Konjunktur in Deutschland Monatsbericht – August 2025
Veröffentlicht am 21.8.2025
Konjunktur in Deutschland Monatsbericht – August 2025
1 Deutsche Wirtschaft erlitt im zweiten Quartal einen Rückschlag
Die Erholung der Wirtschaftsleistung in Deutschland erlitt im zweiten Quartal 2025 einen Rückschlag. Gemäß der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes sank das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt 1 um 0,1 %. In den beiden Quartalen zuvor war es gemäß revidierten Angaben noch merklich gestiegen. Mit der Schnellmeldung des BIP für das zweite Quartal 2025 veröffentlichte das Statistische Bundesamt Revisionen mit deutlichen Auswirkungen auf den Verlauf des BIP in den Jahren 2021 bis 2024. 2 Demnach fiel zum einen die Erholung nach der Corona-Pandemie in den Jahren 2021 und 2022 deutlicher aus. Zum anderen ist die Schwächephase nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nunmehr ausgeprägter. Die deutsche Wirtschaft befand sich damit in den Jahren 2023 und 2024 nun erkennbar in einer Rezession im Sinne eines deutlichen, länger anhaltenden und breit angelegten Rückgangs der Wirtschaftsleistung bei unterausgelasteten gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten. 3 Dieser Rückgang lief Mitte des vergangenen Jahres aus und ging in eine leichte Erholung über (siehe Exkurs „Zu den jüngsten Revisionen des deutschen BIP und ihren Auswirkungen auf das Konjunkturbild“). Im ersten Quartal 2025 wurde die Wirtschaftsleistung zusätzlich durch Vorzieheffekte in Erwartung höherer US-Zölle gestützt. Nachdem die Zölle Anfang April erhöht worden waren, kam es im zweiten Vierteljahr jedoch zu einem Rückprall bei der Industrieproduktion und den Exporten. Die wirtschaftspolitische Unsicherheit war weiterhin hoch, vor allem wegen des Handelskonflikts mit den USA. So blieb die zukünftige Höhe der US-Zölle zunächst ebenso unklar wie etwaige Gegenmaßnahmen der EU. Dies belastete die Planungssicherheit und damit die Investitionen der Unternehmen. Im Bausektor war die Auftragslage noch zu schwach, um Impulse für eine höhere Produktion zu liefern. Der private Konsum profitierte zwar von kräftig steigenden Löhnen. Der Arbeitsmarkt blieb jedoch schwach, was einer deutlichen Konsumausweitung entgegenwirkte.
Exkurs
Zu den jüngsten Revisionen des deutschen BIP und ihren Auswirkungen auf das Konjunkturbild
Mit Veröffentlichung der Schnellschätzung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das zweite Quartal 2025 revidierte das Statistische Bundesamt auch die Vorquartale und -jahre ab 2021 deutlich. 1 Anders als üblich änderten die Revisionen den Verlauf des realen BIP dieses Mal erheblich. 2 Im Ergebnis verändert sich das konjunkturelle Bild insbesondere in zwei Punkten: Erstens ist die Erholung der deutschen Wirtschaft nach der Pandemie nun ausgeprägter. Zweitens erweist sich die konjunkturelle Schwächephase nach Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine nunmehr als deutlicher Rückgang der Wirtschaftsleistung.
Für die Jahre 2021 bis 2024 zeichnen die Revisionen des BIP-Wachstums nun ein konsistenteres Bild der wirtschaftlichen Entwicklung. Der BIP-Verlauf stimmt jetzt besser mit anderen Indikatoren und den historischen Ereignissen überein. Nach dem neuen Datenstand überschritt das reale BIP seinen Vorpandemiestand im dritten Quartal 2022 um saisonbereinigt 1,4 % (vor Revision: 0,7 %). In den Jahren 2021 und 2022 erhöhte sich das BIP mit kalenderbereinigt 3,9 % und 1,9 % stärker als zuvor ausgewiesen (vor Revision: 3,6 % und 1,4 %). Die nun kräftigere Erholung weist auf stärkere Nachholeffekte nach den Lockerungen beziehungsweise dem Wegfall der Corona-Schutzmaßnahmen hin. Ab dem vierten Quartal 2022 treten nun hingegen die negativen wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskrieges sowie der Nachwirkungen von globalen Lieferkettenproblemen, insbesondere in Gestalt einer in Deutschland und vielen anderen Volkswirtschaften hohen Inflation, klarer hervor. Das revidierte BIP-Profil spiegelt die Belastungsfaktoren nun deutlicher wider. Vom vierten Quartal 2022 bis zum dritten Quartal 2024 sank das BIP nach der Revision in fast allen Quartalen und teilweise kräftig (um insgesamt 1,5 %, vor Revision um 0,8 %). Im Jahresdurchschnitt schrumpfte das BIP in den Jahren 2023 und 2024 mit kalenderbereinigt ‑ 0,7 % und ‑ 0,5 % entsprechend deutlicher als zuvor ausgewiesen (vor Revision: ‑ 0,1 % und ‑ 0,2 %). Zu den Gründen für diese Revisionen zählt offenbar ein höherer inländischer Preisdruck. Der Anstieg des BIP-Deflators wurde für 2023 deutlich aufwärtsrevidiert. 3
Die deutsche Wirtschaft befand sich nach den revidierten Ergebnissen in einer Rezession, also einer Phase mit einem deutlichen, länger anhaltenden und breit angelegten Rückgang der Wirtschaftsleistung bei unterausgelasteten Kapazitäten. 4 Dies steht nunmehr auch eher im Einklang mit dem markanten Rückgang der ifo Kapazitätsauslastung, der bisher in einem gewissen Kontrast zum BIP-Verlauf stand.
Der kurzfristige Ausblick für die deutsche Wirtschaft ändert sich aufgrund der Revisionen am aktuellen Rand nicht wesentlich. Die BIP-Rate 2025 könnte aber leicht höher ausfallen als in der Deutschland-Prognose vom Juni erwartet. Dem revidierten Bild zufolge ist die Abwärtsbewegung der Wirtschaftsaktivität bereits Mitte 2024 ausgelaufen. Seither stieg das BIP wieder verhalten an und lag im Niveau im ersten Quartal 2025 nur geringfügig niedriger als vor der Revision. Durch den schwungvolleren Verlauf zum Ende des Vorjahres ergibt sich für das Jahr 2025 ein um 0,3 Prozentpunkte höherer statistischer Überhang, mithin also eine verbesserte “Startrampe“. Zudem legt die neu ausgewiesene Dynamik für die kurze Frist eine im Vergleich zur Deutschland-Prognose vom Juni eher leicht höhere konjunkturelle Grundtendenz nahe. Auch die unerwartet günstige Entwicklung der Stimmungsindikatoren spricht für eine leicht bessere Einschätzung für das dritte Quartal. Insgesamt könnte die deutsche Wirtschaft daher im Mittel des laufenden Jahres wieder leicht wachsen. In der Deutschland-Prognose vom Juni war hingegen erwartet worden, dass das BIP kalenderbereinigt lediglich stagniert. 5
2 Rückpralleffekte belasteten Industrieproduktion und Exporte, Investitionen blieben schwach
Die Industrieproduktion und die Exporte litten im zweiten Quartal unter deutlichen, zollbedingten Rückpralleffekten. Die Industrieproduktion ging im Juni saisonbereinigt stark gegenüber dem kräftig abwärtsrevidierten Vormonat zurück. Auch im Durchschnitt des zweiten Quartals sank sie deutlich gegenüber dem Vorquartal. Dieser Rückgang betraf die meisten Industriezweige. Lediglich die Kraftfahrzeugproduktion und der sonstige Fahrzeugbau konnten erneut zulegen. Die rückläufige Produktion steht im Gegensatz zu einem kontinuierlich steigenden Auftragsbestand. Auch laut ifo Institut verbesserte sich die Auftragslage im Verarbeitenden Gewerbe im Durchschnitt des zweiten Quartals erstmals seit fast vier Jahren. Der Rückgang der Industrieproduktion dürfte daher vor allem auf Rückpralleffekte nach den durch die US-Zollpolitik ausgelösten Vorzieheffekten im ersten Quartal zurückzuführen sein. So ging die Produktion in einigen Branchen wie Pharma und Maschinenbau, die eine hohe Abhängigkeit vom US-Markt aufweisen, besonders deutlich zurück. Rückpralleffekte zeigten sich auch in den Ausfuhren. So gingen die Warenexporte in die USA im zweiten Quartal stark zurück, nachdem sie zuvor kräftig angestiegen waren. Dabei könnten auch die Abwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro und die dauerhaften Auswirkungen der seit April geltenden Zollanhebungen eine Rolle gespielt haben. Diesen Einbußen standen unter anderem zunehmende Ausfuhren in Länder des Euroraums gegenüber. Insgesamt stagnierten damit die preisbereinigten Warenexporte im zweiten Quartal.
Die gewerblichen Ausrüstungsinvestitionen dürften im zweiten Quartal gesunken sein. Dies signalisieren die preisbereinigten Inlandsumsätze der Investitionsgüterproduzenten, welche gegenüber dem Vorquartal deutlich zurückgingen. Auf die gewerblichen Investitionen drücken weiterhin einige Belastungsfaktoren. So ist die Nachfrage in der Industrie immer noch so schwach, dass die Kapazitäten nur wenig ausgelastet werden. Laut ifo-Umfragen ist die Kapazitätsauslastung im Verarbeitenden Gewerbe zwar seit Jahresbeginn leicht gestiegen. Sie blieb jedoch im Juli weiterhin deutlich unter ihrem langfristigen Mittelwert. Investitionen zur Ausweitung der Produktionskapazitäten sind daher in vielen Bereichen überflüssig. Auch das Finanzierungsumfeld ist weiterhin nicht einfach, auch wenn Kredite stärker als in den vorangegangenen Quartalen nachgefragt wurden. Während laut Bank Lending Survey(BLS) der EZB die Finanzierungskosten für Unternehmen im Quartalsmittel auch weiterhin einem Abwärtstrend folgen, verschärften die Banken im zweiten Quartal die Kreditrichtlinien. 4 Dies ist vor allem auf ein höheres Kreditrisiko und eine geringere Risikotoleranz der Kreditgeber zurückzuführen. Schließlich war die wirtschaftspolitische Unsicherheit vor allem wegen des Handelskonflikts zwischen den USA und der EU weiterhin hoch und lastete auf der Planungssicherheit und damit der Investitionsneigung der Unternehmen.
Der Bau blieb weiterhin schwach, und die Bauinvestitionen dürften im zweiten Quartal gesunken sein. Nach einer leichten Expansion im Vorquartal sank die Bauproduktion saisonbereinigt wieder kräftig. Sie erreichte damit sogar ihren tiefsten Wert seit zehn Jahren, obwohl laut ifo-Umfragen Witterungseinflüsse die Produktion weniger behinderten als im Vorquartal. Der Rückgang in der Produktion wurde vor allem vom Hochbau und vom Ausbaugewerbe getrieben, während die Produktion im Tiefbau im Vergleich zum Vorquartal leicht anstieg. Die Nachfrage nach Bauleistungen ist gemessen an den Auftragseingängen im Trend zwar aufwärtsgerichtet. Davon gingen bislang jedoch noch keine starken Impulse auf die Produktion aus. Laut ifo Institut berichten die Unternehmen nach wie vor von einem hohen Auftragsmangel. Die Nachfrage im Wohnungsbau erhielt zuletzt auch von den Finanzierungsbedingungen keine weiteren Impulse. Die Effektivzinssätze für Wohnungsbaukredite lagen im zweiten Quartal mit durchschnittlich 3,7 % leicht über dem Niveau des Vorquartals. Zudem verschärften sich laut BLS die Vergaberichtlinien für Hypothekenkredite in Deutschland, nachdem sie im ersten Quartal noch gelockert worden waren. 5
Der private Konsum konnte im zweiten Quartal wohl leicht zulegen, dies gilt wohl auch für die Dienstleister insgesamt. Die Indikatoren für den privaten Konsum zeigen zwar ein gemischtes Bild, deuten insgesamt aber auf einen leichten Anstieg hin. Besonders der Einzelhandel zeigte sich weiterhin robust und konnte seine realen Umsätze im Vergleich zum Vorquartal erneut steigern. Außerdem weiteten die privaten Halter ihre Kraftfahrzeugzulassungen wieder leicht aus. Der preisbereinigte Umsatz des Gastgewerbes nahm den bis Mai verfügbaren Daten zufolge hingegen wieder ab. Dies lag vor allem an einem sehr schwachen Mai. Maßgeblich für die insgesamt wohl günstigere Entwicklung des Konsums dürften Impulse von kräftig gestiegenen Löhnen gewesen sein, während der Arbeitsmarkt zu schwach blieb, um stärkeren Schwung beim Konsum zu erzeugen. Der Dienstleistungssektor insgesamt dürfte im zweiten Quartal ebenso wie der private Konsum etwas expandiert haben. Die realen Großhandelsumsätze nahmen im Vorquartalsvergleich zwar ab. Und auch die bis Mai verfügbaren realen Umsätze im Handel mit Kraftfahrzeugen zeigen einen Rückgang gegenüber dem Vorquartal an. Aber die Dienstleister (ohne Handel) weiteten nach einem schwachen ersten Quartal ihre Produktion, den bis Mai verfügbaren Daten zufolge, aus.
Die Importe stiegen im zweiten Quartal auffällig stark an. Die Wareneinfuhren expandierten in preisbereinigter Rechnung kräftig. Da zugleich mit den Ausrüstungsinvestitionen und den Exporten diejenigen Verwendungskomponenten schwach blieben, die üblicherweise einen besonders hohen Importgehalt aufweisen, deutet dies auf einen merklichen Lageraufbau hin. Dabei könnte auch eine Rolle spielen, dass Unternehmen in Erwartung möglicher Gegenzölle der EU vermehrt bestimmte Waren aus den USA einführten. Die Einfuhren aus den USA waren schon im ersten Quartal kräftig angestiegen und legten im zweiten Quartal nochmals kräftig zu. 6 Allerdings erhöhten sich auch die Importe aus anderen Ländern, insbesondere aus dem Euroraum, den mittel- und osteuropäischen Ländern und aus China. Ob dabei Umlenkungseffekte im globalen Warenhandel eine Rolle gespielt haben, lässt sich derzeit jedoch noch nicht genau bestimmen.
3 Arbeitsmarkt schwächelt weiter
Der Arbeitsmarkt setzte seine Seitwärtsbewegung im Frühjahr fort. Bereits seit zwei Jahren ist das Beschäftigungsniveau nahezu unverändert. Dahinter stehen jedoch erhebliche sektorale Umwälzungen. Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich erneut moderat. Die Frühindikatoren versprechen für die nächsten Monate keine grundlegende Änderung dieser Entwicklung.
Die Zahl der Erwerbstätigen blieb im zweiten Quartal dieses Jahres saisonbereinigt auf dem Vorquartalsniveau. Im Durchschnitt der Monate April bis Juni waren gemäß der ersten Hochrechnung von Destatis 46,0 Millionen Personen erwerbstätig. 7 Das war ein marginales Minus von 7 000 Personen gegenüber dem Durchschnitt der Wintermonate. Damit zeigen sich leichte Spuren der schwachen Wirtschaftsleistung in der Beschäftigung. Der bereits länger anhaltende rückläufige Trend bei der Selbstständigkeit setzte sich fort. Die Zahl der Arbeitnehmer blieb stabil. Dies gilt sowohl für die sozialversicherungspflichtig als auch die ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten, wobei die aktuellen Angaben hier nur bis einschließlich Mai reichen. Wirtschaftlich bedingte Kurzarbeit wurde im April und Mai gemäß den ersten Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) etwas weniger häufig genutzt als im Winterhalbjahr. Die Inanspruchnahme blieb jedoch leicht erhöht und betrifft überwiegend das Verarbeitende Gewerbe. Ihre weitere Entwicklung ist somit eng an die Aussichten im Verarbeitenden Gewerbe geknüpft.
Die sektoralen Verschiebungen des Personalbestandes zwischen den Wirtschaftsbereichen setzten sich unvermindert fort. Im Verarbeitenden Gewerbe wurde die Beschäftigung weiter spürbar reduziert. Innerhalb der letzten zwölf Monate ging die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Industrie um etwa 2 % zurück. Überdurchschnittlich stark betroffen war dabei die häufig energieintensive Produktion von Vorleistungsgütern. Aber auch in den großen Branchen der Metall- und Elektroindustrie Deutschlands – wie der Herstellung von Metallerzeugnissen und der Herstellung von Kraftfahrzeugen – wird zunehmend Personal abgebaut. Die zuvor stark genutzte Anpassung über einen verringerten Einsatz von Leiharbeitern in der Industrie scheint inzwischen an Wichtigkeit zu verlieren: Nachdem die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Leiharbeitnehmer in den vergangenen drei Jahren um fast ein Viertel eingebrochen war, ging deren Zahl in den letzten Monaten nur noch moderat zurück. Die Stabilisierung der Beschäftigtenzahl im Baugewerbe dürfte dagegen einer sich langsam erholenden Auftragslage geschuldet sein. Der Beschäftigungsaufbau, der sich bis Jahresbeginn noch auf viele Dienstleistungsbereiche verteilte, verengt sich immer mehr auf nur noch einen Wirtschaftsbereich: Gesundheit und Soziales. Hier steigt die Beschäftigung, die auch den Pflegebereich umfasst, bereits seit langem in erheblichem Ausmaß und folgt insofern dem demografischen Trend. Einige weitere Dienstleistungen sowie die Energieversorgung weisen zwar kleine Zunahmen aus. Sie sind jedoch zusammengenommen kleiner als die des Gesundheits- und Pflegebereichs allein.
Die registrierte Arbeitslosigkeit stieg im Berichtsquartal weiter an. Im Durchschnitt des zweiten Quartals 2025 waren saisonbereinigt 2,95 Millionen Personen arbeitslos, rund 50 000 Personen mehr als im ersten Quartal. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,1 Prozentpunkte auf 6,3 %. Im Juli nahm die registrierte Arbeitslosigkeit kaum zu, und die zugehörige Quote blieb unverändert. Der Anstieg im Frühjahr dürfte größtenteils auf weniger arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, Sprach- und Integrationskursen beruhen. Die gesamte Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit), die auch Personen in diesen Maßnahmen einschließt, blieb im Vorquartalsvergleich nahezu konstant.
Arbeitslosen Personen fiel es in den vergangenen drei Jahren zunehmend schwerer, in eine Beschäftigung zu wechseln. Besonders ausgeprägt ist der Rückgang der Übergangsrate in Beschäftigung bei Personen im Arbeitslosenversicherungssystem des SGB III. Der starke Strukturwandel erschwert es den Arbeitslosen, in der angestammten Qualifikation und Branche eine neue Stelle zu finden. Ihre Suchprozesse dauern daher länger. Immer mehr Betroffene müssen sich regional oder beruflich umorientieren oder weniger attraktive Stellen akzeptieren. Dieser Anpassungsprozess benötigt Zeit und erhöht daher zunächst die strukturelle Arbeitslosigkeit. Bei arbeitslosen Personen in der Grundsicherung des SGB II ist die Übergangsrate in Beschäftigung dagegen kaum zurückgegangen. Das Niveau der Übergangsrate in Beschäftigung aus der Grundsicherung heraus liegt zwar deutlich niedriger, da aufgrund langer Arbeitslosigkeit eine größere Arbeitsmarktferne entstanden ist oder mehrere Vermittlungshemmnisse vorliegen. Positiven Einfluss übt jedoch die fortschreitende Integration der Geflüchteten aus, die bei Arbeitslosigkeit überwiegend Grundsicherungsleistungen beziehen. So hat sich der Übergang in Beschäftigung von Ukrainerinnen und Ukrainern – von niedrigem Niveau aus – seit Anfang 2024 erheblich verbessert. Auch bei den anderen Flüchtlingen stieg die Beschäftigtenquote bei verbesserten Übergangsraten weiter. Die Wahrscheinlichkeit, die Arbeitslosigkeit in der Grundsicherung für eine Erwerbstätigkeit zu verlassen, liegt in beiden Gruppen inzwischen höher als für Einheimische. Insgesamt ist die Übergangsrate der Deutschen dennoch höher als die der Zugewanderten. Das liegt daran, dass die Einheimischen im Versicherungssystem einen höheren Anteil haben und hier die Übergangsraten in Beschäftigung höher liegen als im Grundsicherungssystem.
Die Aussichten für den Arbeitsmarkt bleiben in den kommenden Monaten gedämpft. Die Frühindikatoren vermitteln ein anhaltend gemischtes Bild. Das ifo Beschäftigungsbarometer, das die Einstellungspläne der gewerblichen Wirtschaft für die nächsten drei Monate abbildet, verbesserte sich im Juli nach einem deutlichen Rücksetzer im Juni minimal. Es befindet sich weiter tief im negativen Bereich. Dies betrifft in erster Linie das Verarbeitende Gewerbe und den Handel. Das IAB-Beschäftigungsbarometer, welches daneben auch die überwiegend öffentlich finanzierten Dienstleistungsbereiche wie Gesundheit, Bildung und Verwaltung mit in den Blick nimmt, stabilisierte sich zuletzt geringfügig oberhalb der neutralen Schwelle. Die Zahl der bei der BA gemeldeten offenen Stellen sank im Juli weiter. Der Zugang an neuen sozialversicherungspflichtigen Stellenangeboten bei der BA blieb jüngst auf niedrigem Niveau. Insgesamt betrachtet haben sich die Beschäftigungsaussichten zuletzt nicht weiter verschlechtert. Eine tragfähige positive Entwicklung für die kommenden Monate ist aus den Indikatoren aber nicht abzulesen. Für die Arbeitslosigkeit in den kommenden drei Monaten sieht es nur minimal besser aus. Das IAB-Barometer Arbeitslosigkeit stieg im Juli zwar erheblich und näherte sich deutlich der neutralen Schwelle an, blieb aber noch darunter. Die Arbeitslosigkeit könnte zunächst weiter steigen.
4 Tariflöhne stiegen vorübergehend deutlich stärker
Die Tarifverdienste stiegen im Frühjahr erheblich stärker als im Winter. Einschließlich der Nebenvereinbarungen erhöhten sie sich im zweiten Quartal 2025 um 5,7 % gegenüber dem Vorjahr, nach nur 0,9 % zuvor. Der kräftige Schub im Frühjahr beruht vor allem auf höheren dauerhaften Lohnsteigerungen im Einzel- und Großhandel sowie im Öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen. 8 Im Winter hingegen hatten insbesondere negative Basiseffekte aus den hohen Inflationsausgleichsprämien 9 ein Jahr zuvor und Nullmonate in Neuabschlüssen den Lohnanstieg gedämpft. Um Sondereinflüsse wie Nachwirkungen von Inflationsausgleichsprämien auszublenden und die zugrunde liegende Dynamik der Tarifverdienste genauer zu betrachten, werden Sonder- und Einmalzahlungen herausgerechnet. Die so berechneten Grundvergütungen für die Gesamtwirtschaft legten im Frühjahr mit 6,7 % gegenüber dem Vorjahr ebenso kräftig zu wie im Winter. Dies liegt auch daran, dass alte Tarifabschlüsse mit höheren Stufenanhebungen noch nachwirken.
Jüngste Tarifabschlüsse weisen jedoch überwiegend niedrigere Lohnsteigerungen aus als zuvor. Abschlüsse wie in der Kunststoff verarbeitenden Industrie und den Textilen Diensten sehen deutlich niedrigere Tarifanhebungen vor als noch während der Hochinflationsphase. Lediglich bei den Versicherungen wurde im Juli ein für diese Branche mit + 3,8 % per annum im historischen Vergleich überdurchschnittliches Lohnergebnis vereinbart. Damit erhalten hier die Angestellten für die Phase hoher Inflationsraten einen weiteren Teillohnausgleich. 10
Die bis Ende 2025 noch anstehenden Neuabschlüsse dürften aufgrund der rückläufigen Inflationsraten und des schwachen wirtschaftlichen Umfelds niedriger als im letzten Jahr ausfallen. Die Lohnforderungen der Gewerkschaften gehen weiter zurück, und die Durchsetzungsquoten sind spürbar niedriger als in der Hochphase der Inflation. In den kommenden Monaten bis Jahresende werden Neuabschlüsse für rund 3½ Millionen Tarifbeschäftigte ausgehandelt. Der Anstieg der Tarifverdienste im zweiten Halbjahr wird auch durch die im Vorjahr gezahlten und jetzt entfallenden Inflationsausgleichsprämien gedämpft.
Die Effektivverdienste stiegen im Frühjahr voraussichtlich schwächer als die Tarifverdienste. Sie könnten sich ähnlich stark erhöht haben wie im Vorquartal, in dem sie um rund 4 % gegenüber dem Vorjahr zugenommen hatten. Dies legen die Nominallöhne für April bis Juni aus der Verdiensterhebung des Statistischen Bundesamtes nahe.
Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn soll auf Empfehlung der unabhängigen Mindestlohnkommission ab Januar 2026 kräftig angehoben werden. Die Mindestlohnkommission schlägt eine stufenweise Erhöhung von derzeit 12,82 € auf 13,90 € je Stunde zum 1. Januar 2026 und auf 14,60 € je Stunde zum 1. Januar 2027 vor. Insgesamt steigt der Mindestlohn damit um 13,9 %, bleibt aber unter den Forderungen nach einer Anhebung auf 15 €, die im Vorfeld verschiedentlich erhoben worden waren. Die zuständige Bundesarbeitsministerin kündigte umgehend an, sich dieser Empfehlung anzuschließen und sie ins Bundeskabinett einzubringen. Laut Statistischem Bundesamt (2025c) profitieren davon im Januar 2026 potenziell bis zu 6,6 Millionen Beschäftigungsverhältnisse unmittelbar und eventuell noch mehr im Januar 2027. Ihre Reallöhne würden deutlich zulegen. Die geplanten Mindestlohnanhebungen werden darüber hinaus die Entlohnung im Niedriglohnbereich spürbar beeinflussen und auch über Spillover-Effekte zu einem höheren gesamtwirtschaftlichen Lohnanstieg beitragen. Die mindestlohnbedingten Aufwärtsrisiken für die aggregierten Durchschnittslöhne gegenüber der Deutschland-Prognose vom Juni sind aber überschaubar. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht werden kurzfristig keine starken Beschäftigungswirkungen erwartet. Es könnte aber mindestlohnbedingt zu einer Zurückhaltung bei Neueinstellungen kommen. 11
5 Die Inflationsrate ging im Frühling spürbar zurück
Der Preisauftrieb nahm im Frühjahr deutlich ab. Gegenüber dem Vorquartal stiegen die Verbraucherpreise (HVPI) im zweiten Quartal 2025 saisonbereinigt um 0,4 %, nach 0,7 % im ersten Quartal. Das lag vor allem an sinkenden Energiepreisen. Aufgrund des deutlichen Rückgangs der Ölpreise, dessen Auswirkung durch die Aufwertung des Euro noch verstärkt wurde, gaben vor allem die Preise für Mineralölprodukte sichtbar nach. Dieser kräftige Rückgang der Energiepreise wurde durch Preisanstiege der übrigen Komponenten überlagert. So stiegen die Preise für Dienstleistungen erneut deutlich an. Das lag zum einen an den Mieten, die im historischen Vergleich überdurchschnittlich stark angehoben wurden. Aber auch andere Dienstleistungen wie beispielsweise Versicherungen für Kraftfahrzeuge verteuerten sich deutlich. Die Reparaturkosten waren in den vergangenen zwei Jahren deutlich angestiegen, weshalb Versicherer mit Beitragserhöhungen reagierten. Auch die Preise für Nahrungsmittel legten merklich zu und zogen wieder stärker an als im ersten Quartal 2025. Insbesondere für unverarbeitete Fleischprodukte musste mehr bezahlt werden. Hier hatten die Erzeugerpreise aufgrund von gestiegenen Produktionskosten deutlich zugelegt. Aber auch verarbeitete Nahrungsmittel wie Kakao, Schokolade und Kaffee verteuerten sich im längerfristigen Vergleich überdurchschnittlich stark. Grund hierfür ist das zunehmende Auftreten von extremen Wetterphänomenen infolge des Klimawandels sowie gestiegene Produktions- und Transportkosten. Die Preise für Industriegüter ohne Energie stiegen hingegen nur leicht. Ein dämpfender Einflussfaktor könnte dabei die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar gewesen sein.
Auch in der Vorjahresbetrachtung sank die Inflationsrate im zweiten Quartal 2025 kräftig. Sie fiel von 2,6 % im Winter-Vierteljahr auf 2,1 % im Frühjahr, auch wegen eines stärker dämpfenden Beitrags der Energiepreise. Außerdem stiegen die Dienstleistungspreise nicht mehr ganz so kräftig wie in den Quartalen zuvor. Die Kerninflationsrate (HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel) sank von 3,2 % im Vorquartal auf 2,8 %. Der Rückgang der Kernrate war aber vor allem eine Folge eines starken und überraschenden Rückgangs der Rate für Reisedienstleistungen. Ohne die volatilen Komponenten Bekleidung und Reisedienstleistungen betrug die Kernrate wie bereits seit mehreren Quartalen unverändert etwa 3 %.
Im Juli zogen die Preise etwas stärker an als in den beiden vorherigen Monaten. Saisonbereinigt erhöhte sich der HVPI gegenüber Juni um 0,2 %. Die Preise für Industriegüter ohne Energie stiegen stärker als in den vorherigen Monaten. Die Energiepreise stiegen ebenfalls, trotz eines leichten Rückgangs der Ölpreise und einer weiteren Aufwertung des Euro. So verteuerten sich besonders die Preise für Dieselkraftstoffe. Offenbar weiteten die Hersteller ihre Margen aus, nachdem die Preise für Mineralölprodukte in den vorherigen Monaten noch deutlich zurückgegangen waren. Und auch Nahrungsmittel verteuerten sich deutlich. Das lag vor allem erneut an Fleischprodukten und Kaffee. Die Preise für Dienstleistungen blieben hingegen unverändert. Fallende Reisepreise glichen die erneut überdurchschnittlichen Anhebungen bei Mieten aus. In der Vorjahresbetrachtung sank die Inflationsrate spürbar von 2,0 % auf 1,8 %, 12 die Kernrate leicht (auf 2,4 %, nach 2,5 %).
In den nächsten Monaten dürfte die Inflationsrate vorübergehend etwas höher ausfallen. Die Energiepreise sollten zwar nach einem leichten Anstieg bis zum Ende des Jahres stabil bleiben, wenn man den aktuellen Stand der Terminkurse für Rohöl zugrunde legt. Durch einen Basiseffekt verkehrt sich allerdings die zuvor negative Teuerung bei Energie ins Positive. Dies erhöht die gesamte Inflationsrate in den kommenden Monaten. Bei den Dienstleistungen setzt sich der Disinflationsprozess zwar grundsätzlich fort, wobei sich die niedrigeren Lohnsteigerungen auswirken. In den kommenden Monaten legt der Disinflationsprozess aber eine Pause ein, und zum Jahresende werden aufgrund eines Basiseffekts vorübergehend höhere Raten erwartet. Bei Nahrungsmitteln dürfte sich die aktuelle Teuerungsrate zunächst wenig ändern. Im Herbst sind aber vorübergehend niedrigere Raten zu erwarten, weil dann starke Preissteigerungen aus dem Vorjahr aus der Jahresrate entfallen. Insgesamt dürfte die Inflationsrate auf etwas über 2 % steigen und damit vorübergehend etwas höher liegen als in der Juni-Projektion erwartet. Auch die Kerninflation könnte leicht höher ausfallen und dürfte um das im Juli erreichte Niveau schwanken. Der Ausblick ist jedoch aufgrund geopolitischer Einflussfaktoren weiterhin von hoher Unsicherheit geprägt.
6 Im dritten Quartal könnte die Wirtschaftsleistung auf der Stelle treten
Im dritten Quartal könnte die Wirtschaftsleistung in etwa stagnieren. Mit der Grundsatzeinigung im Handelsstreit zwischen den USA und der EU dürfte die Unsicherheit über zukünftige Zollhöhen zwar abgenommen haben. Sie bleibt angesichts noch offener Fragen und der sprunghaften US-Wirtschaftspolitik aber hoch. Die ausgehandelten Zollsätze auf die Exporte in die USA weichen im Mittel nur wenig von der Annahme in der Basislinie der Deutschland-Prognose vom Juni ab. 13 Den Belastungen durch die US-Zölle steht allerdings eine etwas robuster als erwartete Nachfrage aus anderen Wirtschaftsräumen entgegen. Insgesamt war die Nachfrage nach deutschen Industrieprodukten aus dem Ausland bis zuletzt der Tendenz nach aufwärtsgerichtet. Aufgrund der starken Vorzieheffekte im ersten Quartal könnte es aber auch im laufenden Quartal noch spürbare Rückpralleffekte bei Industrieproduktion und Exporten geben. Die trüben Aussichten für den Welthandel, die noch schwache Auftragslage und die niedrige Auslastung vorhandener Kapazitäten dürften die Investitionstätigkeit der Unternehmen weiter beeinträchtigen. Vom Bau kommen wohl noch keine starken Impulse, auch wenn beim Auftragseingang weiterhin eine Erholungstendenz erkennbar ist. Die gedämpften Aussichten am Arbeitsmarkt und die nachlassende Lohndynamik bremsen den privaten Konsum. Auch die Dienstleister insgesamt dürften schwunglos bleiben. Darauf deuten die Stimmungsindikatoren des ifo Instituts und von S&P Global hin.
Von der Industrie dürften im dritten Quartal noch keine Wachstumsimpulse ausgehen. Nach dem schwachen Juni startet die Industrieproduktion mit einem niedrigen Niveau in das dritte Quartal. Die Geschäftslage und die kurzfristigen Produktionspläne der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe verbesserten sich allerdings laut Umfragen des ifo Instituts im Juli deutlich, sowohl gegenüber dem Vormonat als auch dem Vorquartal. Das gilt auch für die kurzfristigen Exporterwartungen. Allerdings bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Unternehmenserwartungen nach Bekanntgabe der US-EU-Handelsvereinbarung und weiterer US-Zölle anpassen. Die Kapazitätsauslastung nahm zwar weiter leicht zu, nachdem sie bereits im Vorquartal etwas gestiegen war. Sie befindet sich jedoch weiterhin deutlich unter ihrem langjährigen Durchschnitt. Der Auftragseingang in der Industrie sank im Juni 2025 saisonbereinigt zwar erneut gegenüber dem etwas aufwärtsrevidierten Vormonat. Im Mittel des zweiten Quartals stieg der Auftragseingang aber kräftig. Der Anstieg ging auf Investitionsgüter zurück. Ohne Großaufträge gerechnet erhöhte sich der Auftragseingang jedoch nur geringfügig, nachdem er in den beiden Quartalen zuvor deutlicher gestiegen war. Dabei legte er aus dem Ausland kräftig zu, während er aus dem Inland stark zurückging. In der Tendenz ist der Auftragseingang aus dem Ausland damit, trotz leichter zwischenzeitlicher Rücksetzer, seit einem Jahr aufwärtsgerichtet.
Der private Konsum dürfte im laufenden Quartal schwunglos bleiben. Die Konsumstimmung trübte sich laut Umfragen des Marktforschungsinstituts GfK zuletzt wieder ein. So gingen im Juli die Anschaffungsneigung und die Konjunkturerwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurück, und die Sparneigung nahm zu. Die Einkommenserwartungen besserten sich hingegen weiter. Auf einen schwachen Konsum deuten auch die Umfragen des ifo Instituts hin, denen zufolge die Geschäftslage im Einzelhandel und Gastgewerbe im Juli schlechter eingeschätzt wurde als im Vorquartal. Dagegen kamen wohl von Kraftfahrzeugkäufen positive Impulse. Gemäß Angaben des VDA stiegen die Kraftfahrzeugzulassungen privater Halter im Juli kräftig.
In diesem Beitrag wurden Daten bis zum 19. August 2025, 11:00 Uhr berücksichtigt.