3 Konjunktur in Deutschland fasst langsam wieder Tritt
3.1 Wirtschaftsleistung in Deutschland zuletzt wieder gestiegen
Die deutsche Wirtschaftsleistung erhöhte sich im ersten Quartal 2024 etwas. Gemäß der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes stieg das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) saisonbereinigt um 0,2 % gegenüber dem Vorquartal. Im letzten Vierteljahr 2023 war es noch kräftig gesunken. Insbesondere der Bau, aber auch die Industrie und wohl auch die Dienstleister legten im ersten Vierteljahr 2024 zu. Dazu trug eine für die Bautätigkeit günstige Witterung bei. Im Vorquartal hatten die Wetterverhältnisse den Bau dagegen belastet, sodass es hier nun zu einem kräftigen Umschwung kam. In der energieintensiven Industrie setzte sich der negative Trend nicht fort, und die Produktion stieg kräftig an. Zudem war der Krankenstand nicht mehr ganz so hoch wie im Vorquartal, was die Wirtschaftsleistung ebenfalls gestützt haben dürfte. Daneben ermöglichten im Bau, vor allem aber in der Industrie, die noch verbliebenen Auftragspolster das Produktionsplus. Denn die Nachfrage ist in beiden Sektoren weiterhin schwach. Die neuen Aufträge für die Industrie gingen sowohl aus dem Ausland als auch dem Inland kräftig zurück. Darin schlägt sich nieder, dass der Welthandel noch verhalten blieb und die mit der Zinswende gestiegenen Finanzierungskosten sowie eine erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit die heimischen Investitionen dämpften. Die hohen Finanzierungskosten drückten auch die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe. Die privaten Verbraucher zeigten sich weiter verunsichert. Daher blieb ihr Konsum noch schwunglos, obwohl sich ihre Einkommenssituation dank eines stabilen Arbeitsmarktes und wieder steigender Reallöhne deutlich verbessert haben dürfte. Dass der Dienstleistungssektor wohl dennoch expandierte, lag an Zuwächsen in den eher industrie- und unternehmensnahen Branchen.
Das Kreditgeschäft mit nichtfinanziellen Unternehmen entwickelte sich in Deutschland im ersten Quartal per saldo seitwärts. Dies lag zum einen daran, dass die gestiegenen Finanzierungskosten in Verbindung mit den unsicheren Wirtschaftsaussichten die Kreditnachfrage vieler Unternehmen sinken ließ. Zum anderen dämpfte auch die Kreditangebotspolitik nach wie vor die Kreditvergabe. Das Kreditgeschäft mit inländischen privaten Haushalten legte nach drei schwachen Quartalen erstmals wieder leicht zu. Treibender Faktor waren die Wohnungsbaukredite, deren Zunahme deutlich stärker ausfiel als in den drei vorangegangenen Quartalen. Gleichzeitig wurden die Konsumenten- und sonstige Kredite an private Haushalte mit unverminderter Dynamik weiter abgebaut.
Der deutsche Arbeitsmarkt erwies sich auch im Winter 2024 als sehr stabil. Die Beschäftigungsentwicklung war weiter verhalten positiv. Im Laufe des Jahres 2023 waren die Unternehmensbelegschaften trotz der wirtschaftlichen Schwächephase weitestgehend gehalten und in vielen Dienstleistungsbereichen sogar aufgestockt worden. Der Anstieg im ersten Vierteljahr 2024 war jedoch nicht stark genug, um die insbesondere durch Zuwanderung steigende Zahl an Erwerbspersonen vollständig zu absorbieren. Daher erhöhte sich auch die registrierte Arbeitslosigkeit, wenngleich ebenfalls nur unwesentlich. Gemäß den Frühindikatoren dürfte sich dieses Muster in den nächsten Monaten nicht spürbar ändern. Selbst bei positiverer Wirtschaftsentwicklung dürfte zunächst das bislang gehaltene Personal stärker in Anspruch genommen werden. Dann würde sich die derzeit gedrückte Arbeitszeit erholen.
3.2 Löhne wachsen weiterhin stark
Die Löhne legten im Winter 2024 kräftig zu. Die Tarifverdienste stiegen im ersten Quartal um 6,2 % gegenüber dem Vorjahr. Dazu trugen auch hohe abgabenfreie Inflationsausgleichsprämien bei.
Die Effektivverdienste dürften ebenfalls erneut stark gestiegen sein. Die jüngsten Tarifabschlüsse und die im historischen Vergleich nach wie vor hohen Lohnforderungen der Gewerkschaften weisen zudem auf ein auch weiterhin hohes Lohnwachstum hin. Die Inflation ist zwar seit dem Hochpunkt im Herbst 2022 erheblich zurückgegangen. Aber den Gewerkschaften sind die kumulierten Reallohnverluste der vergangenen drei Jahre weiterhin bewusst, und sie streben einen nachhaltigen Reallohnanstieg an. Zum Jahresende 2024 entfallen zudem die temporären, abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien. Daher geraten nun dauerhafte Lohnerhöhungen verstärkt in den Fokus.
3.3 Inflationsrate dürfte zunächst wieder etwas steigen
Der Preisauftrieb nahm im Winter wieder etwas zu. Die Verbraucherpreise (HVPI) stiegen im ersten Vierteljahr 2024 saisonbereinigt um 0,8 % gegenüber dem Vorquartal, nach 0,2 % im Schlussquartal 2023. Grund hierfür war vor allem der starke und breit basierte Preisanstieg bei Dienstleistungen. In der Vorjahresbetrachtung setzte sich der Disinflationsprozess im ersten Quartal 2024 zwar fort, allerdings in deutlich gemäßigterem Tempo als zuvor. So fiel die Inflationsrate nur noch vergleichsweise wenig von 3,0 % im Vorquartal auf 2,7 %. Die Kerninflationsrate (HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel) lag mit 3,4 % weiterhin merklich oberhalb der Gesamtrate.
Auch im April zogen die Preise etwas stärker an. Saisonbereinigt erhöhte sich die HVPI-Rate um 0,4 %, nach + 0,2 % im März. Ausschlaggebend hierfür war ein kräftiger Anstieg der Energiepreise, die im Monat zuvor noch gesunken waren. Hier spielte eine Rolle, dass die vorübergehende Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Gas und Fernwärme im April ausgelaufen war. In der Vorjahresbetrachtung stieg die Inflationsrate per saldo leicht auf 2,4 % an. Die Kernrate ging dagegen merklich auf 2,9 % zurück.
Im Mai dürfte die Inflationsrate wieder steigen und könnte in den nächsten Monaten um ein etwas höheres Niveau schwanken. Grund hierfür sind zunächst Basiseffekte beim öffentlichen Personennahverkehr. Hier waren die durchschnittlichen Ticketpreise mit der Einführung des Deutschlandtickets im Mai 2023 sprunghaft gesenkt worden. Außerdem dürften die Energiepreise in der Vorjahresbetrachtung im Mai und im späteren Verlauf des Jahres aufgrund von Basiseffekten wieder zulegen. Insgesamt bestehen weiterhin Risiken für den grundlegenden Disinflationsprozess. So fiel das Lohnwachstum zuletzt kräftiger als erwartet aus. Dadurch könnte insbesondere der immer noch hohe Preisdruck bei Dienstleistungen länger anhalten.
3.4 Konjunkturaussichten hellen sich allmählich auf
Im zweiten Quartal 2024 dürfte die Wirtschaftsleistung erneut etwas ansteigen. Die Dienstleister dürften ihre Erholung fortsetzen. Diese könnte sich sogar noch verbreitern und verstärken, wenn auch vom privaten Konsum wieder erste Impulse kommen. Darauf deuten die Umfrageergebnisse des ifo Instituts für die konsumnahen Dienstleistungsbranchen hin. Damit dürften die steigenden realen verfügbaren Haushaltseinkommen gegenüber der Verunsicherung der Konsumentinnen und Konsumenten die Oberhand gewinnen. Weitere Kaufkraftgewinne sind zu erwarten, da der Arbeitsmarkt voraussichtlich robust bleibt und die Löhne weiter kräftig steigen. In der Industrie könnten sich die energieintensiven Branchen moderat erholen. Für eine nachhaltige Belebung der Industrie müssten jedoch auch die Neuaufträge wieder breit angelegt anziehen. Dies steht bislang noch aus. Die aufgehellten Geschäftserwartungen im Verarbeitenden Gewerbe werden sich daher wohl erst ab der zweiten Jahreshälfte in spürbar mehr Schwung in der Produktion niederschlagen. Auch im Bau ist die Nachfrage noch sehr schwach, und eine größere Belebung zeichnet sich noch nicht ab. Im zweiten Quartal dürfte zudem die Normalisierung nach den Witterungseffekten in den Vorquartalen dämpfend wirken. Ein weiter rückläufiger Krankenstand könnte hingegen die Wirtschaftsleistung erneut stützen. Insgesamt nimmt die Konjunktur in der Grundtendenz wohl allmählich etwas Fahrt auf.