Kurzberichte: Konjunkturlage und Öffentliche Finanzen Monatsbericht – September 2024

Monatsberichtsaufsatz

1 Konjunkturlage

1.1 Schwächephase der deutschen Konjunktur hält an

Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiter in schwierigem Fahrwasser. Die Produktion in der Industrie und im Bau startete schwach in das dritte Quartal 2024. Die erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit belastet die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Zudem machen sich nach wie vor die gestiegenen Finanzierungskosten bemerkbar, welche insbesondere die Nachfrage nach Investitionsgütern und nach Bauleistungen dämpfen. Bei den Neuaufträgen aus dem Ausland zeichnen sich zwar leichte Erholungstendenzen ab. Dies reichte bislang aber nicht aus, um den Auftragsmangel in der Industrie insgesamt zu mildern. Trotz günstiger Voraussetzungen – die Tariflöhne steigen stark, und die Aussichten am Arbeitsmarkt sind immer noch relativ stabil – kommt der private Konsum weiterhin nicht in Schwung. So deuten die verfügbaren Stimmungsindikatoren und die Zulassungen privater Kraftfahrzeuge darauf hin, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter mit ihren Ausgaben zurückhalten. Die Unsicherheit über die Entwicklung des privaten Konsums und der Dienstleister ist derzeit allerdings erhöht. Die saisonbereinigten Umsätze im Handel und Dienstleistungsbereich liegen anders als üblich noch nicht einmal für das komplette zweite Quartal vor. 1 Insgesamt könnte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal aus heutiger Sicht stagnieren oder erneut etwas zurückgehen. Eine Rezession im Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung ist derzeit aber nicht zu erwarten.

Bruttoinlandsprodukt in Deutschland
Bruttoinlandsprodukt in Deutschland

1.2 Schwache Inlandsnachfrage belastet Industrie

Während die Inlandsnachfrage weiter schwach blieb, stützte die insgesamt etwas dynamischere Konjunktur im Euroraum die Nachfrage nach deutschen Industrieprodukten. Der Auftragseingang in der deutschen Industrie erhöhte sich im Juli 2024 saisonbereinigt 2 den zweiten Monat in Folge kräftig. Ohne Großaufträge war der Auftragseingang gegenüber dem Vormonat zwar leicht rückläufig. Gegenüber dem Vorquartal erhöhte sich der Auftragseingang insgesamt jedoch erheblich und auch ohne Großaufträge gerechnet etwas. Damit zeichnet sich eine leichte Erholungstendenz ab. Denn bereits im zweiten Quartal war der Auftragseingang ohne Großaufträge wieder gestiegen, nachdem er ab Sommer 2022 rückläufig gewesen war. Die positiven Impulse kamen wie schon im zweiten Quartal aus dem Ausland, insbesondere aus dem Euroraum. Der Auftragseingang ohne Großaufträge aus dem Inland lag im Juli dagegen unter dem Vorquartal. Der Anstieg bei den Neuaufträgen insgesamt reichte aber nicht aus, um den Auftragsmangel in der Industrie zu mildern. Im Juli klagten gemäß der vierteljährlichen Umfrage des ifo Instituts über 40 % der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe über mangelnde Aufträge. Damit ist der Anteil gegenüber dem schon hohen April-Wert noch einmal gestiegen. Gleichzeitig war die Reichweite der Auftragsbestände im langfristigen Vergleich weiterhin hoch. Zusammen mit der sehr geringen Kapazitätsauslastung könnte dies darauf hindeuten, dass die Unternehmen die Aufträge strecken.

Die Industrieproduktion setzte ihre Schwächephase zu Beginn des Sommerquartals fort. Im Juli sank die Industrieproduktion saisonbereinigt sowohl gegenüber dem Vormonat als auch gegenüber dem Vorquartal stark. Der Rückgang betraf fast alle Sektoren. Auch die Produktion energieintensiver Wirtschaftszweige verringerte sich etwas, nachdem sie zwei Quartale in Folge gestiegen war. Dabei lag lediglich die Produktion der chemischen Industrie noch über dem Durchschnitt des Vorquartals, trotz eines Rückgangs im Vormonatsvergleich. Die Produktion von Kraftfahrzeugen ging im Juli besonders kräftig zurück. Hier könnte es jedoch im August eine starke Gegenbewegung gegeben haben. Gemäß Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) stieg die Zahl gefertigter Personenkraftwagen im August sehr kräftig. Dies deutet darauf hin, dass bei dem starken Rückgang im Juli auch Sonderfaktoren wie beispielsweise Werksferien eine Rolle spielten. Im aussagekräftigeren Mittel von Juli und August überschritt die Zahl gefertigter Personenkraftwagen den Vorquartalsstand erheblich. Insgesamt dürfte die Industrie aber auch im weiteren Verlauf des dritten Quartals schwächeln. Gemäß Angaben des ifo Instituts schätzten die Unternehmen ihre Geschäftslage im August ungünstiger ein. Auch die kurzfristigen Produktionspläne und Exporterwartungen verschlechterten sich.

Deutsche Industrieproduktion und industrieller Auftragseingang
Deutsche Industrieproduktion und industrieller Auftragseingang

1.3 Privater Konsum wohl zunächst noch gedämpft

Der private Konsum bleibt trotz günstiger Voraussetzungen weiterhin ohne Schwung. Die Löhne steigen deutlich stärker als die Preise. Die Tarifverdienste dürften nach einem vorübergehend geringeren Zuwachs im zweiten Quartal im dritten Quartal sehr stark zulegen. So lagen sie in Abgrenzung der Tarifverdienststatistik der Bundesbank im Juli um 10,6 % über dem Vorjahresstand. Die großen Schwankungen gehen maßgeblich auf Inflationsausgleichsprämien, zeitlich verzögerte Lohnanhebungen und in einigen jüngeren Tarifabschlüssen vereinbarte Nachzahlungen zurück. Außerdem nimmt die Beschäftigung noch leicht zu, und die Aussichten am Arbeitsmarkt sind relativ stabil. Die resultierenden Kaufkraftgewinne sollten sich nach und nach zumindest teilweise im privaten Konsum niederschlagen. Allerdings halten sich die Verbraucherinnen und Verbraucher wohl weiter mit ihren Konsumausgaben zurück. Verglichen mit dem Vorquartal verbesserte sich die Konsumentenstimmung zwar. Der GfK-Konsumklimaindex trübte sich im August aber wieder spürbar ein. Die Konjunkturerwartungen der befragten Konsumenten verschlechterten sich deutlich, und die Einkommenserwartungen sanken sogar stark. Die Anschaffungsneigung verringerte sich derweil etwas. Im Einklang damit stieg die Sparneigung wieder. Die Angaben des VDA signalisieren, dass sich die Konsumenten mit Anschaffungen von Kraftfahrzeugen zurückhalten. Die Zulassungen privater Kraftfahrzeuge sanken im Mittel von Juli und August gegenüber dem Vorquartal deutlich. Unter den maßgeblichen Indikatoren zum privaten Konsum liegen die saisonbereinigten Umsätze im Einzelhandel und im Gastgewerbe entgegen der üblichen Praxis derzeit nur bis April vor. Gemäß Umfragen des ifo Instituts verschlechterte sich jedoch die Geschäftslage in beiden Bereichen im Mittel von Juli und August gegenüber dem Vorquartal. All dies deutet auf eine anhaltende Verunsicherung der privaten Haushalte hin.

1.4 Arbeitsmarkt ohne Impulse

Die ausbleibenden konjunkturellen Impulse beeinträchtigen nach und nach die Arbeitsmarktentwicklung wie auch die Aussichten. Der Beschäftigtenstand in Deutschland ist zwar ausgesprochen hoch. Allerdings schwächte sich die Zunahme zuletzt ab. Im Juli stieg die gesamte Erwerbstätigkeit mit saisonbereinigt + 4 000 Personen kaum noch. Dahinter stehen moderate Beschäftigungsrückgänge im Verarbeitenden Gewerbe, im Baugewerbe und auch im Handel, die durch zusätzliche Einstellungen in einigen Dienstleistungsbereichen gerade noch ausgeglichen wurden. Im Verarbeitenden Gewerbe werden zahlenmäßig stärkere Entlassungen durch langsam steigende Kurzarbeit verhindert. Hier arbeiteten im Juni 2,7 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verkürzt. In anderen Wirtschaftsbereichen spielt Kurzarbeit dagegen praktisch keine Rolle.

Arbeitsmarkt in Deutschland
Arbeitsmarkt in Deutschland

Die ausbleibende Konjunkturerholung wirkt sich in Teilen der gewerblichen Wirtschaft auf die Beschäftigungspläne der Unternehmen aus. Das ifo Beschäftigungsbarometer hatte sich zwar in der ersten Jahreshälfte nach zweijährigem Rückgang stabilisiert. In den Ferienmonaten fiel es aber erneut, nunmehr auf den tiefsten Stand seit der Pandemie. Im Verarbeitenden Gewerbe und im Handel sind die Beschäftigungserwartungen deutlich negativ. Allerdings ist das Bild anderer Frühindikatoren nicht so eindeutig. Das IAB-Beschäftigungsbarometer für die Gesamtwirtschaft ist stabiler und befindet sich weiter im positiven Bereich. Die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten offenen Stellen sank seit Mitte 2022 um gut ein Fünftel. Gleichzeitig ist sie immer noch recht hoch, und es bleibt schwierig und langwierig, Stellen zu besetzen. Für das heterogene Indikatorenbild dürfte auch der ausgeprägte Strukturwandel verantwortlich sein, der neben der bereits länger bestehenden Auftragsflaute in Teilen des Verarbeitenden Gewerbes, des Baugewerbes und des Handels einigen Sektoren eine starke Nachfrage beschert, etwa dem Gesundheits- und Pflegebereich, dem Bildungssektor oder der Energie- und Wasserversorgung. Insgesamt sind die Aussichten am Arbeitsmarkt derzeit relativ stabil.

Die Arbeitslosigkeit stieg im August kaum noch. In saisonbereinigter Rechnung waren 2,80 Millionen Arbeitslose registriert. Das waren lediglich rund 2 000 mehr als im Juli. In den Monaten zuvor waren die Anstiege deutlicher gewesen. Die Arbeitslosenquote blieb bei 6,0 %. Im Vorjahresvergleich nahm die Arbeitslosigkeit im konjunkturreagiblen Versicherungssystem des SGB III um 111 000 Personen zu, während der Zuwachs im Grundsicherungssystem (SGB II) mit 65 000 Personen kleiner ausfiel. Die gestiegene Arbeitslosigkeit ist in erster Linie ein Ergebnis der andauernden konjunkturellen Schwäche. Diese dürfte neben dem Anstieg im Versicherungssystem auch für einen Teil des Anstiegs im Grundsicherungssystem maßgeblich sein. Denn bei einigen Arbeitslosen lief der Versicherungsanspruch inzwischen aus. Die Integration von Zuwanderern in das deutsche Sozialversicherungssystem, die insbesondere 2022/23 für die Arbeitslosigkeit bedeutsam war, dürfte dagegen nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Das IAB-Barometer Arbeitslosigkeit lässt in den nächsten Monaten eine nur wenig ansteigende Arbeitslosigkeit erwarten.

1.5 Energierohstoffpreise zuletzt uneinheitlich

Die Energierohstoffpreise entwickelten sich zuletzt uneinheitlich. Die Rohölnotierungen gaben in den vergangenen Wochen deutlich nach. Ein Fass der Sorte Brent kostete zum Abschluss dieses Berichts 77 US-$ und damit rund 11 % weniger als noch im Juli. Maßgeblich dafür dürften vor allem Nachfragesorgen sowie der für 2025 erwartete Angebotsüberschuss auf dem globalen Ölmarkt sein. Preisstützend wirkten hingegen die Entscheidung einiger OPEC-Staaten und ihrer Partner, ihre angedachten Förderausweitungen vorerst zu verschieben, sowie Förderausfälle in Libyen und den USA. Der europäische Gaspreis zog wiederum aufgrund von Sorgen über die russischen Gaslieferungen durch die Ukraine zuletzt leicht an.

1.6 Inflationsrate sinkt im August auf 2,0 %

Auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen änderten sich die Preise zuletzt uneinheitlich. Im gewerblichen Inlandsabsatz zogen die Preise im Juli saisonbereinigt leicht an. Das galt sowohl bei Energie als auch bei anderen Waren. Die Einfuhrpreise gaben dagegen etwas nach. Dies lag zwar hauptsächlich an kräftig sinkenden Preisen für Energie, aber auch andere Waren verbilligten sich geringfügig. Verglichen mit dem Vorjahr unterschritten die gewerblichen Erzeugerpreise ihren damaligen Stand immer noch um etwa 1 %. Die Einfuhrpreise lagen dagegen in ähnlicher Größenordnung höher als im Vorjahr.

Die Inflationsrate sank im August überraschend deutlich. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex blieb saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat unverändert. Einerseits gaben die Preise für Energie deutlich nach. Dabei erholten sich die zuletzt gedämpften Gewinnmargen bei Mineralölprodukten wohl kaum. Und auch die Preise für andere Industriegüter sanken sichtbar. Andererseits verteuerten sich Nahrungsmittel leicht. Für Dienstleistungen musste insgesamt erneut deutlich mehr bezahlt werden als im Vormonat. Dies war auch auf Reiseleistungen zurückzuführen. Der Preisanstieg bei den weniger volatilen Dienstleistungskomponenten blieb zwar überdurchschnittlich, war aber nicht so kräftig wie in den Vormonaten. Unter dem Strich fiel die Teuerungsrate insgesamt in der Vorjahresbetrachtung erheblich, von 2,6 % auf 2,0 %. 3 Dabei wirkte der Anstieg der Energiepreise im Sommer 2023 dämpfend. Die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel sank weniger stark, von 3,3 % auf 3,0 %.

In den kommenden Monaten ist wieder mit höheren Inflationszahlen zu rechnen. Im September dürfte die Inflationsrate zunächst noch ähnlich niedrig sein wie im August. Denn die Energiepreise unterschreiten den Vorjahresstand wohl zunächst noch merklich. Danach zieht die Inflationsrate voraussichtlich wieder etwas an. Die Energiepreise, die im vergangenen Herbst deutlich gefallen waren, werden ab Oktober als Basiseffekt für sich genommen die Vorjahresrate erhöhen. Zudem könnten sich die eingeengten Gewinnmargen bei Mineralölprodukten erholen, was den zuletzt gesunkenen Rohölnotierungen entgegenwirken würde. Der zugrunde liegende Preisauftrieb dürfte sich zunächst aufgrund kräftig steigender Löhne von hohem Niveau aus kaum verringern.

Gesamt- und Kerninflation in Deutschland
Gesamt- und Kerninflation in Deutschland

2 Öffentliche Finanzen

2.1 Soziale Pflegeversicherung

Die soziale Pflegeversicherung verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 ein Defizit von 1 Mrd €. Es lag wegen Sondereffekten fast ½ Mrd € höher als im Vorjahreszeitraum. Ausschlaggebend waren die Zuführungen des hier betrachteten operativen Teils der Pflegeversicherung an den Vorsorgefonds. 4 Sie waren nämlich im Vorjahr ausgesetzt, im laufenden Jahr werden sie nachgeholt. Blendet man diese Zuführungen aus, stehen im ersten Halbjahr ein Überschuss von fast ½ Mrd € und eine Ergebnisverbesserung um 1 Mrd € zu Buche.

Finanzen der sozialen Pflegeversicherung
Finanzen der sozialen Pflegeversicherung

Die Einnahmen der Pflegeversicherung stiegen im ersten Halbjahr 2024 insbesondere infolge der Beitragssatzanhebung zur Jahresmitte 2023 stark. Der Anstieg der Beitragseingänge um gut 18 % gründete zu fast zwei Dritteln auf der Beitragssatzanhebung. Zugleich schlug sich die starke Zunahme der beitragspflichtigen Entgelte und Rentenzahlungen nieder. Dagegen endete der erst mit der Pflegereform 2022 eingeführte jährliche Bundeszuschuss von 1 Mrd €. Im Vorjahr war er fast vollständig im ersten Quartal geflossen, sodass die Einnahmen vom Bund nun stark sanken.

Die Ausgaben der Pflegeversicherung wuchsen im ersten Halbjahr 2024 weiterhin erheblich stärker als die beitragspflichtigen Entgelte und Renten. Insgesamt legten die Ausgaben um fast 15 % zu. Zieht man davon die Zuführungen an den Vorsorgefonds ab, stehen immer noch gut 10 % Zuwachs zu Buche. Dieser Anstieg geht nicht allein auf demografisch bedingt höhere Fallzahlen zurück. Hinzu kamen Anfang 2024 Leistungsanhebungen beim Pflegegeld und den Sachleistungen zur häuslichen Pflege sowie weiter abgesenkte Eigenanteile bei der stationären Pflege.

Für das Gesamtjahr 2024 ist ein deutliches Defizit angelegt, das zu einer Beitragssatzanhebung im nächsten Jahr führen könnte. So ist zu erwarten, dass die Ausgaben weiter deutlich steigen, wohingegen die Einnahmenzuwächse aus der Beitragssatzanhebung im zweiten Halbjahr auslaufen. Deshalb dürfte das Finanzergebnis in der zweiten Jahreshälfte anders als sonst üblich nicht besser ausfallen als im ersten Halbjahr. Die Rücklage, die Ende 2023 noch 2 Mrd € über der Untergrenze lag, droht dann diese zu unterschreiten. Damit stünde bereits im nächsten Jahr eine weitere Beitragssatzanhebung im Raum.

2.2 Gesetzliche Krankenversicherung

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 ein hohes Defizit von 8½ Mrd € – gut 2 Mrd € mehr als vor Jahresfrist. Der Großteil entfiel mit fast 6½ Mrd € auf den Gesundheitsfonds. Dieser setzt Rücklagen ein, um den Zusatzbeitragssatz zu stabilisieren, wie politisch beabsichtigt. Aber auch bei den Krankenkassen stand ein Defizit von 2 Mrd € zu Buche – nach lediglich ½ Mrd € vor Jahresfrist. Hier schlug insbesondere ein starker Zuwachs der Leistungsausgaben von gut 7½ % zu Buche. 5 Dieser lag deutlich über den Erwartungen des GKV-Schätzerkreises vom Herbst letzten Jahres (+ 6 %), auf dessen Basis die Krankenkassen ihre Zusatzbeitragssätze für 2024 festlegten.

Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung
Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung

Beim Gesundheitsfonds dürfte das Defizit im weiteren Jahresverlauf gegenüber dem Halbjahresstand zurückgehen und durch Rücklagen gut gedeckt sein. GKV-Beiträge auf Sonderzahlungen verbessern saisonüblich das Ergebnis zum Jahresschluss. Zudem dürften zunehmend beitragspflichtige Entgelte an die Stelle beitragsfreier Inflationsausgleichsprämien treten. Dies stützt die Aufkommensentwicklung zusätzlich. Das Defizit könnte damit den für das Gesamtjahr aus den Planungen abgeleiteten Wert von 4 Mrd € 6 erreichen. Die Rücklage, die Ende 2023 bei 9½ Mrd € gelegen hatte, würde dann Ende 2024 ihren Mindestwert von gut 4½ Mrd € weiter gut einhalten.

Bei den Krankenkassen ist die Lage dagegen deutlich angespannter. So stieg ihr durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz zu Jahresbeginn bereits deutlich auf das damals vom Gesundheitsministerium als kostendeckend errechnete Niveau von 1,7 %. Die Rücklagen der Krankenkassen lagen Ende 2023 insgesamt noch um gut 3 Mrd € über dem gesetzlichen Mindestbetrag für 2024. Bei Fortschreiben des Halbjahresdefizits ist der Abstand rechnerisch aufgezehrt. Ein entlastender Saisonfaktor wie beim Gesundheitsfonds besteht nicht, weil dieser monatlich gleiche Raten an die Krankenkassen überweist. Vor diesem Hintergrund hoben etliche Krankenkassen ihren Zusatzbeitragssatz bereits unterjährig spürbar an: Der Durchschnittssatz lag im August bei fast 1,8 %, und weitere Anhebungen sind bereits in Aussicht gestellt. 7

Zur weiteren Finanzentwicklung über das laufende Jahr hinaus berät der GKV-Schätzerkreis im Oktober. Im Anschluss berechnet das Gesundheitsministerium den kostendeckenden Zusatzbeitragssatz für 2025. Ein weiterer spürbarer Anstieg ist mit der voraussichtlich weiter starken Ausgabenentwicklung bereits angelegt.

Literaturverzeichnis

Bundesgesundheitsministerium (2024), Finanzentwicklung der GKV im 1. Halbjahr 2024.

Deutsche Bundesbank (2024), Kurzberichte, Monatsbericht, März 2024.

GKV-Spitzenverband (2024), GKV-Finanzen: Weiter „Augen zu und durch“ ist keine Option.

Statistisches Bundesamt (2024), Wiederaufnahme der Konjunkturberichterstattung im Handel und Dienstleistungsbereich, Pressemitteilung Nr. 332 vom 30. August 2024.

Fußnoten
  1. Vgl.: Statistisches Bundesamt (2024).
  2. Die Saisonbereinigung umfasst hier und im Folgenden auch die Ausschaltung von Kalendereinflüssen, sofern sie nachweisbar und quantifizierbar sind.
  3. Die Vorjahresrate des nationalen Verbraucherpreisindex sank von 2,3 % auf 1,9 %.
  4. Seit 2015 fließen regelgebunden Mittel an ein Sondervermögen, das im nächsten Jahrzehnt verwendet werden soll, um den erwarteten demografiebedingten Beitragssatzanstieg etwas abzumildern.
  5. Vgl. zur Entwicklung im Einzelnen: Bundesgesundheitsministerium (2024). Den Zuwachs der Leistungsausgaben der Krankenkassen überlagern im Schaubild 1.6 im ersten Quartal abklingende Sonderausgaben des Gesundheitsfonds (vor allem für Energiepreishilfen und Coronatests). Auslaufende diesbezügliche Erstattungen des Bundes dämpften auch die Einnahmenentwicklung der GKV.
  6. Vgl.: Deutsche Bundesbank (2024).
  7. Vgl.: Bundesgesundheitsministerium (2024) und GKV-Spitzenverband (2024).