Überblick Monatsbericht – August 2025

1 Weltwirtschaft

1.1 Weltwirtschaft bisher trotz Handelsauseinandersetzungen robust

Im Frühjahrsquartal 2025 zeigte sich die Weltwirtschaft weiterhin robust. Das US-amerikanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im zweiten Quartal kräftig an, nachdem es zu Jahresbeginn leicht gesunken war. Die chinesische Wirtschaft erreichte trotz der höheren Zölle seitens der USA ein ähnliches Wachstum wie im Winter. Im Euroraum nahm das BIP nach dem starken Jahresauftakt im Frühjahr nochmals leicht zu. Offenbar war die Weltwirtschaft bislang in der Lage, der verschärften und teils erratischen US-Handelspolitik zu trotzen. Zu dieser Widerstandsfähigkeit trugen das kurzfristige Vorziehen und die Umlenkung von Handelsströmen bei.  

Im weiteren Verlauf dürfte die sprunghafte, protektionistische Handelspolitik der USA die Weltwirtschaft allerdings stärker belasten. Seit Jahresbeginn stieg der durchschnittliche Zollsatz der USA gegenüber allen Handelspartnern um mehr als 14 Prozentpunkte auf den höchsten Stand seit den 1930er Jahren. Mit dem wichtigsten Handelspartner der USA, China, steht eine Vereinbarung allerdings noch aus. Angesichts der teils erratischen Zollpolitik der USA ist das Risiko einer Eskalation der Handelskonflikte nach wie vor gegeben. Dies und die bereits beschlossenen Zollanhebungen dürften den Welthandel zunehmend belasten. Die handelspolitischen Zugeständnisse einiger Partnerländer der USA sind insgesamt zu unbedeutend, um die nachteiligen Wirkungen der zusätzlichen US-Zölle auf den Welthandel auszugleichen. Bereits im April und Mai sank er kräftig, nachdem zuvor insbesondere die Einfuhren der USA in Erwartung der Zollanhebungen stark zugelegt hatten. Neben dem Auslaufen dieser Vorzieheffekte machten sich erste dämpfende Auswirkungen der erhöhten Zölle auf die Nachfrage aus den USA bemerkbar. Mittelfristig werden die Perspektiven für den Welthandel davon abhängen, ob weitere Länder protektionistischen Versuchungen nachgeben und sich ebenfalls stärker abschotten.

1.2 Der globale Disinflationsprozess schritt weiter voran, nur nicht in den USA

Die Energiemärkte waren im Berichtszeitraum von geopolitischen Einflüssen geprägt. Im Zuge der Eskalation des militärischen Konflikts zwischen Israel und dem Iran hatten die Rohölnotierungen zeitweise deutlich angezogen. Maßgeblich dafür waren Sorgen vor Angebotsausfällen. Mit der anschließenden Entspannung gaben die Preise wieder nach. Preisstützend wirkten allerdings eine überraschend starke Nachfrage sowie neue Sanktionen und Sanktionsandrohungen der EU und der USA gegenüber der russischen Ölindustrie, preisdämpfend die Förderausweitungen einiger OPEC-Staaten und ihrer Partner. 

Der globale Disinflationsprozess ist in vielen Ländern intakt, nicht so in den USA. Zwar stiegen im Juli die Verbraucherpreise in den Industrieländern insgesamt im Jahresvergleich um 2,6 % und damit etwas stärker als im April. Die ohne Energie und Nahrungsmittel gerechnete Kernrate zog zuletzt ebenfalls etwas an. Dies spiegelt in erster Linie die Entwicklung in den USA wider. Dort gab der starke Preisauftrieb bei Diensten nicht weiter nach, und die Teuerung bei Waren verstärkte sich. Dazu trugen die Zollanhebungen bisher allerdings nur einen geringen Teil bei. Die auf den vorgelagerten Produktionsstufen bereits deutlich sichtbaren zollbedingten Preisanstiege dürften erst in den nächsten Monaten schrittweise an die US-amerikanischen Verbraucher weitergegeben werden. In den meisten anderen Industrieländern dagegen scheint der Disinflationsprozess intakt zu sein. Auch im Euroraum ließ der zugrunde liegende Verbraucherpreisanstieg seit April merklich nach.

2 Finanzmarktumfeld

2.1 Finanzmärkte nach Turbulenzen durch US-Zollpolitik erholt

An den Finanzmärkten ebbte die Anfang April stark gestiegene Unsicherheit über die US-Zollpolitik ab, und der Risikoappetit nahm zu. Nach der Ankündigung umfangreicher Zölle durch die US-Regierung Anfang April hatten die Anleger ihre Wachstumserwartungen vielerorts gesenkt. Zudem setzte die Unsicherheit über das Ausmaß der erwarteten Konjunktureintrübung die Finanzmärkte zunächst erheblich unter Druck. Als aber in den seitdem bekannt gewordenen Vereinbarungen erkennbar wurde, dass die tatsächlich von den USA verhängten Zölle hinter den vorherigen Zollandrohungen zurückbleiben würden, ging die Nervosität an den Finanzmärkten zurück, die Risikoprämien sanken, und der Risikoappetit nahm zu. Die Ende Juli angekündigte Grundsatzeinigung der USA mit der Europäischen Union fügte sich in dieses Muster und blieb ohne anhaltenden Einfluss auf die Kapitalmärkte. 

2.2 Euro gewinnt zum US-Dollar an Wert

Während die Renditen von US-Staatsanleihen anstiegen, blieben die Renditen von Bundesanleihen im Ergebnis fast unverändert; dennoch gewann der Euro zum US-Dollar merklich an Wert. In den USA zogen die Staatsanleiherenditen angesichts wachsender Sorgen vor dem handels- und finanzpolitischen Kurs der US-Regierung, daraus resultierender fiskalischer Risiken sowie dementsprechend steigender Risikoprämien bis Ende Mai merklich an. Dem wirkte aber das US-Konjunkturbild entgegen, das sich im Quartalsverlauf weiter eintrübte. Dies erhöhte zwar aus Sicht der Marktteilnehmer die Wahrscheinlichkeit einer stärkeren geldpolitischen Lockerung durch die amerikanische Zentralbank in den nächsten Monaten. Im Ergebnis stiegen die Renditen zehnjähriger US-Treasuries dennoch an. Die Renditen von Bundeswertpapieren wurden hingegen vor allem im April von einer hohen Nachfrage nach sicheren Anlagen gedämpft, bevor die im Euroraum etwas aufgehellten Konjunkturaussichten sie wieder stützten. Gleichzeitig wertete der US-Dollar sowohl zum Euro als auch nominal effektiv deutlich ab. Zusammengenommen könnten der zunehmende Zinsvorsprung der USA gegenüber dem Euroraum und die fortbestehende spürbare Abwertung des US-Dollar auf einen Vertrauensverlust der internationalen Investoren in die US-Wirtschafts- und -Finanzpolitik hinweisen. Dieser Eindruck war insbesondere zu Beginn des Frühjahrs prägend; im Quartalsverlauf war es dann zunehmend die Geldpolitik dies- und jenseits des Atlantiks, die Aufwertungsdruck auf den Euro ausübte. Denn an den Geldmärkten des Euroraums bildeten sich die Erwartungen auf eine weitere geldpolitische Akkommodation zurück, nachdem die EZB im Juni angedeutet hatte, dass sich ihr Zinssenkungszyklus dem Ende nähern könnte. Diese Erwartungsanpassung setze sich auch nach dem EZB-Ratstreffen im Juli fort, auf dem das Eurosystem die Leitzinsen unverändert ließ. 

2.3 Aktienmärkte nach Einbruch im April im Plus

Die Märkte für riskantere Anlagen verzeichneten angesichts des gestiegenen Risikoappetits Kurszuwächse. An den internationalen Aktienmärkten trat die Unsicherheit über den Ausgang des Zollkonflikts seit Ende April zunehmend in den Hintergrund. Eine gewachsene Zuversicht der Marktteilnehmer in Bezug auf den Handelsstreit und der zunehmende Risikoappetit gaben sowohl europäischen als auch vor allem japanischen und US-amerikanischen Aktienkursen Auftrieb. Zu dem kräftigen Kursplus der US-Titel trugen zudem trotz des verhaltenen US-Konjunkturausblicks nach oben revidierte Gewinnerwartungen US-amerikanischer Unternehmen bei. An den Märkten für europäische Unternehmensanleihen sorgte der gestiegene Risikoappetit für rückläufige Risikoaufschläge, wobei sich die Spreads hoch verzinslicher Unternehmensanleihen besonders stark einengten.

3 Geldpolitik und Bankgeschäft

3.1 EZB-Rat lässt Leitzinsen im Juli unverändert

Auf seiner geldpolitischen Sitzung im Juni 2025 beschloss der EZB-Rat eine weitere Senkung des Leitzinses auf nunmehr 2 %. Nach dem Basisszenario der Eurosystem-Projektionen aus dem Juni dürfte die Gesamtinflation im Euroraum 2025 bei 2,0 %, 2026 bei 1,6 % und 2027 bei 2,0 % liegen. Auch die zugrunde liegende Inflation sollte sich nachhaltig im Bereich des mittelfristigen Zielwerts des EZB-Rats von 2 % einpendeln.

Im Juli ließ der EZB-Rat die Leitzinsen dann nach sieben Zinssenkungen in Folge erstmals unverändert. Die neu verfügbaren Daten bestätigten weitestgehend die Juni-Einschätzung des EZB-Rats zu den Inflationsaussichten. Der binnenwirtschaftliche Preisdruck hat weiter nachgelassen, und die Löhne steigen langsamer. 

3.2 Buchkreditvergabe an inländischen Privatsektor nimmt nur moderat zu

Im zweiten Quartal 2025 schwächte sich das Geldmengenwachstum insgesamt etwas ab. Das breit gefasste Geldmengenaggregat M3 legte in geringerem Umfang zu als im Vorquartal; seine Jahreswachstumsrate sank bis Ende Juni auf 3,3 %. Anhaltend hohen Zuflüssen in täglich fällige Einlagen stand ein verstärkter Abbau der übrigen kurzfristigen Einlagen gegenüber. Diese Entwicklung steht in Einklang mit den weiter rückläufigen Zinsunterschieden zwischen diesen Einlageformen. 

Auch die Buchkreditvergabe an den inländischen Privatsektor nahm weiter zu, wenn auch nur moderat. Die weiterhin hohe geopolitische Unsicherheit dürfte auch die Nachfrage nach Unternehmenskrediten für Investitionszwecke gedämpft haben. Von der Kreditvergabepolitik kamen keine neuen Impulse: Die im Rahmen der Umfrage zum Kreditgeschäft (Bank Lending SurveyBLS) befragten Banken ließen ihre Kreditrichtlinien im Unternehmenskreditgeschäft im zweiten Quartal nahezu unverändert. Für das dritte Quartal erwarten sie einen moderaten Anstieg der Kreditnachfrage. 

4 Deutsche Wirtschaft

4.1 Deutsche Wirtschaft erlitt im zweiten Quartal Rückschlag

Die Erholung der Wirtschaftsleistung in Deutschland erlitt im zweiten Quartal 2025 einen Rückschlag. Gemäß der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes sank das reale BIP gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um 0,1 %. In den beiden Quartalen zuvor war es gemäß revidierten Angaben noch merklich gestiegen. 

Mit der Schnellmeldung des BIP für das zweite Quartal 2025 veröffentlichte das Statistische Bundesamt Revisionen mit deutlichen Auswirkungen auf den Verlauf des BIP in den Jahren 2021 bis 2024. Demnach fiel zum einen die Erholung nach der Corona-Pandemie in den Jahren 2021 und 2022 deutlicher aus. Zum anderen ist die Schwächephase nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nunmehr ausgeprägter. Die deutsche Wirtschaft befand sich damit in den Jahren 2023 und 2024 nun erkennbar in einer Rezession im Sinne eines deutlichen, länger anhaltenden und breit angelegten Rückgangs der Wirtschaftsleistung bei unterausgelasteten gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten. Dieser Rückgang lief Mitte des vergangenen Jahres aus und ging in eine leichte Erholung über. Im ersten Quartal 2025 wurde die Wirtschaftsleistung zusätzlich durch Vorzieheffekte in Erwartung höherer US-Zölle gestützt. 

Nachdem die Zölle Anfang April erhöht worden waren, kam es im zweiten Vierteljahr jedoch zu einem Rückprall bei der Industrieproduktion und den Exporten. Die wirtschaftspolitische Unsicherheit war weiterhin hoch, vor allem wegen des Handelskonflikts mit den USA. Dies belastete die Planungssicherheit und damit die Investitionen der Unternehmen. Dies spiegelt sich auch in der verhaltenen Nachfrage deutscher Unternehmen nach Bankkrediten. Hierzu passt auch, dass die Banken laut BLS ihre Kreditrichtlinien im zweiten Quartal 2025 erneut – wenngleich marginal – strafften und dies mit den ihrer Ansicht nach gestiegenen Kreditrisiken begründeten. Im Bausektor war die Auftragslage noch zu schwach, um Impulse für eine höhere Produktion zu liefern. Die Vergabe von Wohnungsbaukrediten an private Haushalte setzte dagegen ihre seit Sommer 2024 beobachtete Erholung weiter fort. Der private Konsum profitierte zwar von kräftig steigenden Löhnen. Der Arbeitsmarkt blieb jedoch schwach, was einer deutlichen Konsumausweitung entgegenwirkte.

4.2 Arbeitsmarkt schwächelt weiter, aber Tariflöhne stärker gestiegen als zuvor

Der Arbeitsmarkt bewegte sich im Frühjahr weiter seitwärts. Bereits seit zwei Jahren ist das Beschäftigungsniveau nahezu unverändert. Dahinter stehen jedoch erhebliche sektorale Umwälzungen. Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich erneut moderat. Die Frühindikatoren versprechen für die nächsten Monate keine grundlegende Änderung dieser Entwicklung.

Diese Seitwärtsbewegung und sinkender Druck bei den Verbraucherpreisen dämpfen den Verdienstanstieg. Die um Sondereinflüsse bereinigten Grundvergütungen legten zwar im Frühjahr mit 6,7 % gegenüber dem Vorjahr ebenso kräftig zu wie im Winter. Auch die Effektivverdienste könnten sich ähnlich stark erhöht haben wie im Vorquartal, in dem sie um rund 4 % gegenüber dem Vorjahr zugenommen hatten. Die jüngsten Tarifabschlüsse weisen jedoch überwiegend niedrigere Lohnsteigerungen aus als zuvor. Auch die bis Ende 2025 noch anstehenden Neuabschlüsse dürften aufgrund der rückläufigen Inflationsraten und des schwachen wirtschaftlichen Umfelds niedriger als im letzten Jahr ausfallen. Die Lohnforderungen der Gewerkschaften gehen weiter zurück, und die Durchsetzungsquoten sind spürbar niedriger als in der Hochphase der Inflation. Der Anstieg der Tarifverdienste im zweiten Halbjahr wird auch durch die im Vorjahr gezahlten und jetzt entfallenden Inflationsausgleichsprämien gedämpft. 

Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn soll auf Empfehlung der unabhängigen Mindestlohnkommission ab Januar 2026 kräftig angehoben werden. Die Mindestlohnkommission schlägt eine stufenweise Erhöhung um 13,9 % auf 14,60 € je Stunde zum 1. Januar 2027 vor, bleibt damit aber unter den Forderungen nach einer Anhebung auf 15 €, die im Vorfeld verschiedentlich erhoben worden waren. Die geplanten Mindestlohnanhebungen werden auch über Spillover-Effekte zu einem höheren gesamtwirtschaftlichen Lohnanstieg beitragen. Gegenüber der Deutschland-Prognose vom Juni ergibt sich daraus aber kein größerer Revisionsbedarf hinsichtlich der aggregierten Durchschnittslöhne und der Beschäftigung. 

4.3 Die Inflationsrate ging im Frühling spürbar zurück

Der Preisauftrieb nahm im Frühjahr deutlich ab. In der Vorjahresbetrachtung sank die Inflationsrate im zweiten Quartal 2025 kräftig auf 2,1 %. Die Disinflation wurde zum einen von den Energiepreisen getrieben, die auch aufgrund des deutlichen Rückgangs der Ölpreise und der Aufwertung des Euro sanken. Zum anderen stiegen die Dienstleistungspreise nicht mehr ganz so kräftig wie in den Quartalen zuvor. Die Kerninflationsrate (HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel) ging daher ebenfalls erheblich auf 2,8 % zurück. Ohne die volatilen Komponenten Bekleidung und Reisedienstleistungen betrug die Kernrate allerdings wie bereits seit mehreren Quartalen unverändert etwa 3 %. Im Juli zogen die Preise gegenüber dem Vormonat zwar wieder etwas stärker an als zuvor. In der Vorjahresbetrachtung sank die Inflationsrate aber spürbar von 2,0 % im Juni auf 1,8 % und die Kernrate leicht auf 2,4 %. 

In den nächsten Monaten dürfte die Inflationsrate vorübergehend etwas höher ausfallen. Durch einen Basiseffekt verkehrt sich die zuvor negative Teuerung bei Energie ins Positive. Bei den Dienstleistungen setzt sich der Disinflationsprozess dagegen grundsätzlich fort, auch wenn zum Jahresende aufgrund eines Basiseffekts vorübergehend steigende Raten erwartet werden. Hier wirken sich die künftigen niedrigeren Lohnsteigerungen aus. Insgesamt dürfte die Inflationsrate auf etwas über 2 % steigen und damit vorübergehend etwas höher liegen als in der Juni-Projektion erwartet. Auch die Kerninflation könnte leicht höher ausfallen und um das im Juli erreichte Niveau schwanken. Der Ausblick ist jedoch aufgrund geopolitischer Einflussfaktoren weiterhin von hoher Unsicherheit geprägt.

4.4 Im dritten Quartal könnte die Wirtschaftsleistung auf der Stelle treten

Im dritten Quartal könnte die Wirtschaftsleistung in etwa stagnieren. Mit der Grundsatzeinigung im Handelsstreit zwischen den USA und der EU dürfte die Unsicherheit über zukünftige Zollhöhen zwar abgenommen haben. Sie bleibt aber hoch, und die Zollbelastung deutscher Exporte in die USA wird steigen. Den Belastungen durch die US-Zölle steht eine etwas robustere Nachfrage aus anderen Wirtschaftsräumen entgegen. Insgesamt war die Nachfrage nach deutschen Industrieprodukten aus dem Ausland bis zuletzt der Tendenz nach aufwärtsgerichtet. Aufgrund der starken Vorzieheffekte im ersten Quartal könnte es aber auch im laufenden Quartal noch spürbare Rückpralleffekte bei Industrieproduktion und Exporten geben. Die trüben Aussichten für den Welthandel, die noch schwache Auftragslage und die niedrige Auslastung vorhandener Kapazitäten dürften die Investitionstätigkeit der Unternehmen weiter beeinträchtigen. Vom Bau kommen wohl noch keine starken Impulse, auch wenn beim Auftragseingang weiterhin eine Erholungstendenz erkennbar ist. Die gedämpften Aussichten am Arbeitsmarkt und die nachlassende Lohndynamik bremsen den privaten Konsum. 

5 Staatsfinanzen

5.1 Finanzpolitik wird expansiv ausgerichtet

Die deutsche Finanzpolitik steht vor einer expansiven Phase, nachdem der Gesetzgeber die Schuldenbremse erheblich gelockert hat. Im laufenden Jahr könnte die Defizitquote zwar nochmals moderat zurückgehen, weil die fiskalischen Vorhaben zunächst wenig belasten. Ab 2026 dürfte sie aber deutlich zunehmen, und sie könnte 2027 strukturell etwa 4 % erreichen (2024: 2,7 %). Hierin schlagen sich Mehrausgaben für Verteidigung, nicht militärische Investitionen und Subventionen nieder. Aber auch die Ausgaben für Gesundheit, Pflege und Renten werden dynamisch wachsen. Auf der Einnahmenseite steigen zur Gegenfinanzierung die Beitragssätze der Sozialversicherungen. Gleichzeitig sind Steuerentlastungen angelegt. Die strukturelle Abgabenquote (aus Sozialbeiträgen und Steuern) könnte bis 2027 mehr oder weniger stabil bei rund 42 % bleiben. Die Ausgabenquote könnte bis dahin auf hohe 52 % steigen. Die Schuldenquote wird Schritt für Schritt zulegen und sich weiter von der 60 %-Grenze entfernen (2024: 62,5 %). 

Ein höheres Defizit ist für ein paar Jahre gut verkraftbar. Dauerhaft hohe Defizite und steigende Schuldenquoten wären aber problematisch. Dies würde die künftigen Fiskalspielräume noch stärker einschränken und wäre nicht kompatibel mit den EU-Regeln.

Bisher zeichnet sich nicht ab, dass die Defizit- und die Schuldenquote zukünftig wieder sinken werden. Und die Ausgabenquote dürfte sich eher weiter erhöhen. So plant der Bund mit erheblich steigenden Ausgaben für Verteidigung und höheren Zuschüssen an die Rentenversicherung. Auch die Zinsausgaben wachsen stark. Konkret ist für den Bund (Kernhaushalt und Extrahaushalte zusammen) für das Jahr 2029 eine strukturelle Defizitquote von fast 4 % und für 2025 bis 2029 eine kumulierte Neuverschuldung von rund 850 Mrd € eingeplant. Dabei sind ab 2027 noch nicht konkretisierte Konsolidierungsmaßnahmen veranschlagt, um die geplante Neuverschuldung nicht zu überschreiten. Dieser „Handlungsbedarf“ steigt kontinuierlich und beläuft sich allein im Jahr 2029 auf 1½ % des BIP (74 Mrd €). 

Die Bundesregierung ist folglich gefordert, ihren Haushaltskurs im weiteren Verlauf deutlich anzupassen. Dabei scheint es kaum vorstellbar, den veranschlagten Handlungsbedarf auch nur annähernd durch ein beschleunigtes Wachstum des BIP-Potenzials aufzufangen. Angesichts bereits hoher Defizite ist ohnehin eine vorsichtige Finanzplanung empfehlenswert, die nicht auf optimistischen Wachstumsannahmen basiert. 

5.2 Zusätzliche Defizitspielräume sind nicht auf Infrastruktur und Verteidigung fokussiert

Es ist aktuell nachvollziehbar, Verteidigungsfähigkeit und Infrastruktur kreditfinanziert zu stärken – und dazu wurden Kreditspielräume erweitert. Diese sollen aber tatsächlich in erheblichem Maße auch für andere Zwecke genutzt werden. Dies zeigt etwa der Entwurf zum Bundeshaushalt 2025: Bei einer Kreditaufnahme über die neue Bereichsausnahme für Verteidigung von 32 Mrd € liegen die Ausgaben in der NATO-Abgrenzung nur etwa 11 Mrd € höher als im vergangenen Jahr. Für das neue Sondervermögen Infrastruktur/Klimaneutralität ist eine Kreditaufnahme von 37 Mrd € geplant. Dem stehen zusätzliche eigene investive Infrastrukturausgaben des Bundes von 2½ Mrd € gegenüber. Die übrige Kreditaufnahme ist nicht klar an zusätzliche staatliche Infrastrukturinvestitionen oder neue Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen gebunden. 

Um mit den Schulden tatsächlich Verteidigung und Infrastruktur zu stärken, wäre dies deutlich besser abzusichern als bislang geplant. Dazu wären die vorgesehenen Ausführungsbestimmungen anzupassen. Sie könnten vorgeben, dass die Gebietskörperschaften die neuen Kreditspielräume für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaneutralität nur insoweit nutzen dürfen, als sie diesbezüglich angemessen abgegrenzte Ausgaben gegenüber 2024 erhöhen (in Relation zum BIP). Dies würde auch bedeuten, dass Spielräume für andere Ausgaben und Steuererleichterungen in den Haushalten zu erwirtschaften sind – oder es wäre auf diese Maßnahmen zu verzichten. Das ist politisch ambitionierter. Es entspräche aber den Zielen, die bei Ausweitung der Schuldenspielräume formuliert wurden. 

5.3 Solide Staatsfinanzen perspektivisch wieder über wirksame Fiskalregeln absichern

Die nationalen und die europäischen Fiskalregeln eröffnen derzeit erhebliche Verschuldungsspielräume. Durch die Reform sind die nationalen Budgetgrenzen sehr locker. Zudem beantragte die Bundesregierung für die nächsten Jahre sehr weiche EU-Fiskalvorgaben. Dazu weicht ihr finanzpolitisch-struktureller Plan (FSP) vom Referenzpfad der Europäischen Kommission für Deutschland ab. Dies ist zwar nachvollziehbar hinsichtlich der Zusatzspielräume durch die Verteidigungsausnahme und den verlängerten Anpassungszeitraum von sieben Jahren. An den anderen Stellen erweitert Deutschland die Spielräume aber noch mal sehr deutlich, und die europäischen Regeln werden auf bedenkliche Weise umgesetzt. So sind in der FSP-Laufzeit (2025 bis 2029) die Zuwächse von BIP-Potenzial und -Deflator unplausibel hoch veranschlagt. Kritisch ist zudem, dass der FSP zunächst (unabhängig von Verteidigungsausgaben) einen expansiven Kurs anlegt und die nötige Konsolidierung auf die hinteren Jahre verlagert – auf die nächste Legislaturperiode. Eigentlich sehen die EU-Regeln gleichmäßige Konsolidierungsschritte vor, damit die Anpassungen nicht aufgeschoben werden. Wenn Deutschland die weiten Ausgabenspielräume gemäß FSP ausnutzt, könnte die Defizitquote zwischenzeitlich regelkonform eine Größenordnung von 6 % erreichen. Die Schuldenquote könnte dann bis 2029 auf 80 % steigen.

Nach einer Übergangsphase müssen Defizit- und Schuldenquote im weiteren Verlauf wieder sinken, um solide Staatsfinanzen abzusichern – und dies sehen auch die EU-Regeln vor. Die Verteidigungsausnahme im Rahmen der EU-Regeln endet 2028. Deutschland kommt eine Schlüsselrolle bei der Akzeptanz der europäischen Fiskalregeln zu. Und es erscheint darüber hinaus weder nachhaltig noch ökonomisch gut begründet, wenn Verteidigungsausgaben weitreichend von der Kreditgrenze ausgenommen sind und in diesem Zuge die wachsenden Zinsausgaben die übrigen Haushaltsspielräume zunehmend verengen. Gleichzeitig belasten die demografischen Herausforderungen die Staatsfinanzen immer stärker. 

Die angekündigte Reform der Schuldenbremse lässt sich nutzen, um klare Perspektiven auf solide Staatsfinanzen zu geben. Die Reformvorschläge der Bundesbank zeigen einen Weg auf, der zurück zu einer regelbasierten nationalen Fiskalpolitik führt und die Spielräume für Investitionen erhält. Die Vorschläge bieten eine gute Basis, um solide Staatsfinanzen nach einer Übergangsphase wirksam abzusichern. Sie umfassen verbindliche Kreditgrenzen, priorisieren staatliche Investitionen in den Budgets und dürften Konflikte mit den EU-Regeln eng begrenzen.

Hat Ihnen diese Seite geholfen?