Monatsbericht – Juni 2024

Monatsberichtsaufsatz

Nach rund zweijähriger Schwächephase fasst die deutsche Wirtschaft langsam wieder Tritt. Bei den Dienstleistern hat bereits eine Aufwärtsbewegung eingesetzt, die sich schon kurzfristig durch einen nach und nach wieder anziehenden privaten Konsum verstärken dürfte. Ab der zweiten Jahreshälfte wird wohl zudem die Industrie zulegen, wenn die Exportgeschäfte wieder besser laufen. Auch danach tragen Konsum und Exporte die Konjunkturerholung. Die privaten Haushalte profitieren von kräftig steigenden Löhnen, einer allmählich sinkenden Inflation und dem stabilen Arbeitsmarkt. Der Exportwirtschaft kommt die steigende Auslandsnachfrage zugute. Die privaten Investitionen sinken zunächst noch und liefern erst 2026 wieder spürbare Wachstumsimpulse. Die deutsche Wirtschaft wächst damit im laufenden Jahr wieder etwas und legt in den Folgejahren stärker zu. Das reale BIP nimmt 2024 kalenderbereinigt um 0,3 % zu, 2025 um 1,1 % und 2026 um 1,4 %. Dies entspricht weitgehend der vorherigen Deutschland-Prognose vom Dezember 2023.

Die Inflationsrate in Deutschland geht zwar weiter zurück, bleibt aber hartnäckig erhöht. Am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessen dürfte sie von 6,0 % im Vorjahr auf 2,8 % im laufenden Jahr sinken. Vor allem bei Energie und Nahrungsmitteln schwächt sich der Preisdruck erheblich ab. Die Rate ohne Energie und Nahrungsmittel (Kernrate) geht ebenfalls spürbar zurück, allerdings verläuft der Disinflationsprozess hier deutlich langsamer. So dürfte die Kernrate 2024 noch bei 3,1 % liegen. Sie sinkt danach nur noch vergleichsweise zögerlich, 2025 auf 2,5 % und 2026 auf 2,3 %. Dies liegt vor allem an den kräftig steigenden Arbeitskosten. Diese sorgen insbesondere im kommenden Jahr auch bei Nahrungsmitteln für einen erneut kräftigeren Preisauftrieb. Dann verteuert sich auch Energie wieder stärker. Insgesamt geht die HVPI-Rate 2025 auf 2,7 % und 2026 auf 2,2 % zurück. Gegenüber der Deutschland-Prognose vom Dezember 2023 verschiebt sich der Inflationsausblick für 2024 und 2025 leicht nach oben. Für 2026 bleibt er unverändert. Maßgeblich für die Revisionen sind die stärkere Verteuerung von Dienstleistungen, die gestiegenen Ölpreise und etwas kräftiger steigende Nahrungsmittelpreise. 

Die staatliche Defizitquote sinkt von 2,5 % im Jahr 2023 auf 1,1 % im Jahr 2026. Bis 2025 liegt dies an entfallenden fiskalischen Krisenhilfen. Der Rückgang der Hilfen ist gewichtiger als stark steigende Ausgaben, etwa für Renten, Verteidigung und Personal. Danach entlasten vor allem etwas zurückhaltendere Ausgaben des Bundes (einschließlich der Sondervermögen) und die günstigere Konjunktur. Die Schuldenquote sinkt und liegt im Jahr 2026 nur noch etwas über 60 %.

Für den Wirtschaftsausblick bestehen verschiedene Risiken, etwa durch geopolitische Konflikte. Gegenwärtig überwiegen für die Inflation die Aufwärtsrisiken. Für das Wirtschaftswachstum bestehen kurzfristig Chancen auf eine raschere Belebung, mittelfristig überwiegen jedoch die Abwärtsrisiken.

Tabelle 2.1: Projektion vom Juni 2024
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position2023202420252026
Reales BIP, kalenderbereinigt

0,0 

0,3 

1,1 

1,4 

Reales BIP, unbereinigt

- 0,2 

0,2 

1,0 

1,6 

Harmonisierter Verbraucherpreisindex

6,0 

2,8 

2,7 

2,2 

 ohne Energie und Nahrungsmittel

5,1 

3,1 

2,5 

2,3 

Quelle: Statistisches Bundesamt (Rechenstand: 22. Mai 2024). 2024 bis 2026 eigene Projektionen.

1 Makroökonomischer Ausblick

1.1 Deutsche Wirtschaft fasst langsam wieder Tritt

Die deutsche Wirtschaft schrumpfte im vergangenen Winterhalbjahr etwas. Im vierten Quartal 2023 ging das reale BIP saisonbereinigt um 0,5 % zurück, bevor es im ersten Quartal 2024 wieder um 0,2 % anstieg. 1 Insgesamt zeigte sich die Konjunktur damit kurzfristig etwas schwächer als in der Deutschland-Prognose der Bundesbank vom Dezember 2023 erwartet. 2 Insbesondere die Nachfrageschwäche in der Industrie erwies sich als hartnäckiger. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht einer erhöhten wirtschaftspolitischen Unsicherheit sowie hoher Kostenbelastungen drosselten die Unternehmen ihre inländischen Investitionen stärker als erwartet. Auch der Konsum der privaten Haushalte kam noch nicht in Schwung, obwohl sich ihre realen Einkommen bereits spürbar verbesserten. Allerdings belebten sich die Geschäfte der Dienstleister auch ohne Impulse seitens des Konsums bereits deutlich. Dass die Schwäche der Industrie nicht noch deutlicher ausfiel, lag an den energieintensiven Branchen, die im ersten Quartal erstmals seit Beginn der Energiekrise ihre Produktion wieder spürbar steigerten. Zudem zeigte sich die Bauwirtschaft robuster als erwartet. Hierzu trug nicht nur eine ungewöhnlich milde Witterung bei, sondern auch eine stabilere Grundtendenz in den Bereichen außerhalb des Wohnungsbaus. 

Im laufenden und kommenden Quartal dürfte sich die Erholung fortsetzen und verbreitern. 3 Das BIP dürfte im zweiten Quartal mit einer ähnlichen Rate zulegen wie im ersten Quartal. Dahinter verbirgt sich jedoch eine leicht stärkere konjunkturelle Grundtendenz, denn im Wohnungsbau ist nach dem stützenden Witterungseffekt im Vorquartal ein Rückschlag zu erwarten. Diese Verstärkung stützt sich zunächst vor allem auf die Dienstleister. Deren Erholung setzt sich wohl fort und sollte noch an Breite und Kraft gewinnen, wenn auch vom privaten Konsum wieder Impulse kommen. Darauf deuten die ifo Indikatoren zur Geschäftslage und zu den Geschäftserwartungen hin. Gegenüber dem ersten Quartal verbesserten sie sich im Mittel von April und Mai bei den Dienstleistern insgesamt, aber insbesondere auch im Einzelhandel und in anderen konsumnahen Dienstleistungsbranchen deutlich. Die Unternehmensinvestitionen gehen hingegen wohl vorerst weiter zurück. In der Industrie ist daher und angesichts noch schwacher Auftragseingänge kurzfristig zwar noch keine durchgreifende Belebung zu erwarten. Aber immerhin dürfte die Produktion in den energieintensiven Branchen ihre Aufwärtsbewegung fortsetzen, und von der Automobilindustrie könnten schon begrenzte Wachstumsimpulse ausgehen. 4 Im dritten Quartal schaltet die Konjunktur dann wohl einen weiteren Gang höher. Dann dürfte sich die Konsumkonjunktur weiter festigen, und vor allem sollten von der Industrie stärkere Impulse kommen. Dies signalisieren die im Verarbeitenden Gewerbe deutlich aufgehellten ifo Geschäfts- und Exporterwartungen für die kommenden sechs beziehungsweise drei Monate. Dahinter dürfte die Erwartung einer allmählichen Belebung des Welthandels stehen, von der insbesondere die Exportwirtschaft profitieren würde. 

Die Expansion setzt sich 2025 mit diesem höheren Tempo fort und verstärkt sich 2026 noch etwas. Getragen wird sie zunächst weiterhin vom privaten Konsum und den Exporten. Die privaten Haushalte profitieren bis 2026 von kräftig steigenden Löhnen, rückläufigen Inflationsraten und einem robusten Arbeitsmarkt. Dies lässt ihre real verfügbaren Einkommen im Projektionszeitraum kräftig ansteigen. Zudem verleiht die Sparquote dem Konsum zusätzlichen Schub, denn sie normalisiert sich von ihrem gegenwärtig erhöhten Niveau aus. Die Exporte steigen dank wachsender Absatzmärkte weiter an, auch wenn sie mit deren Tempo wohl nicht ganz Schritt halten können. Die privaten Investitionen bremsen im Jahr 2025 zwar nicht mehr. Spürbare Impulse liefern sie gleichwohl erst im Jahr 2026, sodass sich das gesamtwirtschaftliche Expansionstempo dann nochmals etwas erhöht.

Tabelle 2.2: Technische Komponenten zur BIP-Wachstumsprojektion
in % bzw. Prozentpunkten
Position2023202420252026
Statistischer Überhang am Ende des Vorjahres 1)

- 0,2 

- 0,3 

0,4 

0,4 

Jahresverlaufsrate 2)

- 0,2 

1,0 

1,1 

1,5 

Jahresdurchschnittliche BIP-Rate, kalenderbereinigt

0,0 

0,3 

1,1 

1,4 

Kalendereffekt 3)

- 0,2 

0,0 

-0,1 

0,3 

Jahresdurchschnittliche BIP-Rate 4)

- 0,2 

0,2 

1,0 

1,6 

Quelle: Statistisches Bundesamt (Rechenstand: 22. Mai 2024). 2024 bis 2026 eigene Projektionen. 1 Saison- und kalenderbereinigter Indexstand im vierten Quartal des Vorjahres in Relation zum kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt des Vorjahres. 2 Jahresveränderungsrate im vierten Quartal, saison- und kalenderbereinigt. 3 In % des BIP4 Abweichungen in der Summe rundungsbedingt.

Damit befreit sich die deutsche Wirtschaft nach und nach aus der konjunkturellen Schwäche der letzten zwei Jahre. Nachdem das reale BIP hierzulande seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine per saldo nicht mehr gewachsen ist, legt es im laufenden Jahr kalenderbereinigt um 0,3 % zu. In den Jahren 2025 und 2026 wächst die deutsche Wirtschaft dann mit Raten von 1,1 % beziehungsweise 1,4 % kräftiger. 5 Sie erreicht damit im Jahr 2026 wieder ihr Produktionspotenzial, sodass die Produktionslücke dann geschlossen ist. 6 Der Konjunkturausblick aus der Deutschland-Prognose vom Dezember 2023 wird mit den neuen Zahlen weitgehend bestätigt. Die BIP-Rate für 2024 fällt wegen des niedrigeren Startwerts zum Ende des Vorjahres leicht schwächer aus. Der BIP-Anstieg für 2025 wurde leicht abwärts- und derjenige für 2026 leicht aufwärtsrevidiert. Hier stehen sich etwas schwächer wachsende staatliche Konsumausgaben und etwas stärker wachsende private Investitionen gegenüber. Letztere rühren von etwas niedrigeren Zinsannahmen her. Zudem verschiebt sich ein Teil der Erholung des privaten Konsums zeitlich nach hinten. 

Tabelle 2.3a: Revisionen gegenüber der Projektion vom Dezember 2023
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position2023202420252026
BIP (real, kalenderbereinigt)
 Projektion vom Juni 2024

0,0 

0,3 

1,1 

1,4 

Projektion vom Dezember 2023

- 0,1 

0,4 

1,2 

1,3 

Differenz (in Prozentpunkten)

0,1 

- 0,1 

- 0,1 

0,1 

Exkurs

Rahmenbedingungen der Deutschland-Prognose

Die Deutschland-Prognose basiert auf Annahmen über die Weltwirtschaft, die Wechselkurse, die Rohstoffpreise und die Zinssätze, die von Fachleuten des Eurosystems gemeinsam festgelegt wurden. Den Annahmen liegen Informationen zugrunde, die am 15. Mai 2024 verfügbar waren. Die Projektion bezieht finanzpolitische Maßnahmen ein, sobald sie hinreichend spezifiziert sind und ihre Umsetzung als wahrscheinlich angesehen wird. 

Die Weltwirtschaft wächst im Projektionszeitraum moderat. 1  Die globale Wirtschaftsaktivität legte im Winterhalbjahr 2023/24 etwas deutlicher zu als in der Deutschland-Prognose vom Dezember 2023 unterstellt. Hier wirkte sich die zum Jahresende nochmals schwungvolle Binnenkonjunktur in den Vereinigten Staaten aus. Zudem stützten wirtschaftspolitische Stimuli sowie ein lebhaftes Exportgeschäft die Konjunktur in China stärker als seinerzeit erwartet. Nach den zuletzt höheren Raten werden für die globale Wirtschaftsaktivität im Projektionszeitraum moderate Zuwächse erwartet. Mit einem Wachstum von 3,3 % jeweils im Durchschnitt des laufenden und kommenden Jahres und von 3,2 % im Jahr 2026 wurde die veranschlagte Dynamik gegenüber der Dezember-Projektion nur wenig verändert. Der Rückgang der Inflationsraten setzt sich gemäß der Projektion in vielen Ländern fort, wenngleich sich die Teuerung bei den Dienstleistungen vielerorts hartnäckig zeigt. 2

Der wirtschaftliche Erholungsprozess in den anderen Ländern des Euroraums setzt sich fort. Die der Projektion zugrunde liegende wirtschaftliche Entwicklung in den anderen Ländern des Euroraums ergibt sich aus den Prognosen der nationalen Zentralbanken, die in die am 6. Juni 2024 von der EZB veröffentlichte Projektion für den Euroraum eingegangen sind. 3 Für den Euroraum ohne Deutschland wird demzufolge nach einer Rate von 1,1 % im laufenden Jahr mit einer Verstärkung des Wirtschaftswachstums auf 1,6 % 2025 und 1,7 % 2026 gerechnet. Dies ist weitgehend im Einklang mit der Prognose vom Dezember 2023. 

Der globale Handel und die deutschen Absatzmärkte beginnen sich im laufenden Jahr zu erholen und expandieren 2025 und 2026 im Einklang mit dem globalen Wirtschaftswachstum. Der internationale Handel blieb im Winterhalbjahr 2023/24 hinter der Dezember-Prognose zurück. Fortgesetzte globale Anpassungsprozesse im Waren- und Dienstleistungshandel nach der Pandemie sowie Sonderfaktoren dürften hierfür eine Rolle gespielt haben. 4  Dennoch zeigte sich der Welthandel nach einer langen Schwächephase zuletzt etwas gefestigt. Im Projektionszeitraum wird mit einer höheren Dynamik gerechnet. Nach einem Anstieg von 2,6 % im Durchschnitt des laufenden Jahres werden für 2025 und 2026 Wachstumsraten von jeweils 3,3 % erwartet ‒ gleichauf mit dem globalen Wirtschaftswachstum. Allerdings entwickeln sich die Importe der Handelspartner Deutschlands innerhalb des Euroraums sowie einiger anderer Industrieländer, in denen ein hoher Anteil der deutschen Exportmärkte liegt, zunächst etwas schwächer als der Welthandel. Daher bleibt die Dynamik der Absatzmärkte deutscher Exporteure im laufenden Jahr noch hinter derjenigen des Welthandels zurück. In den Jahren 2025 und 2026 wird ein höheres Absatzmarktwachstum im Einklang mit der Dynamik des Welthandels erwartet.

Tabelle 2.4: Wichtige Annahmen der Projektion
Position2023202420252026
Wechselkurse für den Euro
 US-Dollar je Euro

1,08 

1,08 

1,08 

1,08 

Effektiv 1)

121,8 

124,0 

124,2 

124,2 

Zinssätze
 EURIBOR-Dreimonatsgeld

3,4 

3,6 

2,8 

2,5 

Umlaufrendite öffentlicher Anleihen 2)

2,5 

2,4 

2,4 

2,4 

Preise
 Rohöl 3)

83,7 

83,8 

78,0 

74,5 

Erdgas 4)

40,6 

30,8 

35,4 

29,9 

Strom 4) 5)

103,5 

73,0 

87,7 

72,8 

Sonstige Rohstoffe 6) 7)

- 12,5 

11,4 

3,9 

0,9 

Nahrungsmittel 7) 8)

- 2,1 

- 1,2 

0,8 

- 0,3 

Absatzmärkte der deutschen Exporteure 7) 9)

0,2 

1,6 

3,3 

3,3 

1 Gegenüber 42 Währungen wichtiger Handelspartner des Euroraums (EWK-42-Gruppe), 1. Vierteljahr 1999 = 100. 2 Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von über neun bis zehn Jahren. 3 US-Dollar je Fass der Sorte Brent. 4 Euro je Megawattstunde. 5 Großhandelspreise im Euroraum basierend auf Daten der Europäischen Zentralbank 6 In US-Dollar. 7 Veränderung gegenüber Vorjahr in %. 8 Erzeugerpreise für Nahrungsmittel im Euroraum basierend auf Daten der Europäischen Kommission. In Euro. 9 Kalenderbereinigt.

Die Preise für Energierohstoffe entwickelten sich zuletzt gegenläufig, sinken aber in der Tendenz über den Projektionszeitraum. Vor dem Hintergrund des Konflikts im Nahen Osten zogen die Rohölnotierungen seit Dezember leicht an. Bedeutsam waren in dem Zusammenhang auch erneute Förderkürzungen einiger OPEC-Länder und ihrer Partner. Die Terminnotierungen weisen für den Verlauf dieses Jahres und die kommenden beiden Jahre auf einen Preisrückgang hin, liegen aber etwas über denen der Dezember-Projektion. Dagegen sanken die Gaspreise im europäischen Großhandel seit letztem Dezember zeitweise deutlich. Die ‒ auch witterungsbedingt ‒ schwache Gasnachfrage und stabile Gaslieferungen trugen dazu bei. Die Terminnotierungen lassen zwar zum Herbst einen leichten Anstieg der Gaspreise erwarten, gefolgt von einem erneuten Rückgang nach dem Winter 2025/26. Insgesamt bleiben sie aber merklich unter dem im Dezember 2023 unterstellten Verlauf. Ähnlich verhält es sich bei den eng mit den Gaspreisen zusammenhängenden europäischen Strompreisen.

Die Teuerung bei den sonstigen Rohstoffpreisen sinkt, und die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise gehen zunächst noch leicht zurück, bevor sie dann ihr Niveau weitgehend halten. In den vergangenen Monaten stiegen die sonstigen Rohstoffpreise vor allem aufgrund höherer Preise für Nahrungsmittelrohstoffe an. Insbesondere zogen die globalen Kakaopreise vor dem Hintergrund wiederholter Ernteausfälle zeitweise sprunghaft an. Zuletzt erhöhten sich aber auch viele Metallpreise unter den Industrierohstoffen spürbar. Für die Nichtenergierohstoffpreise insgesamt weisen die Terminnotierungen für 2025 und 2026 auf deutlich geringere Preisanstiege hin als im Durchschnitt des laufenden Jahres. Die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise im Euroraum sinken im Durchschnitt des laufenden Jahres noch leicht. Für 2025 und 2026 lassen die Terminnotierungen nur noch geringe Änderungen erwarten. Nach einem Anstieg im vergangenen Winter bleibt das Niveau allerdings über jenem aus der Dezember-Projektion. 

Vor dem Hintergrund einer seit Dezember unveränderten geldpolitischen Ausrichtung sind die Zinsannahmen weiterhin leicht rückläufig. Auf seinen geldpolitischen Sitzungen im Dezember 2023 sowie Januar, März und April 2024 beließ der EZB-Rat die Leitzinssätze unverändert. Er urteilte, dass sich die Leitzinsen auf einem Niveau befinden, das einen erheblichen Beitrag zum anhaltenden Inflationsrückgang zurück zum Zielwert leistet. Vor dem Hintergrund dieser weitgehend unveränderten geldpolitischen Ausrichtung waren die Terminnotierungen des EURIBOR zum Cut-off-Datum weiterhin abwärtsgerichtet. Sie liegen im laufenden und kommenden Jahr im Einklang mit denjenigen der Dezember-Projektion, für 2026 leicht darunter. Für zehnjährige Bundesanleihen leitet sich aus den Terminnotierungen für die kommenden beiden Jahre eine weitgehend konstante Rendite etwas unterhalb der Annahmen für die Dezember-Projektion ab. Für Bankkredite wird mit leicht rückläufigen und insgesamt etwas geringeren Finanzierungskosten als in der Dezember-Projektion gerechnet. 

Der Wert des Euro blieb gegenüber dem US-Dollar seit Dezember 2023 weitgehend unverändert, wertete aber in nominal effektiver Rechnung leicht auf. In dem für die Ableitung der Wechselkursannahmen relevanten Zeitraum notierte der Euro wie schon letzten Dezember bei1,08 US-$. Kursgewinne des Euro gegenüber einigen asiatischen und mitteleuropäischen Währungen trugen allerdings dazu bei, dass er in Bezug auf 41 für den deutschen Außenhandel wichtige Währungen leicht um 0,6 % aufwertete. 

Krisenbezogene finanzpolitische Maßnahmen gehen 2024 stark zurück und entfallen 2025 vollständig. Isoliert betrachtet sinkt hierdurch die staatliche Defizitquote um gut 1 Prozentpunkt im laufenden und um ½ Prozentpunkt im kommenden Jahr. Am bedeutsamsten für 2024 ist, dass die Energiepreisbremsen 2023 endeten und folglich im laufenden Jahr nicht mehr zu Buche schlagen. Zudem erhöhten sich die Umsatzsteuersätze auf Speisen in der Gastronomie, Erdgas und Wärme wieder, nachdem sie in den Krisen vorübergehend reduziert worden waren. 2025 entlastet den Staatshaushalt vor allem, dass die Abgabenbefreiung von Lohnkomponenten über Inflationsausgleichsprämien entfällt. 

Weitere Maßnahmen erhöhen sowohl die staatlichen Einnahmen als auch die Ausgaben bis 2026 deutlich. Die höheren Einnahmen und Ausgaben hängen teils zusammen. Es wird angenommen, dass Kranken- und Pflegeversicherung ihre steigenden Ausgaben über sukzessiv höhere Sozialbeitragssätze finanzieren. Mehreinnahmen bringt zudem die erweiterte Maut für Lastkraftwagen. Ein guter Teil davon fließt über Investitionszuschüsse in das Schienennetz des Bundes. Auch die Einnahmen aus CO-Zertifikaten legen über die Projektionsjahre deutlich zu; sie finanzieren Ausgaben des Klimafonds. Die gewinnabhängigen Steuern profitieren vor allem ab 2025 davon, dass in vergangenen Jahren beschleunigte Abschreibungen möglich waren und deshalb nun geringere Abschreibungen anstehen. Deutliche Mindereinnahmen ergeben sich hingegen dadurch, dass zu Jahresbeginn 2024 der Tarif der Einkommensteuer sank, um die kalte Progression des Vorjahres zu kompensieren. Es ist unterstellt, dass der Gesetzgeber diese Praxis 2025 und 2026 fortsetzt. Moderate steuerliche Mindereinnahmen ergeben sich auch durch das Wachstumschancengesetz und eine 2024 und 2025 niedrigere Stromsteuer für Unternehmen im produzierenden Gewerbe.

1.2 Konjunkturerholung stützt sich auf privaten Konsum und Exporte, erst 2026 auch wieder auf Investitionen

Der private Konsum wird sich im Prognosezeitraum kräftig erholen und ein tragender Pfeiler für die Konjunkturerholung werden. Das Konsumverhalten der privaten Haushalte wurde zuletzt vor allem durch Vorsichtsmotive geprägt. Sie sind vor dem Hintergrund der langen Konjunkturflaute, der stark gestiegenen Verbraucherpreise und entsprechender Realeinkommensverluste sowie der unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Perspektiven zu sehen. Zudem setzten die gestiegenen Zinsen Sparanreize, die in den langen Jahren der Niedrigzinsphase nicht vorhanden waren. Demgegenüber hatten die bereits wieder deutlich steigenden Reallöhne eine untergeordnete Wirkung auf den Konsum, sodass die Sparquote zu Jahresbeginn nochmals deutlich anstieg. Die kräftigen Lohnsteigerungen sind aber mittlerweile breit angelegt und zunehmend weniger von einmaligen Inflationsausgleichsprämien, sondern mehr von kräftigen permanenten Lohnerhöhungen geprägt. In Kombination mit einem robusten Arbeitsmarkt und nachlassender Inflation führen die stark steigenden Löhne zu einem kräftigen Anstieg der realen verfügbaren Einkommen, vor allem im laufenden Jahr. Die realen Einkommensverluste der letzten Jahre werden damit schon bald aufgeholt. In den Folgejahren wird es zu weiteren, spürbaren realen Einkommensgewinnen kommen. Das deutliche Einkommensplus wird somit zum bestimmenden Faktor für den Konsum, während Vorsichtsmotive nach und nach in den Hintergrund treten. Die jüngste Aufhellung des GfK-Konsumklimas stützt diese Erwartung. Der private Konsum dürfte daher schon im laufenden Quartal wieder leicht zulegen und dann in der zweiten Jahreshälfte an Schwung gewinnen. Im weiteren Verlauf wächst er über einige Zeit etwas stärker als die realen verfügbaren Einkommen, sodass die Sparquote graduell in Richtung ihres langfristigen Durchschnitts zurückgeht. 

Die Exporte werden ab der zweiten Jahreshälfte zur zweiten Konjunkturstütze. Bis zur Jahresmitte werden sie jedoch wohl allenfalls geringfügig zulegen. Besonders die exportorientierte Industrie leidet unter einer schwachen Auslandsnachfrage. So unterschritt der Auftragseingang aus dem Ausland im ersten Quartal das Mittel des Vorquartals deutlich. In der zweiten Jahreshälfte dürfte sich die Expansion der Ausfuhren dann aber etwas verstärken und anschließend das Expansionstempo in etwa halten. Die der Projektion zugrunde liegende konjunkturelle Erholung des Welthandels liefert dafür wichtige Impulse. Im Einklang damit hellten sich die ifo Exporterwartungen zuletzt etwas auf, und die ifo Geschäftserwartungen in der Industrie zeigen eine deutliche Belebung an. Außerdem dürfte sich die im ersten Quartal begonnene Erholung der energieintensiven Industrie im Projektionszeitraum moderat fortsetzen und die Exporte stützen. 7 Jedoch befindet sich die deutsche Exportindustrie in einem schwierigen internationalen Wettbewerbsumfeld, sodass externe Nachfrageimpulse die Exporte nicht unbedingt im gleichen Maße stützen wie das lange Zeit der Fall war. Die Zuwächse der Exporte sind in den vergangenen vier Jahren erheblich hinter diejenigen der Absatzmärkte zurückgefallen. Auch Unternehmensumfragen deuten auf eine merkliche Verschlechterung der Wettbewerbsposition in der jüngeren Vergangenheit hin. 8 Im Projektionszeitraum belastet insbesondere der vergleichsweise hohe inländische Preis- und Lohndruck die deutschen Exporteure zusätzlich. Der sich daraus ergebende Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit dürfte dazu führen, dass die deutsche Exportindustrie im Projektionszeitraum weitere Marktanteile verliert. Dementsprechend legen die Exporte etwas langsamer zu als die Absatzmärkte.

Die Unternehmensinvestitionen gehen erst ab 2025 wieder auf Expansionskurs. Das Investitionsumfeld stellt sich für die Unternehmen derzeit schwierig dar. Die anhaltende Schwäche der Auslandsnachfrage in der Industrie dämpft die Investitionsneigung der Unternehmen. Darüber hinaus stieg infolge der geldpolitischen Straffung das Zinsniveau für Unternehmenskredite deutlich an, und die Nettokreditvergabe von Buchkrediten an Unternehmen kam ab Ende 2022 zum Erliegen. Außerdem belasten weitere Hemmnisse die inländische Investitionstätigkeit. So gaben Unternehmen im Rahmen einer Bundesbank-Umfrage die hohen Energie- und Lohnkosten, aber auch den Fachkräftemangel, die Unsicherheit über den regulatorischen Rahmen sowie eine hohe Steuer- und Abgabenbelastung als wichtige Gründe an. 9 Vor diesem Hintergrund ist die Stimmung der Investitionsgüterproduzenten nach Angaben des ifo Instituts merklich eingetrübt. Die Unternehmensinvestitionen dürften ihren jüngsten Rückgang daher zunächst fortsetzen. Erst gegen Ende des laufenden Jahres gehen sie wieder auf einen moderaten Expansionskurs. Denn die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung klingen dann allmählich ab, und die wieder dynamischere Auslandsnachfrage stimuliert die heimische Investitionstätigkeit. Zusätzliche Impulse liefern die Bemühungen der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Im Jahr 2026 tragen die Unternehmensinvestitionen dann wieder spürbar zur BIP-Expansion bei.

Die Wohnungsbauinvestitionen dürften im laufenden Jahr aufgrund der schwachen Nachfrage noch einmal deutlich zurückgehen, bevor sie zögerlich wieder steigen. Die hohen Bau- und die gestiegenen Finanzierungskosten sowie die Realeinkommensverluste der vergangenen drei Jahre lasten noch immer auf der Nachfrage privater Haushalte nach Wohnraum. Der Auftragseingang im Wohnungsbau erholte sich noch nicht nennenswert von seinem seit Ende 2022 durchgängig schwachen Niveau. Auch in den Baugenehmigungen ist noch keine Belebung erkennbar. Laut ifo Institut berichten die Wohnungsbauunternehmen weiterhin von einem gravierenden Auftragsmangel. Im laufenden Quartal werden die Wohnungsbauinvestitionen zudem wohl vor allem aufgrund witterungsbedingter Rückpralleffekte deutlich zurückgehen. Die ungewöhnlich milde Witterung hatte im ersten Vierteljahr stützend gewirkt. Im zweiten Halbjahr dürften die Wohnungsbauinvestitionen angesichts der schwachen Nachfrage noch etwas weiter absinken. Jenseits der zyklischen Belastungsfaktoren ist in Deutschland aber eine grundsätzliche Nachfrage nach zusätzlichem Wohnraum vorhanden. Ein Grund dafür ist die hohe Zuwanderung. Sie geht zwar im Projektionszeitraum zurück, sorgt aber immer noch dafür, dass die Bevölkerung trotz des demografischen Wandels leicht wächst. Der hohe Wohnraumbedarf spiegelt sich auch in der Mietpreisinflation wider, die deutlich über ihrem langfristigen Durchschnitt liegt. Zudem ist der Bedarf an energetischen Renovierungen von Bestandsimmobilien vor dem Hintergrund hoher Energiekosten und der klimapolitischen „Wärmewende“ weiterhin hoch und sollte die Wohnungsbauinvestitionen über den gesamten Projektionszeitraum stützen. Da schließlich die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte deutlich ansteigen und die Finanzierungskosten wieder leicht zurückgehen, beginnen die Wohnungsbauinvestitionen im kommenden Jahr wieder langsam zu wachsen und nehmen 2026 ein wenig mehr an Fahrt auf. 

Die reale Staatsnachfrage stützt das Wirtschaftswachstum im gesamten Projektionszeitraum. Ein wesentlicher Grund sind die bis 2026 deutlich steigenden Militärausgaben. So führt die Beschaffung von militärischen Ausrüstungen, wie zum Beispiel Flugzeugen, zu deutlich höheren Staatsinvestitionen. Die Beschaffung von Munition trägt zu einem ansteigenden Staatsverbrauch bei, ebenso wie die kräftig zulegenden Ausgaben für Gesundheit und Pflege. 

Die Importe erhöhen sich bis 2026 kräftig und tragen dazu bei, dass der Leistungsbilanzsaldo nach einem deutlichen Anstieg wieder leicht zurückgeht. Die Importe legen bis zum Ende des Projektionszeitraums aufgrund der spürbar anziehenden inländischen Nachfrage deutlich kräftiger zu als die Exporte, die durch die gedrückte Wettbewerbsfähigkeit nur vergleichsweise verhalten expandieren. Dies übt für sich genommen einen dämpfenden Einfluss auf die Leistungsbilanz aus. Deren Überschuss dürfte aber im laufenden Jahr zunächst nochmals moderat zunehmen, und zwar auf 7,5 % des BIP. Maßgeblich ist dabei eine merkliche Verbesserung der Terms of Trade, die den Handelsbilanzsaldo anhebt. Im weiteren Projektionszeitraum verbessern sich die Terms of Trade nur noch vergleichsweise wenig, und in Summe geht der Saldo der Handelsbilanz 2025 und 2026 leicht zurück. Auch der Leistungsbilanzüberschuss nimmt im Projektionszeitraum wieder geringfügig ab, bis auf gut 7 % im Jahr 2026.

1.3 Am Arbeitsmarkt steigt die Anspannung wieder

Der Arbeitsmarkt blieb trotz der anhaltenden konjunkturellen Schwäche im Winterhalbjahr 2023/24 stabil. Die Arbeitslosigkeit stieg zwar geringfügig an, aber zugleich erhöhte sich auch die Beschäftigung leicht. Zwar sank die Beschäftigung in der konjunkturreagiblen Arbeitnehmerüberlassung deutlich. Demgegenüber stand ein stetiger Beschäftigungsaufbau in Dienstleistungsbereichen, die aus strukturellen Gründen mehr Personal benötigen. Dies gilt beispielsweise für den Gesundheits- und Pflegebereich. Der Beschäftigungsanstieg übertraf insgesamt leicht die Erwartungen der Deutschland-Prognose vom Dezember 2023. Alles in allem reagierte der Arbeitsmarkt nur mild auf die rund zwei Jahre anhaltende konjunkturelle Schwächephase: Sie führte zu einer graduell gestiegenen Arbeitslosigkeit, einer moderat erhöhten Kurzarbeit, einer gedämpften Arbeitszeit und etwas sinkenden offenen Stellen. Die Anspannung am deutschen Arbeitsmarkt ließ damit zwar leicht nach, blieb aber auf einem hohen Niveau. Diese hohe Anspannung spiegelt die strukturellen Bedingungen am deutschen Arbeitsmarkt wider, die vor allem durch die ungünstige Demografie geprägt werden. Entsprechend herrscht in Teilen der Wirtschaft weiterhin ein ausgeprägter Fachkräftemangel. 

Die Beschäftigung dürfte zunächst weiter verhalten wachsen und die Arbeitslosigkeit noch etwas ansteigen, bevor sie zum Jahresende wieder sinkt. Die Einstellungspläne der gewerblichen Wirtschaft weisen nach langem Rückgang mittlerweile eine Bodenbildung auf. Nachdem in den letzten zwei Jahren die Stammbelegschaften auch in konjunkturell widrigen Zeiten weitgehend gehalten worden waren, dürfte sich mit der langsam einsetzenden wirtschaftlichen Verbesserung zunächst deren Arbeitszeit erholen. Die Arbeitslosigkeit dürfte derweil noch einige Monate leicht steigen. Das IAB-Barometer Arbeitslosigkeit liegt zwar weiterhin im negativen Bereich, welcher einen Anstieg anzeigt. Aber der Indikator bewegte sich in den letzten Monaten auf den neutralen Bereich zu. Die Einstellungswahrscheinlichkeit für Arbeitslose ist derzeit noch relativ niedrig. Für die Gruppe der ukrainischen Geflüchteten verbesserte sich die Einstellungsrate jedoch deutlich, wenn auch von sehr niedrigem Niveau aus. Mit der sich verstärkenden wirtschaftlichen Erholung dürfte die Arbeitslosigkeit zum Jahresende 2024 hin wieder langsam sinken. Im Jahresmittel 2024 liegt die Arbeitslosenquote dennoch leicht über dem Vorjahr, und die Beschäftigung expandiert 2024 im Vergleich zu den beiden Vorjahren deutlich schwächer. 

Ab dem Jahr 2025 begrenzt die demografische Entwicklung das Arbeitsangebot, und die Anspannung am Arbeitsmarkt nimmt wieder erheblich zu. Der Mangel an Fachkräften tritt im weiteren Projektionszeitraum wieder deutlicher hervor. Denn das Beschäftigungsniveau ist bereits sehr hoch und kann angesichts der demografischen Herausforderungen nicht mehr so stark wachsen wie in den vorangegangenen Jahren. Die Erwerbsquote steigt aufgrund der ungünstigen Altersstruktur in Deutschland dann nicht mehr, auch wenn die individuelle Erwerbsneigung weiter zunimmt. Dies kann durch die Zuwanderung nur zu einem Teil aufgefangen werden. Zum einen ist die Integration von Neuzuwanderern in den Arbeitsmarkt aufwändig und erfolgt mit Verzögerung. Zum zweiten wird in der Projektion angenommen, dass sich die gegenwärtig hohe Zuwanderung allmählich normalisiert. 10 Die Zahl der Erwerbspersonen erhöht sich damit 2025 nur noch geringfügig und geht 2026 etwas zurück. Da zugleich die Arbeitsnachfrage im Gefolge der Konjunkturerholung ansteigt, nimmt die Anspannung am Arbeitsmarkt wieder erheblich zu. 

Zum Ende des Projektionszeitraums kommt das Beschäftigungswachstum trotz sinkender Arbeitslosigkeit zum Erliegen. Der Beschäftigungsanstieg schwächt sich angesichts der zunehmenden Angebotsengpässe ab und kommt im Verlauf des Jahres 2026 zum Erliegen. Die Arbeitslosigkeit sinkt zwar 2025 und 2026 leicht. Dies bietet aber keine großen Spielräume mehr für zusätzliche Beschäftigung. Zunächst steigt noch die Arbeitszeit je Erwerbstätigen, da vermehrt Überstunden geleistet werden und die Arbeitsstunden der Teilzeitkräfte steigen. Allerdings lässt dieser Anstieg zum Ende des Projektionszeitraums deutlich nach, da die demografisch verursachten Verschiebungen der Altersstruktur auch die durchschnittliche Arbeitszeit dämpfen. 11 Die wirtschaftliche Erholung wird dann zunehmend von einer steigenden Arbeitsproduktivität getragen. Diese wird unter anderem durch eine erhöhte Kapazitätsauslastung der Unternehmen und durch sektorale Verschiebungen der Expansionskräfte gestützt. Insbesondere trägt die Industrie mit steigenden Exporten wieder spürbar zum BIP-Wachstum bei. Schließlich wirkt die zunehmende Aufenthaltsdauer der vielen Zuwanderer der letzten beiden Jahre produktivitätsfördernd, vor allem deren steigende Berufserfahrung, Erwerb und Anerkennung von Qualifikationen und Sprachfähigkeiten sowie eine verbesserte Passgenauigkeit bei der Stellenbesetzung.

1.4 Löhne steigen auch 2024 noch stark, danach zwar mit weniger Schwung, aber immer noch kräftig  

Der Lohnauftrieb fiel zuletzt deutlich höher aus als erwartet. Die jüngsten Tarifabschlüsse übertrafen mehrheitlich die Erwartungen der Deutschland-Prognose vom Dezember 2023. Dies schlug sich in einem starken Tariflohnanstieg im ersten Quartal 2024 nieder, reicht aber auch weit in die kommenden Quartale hinein. So hat der jüngste Abschluss im Einzelhandel, der nach mehr als einjährigen Verhandlungen erzielt wurde, hauptsächlich in der zweiten Jahreshälfte beträchtliche Lohnerhöhungen zur Folge. 12 Auch in der Breite der Wirtschaft stiegen die Löhne stärker an als erwartet. Daher wurde die Prognose sowohl für die Tarif- als auch für die Effektivverdienste im Jahr 2024 deutlich aufwärtsrevidiert.

Die Tarifverdienste steigen im laufenden Jahr besonders stark an und legen in den Folgejahren zwar deutlich weniger, aber immer noch kräftig zu. Im Jahresdurchschnitt 2024 erhöhen sich die Tarifverdienste nach der neuen Prognose um 5,9 %. Die Gewerkschaften streben weiterhin einen Ausgleich für die noch nicht vollständig kompensierten Reallohnverluste in den Vorjahren an. Ihre Lohnforderungen sind weiterhin hoch, und es gelingt ihnen, davon vergleichsweise viel durchzusetzen. Zudem ist der Arbeitnehmerseite bewusst, dass mit dem Wegfall der abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien zum Jahresende der damit verbundene vorübergehende Kaufkraftausgleich verpufft. Die leichte Abschwächung des Arbeitsmarktes dämpft die Lohnzuwächse nur wenig. Die Inflationsausgleichsprämien leisten zwar gegenwärtig noch einen hohen Beitrag zum Tariflohnwachstum. Allerdings dürfte ihre Relevanz im Laufe des Jahres abnehmen und diejenige der dauerhaften Lohnkomponenten an Bedeutung gewinnen. Im Jahr 2025 entfallen die Inflationsausgleichsprämien dann vollständig, was zu negativen Basiseffekten in den Vorjahresraten führt. Insbesondere deswegen wird das Lohnwachstum dann spürbar nachlassen. 13 Zudem werden in einem Umfeld gesunkener Inflationsraten auch etwas niedrigere Neuabschlüsse als in den beiden Vorjahren unterstellt. 14 Die Tarifverdienste steigen im Ergebnis 2025 mit einer Rate von 2,7 %. 2026 schlagen sich der wieder stärker angespannte Arbeitsmarkt und die günstigere Konjunktur in einer Tariflohnsteigerung von 3,1 % nieder. 

Die Effektivverdienste steigen im Projektionszeitraum durchgängig noch etwas stärker an als die Tarifverdienste. Die Effektivverdienste legen im laufenden Jahr mit einer Rate von 6 % ähnlich kräftig zu wie 2023. Sie übertreffen die Tariflöhne damit aber nur noch leicht. Für eine solche leicht positive Schere, die sogenannte "Lohndrift", sprechen unter anderem die bislang bekannten Erfolgsprämien, die im laufenden Jahr geringfügig höher als im Vorjahr ausfallen. 15  Die Lohndrift erhöht sich 2025 vor allem aufgrund der steigenden Arbeitszeit und bleibt auch 2026 noch spürbar positiv, insbesondere wegen der zunehmenden Knappheiten am Arbeitsmarkt. Im Ergebnis legen die Effektivverdienste 2025 um 3,2 % und 2026 um 3,5 % zu. Diese Raten sind deutlich höher als im historischen Durchschnitt seit der Wiedervereinigung. Die Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmer legen vor allem 2025 sogar noch etwas stärker zu, da sich die Sozialbeiträge der Arbeitgeber spürbar erhöhen. 16

Die hohen Gewinnmargen normalisieren sich. Da die Wirtschaft im laufenden Jahr bei robuster Beschäftigung nur leicht wächst und die Löhne stark steigen, bleibt der Druck von den Lohnstückkosten sehr hoch. Die Unternehmen dürften diesen jedoch zu einem Teil über geringere Gewinne abfedern. Denn im Vergleich zu den Vorjahren, als sie ihre Gewinnmargen kräftig ausweiten konnten, haben sich Lieferengpässe aufgelöst, und die Nachfrage hat sich deutlich abgeschwächt – auch infolge der strafferen Geldpolitik. So überwiegt laut ifo Umfragen zu Produktionshemmnissen in vielen Sektoren mittlerweile eine unzureichende Nachfrage gegenüber angebotsseitigen Faktoren. Die gesamtwirtschaftlichen Gewinnmargen sinken daher 2024 kräftig ab und erreichen etwa ihr Vor-Pandemie-Niveau. Daher geht die erhebliche Binneninflation trotz kräftig steigender Lohnstückkosten deutlich zurück. Ab 2025 trägt neben dem gemäßigteren Lohnwachstum auch die sich erholende Arbeitsproduktivität dazu bei, dass der starke Anstieg der Lohnstückkosten merklich nachlässt. Vor diesem Hintergrund ermäßigt sich die am BIP-Deflator gemessene Binneninflation spürbar, von 6,6 % im vergangenen Jahr über 3,7 % im laufenden Jahr bis auf 2,2 % im Jahr 2026.

1.5 Verbraucherpreisanstieg lässt nur noch langsam nach

Der Disinflationsprozess hält an, aber die Kerninflation ist hartnäckiger als erwartet. Im vergangenen Winterhalbjahr ging die Teuerung auf der Verbraucherstufe, gemessen am HVPI, weiter zurück. Im Mai lag die Rate laut Schnellschätzung bei 2,8 % und damit marginal niedriger als in der Deutschland-Prognose vom vergangenen Dezember erwartet. Dies lag vor allem an stärker gesunkenen Energiepreisen. Die Rate ohne Energie und Nahrungsmittel (das heißt die Kernrate) ging dagegen, anders als im Dezember 2023 erwartet, von November bis Mai nicht weiter zurück. Ursächlich dafür waren die Dienstleistungen, bei denen die Preisanhebungen mehrheitlich höher ausfielen. Dies gilt auch für die Mieten. Bei diesen betrug der Anstieg zuletzt 2,2 %. Das ist knapp doppelt so hoch wie der durchschnittliche Mietenanstieg seit 1999. Der Preisdruck bei Industriegütern ohne Energie nahm hingegen etwas schneller ab als prognostiziert.

Im Durchschnitt des laufenden Jahres dürfte sich die Inflationsrate mehr als halbieren, wobei die Kernrate langsamer zurückgeht. Vor allem aufgrund des hohen Kostendrucks von den Löhnen wird die kräftige Verteuerung der Dienstleistungen wohl auch im weiteren Jahresverlauf kaum nachlassen. Dagegen sollte der Preisanstieg bei den Industriegütern ohne Energie stärker zurückgehen. Denn bei ihnen haben nicht nur die Löhne einen geringeren Kostenanteil als bei den Diensten. 17 Vielmehr hatten auch die angebotsseitigen Störungen durch die Corona-Pandemie und den Ukrainekrieg hier für einen stärkeren Preisschub gesorgt, der nun zügig abklingt. Und schließlich ist die Preissetzung bei den Industriegütern deutlich flexibler. 18 Die Kernrate insgesamt geht daher im Jahresdurchschnitt 2024 von 5,1 % im Vorjahr auf 3,1 % zurück. Noch wesentlich stärker ist die Disinflation bei Nahrungsmitteln, wo sich der im Vorjahr noch zweistellige Preisanstieg grob auf sein Vorkrisen-Niveau von etwas mehr als 2 % zurückbildet. Dafür sorgen fallende landwirtschaftliche Erzeugerpreise, aber auch niedrigere Großhandelspreise für Strom und niedrigere Erdgaspreise. Letztere führen überdies dazu, dass die Verteuerung von Energie, die sich bereits im Vorjahr stark reduziert hatte, in diesem Jahr noch etwas weiter abnimmt. 19 Einem noch stärkeren Rückgang der Teuerung bei Energie steht die Erhöhung des CO-Preises auf fossile Brennstoffe und die Normalisierung des vorübergehend reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Gas und Fernwärme entgegen. 20 Insgesamt dürfte so die HVPI-Rate im Durchschnitt des laufenden Jahres auf 2,8 % fallen und sich damit im Vergleich zum Jahr 2023 mehr als halbieren. 

Im weiteren Projektionszeitraum geht die Inflationsrate angesichts des hohen Lohndrucks nur noch langsam zurück. Die Kernrate sinkt weiter – zunächst auf 2,5 % im Jahr 2025 und dann auf 2,3 % im Jahr 2026. Denn die geldpolitische Straffung entfaltet weiter ihre Wirkung, und der starke Anstieg der Lohnstückkosten lässt nach. Dennoch sorgen die noch immer vergleichsweise kräftig steigenden Löhne vor allem bei den Dienstleistungen für einen überdurchschnittlichen Preisanstieg. Bei Energie nimmt der Preisanstieg im Jahr 2025 wieder spürbar zu. Zwar gehen die Gaspreise annahmegemäß zurück. Allerdings steigt der CO-Preis weiter, die Großhandelspreise für Strom ziehen annahmegemäß merklich an, und die zwischenzeitlich höheren Rohölpreise wirken zum Teil noch etwas nach. Im Jahr 2026 gleichen dann fallende Rohöl- und Erdgaspreise den weiteren Anstieg des CO-Preises teilweise aus. Energie hat dann wieder einen stärker dämpfenden Beitrag zur allgemeinen Teuerung. Bei den Nahrungsmitteln nimmt die Preissteigerungsrate vor allem 2025 wieder zu. Denn der vorangegangene Lohnanstieg wirkt preistreibend, und der zuvor dämpfende Effekt der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise entfällt, da diese nicht weiter nachgeben. Alles in allem ermäßigt sich die HVPI-Gesamtrate im Jahr 2025 auf 2,7 % und im Jahr 2026 auf 2,2 %. 

Tabelle 2.3b: Revisionen gegenüber der Projektion vom Dezember 2023
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position2023202420252026
Harmonisierter Verbraucherpreisindex
 Projektion vom Juni 2024

6,0 

2,8 

2,7 

2,2 

Projektion vom Dezember 2023

6,1 

2,7 

2,5 

2,2 

Differenz (in Prozentpunkten)

- 0,1 

0,1 

0,2 

0,0 

2 Ausblick für die öffentlichen Finanzen

Die Defizitquote sinkt von 2,5 % im Jahr 2023 auf 1,8 % im laufenden Jahr, vor allem, weil Energiekrisen-Maßnahmen entfallen (vgl. die Ausführungen zu den Rahmenbedingungen dieser Projektion).  Der Rückgang wäre größer, wenn nicht andere Ausgaben deutlich wachsen würden, etwa für Verteidigung und für Transfers an die Ukraine. Darüber hinaus steigen Personal- und Rentenausgaben vor allem im Gefolge der hohen Inflation der letzten Jahre deutlich. Die schwache Konjunktur belastet den Haushalt nur moderat, vor allem, weil sich der Arbeitsmarkt robust hält. Insbesondere wachsen die aufkommensstarken Löhne und Gehälter immer noch dynamisch, und die Arbeitslosigkeit ist nur wenig erhöht.

Die Defizitquote sinkt 2025 auf 1,6 % und 2026 auf 1,1 %, weil Lohnbestandteile nicht mehr abgabenfrei sind und der Klimafonds seine Ausgaben zurückführt. Einige stark wachsende Ausgaben belasten den Staatshaushalt hingegen. Nicht zuletzt wachsen die Rentenausgaben dynamisch, sowohl infolge kräftiger gesamtwirtschaftlicher Lohnsteigerungen als auch durch stärkere Rentenzugänge. Zudem nehmen die Refinanzierungskosten für die Staatsschulden zu, wodurch sich die Zinsausgaben deutlich erhöhen. Die schwache Konjunktur strahlt 2025 noch auf den Staatshaushalt aus. Im Jahr 2026 baut sich der Konjunktureinfluss praktisch vollständig ab.

Die strukturelle Haushaltslage verschlechtert sich bis 2025 und verbessert sich danach wieder etwas. Ohne die vorübergehenden Einflüsse durch temporäre Krisenmaßnahmen und Konjunktur betrachtet (das heißt im strukturellen Sinne), liegt die Defizitquote 2026 bei 1 %, nach ½ % im Jahr 2023. Ausschlaggebend sind stark zunehmende Ausgaben, vor allem für Renten, Verteidigung und Personal. Die Ausgaben des Bundes wachsen vor allem 2024 deutlich, und der Bund verbraucht im laufenden Jahr einen guten Teil seiner Reserven im Kernhaushalt und im Klimafonds. In diesem Zuge steigt sein strukturelles Defizit. Im kommenden Jahr geht es dann wieder leicht und 2026 etwas stärker zurück. Parallel dazu verschlechtert sich die strukturelle Haushaltslage der Rentenversicherung allerdings sukzessive.

Die Maastricht-Schuldenquote sinkt bis Ende 2026 auf 60,7 %, weil das nominale BIP deutlich wächst. Ende 2023 lag die Schuldenquote bei 63,6 %. Der senkende Einfluss des nominalen BIP-Wachstums wiegt die schuldenerhöhenden Defizite mehr als auf. Der Bund macht zwar zusätzliche Schulden, um das Generationenkapital aufzubauen. 21 Dem stehen aber sinkende Schulden im Zusammenhang mit Corona-Hilfskrediten und Bad-Bank-Portfolios aus der Finanzkrise gegenüber. Einschließlich des Anteils an den EU-Schulden, für den Deutschland letztlich aufkommen muss, liegt die Schuldenquote höher und fällt langsamer: Die um diesen Anteil erweiterte Schuldenquote sinkt von 65 % im Jahr 2023 auf gut 63 % im Jahr 2026. 22

3 Risikobeurteilung

Die hier dargestellten makroökonomischen Projektionen unterliegen einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren. In der Gesamtschau überwiegen gegenwärtig für die Inflation die Aufwärtsrisiken. Für das Wirtschaftswachstum bestehen kurzfristig eher Chancen für eine raschere Belebung, aber mittelfristig überwiegen Abwärtsrisiken.

Geopolitische Spannungen prägen nach wie vor das Unsicherheitsbild und stellen Aufwärtsrisiken für die Inflation und Abwärtsrisiken für die Wirtschaftsleistung dar. Insbesondere der russische Krieg gegen die Ukraine und der Konflikt im Nahen Osten könnten sich intensivieren oder ausweiten und damit das Angebot von Energierohstoffen auf dem Weltmarkt beeinträchtigen und Lieferketten stören. Dies könnte die Importpreise für Energie und andere Güter erhöhen und somit unmittelbar zu einem Anstieg der Inflation in Deutschland führen und die Konjunktur belasten. Eine Eskalation handelspolitischer Spannungen oder eine Zunahme geopolitischer Fragmentierung könnte ähnliche Auswirkungen zur Folge haben.

Die Inflation könnte sich zudem als hartnäckiger erweisen, sollten die Löhne stärker steigen, die Gewinnmargen nicht zurückgehen oder der Mietenanstieg höher ausfallen. Ein Risiko für den Disinflationsprozess ist ein stärker als erwarteter Anstieg der Löhne. Dieser könnte zum einen aus höheren Inflationserwartungen resultieren, die die Beschäftigten bei ihren Lohnverhandlungen zugrunde legen. Zum anderen könnte es den Arbeitnehmern angesichts des angespannten Arbeitsmarktes gelingen, noch stärkere Lohnerhöhungen durchzusetzen als in der Projektion unterstellt. Zudem könnten sich die Gewinnmargen als persistenter erweisen und somit den Preisdruck länger hoch halten. Beides könnte insbesondere zu einem höheren Preisanstieg bei Dienstleistungen führen, die sich zuletzt der Tendenz nach bereits dynamischer zeigten als zuvor erwartet. Zusätzlichen Auftrieb könnten die Dienstleistungspreise auch dann erhalten, wenn angesichts eines knappen Wohnraumangebots die Mieten stärker steigen würden. 23  

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft könnte sich deutlicher als angenommen verschlechtern. Im Falle von geopolitischen Krisen könnten sich die Importpreise für Energie und andere Vorleistungsgüter und damit die relativen Produktionskosten am Standort Deutschland länger anhaltend erhöhen. Ähnlich könnte sich ein deutlich stärkeres inländisches Lohnwachstum auswirken. Dies könnte dazu führen, dass manche Unternehmen ihre Produktion in Deutschland zurückfahren oder ins Ausland verlagern. Auch könnte sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie aus anderen Gründen verringern, etwa durch unternehmerische Entscheidungen in einem derzeit besonders durch unsichere zukünftige Rahmenbedingungen und Strukturwandel geprägten Umfeld. Beispielsweise könnten Unternehmen an alten Technologien festhalten, trotz struktureller Nachfrageverschiebungen – etwa vor dem Hintergrund des Klimawandels. Im Ergebnis besteht dadurch das Risiko, dass die Exporte weniger von einer wachsenden Auslandsnachfrage profitieren als in der Projektion veranschlagt und damit das BIP-Wachstum schwächer ausfällt. 

Die Konjunktur könnte sich allerdings zumindest kurzfristig schneller aufhellen als erwartet. Vor allem in der kurzen Frist könnte es zu einer stärkeren Belebung des privaten Konsums und der Unternehmensinvestitionen kommen. Der private Konsum könnte rascher steigen, sollten Vorsichtsmotive für Verbraucher weniger lang anhalten als angenommen. 24 Mit der starken Erholung der realen verfügbaren Einkommen im laufenden Jahr könnten dann auch die Konsumausgaben stärker als erwartet zunehmen, und die Sparquote könnte rascher als angenommen zurückgehen. Dann würde der Konsum allerdings in den Folgejahren wohl weniger schwungvoll zulegen. Auch bei den Unternehmen könnte sich die Stimmung noch verstärkt aufhellen. Dies könnte zu einer früheren Erholung der Unternehmensinvestitionen führen. Schließlich wäre auch bei den Exporten eine raschere Belebung möglich. Die zurückliegende Schwäche der Exporte könnte sich weniger als ein anhaltendes Problem mit der Wettbewerbsfähigkeit und eher als stärker zyklisches Phänomen herausstellen. Dann könnten die Exporte mit der Erholung des Welthandels auch stärker als angenommen anziehen. In der Summe würden diese Faktoren zu einer stärkeren Auslastung der Wirtschaft führen. Insbesondere im Falle einer stärkeren Belebung der inländischen Nachfrage wäre dadurch der Inflationsdruck allerdings höher als angenommen. Dies könnte den Disinflationsprozess verlangsamen und stellt somit ein weiteres Aufwärtsrisiko für den Inflationsausblick dar.

Tabelle 2.5: Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Projektion
Veränderung gegenüber Vorjahr in %, kalenderbereinigt1)
Position20232)202420252026
BIP (real)

0,0 

0,3 

1,1 

1,4 

desgl. unbereinigt

- 0,2 

0,2 

1,0 

1,6 

Verwendung des realen BIP
 Private Konsumausgaben

- 0,6 

0,7 

1,8 

1,5 

nachr.: Sparquote

11,4 

12,6 

11,7 

11,0 

Konsumausgaben des Staates

- 1,5 

1,0 

1,2 

1,8 

Bruttoanlageinvestitionen

- 0,2 

- 0,6 

1,0 

2,3 

 Unternehmensinvestitionen 3)

1,1 

- 1,9 

0,5 

1,6 

Private Wohnungsbauinvestitionen

- 2,9 

- 1,8 

0,1 

1,8 

Exporte

- 1,7 

0,9 

2,1 

2,3 

Importe

- 3,0 

0,3 

3,2 

3,2 

nachr.: Leistungsbilanzsaldo 4)

6,7 

7,5 

7,3 

7,1 

Beiträge zum BIP-Wachstum 5)
 Inländische Endnachfrage

- 0,5 

0,3 

1,4 

1,6 

Vorratsveränderungen

- 0,1 

- 0,2 

0,0 

0,0 

Exporte

- 0,8 

0,4 

1,0 

1,0 

Importe

1,5 

- 0,1 

- 1,3 

- 1,4 

Arbeitsmarkt
 Arbeitsvolumen 6)

0,7 

0,1 

0,8 

0,2 

Erwerbstätige 6)

0,7 

0,3 

0,3 

0,1 

Arbeitslose 7)

2,6 

2,7 

2,6 

2,5 

Arbeitslosenquote 8)

5,7 

5,9 

5,6 

5,4 

nachr.: Erwerbslosenquote 9)

3,0 

3,2 

3,1 

3,0 

Löhne und Lohnkosten
 Tarifverdienste 10)

4,0 

5,9 

2,7 

3,1 

Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer

6,1 

6,0 

3,2 

3,5 

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer

5,8 

6,1 

3,4 

3,6 

Reales BIP je Erwerbstätigen

- 0,7 

0,0 

0,8 

1,3 

Lohnstückkosten 11)

6,5 

6,1 

2,6 

2,2 

nachr.: BIP-Deflator

6,6 

3,7 

2,8 

2,2 

 
Verbraucherpreise 12)

6,0 

2,8 

2,7 

2,2 

 ohne Energie

6,4 

3,0 

2,8 

2,4 

Energiekomponente

5,1 

0,7 

2,2 

1,0 

ohne Energie und Nahrungsmittel

5,1 

3,1 

2,5 

2,3 

Nahrungsmittelkomponente

11,7 

2,3 

4,1 

2,6 

Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Eurostat. 2024 bis 2026 eigene Projektionen. 1 Falls Kalendereinfluss vorhanden. 2 Rechenstand: 22. Mai 2024. 3 Private Anlageinvestitionen ohne Wohnungsbau. 4 In % des nominalen BIP. Rechenstand Leistungsbilanz für 2023 hier: 11. April 2024. 5 Rechnerisch, in Prozentpunkten. Abweichungen in der Summe rundungsbedingt. 6 Inlandskonzept. 7 In Millionen Personen (Definition der Bundesagentur für Arbeit). 8 In % der zivilen Erwerbspersonen. 9 International standardisiert gemäß ILO-Definition, Eurostat-Abgrenzung. 10 Ursprungswerte auf Monatsbasis; gemäß Tarifverdienstindex der Bundesbank. 11 Quotient aus dem im Inland entstandenen Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer und dem realen BIP je Erwerbstätigen. 12 Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI), Ursprungswerte.
Tabelle 2.6: Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Projektion - ohne Kalenderbereinigung
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position20231)202420252026
BIP (real)

- 0,2 

0,2 

1,0 

1,6 

desgl. kalenderbereinigt

0,0 

0,3 

1,1 

1,4 

Verwendung des realen BIP
 Private Konsumausgaben

- 0,7 

0,7 

1,6 

1,6 

nachr.: Sparquote

11,4 

12,6 

11,7 

10,2 

Konsumausgaben des Staates

- 1,5 

1,0 

1,2 

1,8 

Bruttoanlageinvestitionen

- 0,7 

- 0,6 

0,9 

2,9 

 Unternehmensinvestitionen 2)

0,6 

- 2,1 

0,5 

2,2 

Private Wohnungsbauinvestitionen

- 3,4 

- 1,9 

- 0,1 

2,4 

Exporte

- 2,1 

0,7 

2,0 

2,8 

Importe

- 3,4 

0,2 

3,1 

3,7 

nachr.: Leistungsbilanzsaldo 3)

5,9 

7,5 

7,3 

7,1 

Beiträge zum BIP-Wachstum 4)
 Inländische Endnachfrage

- 0,9 

0,4 

1,3 

1,8 

Vorratsveränderungen

0,1 

- 0,4 

0,1 

0,0 

Exporte

- 1,1 

0,3 

0,9 

1,3 

Importe

1,6 

- 0,1 

- 1,3 

- 1,5 

Arbeitsmarkt
 Arbeitsvolumen 5)

0,4 

0,1 

0,7 

0,5 

Erwerbstätige 5)

0,7 

0,3 

0,3 

0,1 

Arbeitslose 6)

2,6 

2,7 

2,6 

2,5 

Arbeitslosenquote 7)

5,7 

5,9 

5,6 

5,4 

nachr.: Erwerbslosenquote 8)

3,0 

3,2 

3,1 

3,0 

Löhne und Lohnkosten
 Tarifverdienste 9)

4,0 

5,9 

2,7 

3,1 

Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer

6,1 

6,0 

3,2 

3,5 

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer

5,8 

6,1 

3,4 

3,6 

Reales BIP je Erwerbstätigen

- 0,9 

0,0 

0,7 

1,6 

Lohnstückkosten 10)

6,7 

6,1 

2,7 

2,0 

nachr.: BIP-Deflator

6,6 

3,6 

2,8 

2,2 

 
Verbraucherpreise 11)

6,0 

2,8 

2,7 

2,2 

 ohne Energie

6,4 

3,0 

2,8 

2,4 

Energiekomponente

5,1 

0,7 

2,2 

1,0 

ohne Energie und Nahrungsmittel

5,1 

3,1 

2,5 

2,3 

Nahrungsmittelkomponente

11,7 

2,3 

4,1 

2,6 

Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Eurostat. 2024 bis 2026 eigene Projektionen. 1 Rechenstand: 22. Mai 2024. 2 Private Anlageinvestitionen ohne Wohnungsbau. 3 In % des nominalen BIP. Rechenstand Leistungsbilanz für 2023 hier: 11. April 2024. 4 Rechnerisch, in Prozentpunkten. Abweichungen in der Summe rundungsbedingt. 5 Inlandskonzept. 6 In Millionen Personen (Definition der Bundesagentur für Arbeit). 7 In % der zivilen Erwerbspersonen. 8 International standardisiert gemäß ILO-Definition, Eurostat-Abgrenzung. 9 Ursprungswerte auf Monatsbasis; gemäß Tarifverdienstindex der Bundesbank. 10 Quotient aus dem im Inland entstandenen Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer und dem realen BIP je Erwerbstätigen. 11 Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI), Ursprungswerte.

Literaturverzeichnis

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Deutsche Bundesbank (2024a), Konjunktur in Deutschland, Monatsbericht, Mai 2024

Deutsche Bundesbank (2024b), Internationales und Europäisches Umfeld, Monatsbericht, Mai 2024.

Deutsche Bundesbank (2024c), Zu den wirtschaftlichen Folgen der Störungen des Schiffsverkehrs im Roten Meer, Exkurs in Internationales und europäisches Umfeld, Monatsbericht, Februar 2024.

Deutsche Bundesbank (2024d), Inländische Investitionshemmnisse für deutsche Unternehmen, Exkurs in Konjunktur in Deutschland, Monatsbericht, Mai 2024.

Deutsche Bundesbank (2024e), Die Maastricht-Verschuldung der EU-Institutionen und ihre fiskalische Bedeutung für Deutschland, Öffentliche Finanzen, Kurzberichte, Monatsbericht, April 2024.

Deutsche Bundesbank (2023a), Sinkende Inflation, aber noch keine Entwarnung – Perspektiven der deutschen Wirtschaft bis 2026, Monatsbericht, Dezember 2023, S. 15 – 35.

Deutsche Bundesbank (2023b), Zum geplanten Generationenkapital zur Entlastung der Rentenfinanzen, Monatsbericht, November 2023, S. 80 – 82.

Deutsche Bundesbank (2019a), Zum Einfluss der Löhne auf die Preise in Deutschland: Ergebnisse ausgewählter empirischer Analysen, Monatsbericht, September 2019, S. 15 – 39.

Deutsche Bundesbank (2019b), Auswirkungen des Klimapakets auf Wirtschaftswachstum und Inflationsrate, Monatsbericht, Dezember 2019, S. 30 – 34.

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