Bargeld in der deutschen Gesellschaft – ein aktuelles Meinungsbild Monatsbericht – April 2025
Veröffentlicht am 22.4.2025
Bargeld in der deutschen Gesellschaft – ein aktuelles Meinungsbild Monatsbericht – April 2025
Monatsberichtsaufsatz
Die Nutzung von Bargeld als Zahlungsmittel in Deutschland geht seit einigen Jahren deutlich zurück. Eine von der Bundesbank in Auftrag gegebene Zukunftsstudie zeigt Szenarien auf, in denen sich Verfügbarkeit und Akzeptanz von Bargeld verschlechtern. Insbesondere könnte sich aus der abnehmenden Nutzung von Bargeld ein sich selbst verstärkender Prozess entwickeln, an dessen Ende die Zahlungsmöglichkeiten mit Bargeld deutlich eingeschränkt wären. Der vorliegende Bericht erörtert vor diesem Hintergrund aktuelle Argumente aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, die für oder gegen Bargeld sprechen, und stellt ihnen die Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung gegenüber. Im Zentrum steht die Frage, welchen Nutzen unsere Gesellschaft aus Bargeld zieht und ob Bargeld im Zeitalter des digitalen Zahlungsverkehrs erhalten bleiben sollte.
Die Befragung zeigt, dass die meisten Menschen in Deutschland heutzutage unbare Zahlungsmittel bevorzugen. Trotzdem halten mehr als zwei Drittel Bargeld aus ihrer persönlichen Perspektive für wichtig. Die Bedeutung von Bargeld für die Gesellschaft wird sogar von noch mehr Befragten als hoch erachtet. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Bargeld für die Befragten über die Verwendung als alltägliches Zahlungsmittel hinaus einen zusätzlichen Nutzen hat.
Aus Sicht der Befragten hat Bargeld viele Vorteile. An oberster Stelle steht die technische Ausfallsicherheit. Als rein physisches Zahlungsmittel bietet Bargeld eine Absicherung bei Störungen der technischen Infrastruktur, beispielsweise infolge von Stromausfällen, Hackerangriffen oder Naturkatastrophen. Fast ebenso wichtig ist den Befragten, dass Kinder mit Bargeld den Umgang mit Geld lernen können. Auch die Aspekte der Inklusion, der persönlichen Übergabe von Geldbeträgen sowie des Datenschutzes sind für mehr als vier von fünf Befragten gute Gründe, an Bargeld festzuhalten.
Kritik an Bargeld bezieht sich meist auf illegale Aktivitäten. Mehr als die Hälfte der Befragten sieht in der Verwendung im Zusammenhang mit Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Geldwäsche einen Grund, die Bargeldnutzung einzuschränken. Auch die Tatsache, dass Bargeld ein Zielobjekt von Raubüberfällen und Geldautomatensprengungen ist, spricht für die Mehrheit der Befragten gegen seine Nutzung. Weitere Vorbehalte gegen Bargeld betreffen die Herstellungs- und Transportkosten, die Bezahldauer an der Ladenkasse sowie Hygienebedenken. Diese Kritikpunkte überzeugen die meisten Befragten allerdings nicht.
Trotz der Kritik wünscht sich insgesamt eine klare Mehrheit der Befragten auch langfristig eine Zukunft mit Bargeld. Maßnahmen zur Stärkung der Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld fordern die meisten aktuell zwar nicht. Die Bundesbank sieht allerdings Handlungsbedarf, um dem Wunsch nach einer Zukunft mit Bargeld nachzukommen. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesbank beispielsweise das Nationale Bargeldforum ins Leben gerufen, um gemeinsam mit anderen Bargeldakteuren Initiativen zur Stärkung des Bargeldkreislaufs vorzubereiten. Darüber hinaus sind auch Politik, Wissenschaft und Gesellschaft eingeladen, sich mit der Zukunft des Bargeldes zu beschäftigen.
1 Einleitung
Die Nutzung von Bargeld als Zahlungsmittel geht in Deutschland kontinuierlich zurück. Während Verbraucherinnen und Verbraucher im Jahr 2017 noch etwa drei Viertel ihrer alltäglichen Zahlungen mit Bargeld tätigten, waren es im Jahr 2023 nur noch knapp die Hälfte. 1 Die Entwicklungen im baren Zahlungsverkehr waren für die Bundesbank Anlass, die Studie "Bargeld der Zukunft" in Auftrag zu geben, um einen systematischen Blick auf Chancen und Herausforderungen für das Bargeld zu werfen. 2 Diese Studie entwickelte insbesondere drei unterschiedliche Zukunftsszenarien für die Bargeldnutzung bis zum Jahr 2037. In allen drei Szenarien verschlechtern sich die Verfügbarkeit und Akzeptanz von Bargeld, und die Nutzung nimmt weiter ab. In zwei der drei Szenarien ist die Wahlfreiheit zwischen Bargeld und unbaren Zahlungsmitteln praktisch nicht mehr gegeben. 3 Einer der treibenden Faktoren hinter diesen Szenarien ist ein mögliches Zusammenspiel aus verringerter Nutzung, schlechteren Abhebemöglichkeiten und sinkender Akzeptanz: Bei geringerer Bargeldnachfrage besteht für die Sparkassen und Kreditinstitute ein Anreiz, ihr Angebot an Geldautomaten und Bankschaltern zu reduzieren. 4 Gleichzeitig könnten immer mehr Händler geneigt sein, aus Kostengründen kein Bargeld mehr anzunehmen. Da dies wiederum die Bargeldnutzung dämpfen könnte, käme es zu einem sich selbstverstärkenden, negativen Trend der Bargeldverwendung. Wenn Bargeld auch in Zukunft ein allgemein verfügbares und akzeptiertes Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel bleiben soll, besteht Handlungsbedarf.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was überhaupt die Vorteile von Bargeld sind und ob im Zeitalter der Digitalisierung nicht ganz auf Bargeld verzichtet werden kann. Hierzu wird seit einigen Jahren in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft diskutiert. Befürworter von Bargeld argumentieren unter anderem mit der technischen Ausfallsicherheit sowie den gesellschaftlichen Funktionen, die Bargeld erfüllt. Kritiker heben hingegen insbesondere die Rolle von Bargeld bei kriminellen Handlungen – sei es als Hilfsmittel (zum Beispiel Steuerhinterziehung) oder Zielobjekt (zum Beispiel Geldautomatensprengungen) – hervor.
Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über das Meinungsbild zu Bargeld in der deutschen Bevölkerung. Er erörtert die aktuellen Argumente aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, die für oder gegen Bargeld sprechen, und stellt ihnen die Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung gegenüber. Im Zentrum steht die Frage, welchen Nutzen unsere Gesellschaft aus Bargeld zieht und ob Bargeld im Zeitalter des digitalen Zahlungsverkehrs erhalten werden sollte.
2 Die Diskussion um das Bargeld
Bargeld hat eine Reihe von Alleinstellungsmerkmalen. Dazu gehören sein physischer und haptischer Charakter sowie die Möglichkeit zur direkten Übergabe mit zumindest kurzfristiger Unabhängigkeit von technischen Infrastrukturen oder Intermediären. Aufgrund dieser Eigenschaften hat Bargeld einige Vorzüge, die digitale Zahlungsmittel nicht oder nur unzureichend nachbilden können. Dies können Gründe sein, das Bargeld langfristig zu bewahren. Gleichzeitig bringen die genannten Eigenschaften einige Nachteile mit sich, die gelegentlich gegen einen Erhalt des Bargeldes angeführt werden. Nachfolgend werden sowohl die Vor- als auch die Nachteile vorgestellt, die in der politischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskussion über Bargeld zu finden sind.
2.1 Vorteile des Bargeldes
Bargeld ist eine Ausfalllösung bei Störungen der technischen Infrastruktur und erhöht die Resilienz des Zahlungsverkehrs im Krisenfall. Die Digitalisierung macht den Zahlungsverkehr verwundbarer gegenüber technischen Störungen infolge von Stromausfällen, IT-Problemen und Cyber-Angriffen sowie in Krisenfällen. 5 Bargeld kann in manchen dieser Situationen notfalls auch ohne technische Infrastruktur zum Bezahlen verwendet werden. Störungen der elektronischen Zahlungssysteme sind in Deutschland selten. Nichtsdestotrotz kam es im Mai 2022 zu einem Softwarefehler, der zu einem schrittweisen Ausfall von bis zu 10 % aller Kartenzahlungsterminals im Einzelhandel in Deutschland führte. Laut einer Befragung der Bundesbank waren damals 29 % der Verbraucherinnen und Verbraucher nach eigenen Angaben von der Störung betroffen. 6 Die Behebung des Fehlers dauerte zum Teil mehrere Wochen. Auch wenn dieser Vorfall ein Einzelfall war, und die Sicherheitsanforderungen und Systeme bei unbaren Zahlungsmitteln stetig steigen, kann Bargeld die Resilienz des Handels gegenüber solchen begrenzten technischen Ausfällen sowie noch gravierenderen Krisenszenarien stärken.So empfiehlt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe für den Krisenfall eine ausreichende Bargeldreserve im Haus zu haben. 7 Die Vorhaltung einer Reserve ist Voraussetzung, um die Funktion als Ausfalllösung zu erfüllen, denn Störungen können auch den Zugang zu Bargeld massiv einschränken oder gar vollständig verhindern.
Bargeld ist Zentralbankgeld und kann auch zur Wertaufbewahrung genutzt werden. Bargeld stellt bislang die einzige Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger dar, ausfallsicheres Zentralbankgeld zu halten. Insbesondere in politisch oder wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist Bargeld für viele Bürgerinnen und Bürger ein Vertrauensanker. So kam es in Deutschland während der Finanzkrise im Jahr 2008 sowie zu Beginn der Coronavirus-Pandemie im Jahr 2020 zu einer deutlich erhöhten Nachfrage nach Bargeld. 8 Schätzungen der Bundesbank zufolge wurden Ende des dritten Quartals 2024 in Deutschland Banknoten im Wert von rund 395 Mrd € zur Wertaufbewahrung gehalten. Befragungen von Privatpersonen legen jedoch nahe, dass die Beträge sehr ungleich in der Bevölkerung verteilt sind und ein erheblicher Teil der privaten Haushalte über keine oder sehr geringe Barreserven verfügt. 9
Bargeld ist im stationären Handel eine Alternative zu Zahlungen mit Karten internationaler Systeme. Der europäische Bezahlkartenmarkt wird maßgeblich von internationalen Kartenfirmen geprägt. Zum einen, da viele europäische Länder kein eigenes nationales Kartennetzwerk – wie beispielsweise die girocard in Deutschland – haben. Zum anderen, weil die national emittierten Karten nicht im innereuropäischen Ausland eigenständig, also ohne Co-Badge mit einem internationalen Kartensystem, einsatzfähig sind. 10 Bei digitalen Bezahl-Apps und Wallets gibt es trotz starker Bestrebungen der europäischen Akteure aktuell noch keine eigene Lösung, die im gesamten Euroraum nutzbar und akzeptiert ist. Die dominierende Stellung internationaler Zahlungsanbieter auf dem europäischen Markt wird unter anderem von der Europäischen Zentralbank als problematisch angesehen. 11 Gründe dafür sind unter anderem mögliche Wettbewerbsbeschränkungen und die Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern bei der kritischen Infrastruktur des Zahlungssystems. Um die strategische Autonomie und Widerstandsfähigkeit des Zahlungsverkehrs in Europa zu stärken, unterstützt das Eurosystem die Entwicklung einer marktbasierten, gesamteuropäischen Lösung für elektronische Zahlungen im Handel. Des Weiteren ist die Entwicklung eines digitalen Euros geplant – ein elektronisches, vom Eurosystem direkt herausgegebenes Zahlungsmittel, das im gesamten Euroraum für Zahlungen in Geschäften, im Internet oder zwischen Privatpersonen kostenlos genutzt werden kann. 12 Als ausfallsicheres, im gesamten Euroraum akzeptiertes sowie ständig verfügbares analoges Zahlungsmittel trägt auch das Euro-Bargeld nach wie vor dazu bei, die Abhängigkeiten von außereuropäischen Zahlungsdienstleistern zu begrenzen.
Bargeld schützt die Privatsphäre. Transaktionen mit Bargeld können durch Dritte nicht nachvollzogen werden und ermöglichen einen selbstbestimmten Umgang mit den eigenen Daten. Beim bargeldlosen Bezahlen sind neben Käufer und Verkäufer weitere Stellen in die Transaktion eingebunden, zum Beispiel Kreditinstitute, Zahlungsabwickler, Kartenherausgeber oder Technologieunternehmen. Das Datenschutzniveau unbarer Zahlungsmittel ist unterschiedlich ausgeprägt. Während beispielsweise das deutsche Kartensystem girocard als eher datensparsam gilt, verarbeiten Anbieter von Internet- und mobilen Bezahlverfahren mitunter sensible Daten, wie zum Beispiel geografische Daten und Angaben zu gekauften Produkten. 13
Bargeld ermöglicht Teilhabe. Einige Menschen sind ganz oder teilweise vom elektronischen Zahlungsverkehr ausgeschlossen. Gründe hierfür sind beispielsweise körperliche und gesundheitliche Beeinträchtigungen, kognitive Einschränkungen, geringe technische Kompetenzen, geringe Lese- und Rechtschreibkompetenzen, prekäre wirtschaftliche Verhältnisse, fehlende Sprachkenntnisse oder Minderjährigkeit. Bargeld kann ohne technische oder vertragliche Voraussetzungen genutzt werden. Es gibt allen Menschen die Möglichkeit, sich am wirtschaftlichen Leben zu beteiligen, und stärkt so den gesellschaftlichen Zusammenhalt. 14 Empirisch lässt sich beobachten, dass insbesondere Personen mit niedrigem Bildungs- und Einkommensniveau, Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen und ältere Menschen häufiger Bargeld nutzen. 15 Obwohl die finanzielle Teilhabe in Deutschland auf einem hohen Niveau liegt, hat etwa ½ % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland (rund 344 000 Menschen) keinen Zugriff auf ein Girokonto und die damit verbundenen elektronischen Bezahlverfahren. 16 Diese Menschen sind beim Bezahlen ausschließlich auf Bargeld angewiesen. Die einfache Nutzbarkeit spielt auch bei privat organisierten Verkäufen mit sozialem Charakter, wie beispielsweise Flohmärkten, ehrenamtlichen Basaren und Gemeinde- oder Vereinsfesten ein große Rolle, da diese meist nicht über die technische Ausstattung zum elektronischen Bezahlen verfügen. 17
Kinder lernen mit Bargeld den Umgang mit Geld. Banknoten und Münzen sind oft der erste Kontakt von Kindern mit Geld und wichtig für den Erwerb finanzieller Kompetenzen. Kinder erhalten ihr Taschengeld meist zunächst in Form von Bargeld. Der physische und haptische Charakter von Bargeld hilft Kindern, den Wert von Geld und die Endlichkeit von Kaufkraft zu begreifen, bevor sie als Jugendliche lernen, sich in einer hybriden Bezahlwelt zu orientieren. 18 Bargeld ermöglicht früh den selbstständigen Einkauf, beispielsweise beim Pausenverkauf in der Schule oder in der Bäckerei. Der Umgang mit Bargeld hat somit auch eine erzieherische sowie soziale Bedeutung und kann helfen, früh den verantwortungsvollen Umgang mit Geld zu lernen. Dies kann eine Grundlage für planvolles Haushalten im Erwachsenenalter bilden. 19
Bargeld kann helfen, die Ausgaben und das Haushaltsbudget unter Kontrolle zu halten. Wird überwiegend Bargeld zum Bezahlen verwendet, so verrät ein Blick in das Portemonnaie, wie viel von einem bestimmten Budget noch zur Verfügung steht. 20 Wegen seines greifbaren Charakters bietet sich Bargeld insbesondere für Personen an, denen abstrakte Kalkulation schwerfällt. 21 Außerdem kann Bargeld einen disziplinierenden Effekt in der konkreten Einkaufssituation entfalten. Es begrenzt das kurzfristig verfügbare Budget im Portemonnaie und sendet beim Abzählen und Übergeben ein starkes Preissignal. 22 Dadurch kann es beispielsweise vor unüberlegten Spontankäufen schützen. 23 Gleichwohl lässt sich empirisch feststellen, dass auch unbare Zahlungsmittel als zunehmend vorteilhaft für die Budgetierung empfunden werden. 24 Im Alltag nutzen dennoch weiterhin 48 % der Befragten bewusst Bargeld, um die Ausgaben im Blick zu behalten.
Bargeld ist nicht nur ein Zahlungsmittel, sondern erfüllt auch soziale und kommunikative Funktionen. 25 Die persönliche Übergabe von Geldgeschenken, Spenden oder Almosen kann ein sichtbarer Ausdruck von Wertschätzung, Anerkennung, Dankbarkeit oder Fürsorge sein, der die Beziehung zwischen den Beteiligten stärkt. Dabei wird nicht nur der Geldbetrag selbst, sondern auch die Geste als wertvoll erachtet. Tatsächlich hat Bargeld im privaten Bereich nach wie vor einen hohen Stellenwert. Zwar bevorzugt fast die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung unbare Zahlungsmittel, um Freunden, Verwandten und Bekannten Geld zu geben, dennoch werden rund drei Viertel der Zahlungen in diesem Bereich mit Bargeld getätigt. 26
2.2 Kritik am Bargeld
Bargeld erleichtert Schattenwirtschaft, Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Bargeld kann ohne technische Hilfsmittel direkt von Person zu Person übertragen werden, sodass bei der Bezahlung keine Datenspuren hinterlassen werden. Diese für sich genommen positive Eigenschaft kann auch missbraucht werden, wenn Bargeld genutzt wird, um in der Schattenwirtschaft Waren und Dienstleistungen zu bezahlen oder um Einnahmen und Finanzflüsse zu verschleiern. Der Umfang, in dem Bargeld hierzu verwendet wird, lässt sich nur sehr schwer beziffern. 27
Bargeld ist darüber hinaus Zielobjekt von Straftaten. Neben Diebstählen, Raubüberfällen und Geldfälschungen rückten in den letzten Jahren insbesondere Geldautomatensprengungen in den Fokus der Öffentlichkeit. Hier kam es zu einem starken Anstieg der Straftaten sowie einem zunehmend rücksichtslosen Tatverhalten. Im Jahr 2023 zählte das Bundeskriminalamt 461 solcher Sprengungen, bei denen insgesamt 28,4 Mio € erbeutet wurden und oft erheblicher Sachschaden entstand. 28
Die Herstellung und Logistik von Bargeld verursacht Kosten für Geschäftsbanken, den Einzelhandel und die öffentliche Hand. Die Kosten des Zahlungsverkehrs lassen sich nur schwer beziffern, da sie bei verschiedenen Akteuren anfallen und Zahlungsverkehrsprozesse oft in umfangreiche Geschäftsprozesse integriert sind. Eine Untersuchung für den Euroraum aus dem Jahr 2012 wies für Bargeld im Durchschnitt die geringsten gesamtwirtschaftlichen Stückkosten pro Transaktion nach. 29 Im Jahr 2019 führten die Bundesbank und das EHI Retail Institut eine Studie durch, bei der die Kosten für Bargeld und Kartenzahlungen im Einzelhandel in Deutschland verglichen wurden. Bezogen auf die Kosten je Transaktion war Bargeld das günstigste Zahlungsmittel, bezogen auf den Umsatz war es die girocard. 30 Da ein Teil der durch den Zahlungsverkehr verursachten Kosten aus Fixkosten besteht, hängen die Stückkosten eines Zahlungsmittels stark von dessen Nutzung ab. Somit dürfte sich die Position des Bargeldes in Kostenvergleichen aufgrund der rückläufigen Nutzung zukünftig verschlechtern.
Barzahlungen dauern lange und halten an der Kasse auf. Ein Teil der gesellschaftlichen Kosten von Zahlungsmitteln entsteht durch die Bezahlzeiten an der Kasse. Lange Bezahlvorgänge verursachen Personalkosten im Einzelhandel und bedeuten einen Zeitverlust für den Zahlenden selbst sowie die nachfolgenden Kunden. Bei einer von der Bundesbank in Auftrag gegebenen Erhebung im Jahr 2022 wurde die Dauer der Bezahlvorgänge für verschiedene Zahlungsmittel im Einzelhandel gemessen. Die schnellsten Zahlungen fanden demnach mit dem Smartphone und der Smartwatch statt (durchschnittlich 14,0 Sekunden). Bargeld war mit einer Dauer von durchschnittlich 18,7 Sekunden nur das zweitschnellste Zahlungsmittel. Kontaktloszahlungen mit der Karte dauerten durchschnittlich 19,3 Sekunden, wobei es stark darauf ankam, ob die Zahlung mit oder ohne PIN-Eingabe durchgeführt wurde (23,2 Sekunden versus 15,2 Sekunden). Wurde die Karte in ein Gerät eingesteckt, dauerte der Vorgang 25,7 Sekunden. 31
Bargeld ist manchmal verschmutzt und kann Krankheiten übertragen. Neben der Schnelligkeit spielt die Hygiene beim Bezahlen für viele Menschen eine wichtige Rolle. Während der Corona-Pandemie kam es zur Verunsicherung der Bevölkerung bezüglich der Hygiene von Barzahlungen. Damals gaben 8 % der Befragten in einer repräsentativen Studie an, aus Angst vor Ansteckung weniger Bargeld zu nutzen. 32 Diese Sorge war jedoch weitgehend unbegründet, wie eine Analyse der EZB im Jahr 2021 zeigte. 33
Bargeld bremst die Digitalisierung der Gesellschaft. Die Digitalisierung der Gesellschaft soll die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger verbessern, Deutschland als Wirtschaftsstandort stärken, für eine nachhaltige und effiziente Ressourcenverwendung sorgen und der Gesellschaft ermöglichen, schneller auf Veränderungen zu reagieren. 34 Dazu trägt auch der elektronische Zahlungsverkehr bei, durch den sich die Bezahlvorgänge in die digitalen Geschäftsprozesse integrieren lassen. Bezüglich der Marktdurchdringung von bargeldlosen Zahlungsmitteln besteht jedoch noch Wachstumspotenzial. Trotz deutlicher Steigerungen in den letzten Jahren konnten im Jahr 2023 nur bei 81 % der Zahlungen an physischen Verkaufsorten elektronische Zahlungsmittel verwendet werden. Barzahlung war hingegen in 94 % der Fälle möglich. 35 Der Branchenverband Bitkom fordert die flächendeckende Akzeptanz mindestens einer digitalen Zahlungsmethode am Point-of-Sale, bei gleichzeitiger Wahrung der Wahlfreiheit zwischen Bargeld und digitalen Zahlungsoptionen. 36 Im Onlinehandel, der im Zuge der Digitalisierung deutlich an Bedeutung gewonnen hat, wird fast ausschließlich elektronisch bezahlt. Ein möglicher digitaler Euro könnte zukünftig als gesetzliches Zahlungsmittel sowohl online als auch in Geschäften eine weitere digitale Alternative zum Bezahlen bieten.
Bargeld kann in bestimmten Situationen eine ausreichend expansive Geldpolitik erschweren. Das zentrale konventionelle geldpolitische Instrument ist der kurzfristige Zinssatz, über dessen Steuerung die Zentralbank mittelfristig die Inflationsrate beeinflussen kann. Solange Bargeld als zinsloses Wertaufbewahrungsmittel zur Verfügung steht, kann die Zentralbank keine deutlich negativen Zinsen durchsetzen, da sonst Sparer und Kreditinstitute ihre Kontoguthaben in Bargeld umwandeln würden. Bargeld begründet somit eine Zinsuntergrenze von unter, aber nahe bei null. Einige Ökonomen argumentierten Mitte der 2010er Jahre unter dem Eindruck einer anhaltenden Niedrigzinsperiode, dass in bestimmten Situationen ein deutlich negativer Zinssatz zur Gewährleistung der Preisstabilität erforderlich sein könnte, und Bargeld die Durchsetzung dieser Geldpolitik verhindere. Allerdings stehen mit unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen auch in Niedrigzinsphasen alternative Politikoptionen zu Verfügung. 37 Mit dem Ende der jahrelangen Niedrigzinsphase im Euroraum und in anderen Währungsräumen im Jahr 2022 hat diese Diskussion an Bedeutung verloren.
3 Das Meinungsbild in der Bevölkerung
Die Bundesbank führt seit dem Jahr 2008 repräsentative Befragungen zum Zahlungsverhalten in der deutschen Bevölkerung durch (siehe Exkurs "Zahlungsverhalten in Deutschland"). Die Studien geben regelmäßig Auskunft über die individuellen Präferenzen bei der Zahlungsmittelwahl. Im Jahr 2023 wurden die Teilnehmenden zusätzlich gebeten, die Bedeutung von Bargeld für sich selbst und unsere Gesellschaft einzuschätzen. Die konkreten Fragen bezogen sich auf die gesellschaftlichen Vor- und Nachteile von Bargeld, Zukunftsaussichten sowie auf potenzielle Maßnahmen, um Bargeld als Zahlungsmittel aktiv zu unterstützen.
Exkurs
Zahlungsverhalten in Deutschland
Die Bundesbank befragt seit dem Jahr 2008 regelmäßig Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zu ihren Zahlungsgewohnheiten. Die Ergebnisse der Befragung werden in der Studienreihe "Zahlungsverhalten in Deutschland" veröffentlicht. Sie stellen eine wertvolle empirische Datenbasis für die Erfüllung der Aufgaben der Bundesbank im baren und unbaren Zahlungsverkehr dar. 1
Die Erhebung der Daten erfolgt stets in zwei Schritten. Zunächst geben die Befragten in einem Interview Auskunft darüber, welche Zahlungsmittel sie kennen und besitzen und teilen ihre Meinungen und Einstellungen zu Fragen des Zahlungsverkehrs mit. Anschließend werden die Teilnehmenden gebeten, ein dreitägiges Zahlungstagebuch zu führen. Dort erfassen sie alle Zahlungen, die sie in diesem Zeitraum an der Ladenkasse, im Onlinehandel sowie an Privatpersonen geleistet haben. Das Tagebuch ist beschränkt auf aktiv veranlasste, einmalige Transaktionen und enthält somit keine wiederkehrenden Zahlungen wie Miete, Versicherungen oder Abonnements.
Die jüngste Befragung der Studienreihe fand im Herbst 2023 statt. 2 Mehr als 5 000 zufällig ausgewählte Personen nahmen telefonisch am Interview teil, rund 4 000 Personen füllten – zumeist online – zusätzlich das Tagebuch aus. Dabei wurden circa 15 500 Bezahlvorgänge im Wert von beinahe 670 000 € aufgezeichnet. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutschsprachige Bevölkerung ab 18 Jahren in Deutschland.
Im Jahr 2023 wurde etwa die Hälfte aller im Tagebuch erfassten Zahlungen bar beglichen. Bezogen auf den Umsatz ergibt sich ein Barzahlungsanteil von rund einem Viertel. Dabei geht der Barzahlungsanteil seit vielen Jahren stetig zurück, und unbare Zahlungsmittel gewinnen an Bedeutung. Besonders ausgeprägt war der Rückgang in den Jahren der Corona-Pandemie. Das beliebteste elektronische Zahlungsmittel ist traditionell die Debitkarte. Mit Zunahme des Onlinehandels kamen in den letzten Jahren aber auch spezielle Internetbezahlverfahren sowie Überweisungen und Lastschriften häufiger zum Einsatz. In der jüngsten Befragung stieg zudem der Anteil mobiler Bezahlverfahren (zum Beispiel mit dem Smartphone) deutlich an.
Das Bezahlen mit Bargeld ist weiterhin fast überall möglich, allerdings sind Abwärtstendenzen erkennbar. Im Jahr 2023 war bei 94 % aller Transaktionen an physischen Zahlungsorten eine Barzahlung möglich. Zwei Jahre zuvor lag dieser Wert noch bei 97 %. Im Einzelhandel für den täglichen Bedarf, auf den die meisten Transaktionen entfallen, war die Akzeptanz von Bargeld am höchsten (98 %). Im Einzelhandel für längerfristige Anschaffungen, in der Gastronomie, an Tankstellen und bei Dienstleistungen hat sich die Akzeptanzrate merklich verringert. Bei Zahlungen an staatliche Stellen war nur noch in knapp der Hälfte aller Fälle eine Barzahlung möglich. Die Akzeptanz unbarer Zahlungsmittel ist dagegen an allen genannten Zahlungsorten deutlich gestiegen. Sie lag 2023 insgesamt bei 81 %, ein Anstieg von 20 Prozentpunkten gegenüber 2021.
Der Zugang zu Geldautomaten und Bankschaltern wird nach wie vor eher als gut bewertet, die Einschätzung hierzu hat sich jedoch verschlechtert. So gaben im Jahr 2023 nur noch 85 % der Befragten an, es sei einfach zu einem Geldautomaten oder Bankschalter zu gelangen. Bei der Erhebung des Jahres 2021 lag dieser Anteil noch bei 94 %. Die zunehmenden Schwierigkeiten zeigen sich in städtischen und ländlichen Gebieten gleichermaßen. Der deutliche Rückgang der Anzahl der Bankstellen und Geldautomaten in Deutschland könnte einen Beitrag zur Erklärung dieser Entwicklung leisten. 3 Die Bundesbank analysiert zudem regelmäßig die geografische Verfügbarkeit von Abhebeorten in Deutschland. 4 Den Ergebnissen zufolge ist die räumliche Verfügbarkeit von Geldautomaten und Bankfilialen weiterhin gewährleistet, allerdings erhöhten sich die Entfernungen zu den nächstgelegenen Geldautomaten und Bankfilialen in den letzten Jahren moderat.
Laut der aktuellen Studie bevorzugen die meisten Menschen in Deutschland heutzutage unbare Zahlungsmittel (44 %), 28 % präferieren Bargeld und 28 % sind indifferent. Unbare Zahlungsmittel, wie beispielsweise Karten, sind vor allem beliebt, weil man sich keine Sorgen machen muss, ob das mitgeführte Bargeld für den Einkauf ausreicht (77 %), und die Zahlung einfach und schnell geht (40 %). Die am häufigsten genannten Vorzüge von Bargeld beziehen sich hingegen auf den Schutz der Privatsphäre (63 %), die sofortige Erledigung der Zahlung (47 %) und den Ausgabenüberblick (41 %).
Auch wenn die meisten Befragten lieber elektronisch bezahlen, bleibt Bargeld für sie dennoch von Bedeutung. Für 69 % der Befragten ist es wichtig, die Möglichkeit zu haben, selbst Bargeld zu nutzen. Personen, die überwiegend bar bezahlen, bejahen die Wichtigkeit fast einmütig (98 %). Selbst 40 % der Personen mit einer klaren Präferenz für unbare Zahlungen teilen diese Ansicht. Ältere Befragte sowie Gruppen mit beeinträchtigter gesellschaftlicher Teilhabe messen dem Bargeld tendenziell eine höhere Bedeutung bei. 38
Die Einschätzungen der persönlichen und der gesellschaftlichen Bedeutung von Bargeld können auseinanderfallen. So könnten manche Befragte Bargeld für sich selbst als unwichtig erachten, aber durchaus anerkennen, dass Bargeld für andere Menschen eine große Rolle spielt. Auch sonstige Aspekte jenseits individueller Kosten-Nutzen-Abwägungen könnten in die Bewertung der gesellschaftlichen Bedeutung des Bargeldes einfließen, wie beispielsweise die Funktion als Ausfalllösung in Krisenfällen oder der pädagogische Wert für Kinder.
Die Daten zeigen, dass auch die gesellschaftliche Bedeutung von Bargeld von einem Großteil der Befragten als hoch erachtet (72 %) wird. Selbst Personen mit einer Präferenz für unbare Zahlungsmittel bezeichnen Bargeld mehrheitlich als sehr oder ziemlich wichtig für die Gesellschaft (62 %). Bei den bevorzugt bar Zahlenden beträgt dieser Anteil 84 %. Auch junge Menschen, welche seltener Bargeld nutzen, finden Bargeld überwiegend wichtig für die Gesellschaft. Obwohl einige Teile der Bevölkerung selbst wenig Bargeld verwenden, scheinen sie sich über dessen Bedeutung für andere bewusst zu sein. So lässt sich erklären, dass die Ansichten zur gesellschaftlichen Wichtigkeit von Bargeld über verschiedene Befragtengruppen hinweg deutlich näher beieinanderliegen als die Einschätzungen zur individuellen Bedeutung.
Aus Sicht der Befragten hat Bargeld viele Vorteile für die Gesellschaft. Das Schaubild 3.8 zeigt, welchen gesellschaftlichen Argumenten die Befragten zustimmen würden, wenn es um die Frage ginge, ob Bargeld zukünftig erhalten bleiben sollte. 39 Fast ungeteilten Zuspruch erhalten die Wichtigkeit von Bargeld als technische Ausfalllösung (95 %) und der pädagogische Wert für Kinder (94 %). Auch die Aspekte der Inklusion, des Datenschutzes und die kommunikative Funktion von Bargeld sind für jeweils über 80 % der Befragten gute Argumente, das Bargeld zu erhalten. Die Unabhängigkeit von internationalen Zahlungsdienstleistern spielt für rund drei Viertel der Befragten eine Rolle. 40 Die Aspekte der Ausgabenkontrolle (68 %) und der Wertaufbewahrung (57 %) erhalten vergleichsweise geringe Zustimmungswerte, obwohl sich immer noch eine Mehrheit der Bevölkerung diesen Argumenten anschließt.
Allerdings werden in der Befragung auch gesellschaftliche Kritikpunkte an Bargeld deutlich. Spiegelbildlich zu den positiven Aspekten von Bargeld wurden die Teilnehmenden gefragt, welchen gesellschaftlichen Argumenten sie zustimmen würden, wenn es um eine hypothetische Einschränkung der Bargeldnutzung ginge. 58 % der Befragten halten dabei Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Geldwäsche für relevante Nachteile von Bargeld. Raubüberfälle und Geldautomatensprengungen werden von 54 % der Befragten als problematisch erachtet. Das Meinungsbild zu diesen Argumenten ist sehr heterogen. Mehr als 20 % der Befragten stimmen den Aussagen "voll und ganz" zu, fast ebenso viele lehnen sie jedoch eindeutig ab. Die Kosten des Bargeldes, die vermeintlich lange Bezahldauer und Hygieneaspekte würden nur für eine Minderheit Einschränkungen in der Bargeldnutzung rechtfertigen. Kaum relevant für die Befragten sind die Argumente im Zusammenhang mit Digitalisierung und Geldpolitik (jeweils 18 %). 41
Grundsätzlich herrscht eine positive Sichtweise auf Bargeld, die sich auch in den Zukunftswünschen der Befragten äußert. Eine deutliche Mehrheit wünscht sich eine Zukunft mit Bargeld. Rund zwei Drittel der Befragten hoffen, dass Bargeld auch in 15 Jahren noch so genutzt werden wird wie heute, etwa ein Zehntel wünscht sich sogar, dass Bargeld wieder stärker genutzt werden wird. Allerdings hoffen auch 23 %, dass Bargeld aus dem Alltag nahezu verschwunden sein wird. Eine Abschaffung innerhalb der nächsten 15 Jahre wünschen sich hingegen nur 4 %.
Maßnahmen zur aktiven Unterstützung von Bargeld werden aktuell mehrheitlich nicht gefordert. Etwa zwei Drittel der Befragten erwarten, dass Bargeld in den nächsten fünf Jahren noch im gleichen Umfang (oder sogar mehr) genutzt werden wird wie heute. Dementsprechend halten die meisten es aktuell nicht für nötig, Maßnahmen zur Förderung des Bargeldes zu ergreifen (50 %). Fragt man konkret nach möglichen Fördermaßnahmen sprechen sich 39 % für eine Abschaffung von Gebühren an Geldautomaten, 37 % für eine Annahmepflicht von Bargeld an der Ladenkasse und 35 % für eine ausreichende Bereitstellung von Geldautomaten aus.
4 Fazit
Die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland möchte Bargeld auch zukünftig nutzen und erachtet es als wichtig für die Gesellschaft. Das geht aus den hier vorgestellten Ergebnissen einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung hervor. Die maßgeblichen Argumente, die für den Erhalt des Bargeldes sprechen, sind die Krisenvorsorge, der pädagogische Wert für Kinder und der Aspekt der Teilhabe. Mehrheitlich kritisch gesehen wird hingegen die Rolle von Bargeld bei Steuerdelikten und Straftaten. Die Argumente für Bargeld finden insgesamt einen größeren Rückhalt als die Argumente gegen Bargeld. In der Gesamtschau zeigt sich ein deutlicher Wunsch der Bürgerinnen und Bürger, Bargeld auch zukünftig als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel nutzen zu können.
Ist eine Zukunft mit Bargeld selbstverständlich? Fast zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland erwarten, dass Bargeld in den nächsten fünf Jahren im Wesentlichen im gleichen Umfang (oder sogar stärker) genutzt werden wird wie heute. Dementsprechend halten die meisten Befragten es aktuell nicht für nötig, Bargeld aktiv zu unterstützen, um es zu erhalten. Der Meinung der Befragten stehen jedoch empirische Befunde gegenüber, denen zufolge künftig Maßnahmen notwendig werden könnten, um die breite Nutzbarkeit von Bargeld abzusichern: Zwar kann der Zugang zu Bargeld und die Akzeptanz von Bargeld in Deutschland aktuell noch als gut bewertet werden. Erste Verschlechterungen sind aber bereits erkennbar. 42 Eine von der Bundesbank in Auftrag gegebene Zukunftsstudie geht ebenfalls von einer rückläufigen Bargeldnutzung in den nächsten Jahren aus. In zwei der drei erarbeiteten Szenarien führt das Zusammenspiel aus verringerter Bargeldnachfrage, Akzeptanz und Verfügbarkeit bis zum Jahr 2037 zu einer Situation, in der Bargeld nur noch eingeschränkt genutzt werden kann und seine gesamtgesellschaftlichen Funktionen nicht mehr erfüllen kann. 43
Ein digitaler Euro kann Bargeld sinnvoll ergänzen, aber nicht ersetzen. Für die Zentralbanken im Eurosystem ist es ein besonderes Anliegen, den Bürgerinnen und Bürgern in Europa den Zugang zu Zentralbankgeld weiterhin zu gewährleisten. Mit dem digitalen Euro plant das Eurosystem die Einführung einer digitalen Form des Zentralbankgelds. Herausgegeben vom Eurosystem, soll er die Effizienz des Zahlungsverkehrs steigern sowie die europäische Resilienz und Autonomie gegenüber außereuropäischen Zahlungsdienstleistern im digitalen Zahlungsverkehr stärken. Er würde den Zahlenden zudem ein hohes Maß an Privatsphäre gewährleisten. Somit könnte der digitale Euro auch einige der gesellschaftlichen Vorteile von Bargeld bieten und diese in den digitalen Raum bringen.
Die Bundesbank und das Eurosystem verfolgen mit ihrer Bargeldstrategie die Absicht, Bargeld auch zukünftig für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Euroraum zu erhalten. 44 Solange die Bürgerinnen und Bürger Bargeld als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel nutzen wollen, soll es allgemein verfügbar bleiben und akzeptiert werden. Eine wichtige Weichenstellung ist der Verordnungsvorschlag der Europäische Union über Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel, mit dem die Rolle des Bargeldes im Euroraum gesichert werden soll. 45 Darüber hinaus unternimmt die Bundesbank eigene Anstrengungen, um den Erhalt des Bargeldes sicherzustellen. So wurde vergangenes Jahr das Nationale Bargeldforum ins Leben gerufen, das einen fortlaufenden und offenen Austausch zwischen den relevanten Stakeholdern des Bargeldkreislaufs in Deutschland ermöglicht. 46 Mit dem Neubau von vier Filialen investiert die Bundesbank zudem langfristig in ein effizientes und zukunftssicheres Filialnetz, um ihr Kernprodukt Bargeld auch zukünftig der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Die Bundesbank kann die Verfügbarkeit und Akzeptanz des Bargeldes aber nur im Zusammenspiel mit anderen stärken. Wenn eine Zukunft mit Bargeld sichergestellt werden soll, benötigt Bargeld auch weiterhin den Einsatz der Bargeldakteure und der Politik.
Ehrenberg-Silies, S., M. Bovenschulte, K. Goluchowicz, M. Nerger, J. Czerniak-Wilmes, T. Gensheimer und S. Borgstedt (2024), Bargeld der Zukunft, Deutsche Bundesbank.