Internationales und europäisches Umfeld Monatsbericht – November 2024

Monatsberichtsaufsatz

1 Weltwirtschaft weiterhin ohne viel Schwung

Die Weltwirtschaft blieb im Sommer 2024 auf moderatem Expansionskurs. Ihre wesentliche Stütze waren abermals die Vereinigten Staaten. Das BIP

der USA stieg auch im dritten Vierteljahr preis- und saisonbereinigt deutlich. Erneut kraftlos zeigte sich hingegen die chinesische Konjunktur, nicht zuletzt wegen der anhaltenden Krise am Immobilienmarkt. Im Euroraum legte die Wirtschaftsleistung vor allem wegen Sondereffekten merklich zu, und im Vereinigten Königreich und in Japan verlor das Wachstum im dritten Jahresviertel spürbar an Schwung. 

Die jüngste Besserung in der Industrie dürfte nicht von Dauer sein. Wie schon im Frühjahr nahm auch in den Sommermonaten die globale Industrieproduktion spürbar zu. Die stark in internationale Wertschöpfungsketten eingebundenen Volkswirtschaften Asiens trugen hierzu maßgeblich bei. Noch schwungvoller expandierte entsprechend der globale Warenhandel. Sowohl die Schwellen- als auch die Industrieländer steigerten ihre Aus- und Einfuhren nochmals spürbar. Dabei scheinen allerdings Vorzieheffekte eine Rolle gespielt zu haben. Schon im Vorquartal hatten Unternehmen im Zusammenhang mit möglichen handelspolitischen Friktionen und drohenden Beeinträchtigungen des Schiffsverkehrs ihre Vorräte aufgestockt.

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Vgl.: Europäische Zentralbank (2024).
Die Nachhaltigkeit des jüngsten Aufschwungs ist mithin fraglich. Dies zeigen auch aktuelle Umfragen unter Einkaufsmanagern. Ihnen zufolge kam weltweit das Produktionswachstum im Verarbeitenden Gewerbe zuletzt zum Erliegen, und die Auftragslage verschlechterte sich weiter. Perspektivisch bergen politische Forderungen nach neuen Zollschranken beträchtliche zusätzliche Risiken für den internationalen Handel.

Globale Industrie und Welthandel
Globale Industrie und Welthandel

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF

) hielt zuletzt an seinem zurückhaltenden Wachstumsausblick für die Weltwirtschaft fest und betonte politische Risiken. Im World Economic Outlook vom Oktober bestätigte der IWF-Stab seine Prognose eines weltweiten Wirtschaftswachstums von 3,2 % im laufenden Jahr.
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Vgl.: Internationaler Währungsfonds (2024).
Dieses im längerfristigen Vergleich mäßige Tempo dürfte 2025 in etwa gehalten werden. Seine Inflationsprognose für die Industrieländer passte der Stab leicht nach unten an. Im Jahr 2025 könnte sich die Teuerung in der Nähe der geldpolitischen Zielraten stabilisieren. Die Risiken für diesen Wirtschaftsausblick werden aber als abwärtsgerichtet eingestuft. Nicht zuletzt könnten protektionistische Maßnahmen weltweit mit deutlichen Wachstumseinbußen einhergehen.

Vor dem Hintergrund des mäßigen Wirtschaftsausblicks und der angespannten geopolitischen Lage entwickelten sich die Rohstoffpreise zuletzt uneinheitlich. Die Rohölnotierungen gaben zuletzt merklich nach. In der ersten Novemberhälfte kostete ein Fass der Sorte Brent im Durchschnitt 75 US-$ und damit rund 9 % weniger als noch im August. Maßgeblich für den Preisrückgang dürften vor allem Nachfragesorgen gewesen sein. Im kommenden Jahr könnte der globale Ölmarkt daher laut Schätzungen der Internationalen Energieagentur merklich überversorgt sein.

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Vgl.: Internationale Energieagentur (2024).
Angesichts des perspektivisch reichlichen Angebots führten die Spannungen im Nahen Osten nur zu überschaubaren und vorübergehenden Preisspitzen. Im Gegensatz zu den Ölpreisen stiegen die europäischen Gaspreise zuletzt leicht an. Die saisonal anziehende Nachfrage, wartungsbedingte Förderausfälle in Norwegen und Angebotssorgen stützen die Preise. Auch die Notierungen für Industriemetalle und Nahrungsmittelrohstoffe stiegen zuletzt etwas an. Bedeutsam dafür waren die mit den chinesischen Maßnahmen zur Konjunkturstützung erwarteten Nachfrageimpulse.

Rohstoffpreise
Rohstoffpreise

Der Disinflationsprozess schreitet weiter voran, der zugrunde liegende Preisauftrieb ist aber noch hoch. In den Industrieländern ermäßigte sich der Anstieg der Verbraucherpreise im Vorjahresvergleich bis Oktober auf 2,4 %. Drei Monate vorher waren es noch 2,8 % gewesen. Die Preisnachlässe für Energie trugen maßgeblich zu diesem Rückgang bei. Im restlichen Jahresverlauf dürften derartige dämpfende Einflüsse auf die Inflationsraten eher ausbleiben, und der Verbraucherpreisanstieg dürfte wieder stärker durch die Kernkomponenten (ohne Energie und Nahrungsmittel) geprägt werden. Hieran gemessen ist der zugrunde liegende Preisauftrieb nach wie vor hoch. Die Kernrate belief sich im Industrieländerkreis im Oktober auf 3,1 %.

Verbraucherpreise in Industrieländern
Verbraucherpreise in Industrieländern

1.1 Verhaltene Konjunktur in China

In China blieb die wirtschaftliche Entwicklung im Sommer verhalten. Das Wachstum des realen BIP

schwächte sich im dritten Quartal weiter leicht auf 4,6 % im Vorjahresvergleich ab. In der Verlaufsbetrachtung zog das Wachstum zwar etwas an, blieb aber ebenfalls ohne großen Schwung. Insbesondere hielt die Schwäche des privaten Verbrauchs an. Die nominalen Einzelhandelsumsätze stiegen binnen Jahresfrist um lediglich 2,7 %. Auch setzte sich der starke Abschwung am Häusermarkt fort. Der offizielle Preisindex für bestehende Wohnungen, der 70 große Städte umfasst, sank gegenüber seinem Höchststand von 2021 um knapp 15 %. Zugleich verringerte sich die Baufläche neuer Projekte um zwei Drittel. Die Produktion von Zement, die häufig als Gradmesser für die Aktivität des Bausektors gesehen wird, war im dritten Quartal fast 12 % geringer als vor einem Jahr. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass die Bauproduktion laut den offiziellen Angaben bis zuletzt einen positiven Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum geleistet haben soll. Die Verbraucherpreisentwicklung blieb derweil äußerst gedämpft. Im Oktober war der Gesamtindex nur 0,3 % höher als ein Jahr zuvor. Auch ohne Energie und Nahrungsmittel gerechnet kam der Preisauftrieb fast vollständig zum Erliegen.

Reales BIP in ausgewählten großen Schwellenländern
Reales BIP in ausgewählten großen Schwellenländern

Die Exportwirtschaft blieb eine Stütze für die chinesische Konjunktur. Im Durchschnitt der Monate Juni bis Oktober legten die Erlöse aus Warenexporten (auf US

-Dollar-Basis) um knapp 8 % im Vergleich zum Vorjahr zu. In realer Rechnung scheint das Plus aufgrund von Preissenkungen sogar noch deutlich höher ausgefallen zu sein. Vor diesem Hintergrund dürfte sich der Wettbewerbsdruck aus China auf den internationalen Märkten gerade für die Industrieländer weiter verschärft haben (vgl. Exkurs " Wettbewerbsdruck aus China für Deutschland und andere Industrieländer").

Exkurs

Wettbewerbsdruck aus China für Deutschland und andere Industrieländer

Chinesische Waren, allen voran Technologiegüter, drangen in jüngerer Zeit stark auf die Weltmärkte vor. China gelang es in den letzten Jahren zunehmend, zu den technologisch führenden Volkswirtschaften aufzuschließen. Dazu dürfte die staatliche Industriepolitik beigetragen haben, die vor allem strategisch wichtige Industriezweige gezielt und in großem Umfang förderte. Neben der höheren Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit war für die chinesische Industrie auch die seit der Pandemie eher schleppende Inlandsnachfrage ein wichtiger Grund, sich verstärkt den Auslandsmärkten zuzuwenden. Insgesamt gewann China gerade bei vielen technisch anspruchsvollen Produkten auf den Weltmärkten deutlich an Marktanteilen und baute seine Stellung als wichtigste Exportnation weiter aus. Zuletzt stammten knapp 15 % der globalen Warenexporte aus China.

Angesichts dieses Exportschubs dürfte sich der Wettbewerbsdruck aus China für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften erheblich verstärkt haben. Der Exportboom Chinas nach dem Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation (WTO

) im Jahr 2001 hatte insbesondere auf arbeitsintensiven Produkten wie Textilien beruht und war für die Industrieländer vor allem mit einer Zunahme von Importen aus China verbunden. Demgegenüber dürfte der gegenwärtige Vorstoß Chinas stärker in Kernindustrien der Industrieländer einschneiden und ihnen auch größere Verluste auf Exportmärkten zufügen. Es wird daher bereits von einem „China-Schock 2.0“ gesprochen.
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Vgl. beispielsweise: Krugman (2024).

Die Entwicklung des Wettbewerbsdrucks aus China für die Exportwirtschaften einzelner Länder bilden wir mit einem eigenen Indikator ab, der detaillierte Außenhandelsdaten zusammenfasst.

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Der Indikator wurde in Deutsche Bundesbank (2018b) vorgestellt und die Datenbasis seither verfeinert. 
 In die Analyse fließen tief gegliederte Außenhandelsdaten
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Die verwendeten Güterkategorien entsprechen den Unterpositionen (Sechsstellern) des Harmonisierten Systems der Bezeichnung und Codierung von Waren (HS). Darin wird nach knapp 6 000 verschiedenen Produkten aufgeschlüsselt.
von rund 100 Ländern seit dem Jahr 2011 ein. Um den Wettbewerbsdruck aus China für ein bestimmtes Land zu berechnen, gewichten wir den Anteil Chinas an den globalen Exporten in jeder Produktkategorie mit dem Anteil dieser Kategorie an den Gesamtexporten des entsprechenden Landes.
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Der hier verwendete Indikator misst den Wettbewerbsdruck aus China auf dem Weltmarkt. Somit werden die konkreten Wettbewerbsbedingungen auf den einzelnen Absatzmärkten eines Exportlandes, welche auch von bilateralen Handelsfriktionen wie geografischer Distanz, Zöllen oder nicht-tarifären Handelshemmnissen geprägt sind, außer Acht gelassen. 
Der Indikator zeigt dann einen hohen Wettbewerbsdruck an, wenn China in den besonders bedeutenden Exportzweigen eines Landes hohe Weltmarktanteilehat. Er ergänzt damit die in der Bundesbank berechneten Indikatoren der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, in die gesamtwirtschaftliche relative Preis- und Produktivitätsniveaus unter Berücksichtigung der Bedeutung der jeweiligen regionalen Handelsstruktur einfließen.
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Solche Indikatoren stufen die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands aktuell als neutral und diejenige Chinas als ungünstig, über die letzten drei Jahre aber merklich verbessert ein; vgl. diesen Bericht, Kapitel Finanzmärkte, Schaubild 3.2, sowie Deutsche Bundesbank (2023a). 

Der Analyse zufolge verstärkte sich der Wettbewerbsdruck aus China gerade für Deutschland in den letzten Jahren deutlich. Für Deutschland stieg der so berechnete Wettbewerbsindikator von knapp 9 % im Jahr 2011 bis auf 13 % im Jahr 2021 an und verblieb seither auf diesem Stand. Das bedeutet, dass der chinesische Weltmarktanteil in den für die deutsche Exportwirtschaft relevanten Sektoren im gewichteten Mittel um gut 4 Prozentpunkte zulegte. In den anderen G7

-Ländern fiel dieser Anstieg weniger stark aus. Gemessen an dem zuletzt erreichten Indikatorniveau gab es dennoch im internationalen Vergleich eine Reihe von Ländern, die einem noch deutlich höheren Wettbewerbsdruck aus China ausgesetzt waren als Deutschland. Dazu gehörten mit Taiwan und Südkorea mehrere asiatische Volkswirtschaften, aber auch eine Reihe osteuropäischer Länder, darunter Polen und Tschechien. Umgekehrt standen etwa die USA oder Kanada in weniger intensiver Konkurrenz zu China, da ihr Warenexport verschiedene Rohstoff- und Agrargüter umfasst, die im chinesischen Exportsortiment kaum vertreten sind.

Wettbewerbsdruck durch China auf den internationalen Exportmärkten und Weltexportmarktanteile in ausgewählten Produktkategorien
Wettbewerbsdruck durch China auf den internationalen Exportmärkten und Weltexportmarktanteile in ausgewählten Produktkategorien

Zum verschärften Wettbewerbsdruck aus China für Deutschland in jüngerer Zeit trug unter anderem der Bereich Kraftfahrzeuge bei. Darin spiegelt sich wider, dass chinesische Exporteure in diesem für Deutschland sehr wichtigen Sektor ihren Weltmarktanteil von 4 % im Jahr 2017 auf gut 10 % im Jahr 2023 steigerten.

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Die verwendeten Außenhandelsdaten unterscheiden nicht, ob die aus China exportierten Kraftfahrzeuge von chinesischen Herstellern produziert wurden. Da aus China auch einige deutsche Hersteller exportieren, könnte dies den gemessenen Wettbewerbsdruck für Deutschland ein Stück weit überzeichnen. Andererseits bildet der Indikator den erheblichen Wettbewerbsdruck auf in China für den chinesischen Markt produzierte deutsche Kraftfahrzeuge naturgemäß nicht ab, welcher aktuell sehr groß sein dürfte. Vgl. hierzu den Exkurs "Die jüngere Entwicklung der Kraftfahrzeugindustrie in Deutschland" im Kapitel „Konjunktur in Deutschland“ in diesem Monatsbericht.
Auch die deutlichen Marktanteilsgewinne Chinas im Maschinenbau und bei chemischen Erzeugnissen trugen zur Erhöhung der Wettbewerbsintensität bei. In anderen für Deutschland wichtigen Sektoren wie etwa bei pharmazeutischen Produkten änderten sich die Weltmarktanteile Chinas hingegen in den letzten Jahren nicht wesentlich.

Der Wettbewerbsdruck aus China dürfte sich für Deutschland und andere Industrieländer in den nächsten Jahren weiter verstärken. In vielen Hochtechnologiebereichen wie zum Beispiel Luftfahrzeugen sind die Marktanteile Chinas bislang noch vergleichsweise niedrig. Außerdem hält die chinesische Führung an ihrer äußerst aktiven Industriepolitik fest. Gerade im Kraftfahrzeug-Bereich spricht vieles dafür, dass chinesische Unternehmen gerade erst zum Sprung angesetzt haben.

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Darauf deuten unter anderen die Pläne chinesischer Hersteller, im großen Stil eigene Kapazitäten für den Schiffstransport ihrer Fahrzeuge aufzubauen. 
 

Die chinesischen Behörden brachten zuletzt umfangreiche geld- und fiskalpolitische Maßnahmen auf den Weg mit dem Ziel, die inländische Nachfrage anzukurbeln sowie Finanzrisiken einzudämmen. Die Zentralbank beschloss in jüngerer Zeit eine Reihe von expansiven geldpolitischen Schritten, darunter Senkungen der Leitzinsen und des Mindestreservesatzes. Darüber hinaus kündigte die Regierung weitere Stützungsmaßnahmen für den Immobiliensektor an. Anfang November stellte sie außerdem ein großes Umschuldungsprogramm für die Lokalregierungen vor, mit denen diese ihre hohen außerbilanziellen Schuldenlasten reduzieren sollen. 

1.2 Gemischte Entwicklungen in anderen Schwellenländern

In Indien könnte sich die Konjunktur zuletzt weiter abgekühlt haben. Im zweiten Quartal 2024 hatte sich das jährliche BIP

-Wachstum bereits merklich auf 6,7 % abgeschwächt. Die jüngsten monatlichen Indikatoren deuten auf einen weiteren Tempoverlust. Insbesondere bei den Dienstleistern trübte sich das Geschäftsklima merklich ein. Der Verbraucherpreisanstieg verstärkte sich merklich auf 6,2 % im Oktober. Maßgeblich war insbesondere eine starke Verteuerung von Nahrungsmitteln. Damit lag die Teuerungsrate etwas außerhalb des Zielkorridors der Zentralbank. Diese hatte den Leitzins zuvor bei 6,5 % belassen.

Brasiliens Wirtschaft befindet sich wohl weiter im Aufwind. Im ersten Halbjahr 2024 war das reale BIP

bereits überraschend stark gewachsen, sodass der Vorjahresstand im Frühjahr um 3,3 % übertroffen wurde. Der Aufschwung war breit angelegt, auch unterstützt durch eine expansive Fiskalpolitik. Die jüngsten Indikatoren deuten weiterhin auf eine lebhafte Expansion hin. Dadurch könnte sich aber auch die Inflation wieder verstärken. Die Teuerungsrate stieg in den letzten Monaten merklich auf 4,8 % im Oktober an. Vor diesem Hintergrund hob die Zentralbank entgegen dem weltweiten Trend den Leitzins im September und im Oktober um insgesamt 75 Basispunkte auf nun 11,25 % an.

In Russland schwächte sich das Wirtschaftswachstum angesichts zunehmender angebotsseitiger Engpässe spürbar ab. Laut den Angaben des nationalen Statistikamts verringerte sich das Wachstum des realen BIP

im dritten Vierteljahr 2024 auf 3,1 % gegenüber dem Vorjahr, nach noch 4,1 % im Vorquartal. Bremsend dürften vor allem die Engpässe am Arbeitsmarkt gewirkt haben. Die Arbeitslosenquote verharrte auf dem historisch niedrigen Niveau von 2,4 %. Vor diesem Hintergrund blieb das Lohnwachstum äußerst stark. Zugleich setzte die Regierung ihren lockeren fiskalpolitischen Kurs fort. Alles in allem blieben die Gefahren einer gesamtwirtschaftlichen Überhitzung hoch. Der Preisanstieg auf der Verbraucherstufe verstärkte sich im dritten Quartal nochmals auf 8,9 % im Vorjahresvergleich. Dies veranlasste die Zentralbank zu einer weiteren kräftigen Straffung der Geldpolitik. Insgesamt hob sie den Leitzins seit September um 300 Basispunkte auf 21 % an.

1.3 Anhaltender Aufschwung in den USA

In den Vereinigten Staaten setzte sich das schwungvolle Wirtschaftswachstum im Sommer fort. Das preis- und saisonbereinigte BIP

legte im dritten Vierteljahr erneut um 0,7 % gegenüber dem Vorquartal zu. Die privaten Haushalte zeigten sich nach wie vor in Kauflaune und steigerten ihre Konsumausgaben kräftig. Ähnlich schwungvoll expandierte die öffentliche Nachfrage. Gleichzeitig weiteten die Unternehmen ihre Ausrüstungsinvestitionen nochmals deutlich aus. Lediglich bei den Bauinvestitionen gab es angesichts der noch immer unvorteilhaften Finanzierungsbedingungen einen Rücksetzer.
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Für die Schwäche der Bauinvestitionen im dritten Vierteljahr spielte auch eine Rolle, dass der durch staatliche Anreize stimulierte Boom im Hochtechnologiesektor auszulaufen scheint. Vgl. hierzu: Deutsche Bundesbank (2023b).
Auch die Exporte florierten. Möglicherweise machten sich dabei Vorzieheffekte angesichts der zwischenzeitlich drohenden Arbeitsniederlegungen in großen US-Häfen bemerkbar. Die Einfuhren zogen im Einklang mit der insgesamt äußerst lebhaften Endnachfrage noch stärker als die Ausfuhren an. 

Auch die kurzfristigen Perspektiven für die US

-Wirtschaft sind recht günstig. Dies gilt nicht zuletzt für die Verbrauchskonjunktur. Die Ausgabenspielräume der Verbraucher scheinen nach einer deutlichen Aufwärtskorrektur der verfügbaren Einkommen in der Jahresrevision der gesamtwirtschaftlichen Rechenwerke größer zu sein als zuvor angenommen. Auch eine Fortsetzung der graduellen Abkühlung am Arbeitsmarkt dürften die Konsumenten daher verkraften können. Eine drastische Eintrübung der Arbeitsmarktlage zeichnet sich weiterhin nicht ab (siehe Exkurs „Zu den konjunkturellen Implikationen der Abkühlung am US-Arbeitsmarkt“). Im Oktober setzte sich der Beschäftigungsaufbau trotz Beeinträchtigungen durch Wirbelstürme und Arbeitskämpfe in der Luftfahrtindustrie mit gebremstem Tempo fort. Die Erwerbslosenquote blieb unverändert niedrig. Erste Stimmungsindikatoren bescheinigen der US-Wirtschaft einen guten Start in das Schlussquartal. Darüber hinaus könnten mögliche Deregulierungsinitiativen der designierten neuen Regierung und die Aussicht auf Steuersenkungen die Stimmung im Unternehmenssektor stützen. Die handels- und migrationspolitischen Vorschläge bergen dagegen beträchtliche Abwärtsrisiken.

Abzuwarten bleibt, ob der Disinflationsprozess angesichts der lebhaften Konjunktur zügig voranschreiten wird. Im Oktober zog die Vorjahresrate des Verbraucherpreisindex sogar leicht auf 2,6 % an. Insbesondere aufgrund der hartnäckig starken Teuerung bei Dienstleistungen blieb die Kernrate bei 3,3 %. Angesichts dieser Entwicklungen sah die US

-amerikanische Notenbank im November von einem weiteren großen Zinsschritt ab und senkte die Zielspanne für ihre Leitzinsen lediglich um 25 Basispunkte auf 4,5 % bis 4,75 %.

Reales BIP in großen Industrieländern außerhalb des Euroraums
Reales BIP in großen Industrieländern außerhalb des Euroraums
Exkurs

Zu den konjunkturellen Implikationen der Abkühlung am US-Arbeitsmarkt

Anzeichen für eine Eintrübung der Arbeitsmarktlage lösten in den Vereinigten Staaten zur Jahresmitte verbreitet Konjunktursorgen aus. Insbesondere die Finanzmärkte reagierten nervös auf als enttäuschend wahrgenommene Datenveröffentlichungen. Tatsächlich schwächte sich das Beschäftigungswachstum zwischenzeitlich spürbar ab, und die Arbeitslosenquote stieg im Mittel der Monate Juni bis August auf 4,2 %. Ein Jahr zuvor war sie noch gut ½ Prozentpunkt niedriger. Ein derartiger Anstieg der Erwerbslosenquote zeigte in der Vergangenheit recht zuverlässig eine gesamtwirtschaftliche Abschwungphase an. Die nach ihrer Erfinderin benannte "Sahm-Regel" schlug in jeder vom National Bureau of Economic Research seit 1965 datierten Rezession an. Lediglich ein einziges Mal – im Jahr 1976 – stellte sich bislang eine Warnung im Nachhinein als ungerechtfertigt heraus (siehe Schaubild 1.7).

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Die Sahm-Regel signalisiert Rezessionen, falls der gleitende Dreimonatsdurchschnitt der Arbeitslosenquote sein Minimum der vorangegangenen zwölf Monate um mindestens 0,5 Prozentpunkte übersteigt. Vgl.: Sahm (2019).
 

US-Rezessionsindikator nach Sahm
US-Rezessionsindikator nach Sahm

Insgesamt ist der Arbeitsmarkt in den USA

aber weiterhin in einer guten Verfassung. Die jüngste Abkühlung folgt auf eine Phase ausgesprochen hoher Auslastung. Insbesondere im Zuge der wirtschaftlichen Erholung von der Pandemie hatten Unternehmen große Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen. Noch Mitte 2022 kamen bis zu zwei Vakanzen auf einen Erwerbslosen. Insbesondere aufgrund einer Ausweitung des Arbeitsangebots fand seitdem der Arbeitsmarkt wieder besser ins Gleichgewicht. Hierzu trug die starke Zuwanderung bei, die gleichzeitig das Wirtschaftswachstum stützte.
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Der Anteil der im Ausland geborenen Personen an der Erwerbsbevölkerung der Vereinigten Staaten stieg von 17 % im Jahr 2020 auf gut 19 % im bisherigen Jahresmittel. Für eine Abschätzung der ökonomischen und fiskalischen Implikationen der verstärkten Zuwanderung siehe auch: Congressional Budget Office (2024).
Auch der Anstieg der Arbeitslosenquote spiegelt zu einem großen Teil diese Zunahme des Erwerbspersonenpotenzials wider. Eine für einen konjunkturellen Abschwung typische Entlassungswelle gab es hingegen nicht. Die Beschäftigung von Personen im erwerbsüblichen Alter zog in der Grundtendenz weiter an. Dies kontrastiert mit den Beschäftigungseinbußen im Umfeld früherer Warnsignale der Sahm-Regel (siehe Schaubild 1.8, links). 

US-Konjunkturindikatoren im Umfeld von Warnsignalen der Sahm-Regel
US-Konjunkturindikatoren im Umfeld von Warnsignalen der Sahm-Regel

Auch jenseits des Arbeitsmarktes zeigt sich die US

-Konjunktur robust. Im dritten Vierteljahr stieg das reale BIP der USA saison- und preisbereinigt um 0,7 % gegenüber dem Vorquartal. Damit war das Wachstumstempo sogar etwas höher als in der ersten Jahreshälfte. Das Bild einer mehr als soliden Wirtschaftslage bestätigen viele andere Indikatoren – darunter auch diejenigen, die vom National Bureau of Economic Research für die Datierung der Konjunkturzyklen herangezogen werden.
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Hierzu zählen traditionell neben der Beschäftigung die Industrieproduktion, die realen verfügbaren Einkommen sowie die preisbereinigten Umsätze im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Groß- und Einzelhandel. In jüngeren Jahren wurde zudem auch auf die Entwicklung des privaten Verbrauchs abgestellt; vgl.: National Bureau of Economic Research (2024). Für eine Diskussion alternativer Abgrenzungen von Auf- und Abschwüngen sowie typischer Konjunkturmuster vgl. auch: Deutsche Bundesbank (2020).
Entsprechend stuft ein auf diesen breiteren Datenkranz abstellendes ökonometrisches Modell die Wahrscheinlichkeit, dass sich die US-Wirtschaft aktuell in einer Rezession befindet, als vernachlässigbar gering ein.
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Die geschätzten Rezessionswahrscheinlichkeiten für die US-Wirtschaft werden monatlich von J. M. Piger von der Universität von Oregon bereitgestellt. Für eine Beschreibung des Ansatzes und eine Analyse der Modellgüte vgl.: Chauvet und Piger (2008). 
Für die Vergangenheit zeigte es dagegen zumeist bereits vor der Sahm-Regel eine erhöhte Abschwunggefahr an (siehe Schaubild 1.8, rechts). Tatsächlich fielen frühere Signale der Sahm-Regel oftmals in Phasen, in denen sich die US-Wirtschaft aus heutiger Sicht schon in einer Rezession befand. Als Frühindikator für erst heraufziehende Konjunkturrisiken war die Regel auch nicht konzipiert.
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Die Regel wurde zunächst vor allem als mögliche Richtschnur für die Gestaltung automatischer Stabilisatoren diskutiert. Hierzu könnte sie vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Zuverlässigkeit und der zeitnahen Verfügbarkeit der Daten prinzipiell durchaus geeignet sein. Andere Indikatoren und erst recht offizielle Rezessionsdatierungen stehen mit deutlich größeren Verzögerungen zur Verfügung. Vgl.: Sahm (2019).
Alles in allem sollte dem jüngsten Signal keine hohe Prognosekraft für den kurzfristigen gesamtwirtschaftlichen Ausblick beigemessen werden. 

Alles in allem besteht derzeit wenig Anlass für größere Sorgen vor einer unmittelbar bevorstehenden Rezession in den Vereinigten Staaten. Erste Stimmungsindikatoren fielen auch zu Beginn des Schlussquartals günstig aus. Jüngste Signale vom Arbeitsmarkt bekräftigen dieses Bild. Trotz Beeinträchtigungen durch Wirbelstürme und Arbeitskämpfe setzte sich das Wachstum von Beschäftigung und Lohneinkommen fort. Seit August sank zudem auch die Erwerbslosenquote wieder. Im Oktober blieben daher neuerliche Warnsignale der Sahm-Regel aus. Damit deutet weiterhin viel auf eine "sanfte Landung" der US

-Wirtschaft hin. Einige, nicht zuletzt politische Risiken für diesen Ausblick bleiben aber bestehen. So könnte etwa ein hartes Vorgehen in der Migrationspolitik den Beschäftigungsanstieg und das Wirtschaftswachstum bremsen.
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Für exemplarische Szenariorechnungen vgl. etwa: Bhatt et al. (2024). 

1.4 Verhaltenes Wachstum in Japan

Die Wirtschaftsleistung Japans legte im Sommer leicht zu. Laut der ersten Schätzung expandierte das BIP

saison- und preisbereinigt um 0,2 %. Die wirtschaftliche Erholung verlor damit spürbar an Tempo. Ein Grund dafür waren Produktionsunterbrechungen im Verarbeitenden Gewerbe, die teilweise durch widrige Witterung verursacht wurden.
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Der Einbruch der Industrieproduktion im August war auf die Verlängerung von Produktionsstopps bei einigen Kraftfahrzeugherstellern aufgrund von Zertifizierungsproblemen sowie auf die Auswirkungen eines Taifuns zurückzuführen, der den Betrieb von Fabriken und die Logistik beeinträchtigte. 
Entsprechend gingen die gewerblichen Investitionen etwas zurück, und die Ausfuhren expandierten nur verhalten. Die Einfuhren legten hingegen weiter merklich zu. Auch der private Verbrauch blieb lebhaft, gestützt durch kräftige Lohnzuwächse. Die günstige Arbeitsmarktlage hielt an. Die Arbeitslosenquote lag im September bei 2,4 % und damit nahe ihrer historischen Tiefstände. Der Preisauftrieb schwächte sich etwas ab, blieb für japanische Verhältnisse aber hoch. Im September stiegen die Verbraucherpreise im Vorjahresvergleich um 2,5 %. Ohne Energie und Nahrungsmittel gerechnet waren es 1,7 %. Die japanische Notenbank beließ ihren Leitzins Ende Oktober bei 0,25 %.

1.5 Wachstum im Vereinigten Königreich verlor spürbar Tempo

Die britische Wirtschaft expandierte im dritten Vierteljahr weitaus weniger schwungvoll als noch in der ersten Jahreshälfte. Laut der ersten Schätzung stieg das BIP

saison- und preisbereinigt um 0,1 % gegenüber der Vorperiode. Die Geschäftstätigkeit im gesamtwirtschaftlich bedeutsamen Dienstleistungssektor konnte an das recht kräftige Wachstum des ersten Halbjahres nicht anknüpfen und expandierte im Sommerquartal nur leicht. Dagegen legte die Aktivität im Bauwesen deutlich zu, nachdem sie in den drei Quartalen davor noch rückläufig war. Im Verarbeitenden Gewerbe wurde die Produktion etwas ausgeweitet. Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Verlangsamung ließen die Anspannungen auf dem Arbeitsmarkt nach. Die Anzahl der Stellenangebote ging bis zuletzt zurück. Dies dürfte zu einer spürbaren Ermäßigung des jährlichen Lohnwachstums auf zuletzt 4,2 % beigetragen haben. Die Vorjahresrate des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gab im September weiter auf 1,7 % nach, und auch die Kernrate verringerte sich leicht auf 3,2 %. Vor diesem Hintergrund senkte die Bank of England Anfang November ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,75 %.

1.6 Konjunkturelle Abkühlung in Polen

In Polen kühlte sich die Konjunktur nach dem starken ersten Halbjahr im dritten Vierteljahr deutlich ab. Das reale BIP

ging im Vorquartalsvergleich saisonbereinigt um 0,2 % zurück, nach einem Zuwachs von durchschnittlich 0,9 % in den ersten beiden Quartalen. Der Rückgang ist wohl teilweise auf die Auswirkungen des Hochwassers im September zurückzuführen. Während die Aktivitäten im Dienstleistungssektor im dritten Vierteljahr weiterhin recht kräftig expandierten, sank die Erzeugung von Vorleistungs- und Investitionsgütern merklich. Der private Verbrauch litt unter dem Auslaufen von Stützungsmaßnahmen zur Jahresmitte. Diese hatten die Energiepreise für Haushalte gedeckelt. In der Folge zog die Teuerungsrate von 2,6 % im Juni auf 4,9 % im September an. Dies bremste den Anstieg der Kaufkraft der privaten Haushalte, obwohl die Bruttolöhne im Unternehmenssektor im Vorjahresvergleich weiterhin um gut 10 % zulegten. In der Folge stiegen die Einzelhandelsumsätze preisbereinigt nur verhalten. Die Investitionstätigkeit dürfte erneut ausgeweitet worden sein, gestützt durch Zahlungen aus dem NGEU-Fonds. Allerdings sank die Bauproduktion erneut. Die Arbeitslosenquote stieg leicht auf 2,9 %. Die polnische Notenbank beließ ihren Leitzins bei 5,75 %.

2 Moderat aufwärtsgerichtete Konjunktur im Euroraum

Im Euroraum nahm die Wirtschaftsleistung im dritten Vierteljahr 2024 spürbar zu. Der Schnellschätzung von Eurostat

zufolge stieg das BIP preis- und saisonbereinigt um 0,4 % gegenüber dem Vorquartal. Ohne Irland waren es 0,3 %. Verschiedene Dienstleistungssektoren expandierten kräftig, teilweise gestützt durch temporäre Sondereffekte wie die Austragung der Olympischen Spiele in Frankreich. Der private Verbrauch erholte sich weiter. Hingegen hielt im Verarbeitenden Gewerbe und in der Bauwirtschaft die Flaute an. Insgesamt blieb die konjunkturelle Grundtendenz moderat aufwärtsgerichtet. Auch deuten vorausschauende Indikatoren bislang keine Tendenzänderung an. Gemäß Umfragen hellte sich die Konsumkonjunktur zwar weiter auf, die Aussichten für die Industrie trübten sich jedoch weiter ein. Von der moderat expandierenden Weltwirtschaft dürften für den Euroraum nur geringe Impulse ausgehen, nicht zuletzt wegen der anhaltenden Schwäche der Wettbewerbsfähigkeit von Teilen der europäischen Industrie. Auch die vielen internationalen Konflikte, die Unsicherheit über die weltweite Handelspolitik sowie der Reformstau in mehreren Mitgliedsländern stehen einer nachhaltigen Verstärkung des Wirtschaftswachstums entgegen.

Die Konsumkonjunktur festigte sich. Die Einzelhandelsumsätze legten preisbereinigt deutlich zu. Die Ausgaben für Dienstleistungen stiegen wohl weiter, vor allem im Gastgewerbe. Die Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen sanken hingegen beträchtlich. Maßgeblich hierfür dürfte auch die Verunsicherung der Verbraucher hinsichtlich zukünftiger Umweltauflagen für Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und weiterer Förderung des Erwerbs von Automobilen mit hybriden oder elektrischen Antrieben gewesen sein. Die Einkommenslage der privaten Haushalte verbesserte sich erneut. Infolge der kräftig steigenden Lohneinkommen und der sich abschwächenden Teuerung dürfte die Kaufkraft nochmals deutlich gestiegen sein. Das Verbrauchervertrauen verbesserte sich weiter und erreichte fast seinen langfristigen Durchschnitt. Allerdings blieb die Sparneigung laut Umfragen bis zuletzt hoch. Gründe für die im längerfristigen Vergleich hohe Sparquote dürften neben dem hohen Zinsniveau, den Realvermögensverlusten infolge des Inflationsschubs und der abwartenden Haltung beim Autokauf auch ein erhöhtes Bedürfnis nach Absicherung gegenüber wirtschaftlichen Schocks sein.

Die Investitionstätigkeit ließ vermutlich erneut nach.

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Ohne Irland. Der statistische Ausweis der Investitionen insgesamt, insbesondere jedoch derer in geistiges Eigentum, wird dort seit mehreren Jahren wesentlich von Dispositionen multinationaler Unternehmen beeinflusst. Vgl.: Deutsche Bundesbank (2018a).
Die Bauinvestitionen dürften auch im dritten Vierteljahr gesunken sein. Der Rückgang der Bauleistung war im Juli und August zusammengenommen schwächer als im Vorquartal. Von der Schwäche waren nun aber alle Bereiche (Hochbau, Tiefbau und Ausbaugewerbe) betroffen. Auch scheint sich die Flaute der Ausrüstungsinvestitionen fortgesetzt zu haben. Die Inlandsumsätze der Produzenten von Kapitalgütern sanken im Juli und August preisbereinigt erneut. Die Aufwendungen für Informations- und Kommunikationstechnologien sowie für geistiges Eigentum dürften hingegen im Zuge des Digitalisierungstrends weiter gestiegen sein.

Die Warenausfuhren in Drittländer dürften kaum zugenommen haben. Die Exporte von Kapitalgütern und Vorleistungen stagnierten zu Beginn des Quartals preisbereinigt, und die Exporte von Konsumgütern schrumpften. Im Länderbild dürften im dritten Quartal dem Wert nach vor allem die Ausfuhren nach China deutlich gesunken sein, aber auch die Exporte in das Vereinigte Königreich gingen wohl leicht zurück. Die Ausfuhren in die USA

scheinen merklich an Schwung verloren zu haben. Die Dienstleistungsexporte des Euroraums sanken gemäß vorläufigen Zahlungsbilanzangaben für Juli und August, auch wenn der Produktionsindex im Gastgewerbe auf ein anhaltend lebhaftes Tourismusgeschäft hindeutet. Die Wareneinfuhren aus Drittländern stiegen im Sommer preisbereinigt erneut, büßten aber wohl etwas an Tempo ein. Sowohl der Anstieg der Importe von Investitionsgütern als auch von Konsumgütern dürfte geringer ausgefallen sein als im Vorquartal. Die Einfuhr von Vorleistungsgütern ging wohl leicht zurück.

Die Schwäche des Verarbeitenden Gewerbes setzte sich fort. Insbesondere die Erzeugung von Vorleistungen sank im dritten Vierteljahr, wie schon im Vorquartal, spürbar. Zudem verringerte sich die Investitionsgüterproduktion leicht. Die Konsumgüterproduktion legte hingegen zu. Insgesamt sank die Industrieproduktion. Zudem fiel die industrielle Kapazitätsauslastung weiter unter ihren langfristigen Durchschnitt. Neben der gedämpften Investitionskonjunktur im Euroraum ist auch die Wettbewerbsschwäche auf den internationalen Märkten weiterhin eine Belastung. Gemäß Umfragen der Europäischen Kommission verschlechterten sich die Indikatoren der Wettbewerbsfähigkeit bis zuletzt. Der Preisdruck auf der Erzeugerstufe blieb hingegen gering. Die Erzeuger- und Importpreise für Vorleistungen sanken im Vorjahresvergleich weiter, waren aber etwas höher als noch zu Jahresbeginn. Bei den Fertigprodukten schwächte sich der Preisanstieg im Vorjahresvergleich weiter ab.

Viele Dienstleistungsbereiche sind weiterhin auf Expansionskurs. Vor allem im Hotel- und Gastgewerbe dürfte die Geschäftstätigkeit auch aufgrund des lebhaften Tourismusgeschäfts zugenommen haben. Zudem legten die Aktivitäten der unternehmensnahen Dienstleister sowie die der Informations- und Kommunikationsbranche wohl weiter merklich zu. Laut Umfragen der Europäischen Kommission belastet jedoch weiterhin ein Mangel an Arbeitskräften die Dienstleistungsbranche. Die Bedeutung unzureichender Nachfrage als Produktionshemmnis nahm in den vergangenen Quartalen etwas zu, blieb aber weiterhin unter dem langfristigen Durchschnittswert.

In den meisten Mitgliedsländern stieg die Wirtschaftsleistung im dritten Vierteljahr. Die Unterschiede in der konjunkturellen Dynamik blieben dabei erheblich. In einigen Ländern mit weiterhin sehr guter Arbeitsmarktlage und niedriger Teuerungsrate nahm der private Verbrauch recht deutlich zu. Der schwungvolle Tourismus stützte die Aktivität vor allem in den südlichen Mitgliedsländern. Die dämpfenden Effekte der Schwäche im Verarbeitenden Gewerbe machten sich besonders in Deutschland bemerkbar. 

In Frankreich stieg die Wirtschaftsleistung merklich. Das reale BIP

legte im dritten Vierteljahr laut erster Schätzung um 0,4 % zu. Ein wesentlicher Wachstumstreiber war die Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele.
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Das französische Statistikamt schätzt den Beitrag der Olympischen und Paralympischen Spiele auf das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal auf 0,3 Prozentpunkte. Vgl.: INSEE (2024).
Insbesondere der private Verbrauch profitierte. Auch stiegen im Dienstleistungsverkehr die Einnahmen aus Übertragungsrechten und dem Verkauf von Eintrittskarten erheblich. In der Grundtendenz blieb die konjunkturelle Dynamik aber schwach. Die Investitionen in Bauten und Ausrüstungen sanken abermals, und die Exporte von Waren und Dienstleistungen gingen merklich zurück.

Reales BIP im Euroraum und in ausgewählten Mitgliedsländern
Reales BIP im Euroraum und in ausgewählten Mitgliedsländern

In Italien stockte die konjunkturelle Erholung. Das reale BIP

stagnierte vorläufigen Angaben zufolge im dritten Vierteljahr, nach einem Zuwachs von 0,2 % im Vorquartal. Leichte Impulse kamen wohl erneut vom privaten Verbrauch, welcher von der gestiegenen Kaufkraft profitierte. Zudem dürfte sich die Investitionstätigkeit wieder etwas belebt haben. Hingegen sanken die Warenexporte wohl weiter, worin sich auch die anhaltende Schwäche der italienischen Industrie widerspiegelt. Wie schon in den Vorquartalen ging deren Erzeugung zurück. Die Aktivität der Dienstleister stieg hingegen.

In Spanien setzte sich der kräftige Aufschwung fort. Das reale BIP

nahm laut erster Schätzung im dritten Quartal um 0,8 % zu und blieb damit äußerst schwungvoll. Getragen wurde das jüngste Wachstum von einer Ausweitung des privaten Verbrauchs, während die Investitionstätigkeit nachließ. Die Ausfuhren wie auch die Einfuhren stiegen merklich an. Entstehungsseitig legte die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe zu, im Bereich der Dienstleistungen sogar deutlich. In der Bauwirtschaft ging die Aktivität dagegen zurück.

Auch in den meisten kleineren Mitgliedsländern stieg die Wirtschaftsleistung merklich. In den Niederlanden scheint die Schwächephase mit dem zweiten spürbaren Anstieg des realen BIP

in Folge überwunden. Auch in Österreich und Finnland legte die Aktivität im dritten Vierteljahr wieder zu. In Irland, Litauen und Zypern stieg das reale BIP erneut deutlich. Moderate Zuwächse gab es in Belgien, Portugal, der Slowakei und Slowenien. In Lettland ging die Aktivität abermals zurück. 

Die Lage am Arbeitsmarkt trübte sich im dritten Vierteljahr leicht ein. Die Arbeitslosenquote lag mit 6,3 % weiterhin auf dem Tiefstand, und die Zahl der Beschäftigten stieg erneut leicht an. Die Beschäftigungserwartungen sind allerdings seit März dieses Jahres rückläufig und liegen seit einigen Monaten bereits unterhalb des langfristigen Durchschnitts. Die Quote der offenen Stellen sank erneut merklich, und das Horten von Arbeitskräften ließ nach. Das Lohnwachstum dürfte im dritten Vierteljahr abermals mit 4 % bis 5 % gegenüber dem Vorjahr vergleichsweise stark ausgefallen sein. Mit einer deutlichen Mäßigung des Lohnwachstums dürfte somit in der zweiten Jahreshälfte 2024 nicht zu rechnen sein.

Die Verbraucherpreise stiegen im Sommerquartal insgesamt erneut moderat an, trotz rückläufiger Energiepreise. Gemessen am HVPI

stiegen die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um 0,5 %. Der Preisauftrieb bei Dienstleistungen blieb stark. Hier wirkten sich die kräftigen Lohnzuwächse besonders aus. Die Preise von Nahrungsmitteln stiegen ebenfalls deutlich. Dazu trugen die auch aufgrund des zum Quartalsende schlechten Wetters hohen Preise für Nahrungsmittelrohstoffe bei. Auch Industrieerzeugnisse ohne Energie wurden wieder teurer, nachdem der Preisauftrieb im Vorquartal vollständig zum Erliegen gekommen war. Die Energiepreise sanken dagegen deutlich, auch wegen niedrigerer Rohölnotierungen.

Im Vorjahresvergleich ließ der Preisauftrieb weiter nach. Die Inflationsrate sank im dritten Vierteljahr von 2,5 % auf 2,2 %. Dabei setzte sich die Divergenz zwischen Waren und Dienstleistungen fort. Die Teuerung der Dienstleistungen verharrt schon seit Ende 2023 bei rund 4 %. Die Preisdynamik der Waren kühlte sich dagegen weiter ab. Bei Energie war sie sogar deutlich negativ. Aber auch bei Nahrungsmitteln und Industriegütern ohne Energie ließ der Preisauftrieb etwas nach. Bei Letzteren lag die Teuerung sogar leicht unter dem Vorkrisendurchschnitt. Das unterstreicht die grundsätzliche Einschätzung, dass der Disinflationsprozess bei Industriegütern ohne Energie weitgehend abgeschlossen sein dürfte, auch weil die Produzentenpreise für diese Güter zuletzt nicht weiter gesunken sind.

Beiträge zur Teuerung (HVPI) im Euroraum
Beiträge zur Teuerung (HVPI) im Euroraum

Im Oktober stieg die Inflationsrate wie erwartet wieder merklich an. Laut Vorausschätzung von Eurostat

stieg sie von 1,7 % im September auf 2,0 % im Oktober. Insbesondere Nahrungsmittel verteuerten sich stärker als zuvor. Bei den Energiepreisen verringerte sich der negative Vorjahresabstand, auch weil die Rohölpreise im Oktober 2023 gesunken waren. Der Preisauftrieb bei Industriegütern ohne Energie blieb schwach und bei den Dienstleistungen unverändert hoch. Die Kernrate verharrte daher bei 2,7 %. In den nächsten Monaten dürfte die Inflationsrate aufgrund von Basiseffekten bei Energie vorübergehend wieder etwas ansteigen, bevor sie im Laufe des kommenden Jahres allmählich sinken dürfte.

Stimmungsindikatoren für den Euroraum
Stimmungsindikatoren für den Euroraum

Für das laufende Vierteljahr zeichnet sich eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums ab. Die Faktoren, die die gesamtwirtschaftliche Aktivität im dritten Quartal vorübergehend stimuliert hatten, entfallen nun. Bereits dies mindert für sich genommen das BIP

-Wachstum im vierten Quartal. Zudem ist in der Industrie noch kein Ende der Schwächephase in Sicht. Sowohl gemäß Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe als auch dem entsprechenden Stimmungsindikator der Europäischen Kommission blieben die Produktionserwartungen im Oktober spürbar im Kontraktionsbereich beziehungsweise unter ihrem langfristigen Durchschnitt. Darüber hinaus sanken die Auftragseingänge insbesondere aus dem Ausland weiter. Verschiedene Faktoren, darunter die weiterhin nur mäßige Wettbewerbsfähigkeit der Industrieunternehmen im Euroraum und eine Abschwächung der globalen Industriekonjunktur, dürften einer baldigen Trendwende entgegenstehen. Auch in der Bauwirtschaft zeichnet sich bislang keine spürbare Verstärkung der Aktivität ab. Gemäß Umfragen verbesserte sich dort die Auftragslage bis zuletzt nur wenig. Die Aktivität der Dienstleister dürfte hingegen moderat expandieren. Die Aussichten trübten sich in einigen Dienstleistungsbranchen zwar zuletzt etwas ein, für den Handel dürften jedoch vom sich festigenden privaten Verbrauch Impulse ausgehen. Zudem stützt der anhaltende Digitalisierungstrend die Aktivität im Bereich der IKT-Dienstleistungen und verschiedener unternehmensnaher Dienste. Vor diesem Hintergrund dürfte die Konjunktur im Euroraum moderat aufwärtsgerichtet bleiben.

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