Was steckt hinter dem mehrjährigen Rückgang der deutschen Exportmarktanteile? Monatsbericht – Juli 2025

Monatsbericht

Die schwache Entwicklung der deutschen Ausfuhren in den letzten Jahren ging mit deutlichen Marktanteilsverlusten der deutschen Exportwirtschaft einher. Die deutschen Exportmarktanteile sind seit 2017 rückläufig und gerieten im Vergleich zu anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften seit 2021 zunehmend ins Hintertreffen. Damit trugen die Marktanteilsverluste erheblich zur Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft bei. 

Ein neuartiger Ansatz dient dazu, die Entwicklung der Exportmarktanteile Deutschlands in Nachfrage- und Angebotseffekte zu zerlegen. Zwei nachfrageseitige Effekte erfassen, ob Produkte oder Länder, auf die sich Deutschland spezialisierte, besonders stark oder schwach wuchsen. Zudem zeigen zwei angebotsseitige Effekte, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nach Produktgruppen oder Zielmärkten veränderte. Die so ermittelte Wettbewerbsposition eines Landes stellt die offenbarte Wettbewerbsfähigkeit dar. Sie leitet sich von der Exporttätigkeit ab und kann sowohl preisliche als auch nicht-preisliche Faktoren umfassen. Damit bildet sie ein breiteres Konzept als die geläufigen Indikatoren zur preislichen Wettbewerbsfähigkeit.

Mehr als drei Viertel der Exportmarktanteilsverluste zwischen 2021 und 2023 gingen darauf zurück, dass sich die Wettbewerbsposition deutscher Exporteure bei Produkten verschlechterte. Dabei war die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit sektoral breit gefächert. Dies legt nahe, dass grundlegende, angebotsseitige Probleme der deutschen Volkswirtschaft eine Rolle spielten. Der Maschinenbau, die Elektroindustrie und energieintensive Branchen wie die Chemieindustrie trugen zum Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit am meisten bei. Das zeitliche und sektorale Profil der Wettbewerbsverluste deutet darauf hin, dass die Lieferkettenprobleme und Energiepreisanstiege besonders belasteten. Darüber hinaus dämpften produktspezifische Nachfrageeffekte die Entwicklung der deutschen Exportmarktanteile. Dies lag vor allem an der schwachen globalen Nachfrage nach Kraftwagen und Kraftwagenteilen sowie nach Luftfahrttechnik. Insgesamt weisen die Ergebnisse auf angebotsseitige Probleme der deutschen Wirtschaft hin.

1 Jüngste Exportschwäche und Marktanteilsverluste

Die schwache Entwicklung der deutschen Ausfuhren der letzten Jahre ging mit einer schwunglosen Auslandsnachfrage und deutlichen Marktanteilsverlusten einher. Das Wachstum der deutschen Exporte verlangsamte sich vor der Coronavirus-Pandemie und war insbesondere in den letzten Jahren sehr schwach. Dazu trug zum einen eine verhaltene Auslandsnachfrage bei. Das jahresdurchschnittliche Wachstum der deutschen Absatzmärkte halbierte sich seit 2018 im Vergleich zu den Jahren zuvor. Zudem entwickelten sich die deutschen Ausfuhren seitdem deutlich schwächer als die Auslandsnachfrage. Entsprechend verlor die deutsche Exportwirtschaft Anteile auf dem Weltmarkt.  

Die deutschen Exportmarktanteile sanken seit 2017 und entwickelten sich im internationalen Vergleich seit 2021 besonders schwach. Nach der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise waren die deutschen Exportmarktanteile bis 2016 praktisch stabil geblieben und hatten sich damit vergleichsweise günstig entwickelt.  

Nominale Weltmarktanteile bei Warenexporten
Nominale Weltmarktanteile bei Warenexporten

Die Marktanteilsverluste der deutschen Exportwirtschaft trugen zur Wachstumsschwäche der deutschen Volkswirtschaft in den letzten Jahren deutlich bei. Dies legen Simulationsrechnungen mithilfe des makroökonomischen Modells der Bundesbank (BbkM-DE) nahe. 1 Demnach wäre das deutsche BIP zwischen 2021 und 2024 um insgesamt 2,4 Prozentpunkte stärker gewachsen, wenn die deutschen Ausfuhren im Einklang mit den Absatzmärkten – das heißt ohne Marktanteilsverluste – gestiegen wären. Insbesondere 2022 waren die BIP-Einbußen aufgrund der Marktanteilsverluste mit 1,3 Prozentpunkten erheblich. Aber auch im vergangenen Jahr waren diese BIP-Verluste mit 0,8 Prozentpunkten noch sehr kräftig. 2

Exporte, Absatzmärkte und Wachstumseinbußen aufgrund von Marktanteilsverlusten der deutschen Exportwirtschaft
Exporte, Absatzmärkte und Wachstumseinbußen aufgrund von Marktanteilsverlusten der deutschen Exportwirtschaft

Ein besseres Verständnis der Gründe für die Marktanteilsverluste ist wichtig, um wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen zu ziehen. Konzeptionell können Marktanteilsverluste verschiedene Gründe haben. Zum einen könnte eine Nachfrageschwäche die deutsche Exportwirtschaft aufgrund ihres spezifischen Warenmixes oder der Zusammensetzung der Handelspartner besonders beeinträchtigt haben. Zum anderen können Marktanteilsverluste damit zusammenhängen, dass sich die Wettbewerbsposition verschlechterte. Einbußen bei der Wettbewerbsfähigkeit können bei bestimmten Produkten oder Partnerländern besonders stark auftreten, was Hinweise auf die zugrunde liegenden Ursachen geben kann. Wenn beispielsweise vor allem angebotsseitige Faktoren für die Marktanteilsverluste bei vielen Produkten verantwortlich sind, spricht vieles dafür, dass es den Rahmenbedingungen für die Unternehmen insgesamt in Deutschland geschuldet ist. Wettbewerbs- oder Nachfrageprobleme bei Produkten einzelner Branchen oder bestimmten Zielländern würden zusätzliche Hinweise auf spezifische Herausforderungen liefern. 

2 Ungünstige Entwicklung wichtiger Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit

In der jüngeren Vergangenheit gab es einige Schocks im außenwirtschaftlichen Umfeld, die die deutschen Unternehmen besonders beeinträchtigten. Dazu zählen die globalen Lieferkettenstörungen im Zuge der Coronavirus-Pandemie, die insbesondere Industrieunternehmen in Deutschland stark trafen. Laut Umfragen der Europäischen Kommission hatten in Deutschland 2021 und 2022 erheblich mehr Unternehmen mit Lieferengpässen zu kämpfen als in anderen europäischen Ländern. Entsprechend schwach entwickelten sich die deutschen Exporte in diesen Jahren. Hinzu kamen die seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestiegenen Energiepreise. Die Endkundenpreise für Gas und Strom für Industrieunternehmen in Deutschland stiegen im internationalen Vergleich besonders kräftig. Dies belastete in den letzten Jahren vor allem die Ausfuhren energieintensiver Wirtschaftszweige in Deutschland. 

Materialengpässe in der EU und internationale Energiepreise
Materialengpässe in der EU und internationale Energiepreise

China trat auf dem Weltmarkt zunehmend als Konkurrent deutscher Unternehmen in Erscheinung. Dies spürte beispielsweise die deutsche Automobilindustrie. 3 Diese Entwicklung beschränkte sich aber nicht auf diese Branche. 4 Die deutsche Exportwirtschaft verlor seit 2019 bei seinen wichtigsten Handelspartnern tendenziell dort mehr Marktanteile, wo China welche aufbaute. In den Jahren zuvor hatte es den negativen Zusammenhang zwischen dem Wachstum der Marktanteile der deutschen und chinesischen Exportwirtschaft bei wichtigen deutschen Handelspartnern noch nicht gegeben. 

Exportmarktanteile auf wichtigen Absatzmärkten Deutschlands
Exportmarktanteile auf wichtigen Absatzmärkten Deutschlands

Zudem gab es strukturelle Entwicklungen im Inland, die die deutsche Wirtschaft belasteten. Dazu zählt der in Deutschland besonders ausgeprägte demografische Wandel, der in den letzten Jahren den Arbeits- und Fachkräftemangel verstärkte. 5 Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass in Deutschland nicht nur während konjunktureller Hochphasen besonders viele Unternehmen über Arbeitskräftemangel klagen. Trotz Industrieflaute in den letzten beiden Jahren galt dies beispielsweise auch für viele Unternehmen im deutschen Verarbeitenden Gewerbe. Der trotz der jüngsten Abkühlung angespannte Arbeitsmarkt dürfte ein Grund für den Lohndruck sein, der im Zusammenspiel mit der schwachen Produktivitätsentwicklung die Lohnstückkosten in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern im Euroraum in den letzten Jahren stark erhöhte. 6 Hinzu kommen die Bürokratie- und Steuerbelastungen, die laut Umfragen der Europäischen Investitionsbank die Investitionen von mehr als der Hälfte der Unternehmen erheblich dämpften. 7 Seit 2022 sahen anteilig immer mehr Unternehmen in Deutschland darin ein Investitionshemmnis. 

Belastungsfaktoren der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Vergleich
Belastungsfaktoren der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Vergleich

3 Schwache Exportentwicklung bei wichtigen Warengruppen und Handelspartnern

Die Ausfuhren einiger für Deutschland bedeutsamen Waren entwickelten sich in den letzten Jahren schwach. Die Exporte von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen sanken tendenziell seit 2017, auch wenn sie nach der Coronavirus-Krise, als die Lieferengpässe abflauten, zwischenzeitlich kräftig zulegten. 8 Die Ausfuhren von Maschinen blieben nach dem der Coronavirus-Krise folgenden Aufholprozess schwunglos. Zudem erholten sich die Exporte von sonstigen Fahrzeugen nicht vom Einbruch des Jahres 2020. 9 Seit 2022 dämpften auch die gesunkenen Ausfuhren energieintensiver Erzeugnisse, darunter Chemie- sowie Eisen- und Stahlprodukte, die Gesamtexporte. 10 Darüber hinaus schwächten sich seit 2023 die Lieferungen von weiteren wichtigen Exportwaren wie Elektronik und Elektrotechnik ab. 11

Struktur deutscher Exporte
Struktur deutscher Exporte

Einige Handelspartner Deutschlands hatten in den letzten Jahren wirtschaftliche Probleme. Nach dem Brexit-Referendum verminderte sich bis 2021 der Absatz der deutschen Exporteure im Vereinigten Königreich im Gegensatz zum Durchschnitt der Abnehmerländer. 12 Zudem brachen die nominalen Ausfuhren nach Russland 2022 ein. 13 Währenddessen stiegen die Erlöse aus den Exportgeschäften mit den Euro-Ländern kräftig und noch stärker mit den übrigen mittel- und osteuropäischen Ländern sowie den USA. 14 Seit 2023 schwächten sich die Ausfuhren allerdings regional breit gefächert ab. Dabei gingen die Lieferungen in den Euroraum dem Wert nach deutlich zurück. Besonders stark sanken die Exporte nach China. 15 Zudem fehlten zuletzt Impulse von den anderen Absatzmärkten Süd- und Ostasiens sowie Mittel- und Osteuropas. 

4 Neue empirische Erkenntnisse über Triebkräfte der deutschen Exportmarktverluste

Die Entwicklung der deutschen Exportmarktanteile lässt sich durch eine Zerlegung in Nachfrage- und Angebotseffekte systematisch analysieren. 16 Mithilfe eines empirischen Modells kann unter gewissen Annahmen untersucht werden, inwieweit Marktanteilsgewinne oder -verluste auf Nachfrageentwicklungen oder veränderte Wettbewerbsfähigkeit zurückzuführen sind. Dabei erweitert die hier genutzte Methode die in der Literatur standardmäßig verwendete Zerlegung. Dadurch lässt sich ein besseres Verständnis der Gründe für Veränderungen der Wettbewerbsfähigkeit gewinnen (vgl. dazu den Exkurs Zerlegung der Veränderungen von Exportmarktanteilen – Detaillierte Methodik). 17 Konkret werden vier Effekte unterschieden. Zwei nachfrageseitige Effekte zeigen, ob sich ein Land auf Produkte (Produkt-Nachfrageeffekt) oder Handelspartner (Partner-Nachfrageeffekt) spezialisierte, deren Märkte besonders stark oder schwach wuchsen. Zwei angebotsseitige Effekte erfassen, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes in einzelnen Produktgruppen (Produkt-Angebotseffekt) oder auf bestimmten Zielmärkten (Partner-Angebotseffekt) verändert hat. Sie spiegeln die relative Performance bestimmter Wirtschaftsbereiche eines Landes beziehungsweise aller Wirtschaftsbereiche eines Landes in bestimmten Märkten wider. Die Angebotseffekte lassen Rückschlüsse auf die internationale Wettbewerbsposition zu. Beispiele für solche Effekte wären im Fall von Deutschland:

  • Produkt-Nachfrageeffekt: Die globale Nachfrage für ein für Deutschland wichtiges Exportgut (zum Beispiel Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor) ist schwach.

  • Partner-Nachfrageeffekt: Ein Zielland, dass für Deutschland wichtiger ist als für andere Länder, geht durch eine konjunkturelle Schwächephase, die die Importnachfrage dämpft.

  • Produkt-Angebotseffekt: Deutschland fällt beim Export bestimmter Produkte im Vergleich zu anderen Anbietern zurück, zum Beispiel weil sich die Produktionskosten in Deutschland ungünstiger entwickeln oder Wettbewerber technisch aufholen.

  • Partner-Angebotseffekt: Die deutschen Ausfuhren in ein Zielland entwickeln sich vergleichsweise schwach, zum Beispiel weil (wie im Fall des Brexits für das Vereinigte Königreich) die Handelskosten für deutsche (und EU-)Exporteure im Vergleich zu den Kosten Dritter steigen. 18

Die Analyse stützt sich auf den umfangreichen BACI-Handelsdatensatz des französischen Forschungsinstituts CEPII für den Zeitraum 2000 bis 2023 (jüngster Datenstand).

Exkurs

Zerlegung der Veränderungen von Exportmarktanteilen – Detaillierte Methodik

Die Entwicklung der internationalen Wettbewerbsposition eines Landes lässt sich durch eine Aufteilung der Veränderung seiner Exportmarktanteile systematisch erfassen. Dieser Exkurs erläutert technische Details des Vorgehens im Haupttext. Ziel ist es, die Veränderungen in angebots- und nachfrageseitige Komponenten zu untergliedern. Grundlage bilden die Methode von Gaulier et al. (2013) sowie zum Beispiel Cheptea et al. (2005). Damit lassen sich Marktanteilsveränderungen in geografische und produktspezifische Nachfragekompositionseffekte sowie einen aggregierten Wettbewerbseffekt je Exporteur zerlegen. Die hier vorgestellte Vorgehensweise erweitert diesen Ansatz, indem der Wettbewerbseffekt für jeden Exporteur zusätzlich in produkt- beziehungsweise partnerspezifische Beiträge aufgespalten wird. 1 Dies ermöglicht eine detailliertere und differenziertere Bewertung der internationalen Wettbewerbsposition eines Landes. Es lassen sich gezielt jene Produkte oder Handelspartner identifizieren, in denen sich die Wettbewerbslage besonders deutlich verbesserte oder verschlechterte. 

Die Analyse detaillierter Handelsdaten ermöglicht eine präzise Abbildung der Exportdynamik. Zugrunde liegt der BACI-Datensatz des französischen Forschungsinstituts CEPII. 2 Er basiert auf den bei UN COMTRADE gemeldeten Handelsdaten und enthält Informationen zu bilateralen Warenströmen auf sechsstelliger Warennummernebene gemäß dem Harmonisierten System (HS). 3 Diese Detailtiefe ermöglicht eine differenzierte Untersuchung der Exportentwicklung, setzt jedoch eine präzise Trennung zweier Komponenten voraus: bestehende Handelsbeziehungen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren (intensive Marge) und Markteintritte oder -austritte auf Produkt-Zielland-Ebene (extensive Marge). Um beide Komponenten zu erfassen, wird eine symmetrische Wachstumsmaßzahl verwendet: die Mid-Point Growth Rate – im Folgenden der Einfachheit halber als Wachstumsrate bezeichnet. 4

Zur Schätzung der angebots- und nachfrageseitigen Effekte wird das Wachstum des Exportwerts auf der tiefsten Beobachtungsebene – die Kombination aus Exporteur, Importeur und Produkt – in mehrere Bestandteile aufgespalten. Im Rahmen einer gewichteten linearen Regression werden diese Bestandteile separat für jedes Jahr als fixe Effekte geschätzt. Die Gleichung für die Wachstumsrate der bilateralen Exporte \( g_{ijkt} \) zwischen Herkunftsland \( i \) und Zielland \( j \) für Produkt \( k \) zum Zeitpunkt \( t \) lässt sich spezifizieren als:

 $$ g_{ijkt} = c_{welt,t}+c_{kt}+d_{jt}+\alpha_{jkt}+\beta_{ikt}+\gamma_{ijt}+\varepsilon_{ijkt} $$  

Die Konstante \( c_{welt,t} \) entspricht der Wachstumsrate der weltweiten Exporte. Auf der Nachfrageseite erfassen \(c_{kt}\) und \( d_{jt} \) produkt- beziehungsweise partnerspezifische Abweichungen vom globalen Mittelwert, während \(\alpha_{jkt} \) importeur- und produktspezifische Nachfrageeffekte abbildet. Angebotsseitig spiegelt \( \beta_{ikt} \) exporteur- und produktspezifische Einflüsse wider, und \( \gamma_{ijt} \) erfasst bilaterale Einflüsse zwischen Exporteur und Importeur. 5 Die Residualkomponente \( \varepsilon_{ijkt} \) erfasst weitere, nicht im Modell erklärbare Schwankungen. 6

Die Änderungsrate des Weltmarktanteils eines Landes lässt sich näherungsweise durch die geschätzten angebots- und nachfrageseitigen Faktoren darstellen. Im Mittelpunkt steht die Frage, warum ein Land im Zeitverlauf Marktanteile gewann oder verlor. Näherungsweise ergibt sich die Änderungsrate des Weltmarktanteils aus der Differenz zwischen der Exportwachstumsrate eines Landes \( g_{it} \)und dem globalen Exportwachstum \( c_{welt,t} \). 7 Diese Differenz lässt sich durch die gewichtete Aggregation der auf granularer Ebene geschätzten Effekte ausdrücken:

   $$ g_{it} – c_{welt,t}=\sum_{k} w_{ikt}c_{kt} + \bigl(\sum_{j} w_{ijt}d_{jt} + \sum_{j,k} w_{ijkt}\alpha_{jkt}\bigr) + \sum_{k} w_{ikt}\beta_{ikt} + \sum_{j} w_{ijt}\gamma_{ijt} $$  $$= DP_{it} + DC_{it} + SP_{it} + SC_{it} $$ 

Dabei sind die Gewichte \( w_{ikt} \)\( w_{ijkt} \) und \( w_{ijt} \) die jeweiligen Exportanteile. \( DP_{it} \) (Demand Product) und \( DC_{it} \) (Demand Country) sind die Produkt- beziehungsweise Partner-Nachfrageeffekte eines Landes \( i \). 8  \( SP_{it} \) (Supply Product ) und \( SC_{it} \) (Supply Country) stellen die Produkt- beziehungsweise Partner-Angebots- oder Wettbewerbseffekte eines Landes\( i \) dar. 

Ergänzend lässt sich nachvollziehen, inwieweit die Marktanteilsveränderung eines Landes und die ihr zugrunde liegenden Komponenten auf preisliche Anpassungen oder mengenmäßige Verschiebungen zurückgehen. 9 Änderungen des logarithmierten Exportwerts lassen sich exakt in Preis- und Mengenkomponenten aufteilen. 10 Diese Beziehung wird genutzt, um für jede Exportbeziehung zu bestimmen, zu welchem Anteil die Veränderung auf Mengen oder Preise zurückgeht. 11 Anschließend werden die so ermittelten Gewichte auf die geschätzten fixen Effekte angewandt und aggregiert. So lassen sich alle vier Komponenten der Marktanteilszerlegung (\( DP_{it}, DC_{it}, SP_{it} \) und \( SC_{it} \)) in Preis- und Mengenanteile aufspalten. 

Die im Rahmen dieser Modellanalyse ermittelte Wettbewerbsposition eines Landes stellt die offenbarte Wettbewerbsfähigkeit dar. Sie leitet sich von den tatsächlichen Änderungen der Exportmarktanteile mithilfe granularer Daten zu Produkten nach Zielländern ab. Die Wettbewerbsposition wird anhand der Entwicklung der Exporte eines Landes im Vergleich zu allen anderen Ländern der Welt geschätzt. Dabei wird für nachfrageseitige Faktoren kontrolliert. Die so ermittelte angebotsseitige Performance spiegelt sowohl preisliche als auch nicht-preisliche Aspekte der Wettbewerbsfähigkeit wider. Damit kann die offenbarte Wettbewerbsfähigkeit einzelner Sektoren und gegenüber jedem Handelspartner analysiert werden. Sie unterscheidet sich von geläufigen Indikatoren zur preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Beispielsweise orientiert sich der Bundesbank-Indikator der gesamtwirtschaftlichen preislichen Wettbewerbsfähigkeit am realen Wechselkurs eines Landes. 19 Er zeigt an, wie sich die Preise für inländische Güter im Verhältnis zu ausländischen Gütern entwickeln. Dabei werden in der Regel Preisindizes für die Gesamtwirtschaft genutzt. Der Bezug von realen Wechselkursen zur Exporttätigkeit muss dann anhand weitergehender Analysen abgeschätzt werden. Auch Indikatoren zur nicht-preislichen Wettbewerbsfähigkeit, die häufig bestimmte Standortfaktoren abgreifen, auch qualitative Maße beinhalten und je nach Datenproduzent recht unterschiedlich abgegrenzt sein können, lassen nicht direkt auf die Exporttätigkeit schließen. Dieser Zusammenhang muss bei Bedarf in einem eigenen Schritt hergestellt werden.

5 Großteil der Marktanteilsverluste wegen Einbußen bei der Wettbewerbsfähigkeit

Für die rückläufigen Exportmarktanteile Deutschlands spielte vor allem eine Rolle, dass die deutsche Wettbewerbsfähigkeit bei bestimmten Produktgruppen nachließ. 20 Etwa drei Viertel des Rückgangs seit 2017 – und ein noch höherer Anteil seit 2021 – lassen sich auf angebotsseitige Effekte zurückführen. 21 Diese resultierten fast ausschließlich daraus, dass deutsche Exporteure im internationalen Vergleich bei bestimmten Produktgruppen an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Verluste waren 2021 und 2022 besonders groß. Ab 2021 schwächte sich zusätzlich die Wettbewerbsfähigkeit auf bestimmten Absatzmärkten – aber in geringerem Umfang als bei Produkten – ab. Insgesamt legen diese Ergebnisse nahe, dass die Marktanteilsverluste zu einem Gutteil angebotsseitige Schwächen der deutschen Wirtschaft widerspiegeln. 22

Zerlegung der deutschen Exportmarktanteile
Zerlegung der deutschen Exportmarktanteile

Die Spezialisierung der deutschen Exportwirtschaft auf Produkte mit unterdurchschnittlichem globalen Nachfragewachstum erklärt gut ein Drittel der gesamten Marktanteilsverluste seit 2017. 23 Der deutsche Exportwarenmix war in der jüngeren Vergangenheit demnach eher ein Nachteil. Allerdings zeigen die Ergebnisse für 2023 auch, dass die deutsche Wirtschaft von ihrem bestehenden Produktportfolio profitieren kann. Die dämpfenden Effekte des Produktportfolios der vergangenen Jahre sind also nicht zwingend auf strukturelle Verschiebungen der globalen Nachfrage zurückzuführen, sondern könnten auch auf die außergewöhnlichen großen Schocks der vergangenen Jahre zurückgehen. Nachfrageseitig spielte die geografische Ausrichtung der deutschen Exporte in den letzten Jahren dagegen keine besondere Rolle für die rückläufigen Exportmarktanteile. Sie stützte die deutschen Exportmarktanteile zuletzt allenfalls leicht.

Die deutschen Exportmarktanteilsverluste seit 2017 sind praktisch ausschließlich auf rückläufige Absatzmengen zurückzuführen. 24 Unter bestimmten Annahmen lassen sich die wertmäßigen Veränderungen der Marktanteile in Preis- und Mengeneffekte zerlegen. So wird sichtbar, ob Marktanteilsverluste oder ‑gewinne durch veränderte Preise oder Absatzmengen verursacht wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass mit Ausnahme von 2023 in jedem Jahr die Mengeneffekte dämpften. Die Marktanteilsverluste waren also mengenmäßig und nicht lediglich eine Folge ungünstiger Preisbewegungen. Die Preiseffekte schwankten dagegen zwar erheblich, waren aber im Durchschnitt nicht nennenswert. In den von stark steigenden Energie- und Rohstoffpreisen geprägten Jahren 2021 und 2022 schlugen negative Preiseffekte zu Buche. Sie blieben betragsmäßig jedoch deutlich hinter den jeweiligen Mengenbewegungen zurück. 25 Die Gegenbewegung bei den Marktanteilen 2023 war überwiegend Preiseffekten geschuldet. Daten für 2024 zeigen passend dazu, dass die Erholung 2023 nicht nachhaltig war, da erneut Marktanteile verloren gingen. 

Zerlegung der deutschen Exportmarktanteile in Preis- und Mengeneffekte
Zerlegung der deutschen Exportmarktanteile in Preis- und Mengeneffekte

6 Muster der Marktanteilsverluste mit Hinweisen auf ökonomische Einflussfaktoren

Aus dem zeitlichen, sektoralen und geografischen Muster der Marktanteilsverluste lassen sich Rückschlüsse auf ihre wesentlichen Einflussfaktoren ziehen. Dazu werden die Produkt- und Partner-Effekte nach Erzeugnissen beziehungsweise Zielländern weiter aufgeteilt. Auch dabei werden jeweils die angebotsseitigen und nachfrageseitigen Effekte unterschieden. Insgesamt ergeben sich also vier weiter differenzierte Zerlegungen, zu denen jeweils das zeitliche Profil hinzukommt. Dies ergibt eine hinreichende Auffächerung, um naheliegende Erklärungsfaktoren auf ihre Plausibilität zu prüfen.

Auf grundlegende, angebotsseitige Probleme weist hin, dass deutsche Exporteure bei zahlreichen Produkten an Wettbewerbsfähigkeit einbüßten. In mehr als drei Vierteln der knapp 100 Produktkategorien auf HS-2-Steller-Ebene sank die Wettbewerbsfähigkeit zwischen 2017 und 2023. Dies weist auf grundlegende strukturelle Herausforderungen der deutschen Wirtschaft hin, die die preisliche und nicht-preisliche Wettbewerbsfähigkeit belasteten. 26 Dazu dürften einige der eingangs genannten Faktoren wie Arbeitskräftemangel, relativ stark steigende Lohnstückkosten, zunehmende Bürokratielasten oder auch wachsender Wettbewerbsdruck durch China zählen.

Das Muster der Wettbewerbsfähigkeitsrückgängelegt nahe, dass Lieferkettenprobleme und stark gestiegene Energiepreise maßgeblich waren. 27  Die größten Beiträge zu den Einbußen bei der Wettbewerbsfähigkeit 2021/22 leisteten Mittelhoch- und Hochtechnologiegüter, insbesondere der Maschinenbau und die Elektroindustrie, sowie energieintensive Bereiche wie Teile der Chemie- und Metallindustrie. Zum einen dürften die anhaltenden Störungen der globalen Lieferketten infolge der Coronavirus-Pandemie gerade bei komplexen Vorleistungsstrukturen im Maschinen- und Elektrobereich ins Gewicht gefallen sein. 28 Zum anderen belasteten die seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stark gestiegenen Energiepreise vor allem die Kostenposition energieintensiver Branchen. 29 Beide Entwicklungen betrafen Deutschland besonders stark. Hingegen verbesserte sich die Wettbewerbsfähigkeit bei Produkten der Luft- und Raumfahrttechnik leicht. 2023 erholte sich die Wettbewerbsfähigkeit einiger Branchen, was insbesondere mit den auslaufenden Lieferkettenstörungen sowie sich ermäßigenden Energiepreisen zusammenhängen dürfte. Allerdings wurden die Einbußen bei der Wettbewerbsposition der Vorjahre bei Weitem nicht ausgeglichen. 

Zerlegung des deutschen Produkt-Angebotseffekts
Zerlegung des deutschen Produkt-Angebotseffekts

Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen zeigten sich in der Automobilindustrie laut Analyse bis 2023 keine nachhaltigen Veränderungen der Wettbewerbsfähigkeit. Lediglich 2019 deuteten Wettbewerbsverluste bei Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen auf angebotsseitige Herausforderungen hin. Sie standen möglicherweise im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Abgasmessverfahrens, nach der es bei einigen deutschen Marken zu Lieferproblemen kam. 30

Die durch den Brexit ausgelösten Hemmnisse im Handel mit dem Vereinigten Königreich und der Einbruch der Ausfuhren nach Russland infolge des Krieges gegen die Ukraine schwächten die länderspezifische Wettbewerbsposition deutscher Exporteure deutlich. 31 Die Exporte Deutschlands wie auch der übrigen EU-Länder in das Vereinigte Königreich gingen aufgrund der Handelsbarrieren und der bürokratischen Hürden nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs überdurchschnittlich stark zurück, auch wenn sich die negativen Beiträge 2023 abschwächten. Nicht-EU-Länder dürften angesichts der unveränderten Handelsbarrieren gegenüber dem Vereinigten Königreich im Vergleich zu den EU-Ländern in diesem Markt an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen haben. Zugleich brachen die Ausfuhren nach Russland infolge des Krieges gegen die Ukraine und der folgenden Sanktionen 2022/23 deutlich ein. Alternative Lieferanten bedienten mitunter russische Abnehmer. Der dämpfende Beitrag Asiens und Ozeaniens rührte 2022 vor allem daher, dass deutsche Exporteure auf dem chinesischen Exportmarkt an Wettbewerbsfähigkeit einbüßten. 32 Im Gegensatz dazu gelang es deutschen Unternehmen, ihre Wettbewerbsposition in der EU sowie auf dem US-Markt auszubauen. In der Gesamtschau dämpften die partnerspezifischen Angebotseffekte daher nur wenig.

Zerlegung des deutschen Partner-Angebotseffekts
Zerlegung des deutschen Partner-Angebotseffekts

Die vergleichsweise schwache globale Nachfrage nach Produkten, auf die die deutsche Exportstruktur ausgerichtet ist, insbesondere Kraftfahrzeuge und Luftfahrttechnik, führte per saldo zu Marktanteilsverlusten. Ein bedeutender Faktor war die globale Nachfrage nach Kraftwagen und Kraftwagenteilen. 33 Die weltweiten Autoverkäufe stagnierten seit 2016 weitgehend und gingen bereits 2019 deutlich zurück. Dafür spielte unter anderem die Sättigung der großen Märkte wie China eine Rolle. 2020 und 2021 verschärften die Coronavirus-Pandemie und globale Lieferengpässe, insbesondere bei Halbleitern, die Absatzprobleme. 34 Erst 2023 erholte sich der Markt wieder, und die Verkäufe übertrafen das Niveau vor Ausbruch der Pandemie. Auch die globale Nachfrage nach Gütern der Luft- und Raumfahrttechnik schwächte sich zeitweise ab. Die pandemiebedingten Reisebeschränkungen verminderten die Nachfrage nach neuen Flugzeugen. Die Nachfrage nach Produkten des Pharmasektors war dagegen insbesondere während der Coronavirus-Pandemie stark.

Zerlegung des deutschen Produkt-Nachfrageeffekts
Zerlegung des deutschen Produkt-Nachfrageeffekts

Die wachsende Nachfrage auf den Absatzmärkten, auf die die deutsche Exportstruktur ausgerichtet ist, stützte die deutschen Exportmarktanteile 2017 bis 2023 insgesamt leicht. 35 Ausschlaggebend war das anhaltend solide Importwachstum innerhalb der EU. Dank ihres hohen Gewichts in der deutschen Exportstruktur lieferten die EU-Importe wiederholt positive Impulse. Seit 2021 kamen teils gegenläufige Nachfrageimpulse aus anderen Ländern. Während Impulse angeführt von China bis einschließlich 2020 Rückenwind boten, bremste die chinesische Nachfrage zuletzt zunehmend die deutschen Ausfuhren. 36 Auch die schwächere Nachfrage im Vereinigten Königreich nach dem Brexit-Referendum dämpfte für sich genommen die deutsche Marktanteilsentwicklung.

Zerlegung des deutschen Partner-Nachfrageeffekts
Zerlegung des deutschen Partner-Nachfrageeffekts

7 Im internationalen Vergleich zuletzt hohe Wettbewerbsfähigkeitsverluste Deutschlands

Von 2001 bis 2016 verlor Deutschland – anders als beispielsweise Frankreich, das Vereinigte Königreich, die USA oder der übrige Euroraum – kaum Exportmarktanteile wegen produktspezifischer Wettbewerbsfähigkeit. 37 Deutschland hob sich in dieser Periode deutlich von dieser Vergleichsgruppe ab. Haupttriebkraft der Marktanteilsverluste dieser Länder war, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit vor allem bei mittel- und hochtechnologischen Industriegütern sank. Zeitlich fielen diese Entwicklungen mit der rückläufigen Wertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe vieler fortgeschrittener Volkswirtschaften und dem „China-Schock“ zusammen. 38 Denn gleichzeitig erzielte China erhebliche Weltmarktanteilsgewinne, da sich seine Wettbewerbsfähigkeit in den Bereichen der mittel- und hochtechnologischen Industriegüter (und teilweise bei leichten Industrie- und Konsumgütern) erheblich verbesserte.

Zerlegung der Exportmarktanteile ausgewählter Länder
Zerlegung der Exportmarktanteile ausgewählter Länder

Seit 2017 büßte Deutschland sein früheres Alleinstellungsmerkmal bei der Entwicklung der Exportmarktanteile ein und schnitt insbesondere seit 2021 aufgrund deutlicher Verluste der Wettbewerbsfähigkeit schwächer als andere fortgeschrittene Volkswirtschaften ab. Während die deutsche Wirtschaft zuvor ziemlich wettbewerbsfähig war, beeinträchtigten produktspezifische Angebotsschwächen seit 2017 die Marktanteile ähnlich stark wie in den anderen Ländern. Dies verschlimmerte sich seit 2021. Umgekehrt ließen die angebotsseitigen Belastungen der Marktanteile anderer fortgeschrittener Volkswirtschaften – mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs wegen des Brexits – im Zeitverlauf und insbesondere seit 2021 nach. Dank günstiger produkt- und partnerspezifischer Nachfrage konnten Frankreich und der Euroraum ohne Deutschland ihre Exportposition stabilisieren, die USA ihre Marktanteile sogar verbessern. China baute seine produktspezifische Wettbewerbsfähigkeit weiter aus, jedoch nicht genug, um den inzwischen bremsenden Nachfrageeffekten entgegenzuwirken. Die chinesischen Marktanteile waren zwischen 2021 und 2023 leicht rückläufig. 39 Dies dürfte aber auch daran liegen, dass die Produktion – nach den im internationalen Vergleich früh und strikt umgesetzten Lockdowns – zunächst rasch wieder anlief, und sich die Nachfrage nach medizinischen Masken und anderen Medizingütern normalisierte.

8 Fazit

Eine neuartige Zerlegung des Rückgangs der deutschen Exportmarktanteile zeigt, dass die deutsche Exportwirtschaft seit 2021 erheblich Anteile auf dem Weltmarkt einbüßte, weil sich ihre angebotsseitige Wettbewerbsposition verschlechterte. Mehr als drei Viertel der Exportmarktverluste zwischen 2021 und 2023 gingen darauf zurück, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Exporteure verschlechterte. Die Verschlechterung war sektoral breit gefächert und im internationalen Vergleich hoch. Dies deutet auf grundlegende Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft hin, die viele Unternehmen belasteten. Der Maschinenbau, die Elektroindustrie und energieintensive Bereiche wie die Chemieindustrie büßten am meisten ein. Das zeitliche Profil der Marktanteilsverluste und die branchenspezifischen Verluste an Wettbewerbsfähigkeit deuten darauf hin, dass auch die Energiepreisanstiege und Lieferkettenstörungen belasteten.

Darüber hinaus dämpfte vor allem die schwache globale Kraftfahrzeug-Nachfrage über produktspezifische Nachfrageeffekte die Entwicklung der deutschen Exportmarktanteile. Damit trug die deutsche Automobilbranche vornehmlich aufgrund ihres hohen Gewichts im deutschen Warensortiment und der geringen weltweiten Nachfrage zu den Marktanteilsverlusten bei. Bis 2023 (jüngster Stand der zugrunde liegenden Daten) waren die Wettbewerbsfähigkeitsverluste der Automobilindustrie in Deutschland im internationalen Vergleich hingegen überschaubar. 

Da sich die Wettbewerbsfähigkeit breit verschlechterte, gibt es Bedarf, die Angebotsbedingungen in Deutschland zu verbessern. Insbesondere ist ein verlässlicher, beschäftigungs- und investitionsfreundlicher Rahmen zu schaffen. Dazu sollten beispielsweise die Arbeitsanreize gestärkt, Hürden bei der Fachkräftezuwanderung sowie unnötige Bürokratielasten abgebaut, steuerliche Anreize für private Investitionen erhöht und Bedingungen für Start-ups sowie Forschung und Entwicklung verbessert werden. Auch Reformen der Sozialversicherungssysteme sind angezeigt, um Kosten- und Abgabenanstiege zu begrenzen. Mit Blick auf die Energiekosten sollte die Energiewende vorangebracht und dabei effizient ausgestaltet werden. Darüber hinaus sollte es Unternehmen beispielsweise durch neue Freihandelsabkommen erleichtert werden, ihre Lieferantennetzwerke zu diversifizieren und dadurch resilienter aufzustellen. Die Vorhaben der Bundesregierung zielen zum Teil in diese Richtung. Insbesondere mit Blick auf die demografischen Herausforderungen Deutschlands besteht jedoch weiterer Reformbedarf. 40

Literaturverzeichnis

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Bricongne, J.-C., L. Fontagné, G. Gaulier, D. Taglioni und V. Vicard (2012), Firms and the Global Crisis: French Exports in the Turmoil , Journal of International Economics, Vol. 87(1), S. 134 – 146.

Cheptea, A., G. Gaulier und S. Zignago (2005), World Trade Competitiveness: A Disaggregated View by Shift-Share Analysis , CEPII Working Paper, Nr. 2005 – 23.

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