Überblick Monatsbericht – November 2024

Monatsberichtsaufsatz

1 Weltwirtschaft und internationale Finanzmärkte

1.1 Weltwirtschaft weiterhin ohne viel Schwung

Die Weltwirtschaft blieb im Sommer 2024 auf moderatem Expansionskurs. Ihre wesentliche Stütze waren abermals die Vereinigten Staaten. Das BIP stieg dort auch im dritten Vierteljahr preis- und saisonbereinigt deutlich. Erneut kraftlos zeigte sich hingegen die chinesische Konjunktur, nicht zuletzt wegen der anhaltenden Krise am Immobilienmarkt. Im Euroraum legte die Wirtschaftsleistung vor allem wegen Sondereffekten merklich zu.

Die jüngste Besserung in der Industrie dürfte nicht von Dauer sein. Wie schon im Frühjahr nahm zwar auch in den Sommermonaten die globale Industrieproduktion spürbar zu. Die stark in internationale Wertschöpfungsketten eingebundenen Volkswirtschaften Asiens trugen hierzu maßgeblich bei. Noch schwungvoller expandierte der globale Warenhandel. Dabei scheinen allerdings Vorzieheffekte eine Rolle gespielt zu haben. Schon im Vorquartal hatten Unternehmen in Erwartung möglicher handelspolitischer Friktionen und drohender Beeinträchtigungen des Schiffsverkehrs ihre Vorräte aufgestockt. Die Nachhaltigkeit des jüngsten Aufschwungs ist mithin fraglich. Dies zeigen auch aktuelle Umfragen unter Einkaufsmanagern. Ihnen zufolge kam weltweit das Produktionswachstum im Verarbeitenden Gewerbe zuletzt zum Erliegen, und die Auftragslage verschlechterte sich weiter. Politische Forderungen nach neuen Zollschranken bergen beträchtliche zusätzliche Risiken für den internationalen Handel.

1.2 Weltweit sinkt die Inflation, die Kerninflation ist aber häufig noch hoch

Die Rohölnotierungen gaben zuletzt merklich nach. Maßgeblich für den Preisrückgang dürften neben Nachfragesorgen auch Spekulationen über eine Förderausweitung Saudi-Arabiens und anderer OPEC-Länder gewesen sein. Insgesamt dürfte im kommenden Jahr laut Schätzungen der Internationalen Energieagentur der globale Ölmarkt erheblich überversorgt sein. Angesichts des perspektivisch reichlichen Angebots führten zunehmende Spannungen im Nahen Osten nur zu überschaubaren und vorübergehenden Preisspitzen.

Die Inflationsraten sinken vor allem unter dem Einfluss der Energiepreise weiter, die Kernraten sind aber noch hoch. In den Industrieländern ermäßigte sich der Anstieg der Verbraucherpreise im Vorjahresvergleich bis Oktober auf 2,4 %. Drei Monate zuvor waren es noch 2,8 % gewesen. Die Preisnachlässe für Energie trugen maßgeblich zu diesem Rückgang bei. Im restlichen Jahresverlauf dürften derartige dämpfende Einflüsse auf die Inflationsraten aber eher ausbleiben, und der Verbraucherpreisanstieg dürfte wieder stärker durch die Kernkomponenten (ohne Energie und Nahrungsmittel) geprägt werden. Hieran gemessen ist der zugrunde liegende Preisauftrieb nach wie vor hoch. Die Kernrate belief sich im Industrieländerkreis im Oktober auf 3,1 %.

1.3 Internationale Finanzmärkte durch Leitzinssenkungen geprägt

Die fortgesetzte Disinflation und politische Unsicherheiten prägten das Geschehen an den Finanzmärkten. Im Umfeld weiter verbesserter Inflationsdaten und schwächerer Konjunktursignale passten die Marktakteure ihre Leitzinserwartungen für die USA und den Euroraum zunächst deutlich nach unten an. Zwischenzeitlich erachteten die Marktakteure einen ausgeprägten Zinssenkungszyklus und damit ein frühes Ende der restriktiven Geldpolitik als wahrscheinlich. In der Folge sanken die zehnjährigen Renditen auf den Kapitalmärkten der großen Währungsräume recht kräftig. Mit Beginn des vierten Quartals dämpften unerwartet robuste Arbeitsmarkt- und Konjunkturdaten in den USA sowie der Ausblick auf mögliche hohe US-Haushaltsdefizite die mittelfristigen Leitzinssenkungserwartungen der Marktteilnehmer. Auch die Terminprämien für längerfristige US-Anleihen zogen an. Dieser Anstieg übertrug sich gedämpft auf die Zinsen im Euroraum. Zum Ende des Berichtszeitraums notierten die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen uneinheitlich gegenüber ihren Werten von Ende Juni. Die Renditedifferenz zwischen den USA und dem Euroraum nahm jedoch zu. Dies trug dazu bei, dass der Euro zum US-Dollar abwertete. Effektiv gegenüber 18 Handelspartnern verzeichnete der Euro ebenfalls per saldo eine Abwertung.

An den internationalen Aktienmärkten spiegelten sich unterschiedliche wirtschaftliche Aussichten deutlich wider, mit starken Kursgewinnen in den USA und Kursverlusten im Euroraum und Japan. Der einsetzende Zinssenkungszyklus und der seit Mitte August wieder steigende Risikoappetit der Anleger stützten weltweit die Kurse. Vor allem in den USA legten Vermögenswerte börsennotierter Unternehmen deutlich zu. Die Marktteilnehmer gehen davon aus, dass dort die Gewinne börsennotierter – vor allem auch finanzieller – Unternehmen von den Politikmaßnahmen der neuen US-Regierung profitieren werden. Im Euroraum dämpften dagegen gesunkene Gewinnerwartungen und die Aussicht drohender Zölle die Kursentwicklung. Bei steigendem Risikoappetit der Anleger sanken die Renditeaufschläge von langfristigen Staatsanleihen im Euroraum und insbesondere auch von Unternehmensanleihen.

2 Geldpolitik und Bankgeschäft

2.1 EZB-Rat senkt Leitzinsen weiter

Auf seinen geldpolitischen Sitzungen im September und Oktober 2024 beschloss der EZB-Rat zwei Zinssenkungen. Der Zinssatz für die Einlagefazilität, mit dem der EZB-Rat den geldpolitischen Kurs steuert, notiert nach den beiden Senkungen um jeweils 25 Basispunkte nun bei 3,25 %. Der EZB-Rat begründete die Zinssenkungen unter anderem damit, dass eingegangene Daten und die neu erstellten September-Projektionen die vorherigen Inflationsaussichten bestätigt hatten. Es wird erwartet, dass die Inflation in den kommenden Monaten wieder steigen wird, bevor sie im Laufe des nächsten Jahres auf ihren Zielwert fallen wird. Gleichzeitig wurde aber auch die weiterhin hohe heimische Inflation betont, da die Löhne nach wie vor in einem erhöhten Tempo ansteigen.

Mit Wirkung vom 18. September 2024 traten Anpassungen am geldpolitischen Handlungsrahmen in Kraft. Der Abstand zwischen den Zinssätzen für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte und die Einlagefazilität wurde von 50 auf 15 Basispunkte gesenkt. Der Abstand zwischen dem Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und dem Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte blieb unverändert bei 25 Basispunkten.

2.2 Nachfrage nach Unternehmenskrediten im Euroraum weiterhin verhalten

Der Wiederanstieg des Geldmengenwachstums setzte sich im dritten Quartal fort; die Nachfrage nach Unternehmenskrediten blieb aber verhalten. Die seit Herbst 2023 zu beobachtende Erholung des breit gefassten Geldmengenaggregats M3 setzte sich fort; die Jahreswachstumsrate stieg Ende September 2024 auf 3,2 %. Der Anstieg steht im Zusammenhang mit den geldpolitischen Zinssenkungen: Das veränderte Zinsumfeld verringerte für die Anleger die Attraktivität längerfristiger Anlageformen relativ zu den liquideren M3-Pendants. Auf der Entstehungsseite stützten erneut vor allem die starken Mittelzuflüsse aus dem Ausland das Geldmengenwachstum. Bei der Buchkreditvergabe der Banken verfestigte sich die im Herbst 2023 begonnene Aufwärtstendenz der Kredite an private Haushalte. Dagegen ist eine spürbare Erholung der Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen noch nicht erkennbar. Dies lag insbesondere daran, dass viele Unternehmen ihre Investitionen intern finanzieren konnten. Hierzu passt, dass laut Umfrage zum Kreditgeschäft (Bank Lending Survey, BLS) die Nachfrage nach Unternehmenskrediten im dritten Quartal nur marginal angestiegen ist.

3 Deutsche Wirtschaft

3.1 Deutsche Wirtschaftsleistung im dritten Quartal etwas gestiegen

Die deutsche Wirtschaftsleistung erhöhte sich im dritten Quartal 2024 überraschend. Die Aussichten bleiben jedoch weiterhin schwach. Laut der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes stieg das reale BIP um saisonbereinigt 0,2 % gegenüber dem Vorquartal. Dies übertraf zwar frühere Erwartungen, allerdings wurde gleichzeitig der Rückgang des BIP im zweiten Quartal von 0,1 % auf 0,3 % revidiert. Die Wirtschaftsleistung blieb somit im Sommerhalbjahr insgesamt schwach. Zudem lässt sich aus der Zunahme des BIP im dritten Quartal schwerlich eine verbesserte konjunkturelle Grunddynamik ableiten. Denn maßgeblich waren dafür gemäß den Angaben des Statistischen Bundesamtes vor allem steigende staatliche und private Konsumausgaben. Und angesichts des gemischten Indikatorenbildes für den privaten Konsum ist davon auszugehen, dass dieser nur leicht zulegte. Somit bieten sämtliche maßgeblichen Nachfragekomponenten gegenwärtig wenig Anlass für eine kurzfristige merkliche Erholung der deutschen Wirtschaft. Der private Konsum profitierte im dritten Vierteljahr zwar von den kräftig steigenden Löhnen. Allerdings trübt sich der Arbeitsmarkt zusehends ein, und die – teilweise wohl auch deswegen – hohe Verunsicherung unter den Verbrauchern dürfte den Anstieg des privaten Konsums gedämpft haben. Die Exporte sowie die Produktion in Industrie und Bau gingen weiter zurück. Die immer noch erhöhten Finanzierungskosten und die ausgeprägte wirtschaftspolitische Unsicherheit belasteten weiterhin die Investitionen und damit die Nachfrage nach Bauleistungen und Investitionsgütern. Erschwerend für die Investitionsneigung in der Industrie kommt die mittlerweile niedrige Kapazitätsauslastung hinzu. Angesichts der verschlechterten Wettbewerbsposition der deutschen Industrie ergaben sich aus den wachsenden deutschen Absatzmärkten im Ausland keine Wachstumsimpulse. Die Industrie steht unter hohem Druck, sich an sich verändernde strukturelle Rahmenbedingungen am heimischen Produktionsstandort und auf den Weltmärkten anzupassen. Von diesem Strukturwandel ist die deutsche Automobilbranche in besonderer Weise betroffen.

3.2 Kreditgeschäft deutscher Banken mit Zuwachs

Das Buchkreditgeschäft der deutschen Banken mit dem inländischen nichtfinanziellen Privatsektor wuchs im dritten Quartal leicht. Bei der Vergabe von Wohnungsbaukrediten an private Haushalte sind Anzeichen einer schwachen Aufwärtsbewegung zu erkennen. Laut BLS wirkten eine optimistischere Einschätzung der privaten Haushalte zu den Aussichten am Wohnimmobilienmarkt sowie der Rückgang des allgemeinen Zinsniveaus in diesem Segment nachfragefördernd. Das Kreditgeschäft mit dem nichtfinanziellen Unternehmenssektor wuchs hingegen nur geringfügig. Angesichts der hohen Unsicherheit und des nach wie vor ausreichenden Bestandes an internen Finanzierungsmitteln blieb die Nachfrage deutscher Unternehmen nach externer Finanzierung gedämpft. Die im BLS befragten Banken strafften ihre Richtlinien im Unternehmenskreditgeschäft erstmals seit knapp drei Jahren nicht mehr.

3.3 Arbeitsmarkt kühlte im Sommer ab, Löhne steigen aber noch stark

Die lang anhaltende wirtschaftliche Schwäche erreichte im Sommerquartal auch den bislang sehr robusten Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung ging von ihrer zuvor erreichten Rekordhöhe aus leicht zurück. Dabei hielt die starke sektorale Differenzierung an. So sank die Beschäftigung im Produzierenden Gewerbe und im Handel. Dagegen war die Arbeitsnachfrage bei den Dienstleistungen weiterhin hoch, obwohl die Beschäftigung auch hier in einigen Bereichen schwächer zulegte als zuvor. Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich weiter. Kurzarbeit wird zwar seit einiger Zeit im Verarbeitenden Gewerbe verstärkt genutzt, spielt gesamtwirtschaftlich jedoch nach wie vor keine große Rolle. Die Aussichten bleiben gedämpft: Den Frühindikatoren zufolge wird sich die Lage am Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten weder deutlich verbessern noch erheblich verschlechtern.

Die Tarifverdienste stiegen im Sommer sehr stark. Einschließlich der Nebenvereinbarungen nahmen sie im dritten Quartal um 8,8 % gegenüber dem Vorjahr zu. Dies ist die höchste Vorjahresrate seit Sommer 1993. Ausschlaggebend dafür waren vor allem sehr kräftige Tarifanhebungen im Einzelhandel sowie im Groß- und Außenhandel. Dort gab es hohe dauerhafte Lohnsteigerungen, Nachzahlungen und eine Inflationsausgleichsprämie. Auch wenn die Sonderzahlungen herausgerechnet und ausschließlich die Grundvergütungen betrachtet werden, legten die Tarifverdienste im Sommer mit 5,6 % gegenüber dem Vorjahr nochmals stärker zu als im Frühjahr. Der Hochpunkt der Phase sehr hoher Lohnsteigerungen könnte aber im dritten Quartal erreicht worden sein. Auch die Effektivverdienste erhöhten sich voraussichtlich kräftig.

Gegenwärtig treffen hohe Lohnforderungen auf ein schwaches wirtschaftliches Umfeld. Derzeit fallen die Lohnforderungen der Gewerkschaften vergleichsweise hoch aus. Denn sie streben an, nach dem Wegfall der Inflationsausgleichsprämien die in den vergangenen Jahren eingetretenen Kaufkraftverluste durch dauerhafte Lohnzuwächse auszugleichen. Allerdings fiel das jüngst vereinbarte Lohnplus in der Metall- und Elektroindustrie mit 2,2 % per annum vor dem Hintergrund einer stark eingetrübten wirtschaftlichen Lage der Branche recht moderat aus. Angesichts der lang anhaltenden wirtschaftlichen Schwächephase und deutlich gesunkener Inflationsraten ist insgesamt zu erwarten, dass es in den weiteren anstehenden Lohnverhandlungen zu spürbar niedrigeren Abschlüssen kommt als in den vergangenen zwei Jahren.

3.4 Inflationsrate um den Jahreswechsel voraussichtlich vorübergehend etwas höher

Die Verbraucherpreise stiegen im Sommer nicht mehr so stark wie zuvor. Sie legten gemessen am HVPI im Sommervierteljahr saisonbereinigt um 0,3 % zu und damit nur noch knapp halb so stark wie in den beiden vorangegangenen Quartalen. Die Preise für Energie sanken sogar spürbar. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich moderat. Bei Dienstleistungen ließ der Preisauftrieb zwar etwas nach, blieb aber weiterhin auf einem außergewöhnlich hohen Niveau. Bei Nahrungsmitteln verstärkte er sich sogar wieder. Auch in der Vorjahresbetrachtung ließ der Preisauftrieb nach. Die Inflationsrate insgesamt ging von 2,6 % auf 2,2 % zurück. Dies lag nicht nur an den rückläufigen Energiepreisen im Sommer 2024, sondern auch an einem dämpfenden Basiseffekt durch den Anstieg der Energiepreise im Sommer 2023. Die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel blieb dagegen mit 3,1 % fast so hoch wie im Vorquartal.

Im Oktober lag die Inflationsrate wieder deutlich höher. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Inflationsrate von 1,8 % im September auf 2,4 %. Dabei spielte auch eine Rolle, dass die Energiepreise im Oktober 2023 merklich zurückgegangen waren, was sich im Oktober 2024 als erhöhender Basiseffekt in der Inflationsrate niederschlug. Die Kernrate zog ebenfalls deutlich von 3,0 % auf 3,3 % an. Lässt man die schwankungsanfälligen Preise für Reisen, aber auch Bekleidung außer Acht, lag die Rate allerdings nahezu unverändert bei 3 %.

Vorübergehend ist mit einer noch etwas höheren Inflationsrate zu rechnen. Zum Jahresende 2023 sanken die Energiepreise deutlich. Diese Abwärtsbewegung im Basisjahr erhöht für sich genommen in den kommenden Monaten die Teuerungsrate. Auch bei Reiseleistungen entfallen dämpfende Basiseffekte, denn im Vorjahr gingen die Preise hier erheblich zurück. Die Inflationsrate dürfte dadurch vorübergehend noch deutlich weiter steigen. Zu Beginn des neuen Jahres wirken zudem Sondereffekte preiserhöhend. Dazu zählen die Preisanhebung beim Deutschlandticket und wohl auch kräftige Anhebungen der Tarife für private Krankenversicherungen. Ohne diese Sondereffekte dürfte der Trend der Kernrate zwar allmählich abnehmen. Das kräftige Lohnwachstum aus dem Jahr 2024 hält die Teuerung vor allem bei Dienstleistungen aber noch hoch.

3.5 Deutsche Wirtschaft schwächelt auch im Herbst

Die Konjunkturflaute der deutschen Wirtschaft wird wohl auch im vierten Quartal anhalten. Industrie und Bau dürften die Wirtschaftsleistung weiter dämpfen. Die auf der Investitionsneigung lastenden Faktoren wie eine hohe Unsicherheit, immer noch vergleichsweise hohe Finanzierungskosten und eine geringe Auslastung in der Industrie bestehen nach wie vor. Die Auslandsnachfrage nach deutschen Industrieerzeugnissen ist noch schwach, auch wenn sich hier eine Erholung andeutet. Gemäß Umfragen des ifo Instituts war der Anteil der Unternehmen im Bauhauptgewerbe mit Auftragsmangel im Oktober weiter hoch, und die Geräteauslastung verringerte sich im Vorquartalsvergleich noch einmal leicht. Der Arbeitsmarkt dürfte sich mit moderat sinkender Beschäftigung und leicht steigender Arbeitslosigkeit weiter abkühlen. Der private Konsum könnte dennoch erneut etwas expandieren, denn die kräftig gestiegenen Löhne bieten noch weiteren Spielraum für zusätzliche Konsumausgaben. Allerdings zeigen sich die Verbraucher weiterhin verunsichert und werden diese zusätzlichen Ausgabenmöglichkeiten wohl nur zögerlich nutzen. Alles in allem könnte die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal in etwa stagnieren.

4 Deutsche Staatsfinanzen

4.1 Derzeit leicht rückläufiges Defizit 2024 und 2025 angelegt

Beim staatlichen Defizit ist für das laufende und das kommende Jahr ohne neue Beschlüsse ein leichter Rückgang angelegt. Neue Weichenstellungen sind aber nach der Neuwahl des Bundestages zu erwarten. Hinter dem leichten Rückgang stehen größere gegenläufige Entwicklungen. Defizitsenkend wirkt, dass die temporären Hilfen aus der Energiekrise stufenweise auslaufen. Im Jahr 2023 hatten sie das Defizit noch um rund 1½ % des BIP erhöht (Defizit 2023 insgesamt: 2,6 % des BIP). Defiziterhöhend wirken hingegen erhebliche Mehrausgaben an zahlreichen Stellen. So dürfte der Bundeswehrfonds deutlich mehr ausgeben als 2023. Eine ähnliche Entwicklung gibt es auch bei der Klimapolitik und hier insbesondere bei der Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Die Personalausgaben steigen vor allem im Nachgang der hohen Inflation der letzten Jahre noch deutlich, wobei der Öffentliche Dienst dem privaten Sektor nachläuft. Zudem erhöht die Wirtschaftsschwäche vorübergehend die arbeitsmarktbedingten Aufwendungen. Die Ausgaben für Renten, Gesundheit und Pflege wachsen voraussichtlich dynamisch. Insgesamt dürften die Sozialversicherungen nach einem spürbaren Überschuss 2023 im laufenden und kommenden Jahr Defizite machen, trotz stark steigender Beitragssätze der Kranken- und der Pflegeversicherung.

4.2 Bruch der Regierung erfordert keinen restriktiven Haushaltskurs

Der Bruch der Regierungskoalition erfordert keinen restriktiven Haushaltskurs. Die finanzpolitischen Herausforderungen für die neue Bundesregierung sind aber beträchtlich. Der Bundeshaushalt entwickelt sich im laufenden Jahr günstiger als geplant. Mit einem Nachtragshaushalt 2024 könnten noch gewisse haushaltspolitische Spielräume genutzt werden, wenn hierfür die entsprechenden parlamentarischen Mehrheiten vorhanden sind. Einen Haushalt für 2025 dürfte wohl erst der neue Bundestag verabschieden. Bis dahin gelten für 2025 die Regeln der vorläufigen Haushaltsführung. Sie sichern ab, dass bestehende staatliche Verpflichtungen erfüllt werden können. Dies gewährleistet eine recht stetige Haushaltspolitik. Treten unerwartete und unabdingbare Bedarfe auf, könnte der Bund mit außerplanmäßigen Maßnahmen reagieren. Einen breiteren politischen Gestaltungsspielraum bieten dann der Bundeshaushalt 2025 und die neue mittelfristige Finanzplanung. Diese sind vor dem Hintergrund der nationalen und europäischen Fiskalregeln aufzustellen.

4.3 Solide Staatsfinanzen für Resilienz und Handlungsspielräume zentral

Aus Sicht der Bundesbank sind solide Staatsfinanzen zentral, um finanzpolitische und gesamtwirtschaftliche Resilienz zu gewährleisten und die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen. Solide Staatsfinanzen sind kein Gegensatz zu einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung, sondern eine Bedingung dafür. Dabei gilt es, Ausgaben zu priorisieren und für ausreichende Einnahmen zu sorgen.

Bindende Fiskalregeln haben die Aufgabe, solide Staatsfinanzen zu gewährleisten. Eine Reform der Schuldenbremse mit moderat höheren Kreditspielräumen bei einer niedrigen Schuldenquote wäre dabei gut vertretbar. Die Bundesbank hat Vorschläge für eine stabilitätsorientierte Reform der Schuldenbremse gemacht. Eine bindende Kreditgrenze ist dabei weiter elementar. Sie könnte bei einer Schuldenquote unter 60 % aber höher als bisher liegen. In diesem Rahmen lassen sich auch spezielle Ausgaben begünstigen, indem ein Teil des Kreditspielraums nur für sie zur Verfügung steht. Die Bundesbank schlägt hierfür eine zweistufige Kreditgrenze vor.

Solide und regelgebundene Staatsfinanzen in Deutschland fördern die Stabilität im Euroraum. Auch deshalb sollte Deutschland die neuen EU-Fiskalregeln für sich selbst stringent umsetzen. Denn nur dann kann sich die Bundesregierung glaubwürdig dafür einsetzen, dass die Regeln in der EU insgesamt stabilitätsorientiert anzuwenden sind. Die Defizit- und Schuldenquoten in manchen Mitgliedstaaten sind teils persistent hoch. Die neuen Regeln sollen darauf hinwirken, dass diese verlässlich zurückgeführt werden. Es hat sich aber bereits gezeigt, dass die Anforderungen für die länderspezifischen Haushaltsgrenzen hoch kompliziert sind. Zudem ist das Verfahren recht intransparent, in dem Mitgliedstaat, Europäische Kommission und Ecofin die Haushaltsgrenzen festlegen. Es ist nunmehr nötig, im weiteren Verlauf klare Vorgaben festzulegen, nachvollziehbar zu begründen und umzusetzen. Um das Vertrauen in solide Staatsfinanzen im Euroraum zu stärken, ist es wichtig, dass die reformierten Regeln einen guten Start haben.

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