Internationales und europäisches Umfeld

Monatsberichtsaufsatz

1 Weltwirtschaft auf moderatem Wachstumskurs

Die Weltwirtschaft setzte zum Jahresbeginn ihren moderaten Wachstumskurs fort, und die regionalen Unterschiede zwischen den Industrieländern ließen etwas nach. Im Euroraum und im Vereinigten Königreich stieg die im Vorquartal noch rückläufige Wirtschaftsleistung wieder spürbar an. Dagegen schwächte sich in den USA das zuvor kräftige Wirtschaftswachstum ab. In Japan sank die gesamtwirtschaftliche Leistung sogar. In China verstärkte sich die Konjunktur auch dank wirtschaftspolitischer Stützungsmaßnahmen. 

Umfrageergebnisse lassen erwarten, dass die globale Konjunktur im Frühjahr zunehmend Tritt fasst. Laut Umfragen unter Einkaufsmanagern verbesserte sich weltweit die Geschäftslage in den letzten Monaten spürbar. In den Schwellenländern nahm die Industriekonjunktur weiter Fahrt auf. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften blieb die industrielle Erzeugung hingegen schwach. Dort war es vor allem der Dienstleistungssektor, der zu einem aufgehellten Stimmungsbild beitrug. Angesichts eines anhaltend hohen Preisauftriebs im Dienstleistungsbereich ist die Besserung wohl auf eine anziehende Nachfrage zurückzuführen (siehe hierzu den Exkurs zu den Triebkräften der jüngsten Konjunkturaufhellung in den Industrieländern). Dies deutet auf eine Festigung des wirtschaftlichen Aufschwungs in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften hin. 

Globale Einkaufsmanagerindizes

 

Exkurs

Triebkräfte der jüngsten Konjunkturaufhellung in den Industrieländern  

Der Einkaufsmanagerindex für die Industrieländer signalisierte zuletzt eine merkliche konjunkturelle Besserung. Es war vor allem der Dienstleistungssektor, der zur Stimmungsaufhellung seit Dezember 2023 beitrug. Gleichzeitig deutete der Index für die Endproduktpreise auf den verstärkten Preisauftrieb in diesem Sektor hin.

Hinter der Stimmungsaufhellung im Dienstleistungssektor stand wohl vor allem eine anziehende Nachfrage. Die Zerlegung der historischen Beiträge der Schocks in einem strukturellen vektorautoregressiven (SVAR) Modell zeigt, dass nachfrageseitige Faktoren die wichtigste Triebkraft hinter der jüngsten Stimmungsaufhellung im Dienstleistungssektor waren. 1 Darin könnte sich beispielsweise eine nachlassende Bremswirkung der vorherigen geldpolitischen Straffung widerspiegeln. Während zu Jahresbeginn Angebotsschocks die Aktivität im Dienstleistungssektor noch deutlich stützten, blieb deren Beitrag zuletzt gering.

Die anziehende Nachfrage scheint auch den Preisauftrieb im Dienstleistungssektor zu stützen. Die Schätzungen legen nahe, dass der seit Jahresbeginn in der Tendenz verstärkte Preisauftrieb auf der Erzeugerstufe vor allem auf die anziehende Nachfrage zurückzuführen ist. Insgesamt deuten die Ergebnisse an, dass der weitere Disinflationsprozess in den Industrieländern stocken könnte.

Historische Schockzerlegung des Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen in Industrieländern

Fußnoten
  1. Das SVAR-Modell ermöglicht es, die angebots- und nachfrageseitigen Ursachen zu bestimmen. In das Modell fließen die Aktivitäts- sowie die Preiskomponente des Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen ein. Die strukturellen Schocks werden mittels kontemporärer Vorzeichenrestriktionen der Impuls-Antwort-Folgen identifiziert: Positive Nachfrageschocks steigern die Aktivitäts- und Preiskomponenten des Einkaufsmanagerindex, positive Angebotsschocks steigern die Aktivitätskomponente und senken die Preiskomponente. Das SVAR-Modell wird mit Bayesianischen Methoden geschätzt. Dabei wird der langfristige Mittelwert der Einkaufsmanagerindizes an der Expansionsschwelle von 50 berücksichtigt. Die Schätzungen erfolgen mithilfe der BEAR-Toolbox der EZB (vgl.: Dieppe et al. (2018)) und umfassen den Zeitraum von Oktober 2009 bis April 2024.

Im Einklang mit dem aufgehellten Indikatorenbild schätzte der Stab des Internationalen Währungsfonds (IWF) die Aussichten für die Weltwirtschaft 2024 etwas günstiger ein als zuvor. Im World Economic Outlook vom April hob der IWF seine Prognose für das globale Wirtschaftswachstum 2024 leicht auf 3,2 % an. 1 Die Prognose für 2025 beließ er bei ebenfalls 3,2 %. Dabei dürfte sich das Wachstum der fortgeschrittenen Volkswirtschaften im Zeitablauf graduell verstärken. Dies sei nicht zuletzt auf die über den Prognosezeitraum weiter nachlassende Teuerung zurückzuführen. Laut dem IWF könnten die Inflationsraten in den meisten Industrieländern bereits bis zum zweiten Quartal 2025 ihrem Zielwert wieder sehr nahekommen. Das Risikoprofil für den Inflationsausblick wurde nun als ausgeglichen eingestuft. Chancen für ein schnelleres Absinken der Inflation aufgrund einer stärkeren Kompression von Gewinnmargen stünden dem Risiko steigender Rohstoffpreise infolge eskalierender geopolitischer Konflikte gegenüber.

Rohstoffpreise

Bereits in den vergangenen Monaten zogen zahlreiche Rohstoffnotierungen wieder an. Der Rohölpreis je Fass Brent stieg von 80 US-$ im Januar bis auf 90 US-$ im April. Preisstützend wirkten dabei eine gewisse Aufhellung der Nachfrageaussichten und neuerliche Förderkürzungen einiger OPEC-Staaten und ihrer Partner. Die Internationale Energieagentur ging in ihrer jüngsten Prognose nun von einem unterversorgten globalen Ölmarkt für das laufende Jahr aus. 2 Zusätzlich standen die Rohölnotierungen unter dem Einfluss des geopolitischen Konflikts im Nahen Osten. Vor dem Hintergrund der zuletzt etwas verminderten Spannungen gab der Rohölpreis in der ersten Mai-Hälfte auf 83 US-$ je Fass nach. Die europäischen Gaspreise zogen seit Februar 2024 hingegen stetig an. Auch verteuerten sich zuletzt zahlreiche Industrierohstoffe wie Kupfer, Aluminium und Nickel. Ebenso stieg eine Reihe von Nahrungsmittelpreisen leicht an.

Verbraucherpreise in Industrieländern

Der Disinflationsprozess kam zuletzt ins Stocken. Seit Januar ließ in den Industrieländern der Anstieg der Verbraucherpreise kaum noch nach. Im April lag die Vorjahresrate mit 3,0 % nur geringfügig unter dem Wert vom Januar, nicht zuletzt wegen gestiegener Energiepreise. Die ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise gerechnete Kernrate sank derweil etwas stärker, war aber mit 3,4 % weiterhin hoch. Das vielerorts kräftige Lohnwachstum und die zuletzt wieder anziehende Nachfrage könnten den weiteren Disinflationsprozess erschweren.

1.1 Konjunkturverstärkung in China

In China verstärkte sich die Konjunktur zu Jahresbeginn. Das BIP legte der offiziellen Schätzung zufolge preis- und saisonbereinigt um 1,6 % gegenüber dem Vorquartal zu. Gegenüber dem Vorjahr betrug das Plus 5,3 %. Die Wachstumsverstärkung wurde nicht zuletzt von wirtschaftspolitischen Stimuli ausgelöst, darunter eine deutliche Ausweitung der Infrastrukturinvestitionen. Zudem legten die Warenausfuhren zu, wohl auch infolge von Preiszugeständnissen chinesischer Firmen. Die erneut schwache Entwicklung der Einzelhandelsumsätze spricht hingegen für einen weiterhin verhaltenen privaten Verbrauch. 

Das BIP-Wachstum könnte jedoch schon bald wieder nachlassen. Laut den jüngsten Indikatoren dürfte die Konsumnachfrage bis zuletzt gedämpft geblieben sein. In dieses Bild passt die anhaltend verhaltene Entwicklung der Verbraucherpreise. Im April lagen diese lediglich 0,3 % höher als ein Jahr zuvor. Die Kernrate belief sich auf 0,7 %. Zudem zeichnet sich für die Probleme am Immobilienmarkt nach wie vor keine nachhaltige Lösung ab. In der großen Mehrheit der Städte fielen die Preise weiter, gleichzeitig sanken die Baubeginne im abgelaufenen Vierteljahr auf den niedrigsten Stand seit fast 20 Jahren. 

Reales BIP in ausgewählten großen Schwellenländern

1.2 Andere große Schwellenländer ebenfalls mit überwiegend günstigen Tendenzen

Indiens Wirtschaft dürfte ihre kraftvolle Expansion fortgesetzt haben. Im vergangenen Jahr steigerte Indien das reale BIP um fast 8 %. Seitdem dürfte die Wirtschaft auf einem steilen Expansionspfad geblieben sein. Darauf deuten etwa der Anstieg der Industrieproduktion sowie die anhaltend gute Stimmung im Dienstleistungsbereich. Auch das Konsumentenvertrauen verbesserte sich in den letzten Monaten weiter. Dazu dürfte nicht zuletzt der spürbare Rückgang der Teuerungsrate beigetragen haben. Die Vorjahresrate des Verbraucherpreisindex (VPI) lag im April bei 4,8 %, und damit weiterhin im oberen Bereich des Zielkorridors der indischen Zentralbank. Diese beließ den Leitzins bei 6,5 %.

In Brasilien könnte sich die Wirtschaft zuletzt etwas belebt haben. Die Industrieproduktion legte im ersten Vierteljahr gegenüber dem Vorquartal leicht zu. Auch im Dienstleistungssektor deutete sich in jüngster Zeit eine gewisse Besserung an. Insgesamt mehren sich damit die Zeichen, dass die Wirtschaft nach der Stagnation in der zweiten Jahreshälfte 2023 zuletzt wieder auf einen flachen Aufwärtspfad eingeschwenkt sein könnte. Der Preisanstieg auf der Verbraucherstufe schwächte sich derweil weiter ab. Im April betrug die Teuerungsrate 3,7 %. Die Zentralbank senkte den Leitzins seit Jahresbeginn um insgesamt 125 Basispunkte auf 10,5 %. 

Russlands Wirtschaft expandierte trotz angebotsseitiger Engpässe am Jahresanfang wohl weiterhin kräftig. Neben den stark ausgeweiteten Rüstungsaufwendungen stützte auch die lebhafte Verbrauchskonjunktur das Wachstum. Der Mangel an Vorleistungsgütern, der in den ersten Kriegsmonaten vorherrschte, dürfte weitgehend ausgestanden sein und die Produktion kaum noch hemmen. Von den westlichen Staaten sanktionierte Waren gelangten vorwiegend über China und andere Nachbarländer nach Russland. Größere Engpässe ergaben sich hingegen am Arbeitsmarkt. Bei einer überaus niedrigen Erwerbslosenquote von 2,7 % spiegelte sich der Arbeitskräftemangel in einem kräftigen Lohnanstieg wider. Der Preisanstieg auf der Verbraucherstufe verstärkte sich vor diesem Hintergrund weiter auf 7,7 % im März. Dennoch beließ die Zentralbank den Leitzins bei 16 %.

1.3 Merkliche Wachstumsabschwächung in den USA

In den USA schwächte sich das Wirtschaftswachstum zu Jahresbeginn merklich ab. Das reale BIP legte laut der ersten Schätzung saisonbereinigt um 0,4 % im Vergleich zur Vorperiode zu. Nach dem starken Wachstum im zweiten Halbjahr 2023 bedeutet dies eine spürbare Abschwächung. Dahinter standen kräftige Einfuhren und ein negativer Beitrag der Lagerbewegungen. Ebenso weitete sich die Staatsnachfrage, die im Vorjahr eine wesentliche Stütze des Aufschwungs war, nur leicht aus. Die private Binnennachfrage zeigte sich hingegen anhaltend robust. Der private Konsum stieg spürbar, gestützt durch das hohe Beschäftigungswachstum und die steigenden Realeinkommen. Auch die gewerblichen Investitionen erhöhten sich trotz der strikten Finanzierungsbedingungen spürbar. Die Wohnungsbauinvestitionen expandierten gar erheblich. 

Vor dem Hintergrund der weiterhin soliden Binnenkonjunktur kam der Rückgang der Inflation ins Stocken. Die Vorjahresrate des Verbraucherpreisindex lag im April bei 3,4 %, und damit 0,3 Prozentpunkte über dem Wert vom Januar. Maßgeblich dafür war der verstärkte Preisauftrieb bei Energie. Die Kernrate verringerte sich derweil spürbar, war mit 3,6 % aber weiterhin hoch. Dabei ließ der Preisanstieg bei den Dienstleistungen nur wenig nach. Die US-Notenbank ließ ihren Leitzins unverändert.

Reales BIP in großen Industrieländern außerhalb des Euroraums

1.4 Rückläufige Wirtschaftsleistung in Japan

Die Wirtschaftsleistung Japans ließ zum Jahresauftakt nach. Laut der ersten Schätzung sank das BIP saison- und preisbereinigt um 0,5 % gegenüber dem Herbst. Maßgeblich für die Kontraktion war der Produktionsstopp eines Automobilherstellers, der durch Sicherheitsmängel seiner Erzeugnisse hervorgerufen wurde. Infolgedessen brach die Kfz-Produktion saisonbereinigt um 17 % gegenüber dem Vorquartal ein. Die Ausfuhren gingen dementsprechend scharf zurück, und die Einfuhren sanken ebenfalls erheblich. Der Abwärtssog erfasste auch die privaten Bruttoanlageinvestitionen und den privaten Verbrauch. Ungeachtet der bereits seit Längerem schwachen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung blieb die Arbeitsmarktlage günstig. Die Erwerbslosenquote stieg nur leicht auf 2,6 %. Die Verbraucherpreise erhöhten sich im März im Vorjahresvergleich um 2,7 %, ohne Energie und Nahrungsmittel gerechnet um 2,2 %. Die anhaltend hohe Teuerung veranlasste die Bank of Japan im März zu ihrer ersten Leitzinsanhebung seit 17 Jahren und zur Beendigung der Kontrolle der Zinsstrukturkurve.

1.5 Konjunkturaufhellung im Vereinigten Königreich

Im Vereinigten Königreich stieg die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal deutlich an. Laut der ersten Schätzung nahm das reale BIP saisonbereinigt um 0,6 % gegenüber der Vorperiode zu. Insbesondere das Verarbeitende Gewerbe expandierte kräftig, nachdem es dort im Schlussquartal 2023 noch klare Einbußen gegeben hatte. Auch der zuvor lang schwächelnde Dienstleistungssektor legte merklich zu. Hingegen sank die Bautätigkeit erneut deutlich. Insgesamt mehren sich die Anzeichen, dass die gesamtwirtschaftliche Flaute überwunden sein könnte. Die Lage am Arbeitsmarkt trübte sich hingegen zuletzt etwas ein. Die Arbeitslosenquote stieg auf 4,3 %. Dennoch blieb das Lohnwachstum mit 5,7 % gegenüber dem Vorjahr vergleichsweise hoch. Die Teuerungsrate auf der Verbraucherstufe sank etwas, verfehlte aber weiterhin deutlich die geldpolitische Zielmarke. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) stieg im März im Vorjahresvergleich um 3,2 %. Insbesondere im Dienstleistungsbereich hielt sich die Teuerung hartnäckig. Infolgedessen fiel die Kernrate mit 4,2 % noch immer hoch aus. Vor diesem Hintergrund ließ die Bank of England ihren Leitzins unverändert.

1.6 Wirtschaftliche Erholung in Polen

In Polen belebte sich die Konjunktur im Winter. Das reale BIP stieg saisonbereinigt um 0,4 % an, nachdem es zuvor leicht zurückgegangen war. Treibende Kraft dürfte der private Verbrauch gewesen sein. So legten die Einzelhandelsumsätze merklich zu. Hierzu dürften Kaufkraftgewinne der privaten Haushalte infolge von kräftigen Lohnsteigerungen bei nachlassender Inflation beigetragen haben. Die Bruttolöhne stiegen im Unternehmenssektor im März um 12 % im Vorjahresvergleich. Dabei spielte auch eine Rolle, dass der Mindestlohn Anfang des Jahres um knapp 18 % angehoben wurde. Die Erwerbslosenquote blieb nahe ihres Niedrigstandes. Der Verbraucherpreisanstieg schwächte sich im März auf 2 % gegenüber dem Vorjahr ab, verstärkte sich im April aber leicht auf 2,4 %. Damit lag er im geldpolitischen Zielkorridor. Die Kernrate sank ebenfalls, war allerdings mit 4,1 % noch deutlich höher als die Gesamtrate. Die polnische Notenbank beließ den Leitzins bei 5,75%.

2 Überraschend starkes Wachstum im Euroraum

Im Euroraum nahm die Wirtschaftsleistung im ersten Vierteljahr 2024 überraschend stark zu. Der Schnellschätzung von Eurostat zufolge stieg das BIP im Vergleich zum Vorquartal preis- und saisonbereinigt um 0,3 %, nach einem leichten Rückgang im Schlussquartal 2023. Das spürbare Wachstum dürfte vor allem auf die konjunkturelle Aufhellung in verschiedenen Dienstleistungsbereichen und auf den durch günstige Witterungsverhältnisse bedingten Schub in der Bauwirtschaft zurückzuführen sein. Im Verarbeitenden Gewerbe hielt die Flaute dagegen an. Im laufenden Quartal dürfte die konjunkturelle Grundtendenz moderat aufwärtsgerichtet bleiben. Die Belastungen durch die starken Preisanstiege der letzten Jahre klingen weiter ab, und von der Weltwirtschaft gehen stützende Impulse aus. Verschiedene Faktoren bremsen jedoch weiterhin, insbesondere die hohe geopolitische Unsicherheit sowie die straffere geldpolitische Ausrichtung. 

Die allmähliche Erholung des privaten Verbrauchs setzte sich im Winter fort. Die realen verfügbaren Einkommen dürften angesichts der guten Arbeitsmarktlage, der deutlich gestiegenen Löhne und der abgeschwächten Teuerung merklich zugelegt haben. Dies schlug sich wohl verstärkt in der Nachfrage nach Dienstleistungen nieder. Die Umsätze im Gastgewerbe zogen jedenfalls preisbereinigt im Januar und Februar spürbar an. Auch der Warenkonsum erholte sich. Die Einzelhandelsumsätze stiegen nach mehreren Quartalen mit sehr schwacher Dynamik preisbereinigt sichtbar an. Die Zahl der Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen ging allerdings noch einmal zurück. Gleichzeitig blieb das Verbrauchervertrauen trotz einer gewissen Aufhellung im Quartalsverlauf unter seinem langfristigen Durchschnitt. Insgesamt zeigte sich die Konsumkonjunktur weiterhin verhalten.

Die Investitionstätigkeit verstärkte sich vermutlich nur vorübergehend. 3 Der recht kräftige Anstieg der Bauleistung im Januar und Februar lässt eine Zunahme der Bauinvestitionen im ersten Vierteljahr vermuten. Dies dürfte allerdings auf vorübergehende Effekte zurückgehen, darunter insbesondere die außergewöhnlich milde Witterung und staatliche Fördermaßnahmen. Grundsätzlich bleibt die Lage in der Bauwirtschaft schwierig. Laut Umfragen sanken die Bauaufträge weiter, und auch die Zahl der Baugenehmigungen für Wohngebäude ging bis Januar nochmals merklich zurück. Bei den Ausrüstungen gab es wohl ein weiteres Minus. Die Inlandsumsätze der Produzenten von Kapitalgütern sanken im Januar und Februar preisbereinigt deutlich. Die Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologien sowie in geistiges Eigentum dürften hingegen im Zuge des Digitalisierungstrends weiter gestiegen sein.

Die Warenausfuhren in Drittländer legten zum Jahresbeginn wohl deutlich zu. Insbesondere wurden vermehrt Vorleistungs- und Konsumgüter exportiert. Nach Ländern dürften sich vor allem die Ausfuhren nach China deutlich erholt haben, die in den vorherigen drei Quartalen stark gesunken waren. Auch die Exporte in die USA und in das Vereinigte Königreich legten wohl spürbar zu. Die Dienstleistungsexporte des Euroraums stiegen den Zahlungsbilanzangaben zufolge bis Februar kräftig, wahrscheinlich maßgeblich getragen vom lebhaften Tourismusgeschäft. Die Wareneinfuhren aus Drittländern dürften dagegen im Winter zurückgegangen sein, wobei die Schwäche über die Güterklassen hinweg breit angelegt war.

Im Verarbeitenden Gewerbe hielt die konjunkturelle Schwäche an. Lediglich die Erzeugung von Vorleistungen erholte sich nach deutlichen Rückgängen in den vorherigen Quartalen etwas. Die Investitions- und Konsumgüterproduktion sanken hingegen. Speziell die Herstellung von Kraftfahrzeugen war merklich geringer als im Vorquartal. Anzeichen einer Bodenbildung gab es in den besonders energieabhängigen Sektoren wie der Chemieindustrie. Verantwortlich für die schwache Industriekonjunktur war den Umfragen der Europäischen Kommission zufolge weiterhin die fehlende Nachfrage. Material- und Arbeitskräftemangel scheinen hingegen inzwischen weitaus weniger relevant. Darüber hinaus ließ der Preisdruck auf der Erzeugerstufe spürbar nach. Erzeuger- und Importpreise sanken im Vorjahresvergleich deutlich, vor allem dank rückläufiger Energiepreise, aber auch wegen sinkender Preise für Vorleistungen. Die Kapazitätsauslastung fiel zwischen Januar und April weiter unter ihren langfristigen Durchschnitt.

Die Dienstleistungskonjunktur hellte sich im ersten Vierteljahr auf. Die Aktivitäten im Hotel- und Gastgewerbe sowie der unternehmensnahen Dienstleister dürften merklich zugelegt haben. Zudem scheint sich die Expansion der Informations- und Kommunikationsbranche verstärkt zu haben. Den Umfragen der Europäischen Kommission zufolge belastete gleichwohl der Arbeitskräftemangel die Dienstleistungsbranche insgesamt.

Das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Aktivität war zu Jahresbeginn breit über die Mitgliedsländer gestreut. Die wirtschaftliche Lage verbesserte sich vor allem in jenen Ländern, in denen zuvor die negativen Auswirkungen der Energiekrise, der starken Teuerung und von Russlands Krieg gegen die Ukraine besonders stark gewesen waren, so auch in Deutschland. 4 In den südlichen Mitgliedsländern setzte sich hingegen die recht schwungvolle Konjunktur fort, gestützt von lebhaftem Tourismus und von Projekten, die aus dem Europäischen Aufbaufonds gefördert werden. 

Reales BIP im Euroraum und in ausgewählten Mitgliedsländern

In Frankreich stieg die Wirtschaftsleistung zu Jahresbeginn spürbar an. Das reale BIP legte laut der ersten Schätzung im ersten Quartal um 0,2 % zu, nach einem geringfügigen Plus im Vorquartal. Positive Impulse kamen von der inländischen Nachfrage. Der private Verbrauch stieg vor allem im Bereich Dienstleistungen merklich an. Die Investitionen expandierten nach der schwachen zweiten Jahreshälfte 2023 ebenfalls spürbar. Die Ausfuhren blieben lebhaft. Neben den Güterexporten spielte auch das günstige Tourismusgeschäft eine Rolle. Auch die Importe nahmen nach dem deutlichen Minus zum Jahresende wieder zu. Entstehungsseitig ergab sich die Wachstumsverstärkung alleine aus dem Dienstleistungssektor. Die Industrieproduktion erlitt dagegen einen Rückschlag, und in der Baubranche gab es erneut ein kräftiges Minus.

In Italien legte die gesamtwirtschaftliche Aktivität im ersten Vierteljahr merklich zu. Das reale BIP stieg vorläufigen Angaben zufolge um 0,3 %, nach einem Zuwachs von 0,1 % im Schlussquartal 2023. Impulse kamen vor allem von den Ausfuhren. Hingegen blieb die inländische Nachfrage eher schwach. Der private Verbrauch dürfte weiter gesunken sein, und die Investitionen scheinen trotz der lebhaften Bautätigkeit nur geringfügig zugelegt zu haben. In der Folge dürften sich auch die Einfuhren verringert haben. Entstehungsseitig zog sowohl die Erzeugung der Industrie als auch die Aktivität im Dienstleistungssektor an.

In Spanien setzte sich die lebhafte konjunkturelle Aufwärtsbewegung fort. Das reale BIP stieg laut der ersten Schätzung wie im Vorquartal um 0,7 %. Getragen wurde das Wachstum von einer erneuten Steigerung des privaten Verbrauchs und einem kräftigen Anstieg der Ausfuhren, insbesondere von Diensten. Auch die Investitionstätigkeit legte spürbar zu, vor allem bei den Ausrüstungen und den Nichtwohnbauten. Entstehungsseitig stieg die Aktivität im Verarbeitenden Gewerbe, in der Bauwirtschaft und im Handel deutlich an. 

Auch in mehreren kleineren Mitgliedsländern fielen die Zuwächse der Wirtschaftsleistung recht kräftig aus. Insbesondere in Portugal, der Slowakei und Zypern stieg das reale BIP erneut deutlich an. In Belgien und Österreich wuchs die Wirtschaftsleistung moderat. In den Niederlanden und in Slowenien stagnierte die Aktivität. In Finnland, Litauen und Lettland, die von Auswirkungen des Ukrainekrieges besonders betroffen waren, verbesserte sich die wirtschaftliche Lage. In Estland hingegen hielt die Rezession an. 

Arbeitsmarkt im Euroraum

Die Arbeitsmarktlage im Euroraum blieb auch im ersten Quartal 2024 günstig. Die Arbeitslosigkeit verharrte auf dem Tiefstand von 6,5 %, und die Zahl der Beschäftigten stieg erneut recht kräftig an. Allerdings schwächte sich die Anspannung am Arbeitsmarkt zuletzt etwas ab. Das Horten von Arbeitskräften ließ einem Indikator der Europäischen Kommission zufolge ein Stück weit nach, 5 und die Beschäftigungserwartungen für die nächsten drei Monate gingen zurück. Die Quote der offenen Stellen sank im Einklang mit der verhaltenen Konjunktur. Das Lohnwachstum dürfte auch im ersten Vierteljahr mit 4 % bis 5 % gegenüber dem Vorjahr vergleichsweise hoch ausgefallen sein. 

Der Preisauftrieb auf der Verbraucherstufe verstärkte sich im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Herbst wieder. Der HVPI erhöhte sich gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um 0,7 %. Wesentlich hierfür war die höhere Dynamik bei den Dienstleistungspreisen, die im besonderen Maß von den Löhnen bestimmt werden. Aber auch die Preise für Industriegüter (inklusive Energie) und für verarbeitete Nahrungsmittel stiegen weiter an. Lediglich die Preise für unverarbeitete Nahrungsmittel sanken etwas. 

Die Gesamtteuerungsrate, gemessen als Veränderung des HVPI zum Vorjahr, nahm dennoch ab. Vor allem bei den Industriegütern ohne Energie verringerte sich die Rate merklich von 2,9 % im Schlussquartal 2023 auf 1,6 % im ersten Quartal 2024. Die Teuerungsraten der Dienstleistungen und der Nahrungsmittel blieben dagegen mit 4 % deutlich erhöht. Die Energiepreise lagen zwar noch immer unterhalb ihres Vorjahresniveaus. Der Abstand verringerte sich aber merklich. Dadurch sank die HVPI-Rate insgesamt nur wenig weiter auf 2,6 %, nach 2,7 % im Vorquartal. Die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel schwächte sich deutlicher von 3,7 % auf 3,1 % ab. 

Beiträge zur Teuerung (HVPI) im Euroraum

Auch im April blieb die Inflationsrate spürbar erhöht. Im April stiegen die Preise für nahezu alle Komponenten saisonbereinigt kräftiger an als im März. Lediglich die Preise für Industriegüter ohne Energie sanken. Damit schwächte sich der Disinflationsprozess etwas ab. Ausschlaggebend dafür war, dass die Energiepreise wieder stiegen, und sich das hohe Lohnwachstum fortsetzte. Die HVPI-Vorjahresrate verharrte bei 2,4 %. Die Kernrate verringerte sich zwar etwas weiter von 2,9 % auf 2,7 %, der Anstieg der Dienstleistungspreise blieb dennoch merklich erhöht.

Stimmungsindikatoren für den Euroraum

Das zugrunde liegende Tempo der konjunkturellen Erholung im Euroraum bleibt wohl zunächst verhalten. Ein Teil der Wachstumsüberraschung des ersten Vierteljahres dürfte einer temporären Verbesserung in der Bauwirtschaft zuzuschreiben sein. Hier könnte es im zweiten Vierteljahr zu einer Gegenbewegung kommen. Auch zeigen die Stimmungsindikatoren bisher keine wesentliche Verstärkung der konjunkturellen Grundtendenz an, und die Konjunktur scheint gespalten zu bleiben: Einer zumindest in Teilen recht lebhaften Dienstleistungskonjunktur steht eine weiterhin schwache Industriekonjunktur gegenüber. Die Produktionserwartungen der Industrie gaben im April wieder nach, und die Auftragslage wurde schlechter bewertet. Auch die Aussichten der Bauwirtschaft bleiben angesichts der strikten Finanzierungsbedingungen äußerst verhalten. Besser scheinen die Perspektiven für den privaten Verbrauch. Das Konsumentenvertrauen stieg bis April, wobei die Haushalte vor allem ihre finanzielle Lage merklich besser bewerteten. Insbesondere das Tourismusgeschäft könnte davon profitieren. Eine spürbare gesamtwirtschaftliche Wachstumsverstärkung im Euroraum würde wohl voraussetzen, dass die hohe Unsicherheit infolge der geopolitischen Konflikte eingedämmt wird.

Literaturverzeichnis

Deutsche Bundesbank (2018), Aktivitäten multinationaler Unternehmensgruppen und nationale Wirtschaftsstatistiken, Monatsbericht, Oktober 2018, S. 67 – 81.

Dieppe A., R. Legrand und B. van Roye (2018), The Bayesian Estimation, Analysis and Regression (BEAR) Toolbox, Version 4.2.

Europäische Kommission (2023), A new survey-based labour hoarding indicator, European Business Cycle Indicators: 2nd Quarter 2023, European Economy Technical Paper, Nr. 066, S. 20 – 29.

Internationale Energieagentur (2024), Oil Market Report, Mai 2024.

Internationaler Währungsfonds (2024), World Economic Outlook: Steady but Slow: Resilience amid Divergence, April 2024.

 

Fußnoten
  1. Vgl.: Internationaler Währungsfonds (2024).
  2. Vgl.: Internationale Energieagentur (2024).
  3. Ohne Irland. Der statistische Ausweis der Investitionen insgesamt, insbesondere jedoch derer in geistiges Eigentum, wird dort seit mehreren Jahren wesentlich von Dispositionen multinationaler Unternehmen beeinflusst. Vgl.: Deutsche Bundesbank (2018).
  4. Siehe hierzu im Detail den Abschnitt "Konjunktur in Deutschland" in diesem Monatsbericht.
  5. Als ein Horten von Arbeitskräften wird dabei gewertet, wenn ein Unternehmen angibt, dass die Beschäftigung unverändert bleibt oder steigen wird, während es gleichzeitig eine rückläufige Produktion erwartet, vgl.: Europäische Kommission (2023).