Öffentliche Finanzen

Monatsberichtsaufsatz

1 Staatlicher Gesamthaushalt

1.1 Ausblick auf 2024 und 2025

Die Staatsfinanzen 1 dürften sich im laufenden Jahr verbessern. Ausschlaggebend ist, dass umfangreiche Energiekrisen-Maßnahmen entfallen. Die Defizitquote könnte unter% fallen, nach 2,5 % im Jahr 2023. 2 Die Schuldenquote lag Ende 2023 bei 63,6 % und dürfte ebenfalls sinken.

Das Ende der meisten Hilfsmaßnahmen entlastet die Budgets im Vorjahresvergleich um gut 1 % des BIPInsbesondere liefen die gewichtigen Energiepreisbremsen Ende 2023 aus. Günstig für die Staatshaushalte dürften sich auch die Einnahmen entwickeln: Die Wirtschaftsentwicklung ist zwar schwach. Insbesondere die aufkommensstarken Löhne und Gehälter wachsen aber recht dynamisch. Zudem bringen die seit Mitte 2023 höheren Beitragssätze zur Pflegeversicherung sowie erneut höhere Zusatzbeitragssätze zur Krankenversicherung Mehreinnahmen. Einige stark wachsende Ausgaben belasten die Budgets hingegen, allem voran die des Bundeswehr- und des Klimafonds. Außerdem dürfte im Nachgang der hohen Inflationsraten der letzten beiden Jahre deutlich mehr für Personalentgelte und Sachkäufe aufzuwenden sein. Auch die Ausgaben der Sozialversicherungen steigen voraussichtlich stark.

Die Schuldenquote sinkt 2024 wohl langsamer als im Vorjahr, vor allem weil das nominale BIP im Nenner der Quote nicht mehr so stark wächst. In der nationalen Schuldenquote nicht erfasst ist der Anteil an den EU-Schulden, für den Deutschland letztlich aufkommen muss. Die darum erweiterte Schuldenquote lag Ende 2023 mit schätzungsweise 65,0 % um 1,5 Prozentpunkte höher als die nationale Quote. 3 Weil die EU-Schulden im laufenden Jahr weiter steigen, sinkt die erweiterte Schuldenquote weniger als die nationale Quote. 

Im kommenden Jahr dürfte die Defizitquote weiter sinken, weil dann auch die letzten temporären Krisenmaßnahmen ausgelaufen sind. Konkret dürfte das Ende der abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien spürbare Mehreinnahmen bringen. Abgesehen davon könnte sich die Defizitquote eher seitwärts bewegen. Die Defizitspielräume des Bundes einschließlich seiner Extrahaushalte dürften auch 2025 noch erheblich sein. So schätzt die Bundesregierung die konjunkturbedingten Defizite nun höher ein. Zudem könnten sich Bundeshaushalt und Klimafonds im laufenden Jahr günstiger entwickeln und folglich noch über merkliche Rücklagen für die Haushaltsfinanzierung im Jahr 2025 verfügen (siehe Abschnitt Bund Gesamtjahr 2024). Die Schuldenquote dürfte weiter Richtung 60 % sinken. Die erweiterte Schuldenquote (siehe oben) geht erneut weniger zurück, weil die EU auch im kommenden Jahr neue Schulden macht. 

Die deutschen Staatsfinanzen dürften im laufenden und kommenden Jahr nicht übermäßig restriktiv auf die Wirtschaftsentwicklung wirken. Im laufenden Jahr sinkt das gesamtstaatliche Defizit per saldo nur, weil die Energiepreisbremsen auslaufen. Dies dürfte die konjunkturelle Entwicklung nur wenig beeinflussen, auch weil die Preise für Gas und Strom auf den vorgelagerten Stufen im laufenden Jahr wieder niedriger sein dürften als im Jahr 2023. Im kommenden Jahr entfällt die Abgabenfreiheit der Inflationsausgleichsprämien; abgesehen davon könnte der Staatshaushalt aber neutral auf die Wirtschaftsentwicklung wirken. Die teils formulierte Sorge vor übermäßig restriktiven Staatsfinanzen scheint daher überzogen. Wichtiger als eine expansivere Finanzpolitik wäre, die grundlegenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Investitionen und Beschäftigung zu verbessern. Über den Handlungsbedarf besteht vielfach Konsens, und auch eine aktuelle Unternehmensumfrage der Bundesbank zu inländischen Investitionshemmnissen bestätigt diesen. 4  

1.2 EU-Regeln reformiert, Schuldenbremse weiter diskutiert

Deutschland hält gemäß Projektion im aktuellen Stabilitätsprogramm zwei der zentralen Vorgaben der neuen EU-Regeln ein. 5 Erstens sollen die Mitgliedstaaten eine strukturelle Defizitquote von 1½ % erreichen; dies soll einen ausreichenden Sicherheitsabstand zur 3 %-Grenze für die unbereinigte Defizitquote gewährleisten. Das Programm sieht für 2025 bis 2028 eine strukturelle Defizitquote in einer Größenordnung von 1 % vor, womit diese Vorgabe mit Abstand eingehalten wäre. Zweitens soll ein Mitgliedstaat mit einer Maastricht-Schuldenquote von über 60 %, aber unter 90 % die Quote um mindestens ½ Prozentpunkt im Jahresdurchschnitt senken. Gemäß Programm fällt die Schuldenquote von 64 % Ende 2024 auf 62 % Ende 2028, womit auch diese Vorgabe eingehalten wäre. Die aktualisierte offizielle Steuerschätzung verändert die Einnahmenerwartungen gegenüber dem Programm nur wenig (vgl.: Vergleich mit vorherigen Schätzungen). 

Ob eine stärkere Konsolidierung nötig ist, um auch die übrigen neuen EU-Vorgaben einzuhalten, klärt sich wohl erst im Herbst 2024. Dann werden die Mitgliedstaaten mit der Europäischen Kommission länderspezifische Ausgabenpfade vereinbaren, im Regelfall für einen Planzeitraum bis 2028. Der Pfad muss neben den obigen beiden Vorgaben sicherstellen, dass Defizit- und Schuldenquote auch in den zehn Jahren nach Planende nicht zu hoch sind. Dies bewertet die Kommission anhand von Simulationen, deren Annahmen sie bilateral mit jedem Mitgliedsland aushandelt. 

Die neuen EU-Regeln tragen dabei den alterungsbedingten Mehrausgaben Rechnung, die insbesondere für Deutschland gewichtig sind. 6 Für sich genommen erhöhen diese Mehrausgaben die deutsche Defizit- und Schuldenquote in den Simulationen deutlich. Allerdings entfallen zwei Drittel der Zusatzlasten auf die Sozialversicherungen. Diese dürfen sich nicht verschulden und müssen die Zusatzlasten überwiegend durch höhere Beitragssätze gegenfinanzieren. Diese Gegenfinanzierung wäre in den Simulationen ebenfalls zu berücksichtigen. Für die gesetzliche Rentenversicherung stellt der Rentenversicherungsbericht einmal im Jahr transparent dar, welche Erhöhungen des Beitragssatzes in den kommenden 15 Jahren zu erwarten sind. Vergleichbare Berichte für die gesetzliche Kranken- und die soziale Pflegeversicherung legt die Bundesregierung nicht vor.

Bund und Länder müssen allerdings erst noch ausbuchstabieren, wie sie die Ziele aus dem Stabilitätsprogramm konkret erreichen wollen. Insbesondere unterstellt das Programm, dass der Bund die Kreditgrenze der Schuldenbremse durchgängig einhält. Dazu legt es dessen letztjährige Finanzplanung zugrunde. Diese ist allerdings stärker zu überarbeiten (siehe Abschnitt Ausblick für die Bundesfinanzen), und die Bundesregierung stimmt ihre neue Planung zurzeit noch ab. Inwieweit die Länder ihre aktuell geplante Haushaltspolitik anpassen müssten, um die Länderdefizite im Stabilitätsprogramm zu erreichen, ist unklar (siehe auch Abschnitt Länderhaushalte).

Diskutiert wird weiter über die Schuldenbremse. Die Bundesbank hält eine stabilitätsorientierte Reform für erwägenswert. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom letzten November wirkt die Schuldenbremse wieder konsequenter. Solange die Schuldenbremse so konsequent wirkt, kann sie solide Staatsfinanzen auch bei einem moderat höheren Wert der Kreditgrenze gut absichern. Konkret scheint eine höhere Kreditgrenze bei einer Schuldenquote unter 60 % gut vertretbar. Gewährleisten die nationalen Regeln dann, dass die strukturelle gesamtstaatliche Defizitquote unter 1½ % bleibt, dürfte dies in der Regel auch den neuen EU-Vorgaben genügen. (Droht in einzelnen Jahren ein Verstoß, so wären Bund und Länder wie bisher gefordert, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.) Vorschläge für eine etwas höhere Kreditgrenze bei niedriger Schuldenquote haben neben der Bundesbank auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und die Gemeinschaftsdiagnose gemacht. 7

Der zusätzliche fiskalische Spielraum, der durch eine solche Reform entsteht, könnte für besonders wichtige Aufgaben reserviert werden. Mit einer gekappten goldenen Regel, wie sie die Bundesbank skizziert, ließe sich gezielter Zusatzspielraum etwa für staatliche Nettoinvestitionen schaffen. Als Alternative zur Anpassung der Nettokreditgrenze gilt teils ein Sondervermögen mit eigener Kreditgrenze im Grundgesetz. Ein solches Sondervermögen könnte so ausgestaltet werden, dass es den Defizitspielraum in vergleichbarer Weise erweitert; es würde den vorstehenden Grundüberlegungen insofern nicht widersprechen. 

2 Haushalte der Gebietskörperschaften

2.1 Steuereinnahmen

2.1.1 Erstes Quartal 2024

Die Steuereinnahmen stiegen im ersten Quartal 2024 im Vorjahresvergleich nur um 1½ % (+ 3 Mrd €). Steuersenkungen bremsten den Zuwachs – vor allem bei der Lohn- und Einkommensteuer. Doch auch ohne diesen Effekt wären die Einnahmen nur moderat um etwa 2½ % gestiegen.

Steueraufkommen

Das Lohnsteueraufkommen wuchs um 2½ %, wobei die Kompensation der kalten Progression die Rate um etwa 3½ Prozentpunkte drückte. Bei der Kompensation passte der Gesetzgeber den Einkommensteuertarif an die hohe Inflation des Vorjahres an – lediglich die Einkommensgrenze für die sogenannte Reichensteuer erhöhte er nicht. Zusätzlich wurden offenbar vermehrt abgabenfreie Inflationsausgleichsprämien als Lohnkomponenten ausgezahlt, was den Aufkommenszuwachs ebenfalls dämpfte.

Die gewinnabhängigen Steuern stiegen um 4 %. Entscheidend dafür war ein Aufkommenssprung bei der Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge. Diese verdreifachte ihr Aufkommen um knapp 4 Mrd €. Der Anstieg dürfte in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass sich die Zinserträge angesichts des gestiegenen Zinsniveaus gegenüber dem Vorjahr deutlich erhöhten – insbesondere bei Einlagen. Dabei veränderte sich auch die Struktur der Einlagen hin zu höher verzinsten Titeln. Bei der Abgeltungsteuer ist das erste Quartal generell besonders ertragreich: So werden Zinsen häufig zum Jahresende gezahlt, und die Steuerzahlungen darauf schlagen sich dann im Januar-Aufkommen nieder. Demgegenüber sanken die Einnahmen aus der veranlagten Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer. Auch die nicht veranlagten Steuern vom Ertrag (vor allem Einkommensteuer auf Dividenden) verzeichneten einen Rückgang. Das höhere Aufkommen im Vorjahr war vor allem der einmaligen Sonderdividende eines Unternehmens geschuldet. 

Tabelle 5.1: Steueraufkommen 

 

 

 

Steuerart

1. VierteljahrSchätzung für 20241)
20232024

 

Mrd €

Veränderung
gegenüber
Vorjahr in %
Veränderung
gegenüber
Vorjahr in %
Steuereinnahmen insgesamt2)

199,8

203,0

+ 1,6

+ 4,1

darunter:
 Lohnsteuer3)

55,7

57,1

+ 2,6

+ 6,6

 Gewinnabhängige Steuern

38,8

40,3

+ 4,0

+ 0,7

 davon:
  Veranlagte Einkommensteuer4)

19,7

19,1

- 3,2

- 2,4

  Körperschaftsteuer5)

10,7

10,1

- 5,2

- 4,9

  Nicht veranlagte Steuern vom Ertrag

6,6

5,5

- 16,2

- 12,3

  Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge

1,8

5,6

+ 212,0

+ 115,3

 Steuern vom Umsatz6)

73,5

73,6

+ 0,1

+ 5,0

 Übrige verbrauchsabhängige Steuern7)

21,3

21,9

+ 2,9

+ 1,8

Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Arbeitskreis Steuerschätzungen und eigene Berechnungen. 1 Laut offizieller Steuerschätzung vom Mai 2024. 2 Umfasst die gemeinschaftlichen Steuern sowie die Bundes- und Ländersteuern. Einschließlich EU-Anteilen am deutschen Steueraufkommen, einschließlich Zöllen, ohne Erträge aus Gemeindesteuern. 3 Kindergeld und Altersvorsorgezulage vom Aufkommen abgesetzt. 4 Arbeitnehmererstattungen und Forschungszulage vom Aufkommen abgesetzt. 5 Forschungszulage vom Aufkommen abgesetzt. 6 Umsatzsteuer und Einfuhrumsatzsteuer. 7 Energiesteuer, Tabaksteuer, Versicherungsteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Stromsteuer, Alkoholsteuer, Luftverkehrsteuer, Kaffeesteuer, Schaumweinsteuer, Zwischenerzeugnissteuer, Alkopopsteuer sowie Rennwett- und Lotteriesteuer, Biersteuer, Feuerschutzsteuer.

Die Einnahmen aus der Umsatzsteuer stagnierten trotz steigender Preise. Der nominale private Verbrauch stieg nur noch moderat. Die tatsächliche Aufkommensentwicklung blieb aber noch dahinter zurück. Die zum Jahreswechsel wieder auf den Normalsatz angehobenen Steuersätze auf Speisen in der Gastronomie stützten das Aufkommen noch nicht wesentlich. Solche Änderungen schlagen sich zumeist erst nach zwei Monaten als steigendes Umsatzsteueraufkommen nieder. 

2.1.2 Offizielle Steuerschätzung: solide Zuwächse bis 2028

Nach der aktualisierten offiziellen Steuerschätzung wachsen die Steuereinnahmen im laufenden Jahr um knapp 4 % gegenüber dem Vorjahr. Ausschlaggebend hierfür ist die erwartete Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Bezugsgrößen der Steuern. Rechtsänderungen schlagen per saldo nur wenig (aufkommenssenkend) zu Buche. Die Einnahmen aus der Zinsbesteuerung wachsen kräftig, was den Zuwachs stützt. 

Tabelle 5.2: Ergebnisse der offiziellen Steuerschätzung und gesamtwirtschaftliche Projektionen der Bundesregierung 
Position202320242025202620272028
Steuereinnahmen1) 
 in Mrd € 

915,9

950,3

995,2

1 036,6

1 074,8

1 110,5

 in % des BIP

22,2

22,4

22,8

23,1

23,2

23,3

 Veränderung gegenüber Vorjahr in %

2,3

3,8

4,7

4,2

3,7

3,3

 
 Revision zur vorherigen Steuerschätzung in Mrd €

- 0,2

- 13,8

- 21,9

- 18,0

- 13,5

- 13,5

 
 Nachrichtlich: Mindereinnahmen durch in Aussicht stehende Steuerentlastungen in Mrd €
  Mindereinnahmen, wenn kalte Progression ab 2025 wie bisher kompensiert wird2)

.

.

- 5,5

- 9,8

- 14,5

- 19,4

 
Wachstum des realen BIP in % 
 Frühjahrsprojektion April 2024

- 0,3

0,3

1,0

1,0

1,0

1,0

 Herbstprojektion Oktober 2023

- 0,4

1,3

1,5

0,6

0,6

0,6

 
Wachstum des nominalen BIP in % 
 Frühjahrsprojektion April 2024

6,3

3,0

2,8

3,0

3,0

3,0

 Herbstprojektion Oktober 2023

6,5

4,4

3,5

2,7

2,7

2,7

Quellen: Arbeitskreis Steuerschätzungen und Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. 1 Einschließlich EU-Anteilen am deutschen Steueraufkommen, einschließlich Zöllen, einschließlich der Erträge aus Gemeindesteuern. 2 Seit 2014 verschob der Gesetzgeber den Einkommensteuertarif Jahr für Jahr zumeist um die geschätzte Inflationsrate des Vorjahres. Gezeigt sind hier die Mindereinnahmen, die sich ergeben, wenn diese Praxis beibehalten wird. Die Berechnungen sind grob abgeschätzt; sie basieren auf der aktuellen Frühjahrsprojektion der Bundesregierung und den Lohnsteuereinnahmen nach aktueller Steuerschätzung und in VGR-Abgrenzung. Der Grundfreibetrag wird dabei ebenfalls mit der Inflationsrate des Vorjahres verschoben. 

Die Lohnsteuereinnahmen steigen um 6½ %, weil die Bruttolöhne und -gehälter deutlich zulegen. Die Steuersenkung zur Kompensation der hohen kalten Progression des Vorjahres führt zwar zu Mindereinnahmen von 4½ % des Vorjahresaufkommens. Dies entspricht aber in etwa den Mehreinnahmen, welche die preisbedingte zuzüglich der realen Steuerprogression im laufenden Jahr erbringt. Dabei unterstellt die Steuerschätzung, dass sich die Einnahmenzuwächse der Lohnsteuer über den Rest des Jahres recht stark beschleunigen. So dürften die Arbeitgeber die Inflationsausgleichsprämie im weiteren Jahresverlauf weniger nutzen als bisher und die Entgeltzuwächse damit steuerergiebiger werden. Der Aufkommenszuwachs im März zeigte bereits in diese Richtung

Die Gewinnsteuern insgesamt legen nur wenig zu. Ein kräftiger Zuwachs der Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge gleicht dabei die schwache Entwicklung der übrigen Gewinnsteuern aus. Die Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer gehen zurück. In diese Richtung zeigt die Aufkommensentwicklung im ersten Quartal – und es passt auch zu deutlich sinkenden Unternehmens- und Vermögenseinkommen in der Projektion der Bundesregierung. Gestützt wird der Zuwachs dabei noch dadurch, dass in den Vorjahren Abschreibungen beschleunigt vorgenommen werden konnten: Diese hatten das Aufkommen damals gesenkt, nun kann entsprechend weniger abgeschrieben werden. 

Die Einnahmen aus der Umsatzsteuer steigen um 5 %. Der nominale private Verbrauch wächst zwar etwas verhaltener. Aufkommenserhöhend zu Buche schlägt aber, dass vorübergehende Umsatzsteuersenkungen auslaufen, etwa die ermäßigten Steuersätze für Erdgas und Fernwärme. 

Für 2025 erwartet die Steuerschätzung, dass die Steuereinnahmen insgesamt um 4½ % steigen. Die nominalen gesamtwirtschaftlichen Annahmen bewirken für sich genommen zwar ein etwas geringeres Einnahmenwachstum als in diesem Jahr. Rechtsänderungen erhöhen aber den Zuwachs: Abnehmende Abschreibungsvolumina stützen weiterhin den Zuwachs der Gewinnsteuereinnahmen. Bei der Umsatzsteuer führen wegfallende temporäre Steuersenkungen noch einmal zu Mehreinnahmen. Insbesondere entfällt im nächsten Jahr die Möglichkeit, vorübergehende Lohnbestandteile steuerfrei auszuzahlen – was die Einnahmen bei der Lohnsteuer deutlich erhöht (Aufkommensanstieg insgesamt 10 %). Für die Lohn- und Einkommensteuer hat der Gesetzgeber zudem noch keine Kompensation der kalten Progression beschlossen. Ein entsprechendes Gesetz ist für den Herbst angekündigt; es soll wie üblich auf den dann veröffentlichten Berichten zum Existenzminimum und zur Steuerprogression basieren. Die damit verbundenen Mindereinnahmen dürften aber deutlich geringer sein als in den beiden Vorjahren, weil die zu kompensierende Inflation im laufenden Jahr niedriger ist. Für die Grundsteuer wird wie zuvor ein Anstieg um 1½ % erwartet. Für diese gelten dann die neuen länderspezifischen Regeln. Die Entwicklung der Hebesätze ist hier aber noch nicht bekannt. Für den Solidaritätszuschlag ist im laufenden Jahr eine verfassungsgerichtliche Prüfung angekündigt – in der Steuerschätzung ist ein Aufkommen von knapp 13 Mrd € angesetzt. 

In den Folgejahren 2026 bis 2028 steigen die Einnahmen gemäß der Steuerschätzung um durchschnittlich 3½ %. Die Anstiege folgen im Wesentlichen aus den Annahmen zum nominalen gesamtwirtschaftlichen Wachstum und der Steuerprogression. Auch hier ist die übliche Kompensation der kalten Progression noch nicht gegengerechnet. Im Jahr 2026 wachsen die Einnahmen dabei etwas stärker (+ 4 %). Dann entfällt die Stromsteuersenkung für das produzierende Gewerbe. Abschreibungsbeschleunigungen aus Vorjahren sorgen in diesem Jahr letztmals für spürbare Mehreinnahmen.

2.1.3 Vergleich mit vorherigen Schätzungen

Im Vergleich zur Steuerschätzung von Oktober 2023 ergeben sich deutliche Mindereinnahmen. Im laufenden Jahr liegen die Ausfälle per saldo bei 14 Mrd € (¼ % des BIP). Im nächsten Jahr steigen sie auf 22 Mrd € (½ % des BIP). In den Folgejahren 2026 bis 2028 liegen sie zwischen ¼ % und ½ % des BIP. Ausschlaggebend sind die ungünstigeren gesamtwirtschaftlichen Annahmen, vor allem für die gewinnabhängigen Steuern. Zwischenzeitlich verabschiedete Rechtsänderungen senken das Aufkommen moderat – dies sind vor allem das Wachstumschancengesetz sowie die befristete Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe. Um durchschnittlich 9½ Mrd € pro Jahr höher liegt nun hingegen die Schätzung für die Einnahmen aus der Zinsbesteuerung. 

Die Abwärtskorrekturen gegenüber den jüngsten gesamtstaatlichen Projektionen sind gleichwohl deutlich niedriger. So ergeben sich gegenüber den Ansätzen für den Stabilitätsrat, die auch in das Stabilitätsprogramm eingegangen sind, für das Jahr 2024 Mindereinnahmen von 4½ Mrd € (- 0,1 % des BIP) und für die Jahre 2025 und 2026 praktisch keine Korrekturen. Für die Jahre 2027 und 2028 fallen Mehreinnahmen von 0,1 % des BIP an. Denn diese Planungen basierten schon auf den abgesenkten gesamtwirtschaftlichen Annahmen des Jahreswirtschaftsberichts. Sie beinhalteten auch bereits weitestgehend Steuersenkungen, die in der Herbst-Steuerschätzung noch nicht enthalten waren. Zudem werden in der Presseberichterstattung zur Steuerschätzung häufig kumulierte Ausfälle über den gesamten Schätzzeitraum 2024 bis 2028 genannt. Hier kommen dann sehr hohe Beträge zusammen. Für die Aufstellung der Staatshaushalte bedeutsamer sind allerdings die jährlichen Ausfälle, soweit für sie nicht vorgesorgt war. In der letztlich entscheidenden Relation zur Wirtschaftsleistung fallen die Revisionen gegenüber dem Stabilitätsprogramm nur wenig ins Gewicht.

2.2 Bundesfinanzen

2.2.1 Erstes Quartal 2024

Das Defizit des Bundes einschließlich Extrahaushalten fiel im Auftaktquartal erheblich niedriger aus als ein Jahr zuvor. Es sank von 52 Mrd € auf knapp 14 Mrd €. Im Kernhaushalt schmolz das Defizit im Zuge von Sonderentwicklungen stark von 21 Mrd € auf gut 8½ Mrd €. In den Extrahaushalten ging es noch stärker zurück, da die hieraus finanzierten Energiepreishilfen ausliefen. 

Im Kernhaushalt sank das Defizit vor allem aufgrund von Sondereinflüssen. So entfielen die Ausgaben für ein Darlehen, das der Bund Anfang 2023 dem IWF gewährte, und die Darlehensvergaben gingen um insgesamt 7½ Mrd € zurück. Auf der Einnahmenseite schlugen entlastende Privatisierungserlöse zu Buche. Die Steuereinnahmen stiegen um 3 %. Der größere Teil dieses Anstiegs beruhte darauf, dass die von den Steuern abgesetzten Beitragszahlungen an die EU geringer ausfielen. Die laufenden Ausgaben stiegen moderat um 2 %, nicht zuletzt wegen höherer Zahlungen ans Ausland (offenbar insbesondere Ukraine-Hilfen). 

Finanzierungssalden des Bundeshaushalts

Bei den Extrahaushalten ging das Defizit stark zurück, weil der Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Energie (WSF-E) aufgelöst wurde und damit kein Defizit mehr aufwies; allerdings stieg es beim Klima- und beim Bundeswehrfonds. Vor Jahresfrist hatte der WSF-E ein Defizit von 26 Mrd € verzeichnet. Ursache waren die Preisbremsen für Gas, Fernwärme und Strom sowie begleitende Hilfen für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Der WSF-E wurde Ende 2023 aufgelöst und die Hilfen beendet. Nachlaufende Lasten einschließlich der Zinsen wie auch Entlastungen aufgrund von Rückzahlungen betreffen nun den Kernhaushalt. Der andere Teil des Wirtschaftsstabilisierungsfonds hatte Anfang 2023 noch ein Defizit von 1½ Mrd € aus der Vergabe von Hilfsdarlehen. Nun führten Rückzahlungen von Darlehen zu einem Überschuss von 3 Mrd €. Darüber hinaus hatte die Tilgung einer inflationsindexierten Anleihe im Vorjahr ein Defizit von 3½ Mrd € bei dem dafür eingerichteten Vorsorgefonds verursacht. Im laufenden Jahr gab es hier keine solche Belastung. Dagegen verzeichnete der Klimafonds ein um 4 Mrd € höheres Defizit. Besonders belasteten dabei knapp 3½ Mrd € Subventionen für Strom aus erneuerbaren Energiequellen, für die zuvor andere Finanzierungsquellen bereitstanden. 8 Außerdem waren die Erlöse des Fonds aus CO2-Emissionszertifikaten um 1 Mrd € rückläufig, nicht zuletzt weil die Marktpreise der europäischen Zertifikate stark zurückgingen. Beim Bundeswehrfonds erhöhten sich der Mittelabfluss und damit auch das Defizit gegenüber dem Vorjahresauftakt um 1½ Mrd €.

Finanzierungssalden der Extrahaushalte des Bundes

2.2.2 Gesamtjahr 2024

Für das laufende Jahr plant der Bund zwar ohne Notlagenkredite, aber mit einem hohen Gesamtdefizit von 101 Mrd €. Vom Defizit entfallen 52 Mrd € auf Extrahaushalte, darunter 29 Mrd € auf den Klimafonds und 20 Mrd € auf den Bundeswehrfonds. 9 Der Klimafonds und teilweise auch der Kernhaushalt sollen ihre Defizite aus Rücklagen finanzieren. Der Bundeswehrfonds fällt nicht unter die Schuldenbremse. Mit dieser Planung kommt der Bund erstmals seit 2020 ohne neue Notlagenkredite aus.

Der Kernhaushalt könnte das geplante Defizit etwas unterschreiten und deutlich mehr Rücklagen bewahren. Gegenüber der Planung liegen die Privatisierungserlöse bereits höher, allerdings bleiben diese ohne Auswirkung im Rahmen der Schuldenbremse (finanzielle Transaktionen). Daneben sind aus heutiger Sicht Minderausgaben bei Zinsen (wegen relativ hoch veranschlagter Disagien), Personal und Sachaufwand möglich. Auch bei Gegenrechnen der im Haushaltsvollzug zu erwirtschaftenden pauschalen Minderausgaben und von Mehrausgaben etwa beim Bürgergeld scheint ein günstiger als geplanter Abschluss in Reichweite. Risiken betreffen indes die Steuereinnahmen. So senkte die neue Steuerschätzung die Einnahmenerwartungen für den Bund um 2 Mrd € gegenüber dem Haushaltsansatz. Der separate pauschale Vorsorgeposten ist damit ausgeschöpft. Weitere Maßnahmen wie das geplante zusätzliche Abtreten von Umsatzsteuermitteln an die Länder (Flüchtlingspauschale) bringen damit Ausfälle gegenüber der Planung. Die Defizitspielräume der Schuldenbremse erhöhen sich gegenüber den Planungen aber dadurch, dass eine konjunkturelle Mehrbelastung von 12 Mrd € für das laufende Jahr errechnet wurde. 10 Mit einem Nachtragshaushalt ließe sich dieser zusätzliche Kreditspielraum sichern, um mehr Mittel für 2025 in der Rücklage zu behalten. 

Bei den Extrahaushalten könnte das Defizit sogar deutlich niedriger ausfallen als geplant. So legte der Bund erneut keine Planzahlen für den verbliebenen Teil des WSF vor, für den Überschüsse aus zurückgezahlten Hilfsdarlehen angelegt sind. Wie in den letzten Jahren könnten zudem die Ausgaben wichtiger Extrahaushalte niedriger ausfallen als angesetzt. So blieben bei Bundeswehr- und Klimafonds die Ausgaben im ersten Quartal 2024 recht moderat. Auch wenn sich der Mittelabfluss dieser Fonds noch stark beschleunigt, könnte er deutlich unter den Ermächtigungen aus den Wirtschaftsplänen bleiben. Die absehbaren Einnahmenausfälle beim Klimafonds aus der Versteigerung von EU-CO2-Emissionszertifikaten dürften demgegenüber weniger stark wiegen. So könnten im Klimafonds Ende 2024 deutlich mehr Rücklagen für künftige Haushaltsjahre verbleiben als bislang veranschlagt. Der Bund hatte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur die von der Entscheidung unmittelbar betroffenen Rücklagen von 60 Mrd € gestrichen. 11

2.2.3 Ausblick für die Bundesfinanzen

Die Aufstellung des Kernhaushalts für 2025 bringt Herausforderungen. Wie im Vorjahr beschloss die Bundesregierung im März keine Eckwerte für die Ausgaben. Die Schuldenbremse beschränkt die strukturelle Nettokreditaufnahme des Bundes auf 0,35 % des BIP (2025: 15 Mrd €). Darüber hinausgehende Kreditaufnahmen sind möglich für den Erwerb von Finanzvermögen etwa im Rahmen des Generationenkapitals (allein gut 12 Mrd €) oder zum Abfedern von belastenden Konjunktureffekten (10 Mrd € gemäß der Frühjahrsprojektion). Gegenüber der Finanzplanung vom Sommer 2023 entlastet zwar, dass nunmehr um 8 Mrd € höhere konjunkturelle Defizite möglich sind und vermutlich etwas höhere Rücklagen zur Verfügung stehen (aufgrund der günstiger als geplanten Entwicklung im Haushaltsvollzug 2024). Diese Effekte beseitigen zumindest den erklärten Handlungsbedarf zum Wahren der Schuldenbremse von 5 Mrd € für 2025 aus dem alten Finanzplan. Allerdings treten bei Einrechnen der veranschlagten Vorsorgeposition Mindereinnahmen aus der Steuerschätzung von 4 Mrd € hinzu. 12 Weitere Mindereinnahmen ergeben sich dann aus Steuerrechtsänderungen wie zum Ausgleich der kalten Progression und der Fortführung der Flüchtlingspauschale für die Länder. Zusätzlich fallen Zinsbelastungen für die Energiepreishilfen des WSF-E und fortlaufende Zuschüsse an den Fluthilfefonds aus dem Jahr 2021 an. Auch der Klimafonds könnte Zuschüsse des Kernhaushalts benötigen. Inzwischen legten die einzelnen Ministerien dem Bundesfinanzministerium zusammengefasste Ausgabenansätze vor. Diese gingen wohl deutlich über die Möglichkeiten im Rahmen der Schuldenbremse hinaus. Insofern besteht also noch Anpassungsbedarf gegenüber diesen Ansätzen.

Bei den Extrahaushalten ist das Bild gemischt: Der Bundeswehrfonds verfügt über umfangreiche Kreditermächtigungen, beim Klimafonds fallen die Spielräume nach dem Verfassungsgerichtsurteil deutlich geringer aus. Aufgabe des Bundeswehrfonds ist es, die Bundeswehr kreditfinanziert zusätzlich auszurüsten. Dabei soll der Fonds die Verteidigungsausgaben des Kernhaushalts aufstocken, und damit soll das in der NATO vereinbarte Volumen von 2 % des BIP (derzeit etwa 85 Mrd €) erreicht werden. Im nächsten Jahr könnten dazu etwa 25 Mrd € aus dem Fonds erforderlich werden. Dies entspricht einem Drittel der Ende 2024 planungsgemäß verbleibenden Kreditermächtigung. Beim Klimafonds war im Finanzplan vom Sommer 2023 vorgesehen, im Jahr 2025 Rücklagen von 28 Mrd € einzusetzen und eine hohe globale Mehreinnahme zu vereinnahmen. Letztere zeichnet sich nicht ab, und nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist gemäß den aktuellen Planungen kaum noch eine Rücklage vorhanden. Selbst wenn aus 2024 noch eine größere Rücklage verbleibt, werden die vorhandenen Mittel wohl bei Weitem nicht ausreichen, um die im Sommer 2023 geplanten Ausgaben zu finanzieren. 

Der Anpassungsbedarf bei den Bundesfinanzen nimmt mittelfristig noch zu: Die Verteidigungsausgaben sind perspektivisch wieder vollständig im Kernhaushalt zu finanzieren, Notlagenkredite sind zu tilgen und deutlich wachsende Alterslasten zu tragen. Gegenüber dem bisherigen mittelfristigen Finanzplan zeichnen sich Einnahmenausfälle bei den Steuern und nicht zuletzt höhere Personalausgaben ab. So waren für Letztere ab 2025 kaum noch Zuwächse veranschlagt, und weitere Entgeltanpassungen stehen bevor. Zudem waren im damaligen Planungsendjahr 2027 bereits sehr hohe globale Minderausgaben veranschlagt (mit 27 Mrd € gut 5½ % der Ausgaben, gegenüber gut 2 % im Soll 2024). Ab dem neuen Endjahr der Finanzplanung 2028 sieht die derzeitige Tilgungsplanung vor, jährlich Notlagenkredite von gut 9 Mrd € zurückzuzahlen. 13 Dies mindert den Spielraum für die strukturelle Nettokreditaufnahme. Darüber hinaus soll ab 2028 EU-Verschuldung getilgt werden, was vermutlich über höhere Zuführungen durch die Mitgliedstaaten finanziert wird. Auch die Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung werden deutlich steigen. Sie sind an die demografiebedingt höheren Rentenbeitragssätze und die Durchschnittsentgelte gekoppelt. Mit der geplanten Verlängerung der Haltelinie für das Versorgungsniveau über 2025 hinaus steigt der diesbezügliche Finanzdruck auf den Bund zusätzlich. Außerdem sollen 2028 die Kreditermächtigungen des Bundeswehrfonds aufgebraucht sein. 14 Die in Aussicht gestellten Verteidigungsausgaben müssen dann wieder aus dem Kernhaushalt im Rahmen der Schuldenbremse finanziert werden. 

2.3 Länderhaushalte

Die Kernhaushalte der Länder schlossen das erste Quartal mit einem Defizit von 3 Mrd € ab. 15 Dabei überdecken Sondereffekte eine moderate grundlegende Verschlechterung gegenüber dem Vorjahreswert. Die Einnahmen stiegen insgesamt um 9 % und damit etwa so stark wie das Steueraufkommen der Länder. Das hohe Plus bei den Steuern kommt allerdings daher, dass ihr Aufkommen im Vorjahresquartal durch verzögerte Haushaltsverbuchungen unterzeichnet war. 16 Die Ausgaben nahmen mit 8½ % zu. Dies lag nicht zuletzt an den Personalausgaben, die offenbar insbesondere durch Inflationsausgleichsprämien stark anzogen. Verzerrt werden die Quartalszuwachsraten ein weiteres Mal dadurch, dass Nordrhein-Westfalen seine Jahreszuschüsse an Hochschulen (4 Mrd €) in unterschiedlichen Quartalen bucht (aktuell im ersten Quartal, im letzten Jahr hingegen im zweiten Quartal). Dies dürfte den positiven Sondereffekt beim verbuchten Steueraufkommen aber nicht ganz ausgleichen.

Finanzierungssalden der Länder

Die Kern- und Extrahaushalte der Länder könnten das laufende Jahr mit einem Defizit abschließen, nach einem grob ausgeglichenen Ergebnis im Vorjahr. Gemäß neuer Steuerschätzung wachsen die Steuereinnahmen der Länder um 3 %. Nicht zuletzt die gewichtigen Personalausgaben dürften aber deutlich stärker zulegen. Neben höheren Entgelten schlägt voraussichtlich auch ein weiterer Personalaufbau zu Buche. 

Gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 sind Reserven aus Notlagenkrediten nicht zulässig. In einzelnen Ländern überprüfen die Verfassungsgerichte die Aufnahme von Notlagenkrediten in den letzten Jahren. Nach den Überschlagsrechnungen der Bundesbank nutzten in den letzten Jahren viele Länder Notlagenkredite, um Reserven für Ausgaben in Folgejahren zu bilden. 17

Einige Länder haben nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ihre Haushaltsplanungen für 2024 angepasst; teils machen sie auch im laufenden Jahr eine Notlage geltend, um zusätzliche Kredite zu rechtfertigen. Brandenburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und das Saarland stellten dabei erneut eine Notlage fest, um Ermächtigungen für neue Notlagenkredite zu beschließen. Den Bedarf dafür begründeten sie mit mindestens einem der folgenden Punkte: nachlaufende Auswirkungen der Pandemie, Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und – im Falle Schleswig-Holsteins – Flutschäden.

Je umfangreicher ein Land auf Notlagenkredite setzt, umso stärker werden seine künftigen Haushalte mit Tilgungsanforderungen vorbelastet. Dabei erscheint es nicht offensichtlich, dass in einzelnen Ländern Notlagen bestehen, während dies beim Bund und dem Großteil der Länder nicht der Fall ist. Insgesamt spricht viel dafür, hohe Anforderungen zu stellen, wenn Notlagenkredite eingesetzt werden sollen. 18 Anderenfalls droht die Schuldenbremse wirkungslos zu werden. So ist zu begrüßen, dass Berlin nunmehr darauf verzichtet, einen Transformationsfonds mit Notlagenkrediten zu finanzieren. Das bereits besonders hoch verschuldete Saarland hält an seinem Transformationsfonds aus Notlagenkrediten fest. Der Landtag soll nun für jedes Haushaltsjahr prüfen, ob eine Notlage besteht, und die zur Abwehr benötigten Kredite freigeben. Allerdings erhält die Regierung Spielraum, bereits für Folgejahre hohe ausgabenwirksame Verpflichtungen zu begründen. Bremen beruft sich für seine geplanten Notlagenkredite auf ein ganzes Spektrum notwendiger Maßnahmen zur Krisenbekämpfung. 19 Einbezogen sind dabei allerdings auch Gebäudesanierungen und Zuschüsse für Krankenhäuser, die schon vor der Krise Hilfen erhielten. Nordrhein-Westfalen plant formal, im laufenden Jahr Notlagenkredite zu tilgen. Dazu sollen Reserven aus Sondervermögen verwendet werden, welche wiederum selbst aus Notlagenkrediten bestehen. Gleichzeitig sollen Reserven noch Zinslasten finanzieren. Dieses Vorgehen schiebt faktisch Tilgungslasten nach hinten. Nordrhein-Westfalen vereinnahmt zudem einen Teil seiner sogenannten Selbstbewirtschaftungsmittel, um den laufenden Haushalt zu finanzieren. Solche Mittel wurden in Vorjahren als Ausgaben für einen bestimmten Zweck gebucht, sind aber noch nicht abgeflossen. Dabei wurden die Selbstbewirtschaftungsmittel von 8½  Mrd € 20 wohl zu einem guten Teil in Jahren aufgebaut, in denen das Land Notlagenkredite aufnahm. Insoweit ähneln sie aus ökonomischer Sicht Reserven, die aus Notlagenkrediten gebildet wurden. 

3 Sozialversicherungen

3.1 Rentenversicherung

Finanzen der Deutschen Rentenversicherung

Bei der gesetzlichen Rentenversicherung trug im ersten Quartal die spürbar gestiegene Zahl der Renten zu einem moderat höheren Defizit bei. Dieses betrug nun 1½ Mrd €. Die Einnahmen stiegen mit 5½ % kräftig. Dabei wurden weiterhin umfangreiche abgabenfreie Inflationsausgleichsprämien als Lohnbestandteile gezahlt. Im weiteren Jahresverlauf könnten die Beiträge somit noch etwas stärker zunehmen, wenn beitragspflichtige Entgeltteile zunehmend an die Stelle von Inflationsausgleichsprämien treten. Mit 6 % wuchsen die Ausgaben allerdings noch stärker: Neben der Rentenanpassung von gut 4½ % zur Jahresmitte 2023 trug dazu auch eine spürbar steigende Rentenzahl bei: Diese stieg längere Zeit recht moderat. Sie nimmt aber offenbar nun Fahrt auf, weil zunehmend geburtenstarke Jahrgänge ihr Rentenalter erreichen. 21

Im Gesamtjahr 2024 dürfte sich die Finanzlage etwas verschlechtern. Im Ergebnis könnte die Rentenversicherung aber noch einen kleinen Überschuss erzielen. Im Rentenversicherungsbericht vom Herbst 2023 erwartete die Bundesregierung mit 1½ Mrd € noch einen ähnlich hohen Überschuss wie 2023. Allerdings steigen die Renten zur Jahresmitte mit 4½ % etwa 1 Prozentpunkt stärker als damals unterstellt. Ein beschleunigter Anstieg der Rentenzahl war dagegen im Bericht offenbar bereits erwartet worden. Hinzu kommt, dass der Bund zur Haushaltskonsolidierung seine Zuschüsse nochmals um ½ Mrd € kürzte. Allerdings könnte ein etwas stärkerer Lohnanstieg dem etwas entgegenwirken.

Die Bundesregierung will die Haltelinie für das Versorgungsniveau bis 2039 verlängern und einen kreditfinanzierten Kapitalstock aufbauen (Generationenkapital). Die Bestandteile der Rentenreform sind bereits seit Längerem bekannt. 22 Die Haltelinie erhöht die Rentenausgaben deutlich stärker als bei derzeitiger Rechtslage: Der Beitragssatz steigt dadurch gemäß den vorgelegten Planungen bis 2040 um knapp 1½ Prozentpunkte mehr als bislang vorgesehen (auf dann fast 22½ %). Weil die Bundesmittel im Wesentlichen daran gebunden sind, belastet die Reform auch den Bundeshaushalt stärker. Ab 2035 soll ein schuldenfinanziertes Generationenkapital die Rentenfinanzen entlasten. Den Planungen zufolge wird es aber nur einen kleinen Teil des zusätzlichen Beitragsdrucks abfangen können.

3.2 Bundesagentur für Arbeit

Finanzen der Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verzeichnete im ersten Quartal 2024 ein Defizit von 1 Mrd €. Im Vorjahresquartal hatte sie noch ein weitgehend ausgeglichenes Ergebnis erzielt. Ursächlich für die Verschlechterung war ein starker Ausgabenanstieg, unter anderem beim Arbeitslosengeld (+ 17 %) und bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik (+ 12 %). Auch die Verwaltungsausgaben stiegen kräftig: Die BA hob die Zuweisungen zum Versorgungsfonds für Beamte stark an. 23 Die BA-Einnahmen wuchsen mit gut 4½ % zwar deutlich, aber wesentlich schwächer als die Ausgaben (+ 13 %).

Im Gesamtjahr dürfte die BA zwar einen Überschuss erzielen. Dieser wird aber etwas geringer ausfallen als im Vorjahr (2023: 3 Mrd €). So sehen die Planungen vor, dass die Einnahmen um 5½ % zulegen. Das erscheint aus heutiger Sicht weiterhin plausibel. Die Ausgaben dürften aber noch stärker steigen als die Einnahmen: Die Arbeitsmarktlage bleibt voraussichtlich etwas eingetrübt. Hinzu kommt, dass die BA dem Versorgungsfonds rund ½ Mrd € mehr Mittel zuführt.

Literaturverzeichnis

Bundesministerium der Finanzen (2024a), Bundesfinanzminister Christian Lindner im Interview mit dem Handelsblatt, Öffentliche Finanzen, Reden, Interviews und Namensartikel, April 2024. 

Bundesministerium der Finanzen (2024b), Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage, Monatsbericht, April 2024, S. 47 – 80.

Bundesministerium der Verteidigung (2024), 18. Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten, Teil 1, www.bmvg.de.

Deutsche Bundesbank (2024a), 2.2 Die Maastricht-Verschuldung der EU-Institutionen und ihre fiskalische Bedeutung für Deutschland, Öffentliche Finanzen, Kurzberichte, Monatsbericht, April 2024.

Deutsche Bundesbank (2024b), Inländische Investitionshemmnisse für deutsche Unternehmen, Monatsbericht, Mai 2024.

Deutsche Bundesbank (2024c), Öffentliche Finanzen, Monatsbericht, Februar 2024, S. 58 – 82.

Deutsche Bundesbank (2023a), Länderfinanzen 2022: insgesamt hoher Überschuss, teils weiter umfangreicher Rückgriff auf Notlagenkredite, Monatsbericht, Oktober 2023, S. 41 – 65.

Deutsche Bundesbank (2023b), Öffentliche Finanzen, Monatsbericht, November 2023, S. 62 – 85.

Deutsche Bundesbank (2023c), Zum geplanten Generationenkapital zur Entlastung der Rentenfinanzen, Öffentliche Finanzen, Monatsbericht, November 2023, S. 80 – 82.

Deutsche Bundesbank (2022), Die Schuldenbremse des Bundes: Möglichkeiten einer stabilitätsorientierten Weiterentwicklung, Monatsbericht, April 2022, S. 53 – 70.

Europäische Kommission (2024), 2024 Ageing Report, Economic and Budgetary Projections for the EU Member States (2022-2070), Institutional Paper 279, April 2024, https://economy-finance.ec.europa.eu.

Gemeinschaftsdiagnose (2024), Deutsche Wirtschaft kränkelt – Reform der Schuldenbremse kein Allheilmittel, #1-2024, März 2024, https://gemeinschaftsdiagnose.de.

Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen (2023), Vorlage an den Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen, Vorlage 18/1669, September 2023, https://opal.landtag.nrw.de.

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2024), Die Schuldenbremse nach dem BVerfG-Urteil: Flexibilität erhöhen – Stabilität wahren, Policy Brief, Nr. 1/2024, Januar 2024, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de.

Senatspressestelle Bremen (2024), Senat stellt fortdauernde Notlage fest und beziffert krisenbedingte Mehrbedarfe, Pressemitteilung, April 2024, https://www.senatspressestelle.bremen.de.

Unabhängiger Beirat des Stabilitätsrates (2024), 21. Stellungnahme zur Einhaltung der Obergrenze für das strukturelle gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit nach § 51 Absatz 2 HGrG, April 2024, https://www.stabilitaetsrat.de.

 

Fußnoten
  1. Der Abschnitt „Staatlicher Gesamthaushalt“ bezieht sich auf Daten der VGR und die Maastricht-Schulden. Danach wird über die Haushaltsentwicklung (Finanzstatistik) in den Bereichen berichtet, für die Ergebnisse für das erste Quartal 2024 vorliegen.
  2. Der Wert für 2023 wurde mit der Maastricht-Notifikation revidiert. Nunmehr ist erfasst, dass Subventionen für klimafreundlichen Strom das Restguthaben aus der EEG-Umlage verbrauchen. Hintergrund ist, dass die EEG-Umlage in den VGR nun nicht mehr als privatwirtschaftlicher Ausgleichsmechanismus der Übertragungsnetzbetreiber, sondern als staatliches Umlagesystem dargestellt wird. Diese Umlage ist bis Mitte 2022 erhoben worden.
  3. Zugerechnet ist ein Anteil an den konsolidierten EU-Schulden, wobei der Anteil näherungsweise dem Finanzierungsanteil Deutschlands am EU-Haushalt entspricht. Vgl. ausführlicher: Deutsche Bundesbank (2024a).
  4. Siehe: Deutsche Bundesbank (2024b).
  5. Vgl. ähnlich: Unabhängiger Beirat des Stabilitätsrates (2024).
  6. Dazu werden die neuen Fortschreibungen der Ageing Working Group verwendet, vgl.: Europäische Kommission (2024). Die Ageing Working Group ist eine Arbeitsgruppe des Wirtschaftspolitischen Ausschusses der EU; sie berichtet regelmäßig über die langfristige Entwicklung der alterungsbedingten Staatsausgaben.
  7. Vgl.: Deutsche Bundesbank (2022), Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2024) sowie Gemeinschaftsdiagnose (2024), S. 70 ff.
  8. Der Bundesgesetzgeber hatte die dafür erhobene EEG-Umlage Mitte 2022 abgeschafft. Bis Ende 2023 reichte das Restguthaben aus der Umlage auf einem zweckgebundenen Konto der Übertragungsnetzbetreiber.
  9. Vgl. die Übersichtstabelle in: Deutsche Bundesbank (2024c), S. 70.
  10. Diese leitet sich aus der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung ab: Das nominale BIP-Wachstum fällt demnach deutlich schwächer aus als im Haushaltsplan unterstellt.
  11. Damit verblieb nach dem Jahresabschluss 2023 ein Restbestand von 29 Mrd €. Dieser beruht größtenteils auf vorangegangenen Überschüssen im Fonds, die insbesondere in den Corona-Jahren 2020 und 2022 anfielen.
  12. Im Vergleich zur jüngsten Projektion des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zum Bundeshaushalt liegt die Korrektur deutlich niedriger bei - 1 Mrd €. Die jüngste Projektion hatte das BMF Ende März für den Stabilitätsrat erstellt.
  13. Deren Tilgung wurde bereits einmal aufgeschoben. Der Bundesfinanzminister stellte einen erneuten Aufschub für den Fall in Aussicht, dass die gesamtstaatliche Schuldenquote 2028 unter 60 % liegt. Vgl.: Bundesministerium für Finanzen (2024a). Das Grundgesetz sieht eine solche Verknüpfung nicht vor. Es verpflichtet dazu, Notlagenkredite in einem angemessenen Zeitrahmen zurückzuzahlen. Die Bundesbank hatte angeregt, im Grundgesetz Schuldenquote und Tilgungspflicht zu verknüpfen: Deutsche Bundesbank (2022), S. 68.
  14. Vgl.: Bundesministerium der Verteidigung (2024), S. 7 f.
  15. Für die Extrahaushalte liegen noch keine Angaben zum ersten Quartal vor.
  16. Die Differenz zwischen den in der Steuerstatistik und den in der monatlichen Länderhaushaltsstatistik vereinnahmten Steuern beträgt im ersten Quartal 2024 etwa - 1 Mrd €, nach + 5 Mrd € im Vorjahresquartal. Vgl. zur Aufteilung der im Auftaktquartal vereinnahmten Steuern auf die Ebenen die Aprilausgabe des Monatsberichts des Bundesministeriums der Finanzen (2024b), S. 55, und zu den vereinnahmten Ländersteuern die monatliche Kassenstatistik der Kernhaushalte der Länder.
  17. Vgl.: Deutsche Bundesbank (2023a).
  18. Vgl. hierzu auch: Deutsche Bundesbank (2023a), S. 58.
  19. Vgl.: Senatspressestelle Bremen (2024).
  20. Vgl.: Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen (2023).
  21. Vgl. zur demografischen Entwicklung: Deutsche Bundesbank (2023b).
  22. Vgl. hierzu die Diskussion in: Deutsche Bundesbank (2023c).
  23. Der Fonds bleibt hier wie üblich ausgeblendet. Die höhere Zuführung vergrößert dessen Überschuss.