel zu. Bei offenen Publikums-Immobilienfonds hingegen halten die Netto-Mittelabflüsse seit dem Jahr 2023 an. Allerdings begrenzen die im Jahre 2013 eingeführten Kündigungs- und Mindesthaltefristen bei einem Großteil dieser Fonds die Risiken. Auch die von diesen Fonds gehaltenen Liquiditätspuffer, die im Aggregat deutlich über den gesetzlichen Vorgaben liegen, begrenzen die Risiken.
Ein verstärkter Datenaustausch von bereits erhobenen Daten ist erforderlich, um im Bereich der Nichtbank-Finanzintermediäre Verwundbarkeiten frühzeitig zu erkennen. Deutsche Fonds halten zunehmend ausländische Fondsanteile. Granulare Daten zu Fonds in anderen Jurisdiktionen sind jedoch nur eingeschränkt verfügbar, denn es fehlen die rechtlichen und operativen Grundlagen für einen Austausch von bereits erhobenen Daten zwischen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden. Dies erschwert es, Verwundbarkeiten zu identifizieren und systemische Risiken zu bewerten. Risikoanalysen bei Banken und Versicherern, die auch mit dem Fondssektor vernetzt sind, könnten von einem verstärkten Datenaustausch ebenfalls profitieren.
Die Exkurse im diesjährigen Finanzstabilitätsbericht fokussieren auf spezifische, aktuelle Herausforderungen und Risiken für die deutsche Finanzstabilität. Der Exkurs „Wie sich künstliche Intelligenz auf die Finanzstabilität auswirkt“ skizziert die Wirkungskanäle, über die KI-Systeme Entwicklungen im Finanzsystem beeinflussen können. Der Exkurs „Wie sich Stablecoins auf die Finanzstabilität auswirken“ beschreibt die zunehmende Bedeutung von Stablecoins und ihre Verflechtung mit dem traditionellen Finanzsystem. Aus dieser Verbindung können Risiken für die Finanzstabilität entstehen. Der Exkurs „Direkte Vernetzung verstärkt Liquiditätsrisiken bei europäischen Fonds“ zeigt, wie strukturelle Liquiditätsrisiken und Risiken aus der Vernetzung im offenen Fondssektor miteinander interagieren.