Deutschland-Prognose: Wirtschaft geht allmählich wieder auf Erholungskurs Monatsbericht – Dezember 2025
Veröffentlicht am 19.12.2025
Deutschland-Prognose: Wirtschaft geht allmählich wieder auf Erholungskurs Monatsbericht – Dezember 2025
Die neue Deutschland-Prognose der Bundesbank erwartet weiterhin eine Belebung der deutschen Wirtschaft im Verlauf des kommenden Jahres.
Dann beginnt der expansive Fiskalkurs die BIP-Expansion deutlich zu stützen, und auch die private Nachfrage nimmt langsam wieder Fahrt auf.
Zusätzliche staatliche Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur tragen bis 2028 schätzungsweise 1,3 Prozentpunkte zur BIP-Expansion bei. Des Weiteren stützen Transfers und Steuersenkungen die Einkommen von privaten Haushalten und Unternehmen.
Bei den Sozialversicherungen stehen sich stark wachsende Ausgaben und kräftig steigende Beitragssätze gegenüber.
Die Exporte gehen im kommenden Jahr allmählich auf Erholungskurs, doch aufgrund einer verschlechterten Wettbewerbsposition profitieren sie nur begrenzt von einer wieder dynamischeren Weltwirtschaft. Etwas später weiten auch die Unternehmen ihre Investitionen wieder aus.
Insgesamt wächst die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr leicht um (kalenderbereinigt) 0,2 %, im kommenden Jahr etwas stärker um 0,6 % und 2027 kräftig um 1,3 %. Da in den kommenden beiden Jahren mehr Arbeitstage zur Verfügung stehen, sind dann die unbereinigten BIP-Raten mit 0,9 % und 1,4 % etwas höher.
Im Jahr 2028 setzt sich die Expansion fort, sie verliert mit einer BIP-Rate von kalenderbereinigt 1,1 % aber etwas an Schwung. Die deutsche Wirtschaft ist dann wieder gut ausgelastet, und am Arbeitsmarkt nimmt die Anspannung zu.
Die expansive Fiskalpolitik beeinflusst das Produktionspotenzial im Prognosezeitraum kaum. Dessen Zuwachsrate wird vor dem Hintergrund fortbestehender struktureller Wachstumshemmnisse im Prognosezeitraum auf lediglich 0,4 % pro Jahr geschätzt.
Die Inflationsrate geht im Prognosezeitraum weiter zurück, aber langsamer als bislang erwartet. Dabei spielt eine Rolle, dass sich das kräftige Lohnwachstum nur zögerlich ermäßigt.
Die HVPI-Rate sinkt von voraussichtlich 2,3 % im laufenden Jahr auf 2,2 % im kommenden Jahr und erreicht 2027 und 2028 etwa 2 %.
Im Jahr 2028 wäre angesichts des erwarteten makroökonomischen Umfelds zwar ein etwas höherer Preisauftrieb angelegt. Dieser wird allerdings durch den Umstieg vom nationalen Zertifikatehandel für CO₂-Emmissionen auf das Europäische ETS II-System (EU-ETS II) gedämpft, da für dieses ein vorübergehend niedrigerer CO₂-Preis unterstellt wird.
Die gesamtstaatliche Defizitquote nimmt insgesamt stark zu, von 2,5 % im Jahr 2025 auf 4,8 % im Jahr 2028. Die Schuldenquote steigt auf 68 %.
Die Risiken für die Prognose sind hinsichtlich des BIP-Wachstums eher abwärts- und hinsichtlich der Inflation eher aufwärtsgerichtet.
Tabelle 1.1: Prognose vom Dezember 2025 Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position
2025
2026
2027
2028
Reales BIP, kalenderbereinigt
0,2
0,6
1,3
1,1
Reales BIP, unbereinigt
0,1
0,9
1,4
0,9
Harmonisierter Verbraucherpreisindex
2,3
2,2
2,1
1,9
ohne Energie und Nahrungsmittel
2,8
2,4
2,1
2,2
Quelle: Statistisches Bundesamt (bis 3. Vierteljahr, Rechenstand: 3. Dezember 2025). 2025 bis 2028 eigene Prognosen.
1 Grundzüge des makroökonomischen Ausblicks
Im zurückliegenden Sommerhalbjahr ging die Wirtschaftsleistung in Deutschland etwas zurück. Das reale BIP sank saisonbereinigt im zweiten und dritten Quartal kumuliert um 0,2 %, leicht stärker als in der Deutschland-Prognose der Bundesbank vom Juni 2025 erwartet. 1 Damit erlitt die deutsche Wirtschaft einen weiteren Dämpfer. Nach den im Sommer revidierten Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen befand sie sich seit Ende 2022 deutlich erkennbar in einer Rezession. Seit Mitte 2024 fing sie sich aber wieder etwas. 2 Infolge der US-Handelspolitik und der Einführung weitreichender US-Zölle fielen im Sommerhalbjahr die Exporte in die USA stark, die Exporte insgesamt sanken aber deutlich weniger als erwartet. Auch die Unternehmensinvestitionen zeigten sich etwas robuster. Die von der US-Handelspolitik ausgehende Unsicherheit dürfte weniger gedämpft haben als befürchtet. 3 Gleichwohl ging die Industrieproduktion merklich zurück. Schwächer als in der Juni-Prognose erwartet zeigte sich vor allem der Bau, der unter einem weiteren kräftigen Rückgang der Wohnungsbauinvestitionen litt. Auch der private Konsum blieb hinter der Prognose zurück, obwohl sich der Arbeitsmarkt als etwas stabiler erwies. Einen weiteren Abbau der Beschäftigung in der Industrie konnten Zugewinne bei den Dienstleistern beinahe ausgleichen. Überraschend stark stiegen zugleich die Effektivlöhne. Das gilt insbesondere für einige Dienstleistungssektoren mit vergleichsweise robuster Konjunktur- und Arbeitsmarktlage. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass auch die HVPI-Inflationsraten zuletzt deutlich über der Juni-Prognose lagen. Vor allem die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) überraschte nach oben.
Die deutsche Wirtschaft geht allmählich wieder auf Erholungskurs. 4 Im Winterhalbjahr 2025/26 wird zunächst nur ein leichter Anstieg des BIP erwartet. So dürften sich zwar die Exporte nach den zollbedingten Belastungen etwas fangen, und die Industrie dürfte sich stabilisieren. Auch werden einige Dienstleister wohl weiter expandieren. Es gibt auch schon erste Anzeichen für vermehrte Staatsaufträge. Aber die verfügbaren Frühindikatoren deuten insgesamt noch nicht auf bereits kurzfristig wirksame stärkere gesamtwirtschaftliche Impulse von der erwarteten fiskalischen Lockerung hin. (vgl. Abschnitt „Details zur Kurzfristprognose für das BIP“). Die expansive Fiskalpolitik macht sich erst im weiteren Verlauf des Prognosezeitraums deutlich bemerkbar. Zusätzliche Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben lassen die staatlichen Investitionen stark steigen, und die zusätzlichen Verteidigungsausgaben schlagen sich auch in einem höheren Staatskonsum nieder. 5 Der Gesamteffekt aus diesen Ausgaben auf das jährliche BIP-Wachstum wird in den Jahren 2025 bis 2028 auf kumuliert + 1,3 Prozentpunkte geschätzt. 6 Auch über weitere Maßnahmen stützt die Fiskalpolitik die Konjunktur (vgl. Abschnitt „Finanzpolitische Annahmen“). Ab dem zweiten Quartal 2026 verstärkt sich das BIP-Wachstum merklich. Dafür ist neben den fiskalischen Impulsen bedeutsam, dass sich die private Nachfrage wieder belebt. So gehen die Exporte im Verlauf des kommenden Jahres langsam wieder auf Expansionskurs. Der Welthandel und die Auslandsnachfrage wachsen dann wieder deutlich (vgl. Abschnitt „Annahmen zum internationalen Umfeld, Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen“). Davon profitiert die deutsche Exportwirtschaft angesichts ihrer verschlechterten Wettbewerbsfähigkeit aber nur begrenzt. Auch die privaten Wohnungsbauinvestitionen beginnen sich 2026 zu erholen. Kräftig steigende Löhne und ein sich nach und nach verbessernder Arbeitsmarkt stützen die realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte und damit eine moderate Expansion ihrer Konsumausgaben. Mit steigender Kapazitätsauslastung weiten auch die Unternehmen ihre Investitionen wieder aus. Dies wird jedoch erst 2027 spürbar. Dann verstärkt sich das jahresdurchschnittliche BIP-Expansionstempo deutlich. Gegen Ende des Prognosezeitraums lässt die Dynamik aber wieder nach, vor allem, da die private Inlandsnachfrage an Schwung verliert. Höhere Zinsen bremsen dann die Investitionen, und kräftig steigende Beitragssätze der Sozialversicherungen dämpfen die verfügbaren Einkommen und den privaten Konsum (vgl. Abschnitt „Zu den Prognosen der Verwendungskomponenten des BIP“).
Damit wächst die deutsche Wirtschaft bis 2027 zunehmend kräftiger und 2028 mit leicht nachlassendem Schwung. Das kalenderbereinigte reale BIP steigt im laufenden Jahr um 0,2 %, 2026 um 0,6 %, 2027 um 1,3 % und 2028 um 1,1 %. Mit Blick auf die Quartalswachstumsraten ist zu beachten, dass diese im Prognosezeitraum zwar recht stetig ausfallen. Da die erwarteten Rüstungsinvestitionen eine wichtige Rolle für die BIP-Expansion spielen, kann das tatsächliche BIP-Wachstum jedoch deutlich volatiler ausfallen. Denn Ausrüstungsinvestitionen werden in den VGR zum Zeitpunkt der Auslieferung verbucht. Dieser lässt sich gerade bei den Rüstungsgütern nicht quartalsscharf prognostizieren, und es sind stärkere Schwankungen über die Quartale möglich, falls sich die Lieferungen nicht gleichmäßig über die Zeit verteilen sollten.
Das BIP-Wachstum wird gegenüber der Deutschland-Prognose vom Juni für die Jahre 2025 und 2027 leicht nach oben und für 2026 leicht nach unten revidiert. Im laufenden Jahr liegt dies an dem günstigeren Einstieg in das Jahr durch die aufwärtsrevidierten BIP-Daten Ende 2024 und Anfang 2025. Für 2026 wurde zum einen die Exportprognose etwas abwärtsrevidiert. Dies reflektiert den stärkeren Euro und eine leicht schwächer wachsende Auslandsnachfrage. Zum anderen legt der private Wohnungsbau etwas schwächer zu. Die reale Staatsnachfrage wächst 2026 und 2027 hingegen noch etwas stärker als im Juni erwartet.
Tabelle 1.2: Technische Komponenten zur BIP-Wachstumsprognose in % beziehungsweise in Prozentpunkten
Quelle: Statistisches Bundesamt (bis 3. Vierteljahr 2025, Rechenstand: 3. Dezember 2025). 2025 bis 2028 eigene Prognosen. 1 Saison- und kalenderbereinigter Indexstand im vierten Quartal des Vorjahres in Relation zum kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt des Vorjahres. 2 Jahresveränderungsrate im vierten Quartal, saison- und kalenderbereinigt. 3 In % des BIP.4 Abweichungen in der Summe rundungsbedingt.
Tabelle 1.3a: Revisionen gegenüber der Prognose vom Juni 2025 Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position
2025
2026
2027
BIP (real, kalenderbereinigt)
Prognose vom Dezember 2025
0,2
0,6
1,3
Prognose vom Juni 2025
0,0
0,7
1,2
Differenz (in Prozentpunkten)
0,2
– 0,1
0,1
Die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten werden wieder zunehmend besser ausgelastet. Die deutsche Wirtschaft wächst deutlich stärker als ihr Produktionspotenzial, für welches im Prognosezeitraum wie schon im Juni eine Wachstumsrate von lediglich 0,4 % pro Jahr geschätzt wird. Die derzeit noch deutlich negative gesamtwirtschaftliche Produktionslücke schließt sich damit über den Prognosezeitraum, und 2028 sind die Produktionskapazitäten wieder gut ausgelastet. Aufgrund vielfältiger struktureller Wachstumshemmnisse im In- und Ausland bleibt das Potenzialwachstum verhalten. Gehemmt wird es unter anderem durch den Fachkräftemangel und die steigenden Lohnstückkosten vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, erhöhte Bürokratielasten oder die gestiegene internationale Konkurrenz für die deutsche Exportwirtschaft insbesondere aus China sowie die zunehmende Fragmentierung des internationalen Umfelds. Viele dieser Faktoren dürften das Wachstum des Produktionspotenzials auch jenseits des Prognosehorizonts belasten. Die zusätzlichen staatlichen Investitionen in Infrastruktur dürften sich zwar auch über den Prognosehorizont hinaus auf die Gesamtwirtschaft auswirken. Denn sie werden aus dem neuen Sondervermögen Infrastruktur/Klimaneutralität (SVIK) finanziert, welches insgesamt 500 Mrd € über einen Zeitraum von zwölf Jahren zur Verfügung stellt. Davon dürfte aber nur rund die Hälfte für zusätzliche Infrastrukturinvestitionen verwendet werden. Die langfristigen Wachstumswirkungen, also die Auswirkungen auf das Produktionspotenzial der deutschen Wirtschaft, sind bis 2028 daher sehr begrenzt und auch darüber hinaus überschaubar (vgl. Exkurs „Auswirkungen der zusätzlichen staatlichen Ausgaben für Infrastruktur auf das deutsche Produktionspotenzial“). 7 Die Schätzungen der Bundesbank gehen davon aus, dass das Niveau des Produktionspotenzials 2035 aufgrund der zusätzlichen Infrastrukturinvestitionen um 0,35 % bis 0,5 % höher liegt. Die zusätzlichen Verteidigungsausgaben erhöhen das Wachstum des Produktionspotenzials im Prognosezeitraum ebenfalls noch nicht. 8
Die staatliche Defizit- und Schuldenquote steigen deutlich infolge von Mehrausgaben für Verteidigung und nicht-militärische Investitionen sowie durch weitere fiskalische Maßnahmen. Im laufenden Jahr sinkt die Defizitquote allerdings noch leicht. Kräftig steigende Sozialversicherungsbeitragssätze und spürbar wachsende Steuereinnahmen gleichen die Ausgabenzuwächse mehr als aus. Ab 2026 führt der gelockerte Fiskalkurs dann dazu, dass die Defizitquote deutlich zunimmt. Dies liegt nicht nur an zusätzlichen Ausgaben für Verteidigung und für nicht-militärische Investitionen, insbesondere in die Infrastruktur einschließlich Digitalisierung. Hinzu kommen Mindereinnahmen durch verschiedene Steuersenkungen sowie Mehrausgaben durch Transfers (vgl. Abschnitt „Finanzpolitische Annahmen“). Die Ausgaben der Sozialversicherungen wachsen ebenfalls kräftig; dem stehen jedoch zum guten Teil Mehreinnahmen aus deutlich steigenden Beitragssätzen gegenüber. Insgesamt erhöht sich die Defizitquote von 2,5 % im laufenden Jahr auf 4,8 % im Jahr 2028. Vor allem 2028 wird die Kreditobergrenze der nationalen Schuldenregel deutlich überschritten, sodass Handlungsbedarfe verbleiben. Die Maastricht-Schuldenquote wächst von 63 % im Jahr 2025 auf 68 % 2028 (vgl. Abschnitt „Ausblick für die öffentlichen Finanzen“).
Der Arbeitsmarkt verbessert sich im Prognosezeitraum nach und nach, mit nur begrenzt wachsender Beschäftigung, aber spürbar sinkender Arbeitslosigkeit. Kurzfristig ist noch keine Aufhellung am Arbeitsmarkt zu erwarten. Die sektorale Zweiteilung zwischen recht robusten Dienstleistungsbranchen und dem durch die strukturellen Herausforderungen beanspruchten Verarbeitenden Gewerbe besteht zunächst fort (vgl. Abschnitt „Zur kurzfristigen Prognose für den Arbeitsmarkt“). Mit der einsetzenden wirtschaftlichen Erholung wird 2026 zunächst das vorhandene Personal intensiver eingesetzt. Arbeitszeit und Arbeitsproduktivität steigen wieder an. Die Beschäftigung verharrt vorerst auf dem erreichten Niveau. Zugleich beginnt die Arbeitslosigkeit zu sinken, denn das Arbeitskräfteangebot geht dann bereits aus demografischen Gründen zurück. Eine zunehmende Erwerbsbeteiligung und die – inzwischen erheblich verringerte – Zuwanderung können den negativen demografischen Einfluss nicht mehr ausgleichen. 9 Erst 2027 ist die Arbeitsnachfrage so hoch, dass auch die Beschäftigung wächst. Allerdings ist der Rückgang des Arbeitskräfteangebots dann so stark, dass der Spielraum für eine höhere Beschäftigung eng begrenzt bleibt. Die Arbeitslosigkeit sinkt dann zwar schneller als das Arbeitsangebot. Durch den anhaltenden strukturellen Wandel verändern sich jedoch die beruflichen und qualifikatorischen Anforderungen. Dies erschwert es, die angebotenen und nachgefragten Qualifikationen in Einklang zu bringen. Daher sinkt die Arbeitslosigkeit 2027 und 2028 zwar spürbar, erreicht aber zum Ende des Prognosezeitraums noch nicht wieder den niedrigen Vorpandemiestand. Damit einhergehend steigen der Fachkräftemangel und die Arbeitsmarktanspannung wieder deutlich an.
Die Effektivverdienste steigen zunächst weiter kräftig und verlieren deutlich langsamer an Schwung als bislang erwartet. Der Anstieg der Tarifverdienste lässt im laufenden Jahr mit einer Rate von 2,5 % stark nach und erhöht sich 2026 vorübergehend wieder etwas auf 3 % (vgl. Abschnitt „Zur Prognose für die Tariflöhne im laufenden und kommenden Jahr“). 2025 macht sich in den hier erfassten Wirtschaftsbereichen die schwache Konjunktur und der teilweise deutlich eingetrübte Arbeitsmarkt sowie der Entfall der Inflationsausgleichsprämien bemerkbar. 10 Die Steigerungsraten der Effektivverdienste gingen im vergangenen Sommerhalbjahr hingegen nicht wie erwartet zurück. Vor allen in einigen Dienstleistungsbranchen mit vergleichsweise robuster Konjunktur und anhaltendem Fachkräftemangel wuchsen die Löhne kräftig. Diese Bereiche sind überdies nicht oder nur teilweise in der Tariflohnstatistik erfasst, da sie eine geringe Tarifbindung aufweisen. 11 Hinzu kamen weitere Sonderfaktoren. 12 Die Löhne dieser Dienstleistungsbranchen dürften auch im kommenden Jahr noch deutlich stärker als in tarifgebundenen Branchen steigen. Auch die kräftige Mindestlohnanhebung trägt zu einer positiven Lohndrift bei. 13 Allerdings setzen sich die Sonderfaktoren nicht in diesem Ausmaß fort. Insgesamt steigen die Effektivlöhne 2025 um 4,7 % und 2026 um 4,0 %. Die Prognose wurde damit seit Juni ungewöhnlich stark aufwärtsrevidiert. 14 In den Jahren 2027 und 2028 liegt der Tariflohnanstieg mit 2,7 % ebenfalls deutlich über dem langjährigen Mittelwert. Die Effektivlöhne steigen mit rund 3 % pro Jahr noch etwas stärker an. Dazu tragen die niedrigere Arbeitslosigkeit, der zunehmend verbreitete Arbeitskräftemangel und die damit einhergehenden steigenden Arbeitszeiten der Beschäftigten bei. 15 Die Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmer steigen 2028 deutlich stärker als die Effektivverdienste. Grund dafür sind die kräftig steigenden Sozialbeitragssätze, die die Lohnnebenkosten auch für die Arbeitgeber weiter erhöhen (vgl. Abschnitt „Finanzpolitische Annahmen“).
Die Lohnstückkosten steigen im Prognosezeitraum kräftig an und belasten die Gewinnmargen der Unternehmen. Der starke Anstieg der Lohnstückkosten ermäßigt sich von 4,8 % im laufenden Jahr bis 2027 auf 2,0 %, da sich das Lohnwachstum beruhigt und die Arbeitsproduktivität spürbar erholt. Die gesamtwirtschaftlichen Gewinnmargen puffern zunächst einen Teil des Kostenschubs ab. Dies gilt allerdings nicht in den Branchen, die besonders von den höheren Staatsausgaben profitieren. Diese sind teils bereits gut ausgelastet, und zusätzliche Nachfrage dürfte mit deutlichen Preisanstiegen einhergehen, vor allem in der Verteidigungsindustrie, aber auch – in einem geringeren Ausmaß – in einigen Teilen des Bausektors. Daher erholen sich die Gewinnmargen 2027 ein Stück weit. Allerdings ziehen die Lohnstückkosten 2028 aufgrund der starken Anhebung der Sozialversicherungsbeitragssätze erneut an. Diese kompensieren die Unternehmen teilweise durch geringere Gewinnmargen. Insgesamt sinkt die am BIP-Deflator gemessene Binneninflation im Prognosezeitraum nur graduell ab, von 2,8 % im Jahr 2025 auf 2,3 % im Jahr 2028. Damit bleibt sie noch durchgängig etwas erhöht.
Die Inflationsrate sinkt langsamer als zuvor erwartet und erreicht 2027 sowie 2028 etwa 2 %. Die HVPI-Vorjahresrate verringert sich allmählich von voraussichtlich 2,3 % im laufenden Jahr auf 2,2 % im Jahr 2026. Die Kernrate (HVPI ohne die volatilen Komponenten Energie und Nahrungsmittel) geht gleichzeitig von 2,8 % auf 2,4 % zurück (vgl. Abschnitt „Zur Inflationsprognose bis 2026“). Im Jahr 2027 ermäßigt sie sich weiter auf 2,1 %, da der Anstieg der Arbeitskosten nachlässt und die schwache gesamtwirtschaftliche Nachfrage noch nachwirkt. Aufgrund der höheren gesamtwirtschaftlichen Auslastung und der wieder stärker steigenden Lohnstückkosten zieht sie 2028 wieder leicht auf 2,2 % an. Bei Nahrungsmitteln trägt das immer noch kräftige Lohnwachstum zu merklichen Preissteigerungen im Prognosezeitraum bei. Der Rückgang der Energiepreise schwächt sich bis 2027 ab, vor allem wegen annahmegemäß nachlassendem Abwärtsdruck von den Energierohstoffpreisen. Die Umstellung vom nationalen CO₂-Preissystem (nEHS) auf das EU-ETS II im Jahr 2028 geht mit einem wieder deutlicheren Rückgang der Energiepreise in Deutschland einher. Dies liegt an der im Eurosystem harmonisiert getroffenen Annahme eines europäischen CO₂-Preises, der im Einführungsjahr 2028 niedriger ausfällt als der nationale CO₂-Preis in Deutschland im Jahr 2027 (vgl. den Exkurs „Auswirkungen der Einführung des Europäischen Emissionshandelssystems II auf die Verbraucherpreise“). Insgesamt geht die HVPI-Gesamtrate 2027 auf 2,1 % und 2028 auf 1,9 % zurück. Ohne den Effekt aus dem Umstieg auf EU-ETS II läge sie 2028 ähnlich hoch wie 2027.
Die Prognose der HVPI-Gesamtrate wurde gegenüber der Juni-Prognose vor allem für 2026 aufwärts revidiert. Dies liegt insbesondere an den weniger stark sinkenden Energiepreisen, da die im Koalitionsvertrag angekündigten Stromsteuerreduktionen für Privathaushalte – anders als in der Juni-Prognose angenommen – nicht umgesetzt werden und zudem die Netzentgelte weniger stark bezuschusst werden. Außerdem fiel der zugrunde liegende Preisauftrieb unerwartet kräftig aus, unter anderem aufgrund des überraschend starken Lohnanstiegs und der damit verbundenen Aufwärtsüberraschung bei den Kernkomponenten des HVPI(vgl. Abschnitt „Zur Inflationsprognose bis 2026“).
Tabelle 1.3b: Revisionen gegenüber der Prognose vom Juni 2025 Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position
2025
2026
2027
Harmonisierter Verbraucherpreisindex
Prognose vom Dezember 2025
2,3
2,2
2,1
Prognose vom Juni 2025
2,2
1,5
1,9
Differenz (in Prozentpunkten)
0,1
0,7
0,2
Exkurs
Auswirkungen der zusätzlichen staatlichen Ausgaben für Infrastruktur auf das deutsche Produktionspotenzial
Effekte von Staatsinvestitionen auf das Produktionspotenzial gemäß empirischer Literatur
Mit dem Sondervermögen Infrastruktur/Klimaneutralität (SVIK) zielt die Politik unter anderem darauf, durch zusätzliche staatliche Investitionen das deutsche Potenzialwachstum zu stärken. Laut empirischer Literatur können staatliche Investitionen in der Tat positive Auswirkungen auf das Produktionspotenzial haben. 1 Staatliche Investitionen in die Infrastruktur sowie in Forschung und Entwicklung (F&E) können das langfristige Wachstum erhöhen, indem sie den physischen Kapitalstock oder die Totale Faktorproduktivität (TFP) stärken.Dabei hängt das Ausmaß des Effekts auf das Potenzialwachstum von der genauen Ausgestaltung ab. Laut OECD sind beispielsweise die Effekte von Ausgaben für F&E typischerweise überdurchschnittlich groß. 2 Abgesehen davon spielt für die Wachstumsgewinne das Ausgangsniveau des öffentlichen Kapitalstocks eine Rolle. Aufgrund abnehmender Grenzerträge sind die Wachstumsgewinne ausgehend von einem bereits hohen Niveau des öffentlichen Kapitalstocks geringer. Relevant dürfte auch sein, inwieweit und durch welche Maßnahmen die investiven Ausgaben gegenfinanziert werden.
Modellierung der Auswirkungen zusätzlicher Infrastrukturinvestitionen auf das Produktionspotenzial in Deutschland 3
Wie sehr staatliche Investitionen in die Infrastruktur das Produktionspotenzial stärken können, lässt sich mithilfe von Modellen simulieren. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Zusammenhang zwischen staatlichen Investitionen und Potenzialwachstum zu modellieren. Ein wichtiger Parameter in vielen Modellanalysen ist die (kurzfristige) Output-Elastizität des staatlichen Kapitalstocks. Sie gibt an, um wie viel Prozent das Produktionspotenzial wächst, wenn der staatliche Kapitalstock (in derselben Periode) um 1 % steigt. In der Literatur gibt es diverse Schätzungen zur Höhe dieser Elastizität; gemäß einer Literaturübersicht liegt sie zwischen 0,07 und 0,12. 4 Im Folgenden werden Modellansätze vorgestellt, welche zur Abschätzung der Potenzialeffekte ausgehend von den in Deutschland erwarteten staatlichen Infrastrukturinvestitionen herangezogen werden. Diese Modelle unterstellen Elastizitäten, die zu dieser Bandbreite passen.
Zur Abschätzung der unmittelbaren, direkten Auswirkungen staatlicher Investitionen auf das Produktionspotenzial dient ein partieller parametrischer Produktionsfunktionsansatz in Anlehnung an Suresh et al. (2024).Die gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion enthält dabei den staatlichen Kapitalstock als eigenständigen Inputfaktor. Dieser lässt sich als öffentliches Gut im weiteren Sinn auffassen. 5 Der Staat stellt demnach den Unternehmen die Infrastruktur für produktive Zwecke zur Verfügung, beispielsweise die Verkehrsinfrastruktur. Das Produktionspotenzial hängt zudem von der TFP, dem privaten Kapitalstock sowie dem Arbeitsvolumen ab. 6 In dieser Simulation wird im Einklang mit der Literatur eine reale Output-Elastizität des öffentlichen Kapitalstocks von 0,1 angenommen. Ein Vorteil des partiellen Modellansatzes ist, dass die verzögerten angebotsseitigen Effekte staatlicher Infrastrukturinvestitionen berücksichtigt werden können. 7 Denn es dauert zum Teil mehrere Jahre, bis ein Infrastrukturprojekt abgeschlossen ist (beispielsweise Sanierung oder Bau großer Brücken). 8 Nach Fertigstellung verstreicht in der Regel einige Zeit, bis die verbesserte oder neue Infrastruktur voll genutzt wird, beispielsweise bis Unternehmen eine neue Bahntrasse oder Straße in ihre Routenplanung einbeziehen. 9
Die Ergebnisse der Partialanalyse enthalten weder Rückkopplungs- noch allgemeine Gleichgewichtseffekte. Staatliche Investitionen können auf der einen Seite die Wirtschaft stimulieren und dadurch private Investitionen oder die Beschäftigung stärker begünstigen. Auf der anderen Seite können die zusätzlichen staatlichen Investitionen Zinsen oder Löhne steigen lassen und dadurch private Investitionen verdrängen. Andere Modellklassen können diese Aspekte zumindest teilweise abgreifen.
Semi-strukturelle makroökonometrische Modelle geben neben den direkten Potenzialeffekten staatlicher Investitionen Hinweise zu den Ausstrahleffekten auf die privaten Investitionen sowie die Beschäftigung. Das makroökonometrische Modell der Bundesbank (BbkM-DE) erfasst diese Zusammenhänge. 10 In der gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion erhöhen staatliche Investitionen das Produktionspotenzial über die unmittelbaren Auswirkungen auf den gesamtwirtschaftlichen Kapitalstock. Im Gegensatz zum partiellen Produktionsfunktionsansatz lassen sich mit dem Modell zudem Ausstrahleffekte auf die privaten Investitionen sowie die Beschäftigung auf Basis von geschätzten Elastizitäten abbilden. Verzögerungen bei staatlichen Investitionen werden in der hier präsentierten Analyse im BBkM-DE ebenfalls berücksichtigt. 11
Allgemeine Gleichgewichtseffekte bei den Potenzialeffekten staatlicher Investitionen können auch mit dem DSGE-Modell GEAR der Bundesbank abgegriffen werden. 12 Der Vorteil dieses Modells mit Blick auf die makroökonomischen Auswirkungen der Fiskalpolitik ist zudem sein detailliert modellierter staatlicher Sektor. 13 Staatliche Investitionen strahlen in diesem Modellrahmen annahmegemäß positiv auf die Produktivität (TFP) der Unternehmen aus. 14 Sie können über indirekte Kanäle zusätzlich private Investitionen begünstigen oder verdrängen. Als potenzialwirksam werden näherungsweise die Auswirkungen der staatlichen Investitionen auf die Produktivität sowie den Kapitalstock der Unternehmen interpretiert. 15
Annahmen zu zusätzlichen Investitionen
Die Simulationen erfassen vor allem Potenzialeffekte durch zusätzliche staatliche Infrastrukturinvestitionen gegenüber 2024, so wie sie in der Deutschland-Prognose bis 2028 enthalten und darüber hinaus bis 2035 fortgeschrieben sind (vgl. Abschnitt „Finanzpolitische Annahmen“). 16 Konkret sind hier die Investitionen der Gebietskörperschaften abzüglich militärischer Investitionen einbezogen, sodass neben Infrastrukturinvestitionen zum Beispiel auch Forschungsausgaben berücksichtigt sind. Als zusätzlich gelten Investitionen, soweit sie die Relation von Investitionen zum nominalen Trend-BIP gegenüber 2024 erhöhen. 17 Die Investitionen werden für die Simulationen in drei Kategorien unterteilt:
Bauinvestitionen: Zum Beispiel der Bau und die Instandhaltung von Straßen, Schienen und Gebäuden.
Ausrüstungsinvestitionen: Zum Beispiel die Ausstattung von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen.
Sonstige Investitionen: Zum Beispiel Ausgaben für Forschung. 18
In der Simulation steigen die zusätzlichen staatlichen Investitionen bis 2028 auf 0,5 % des BIP. Bis 2035 bleibt diese Quote dann stabil. Größere Infrastrukturprojekte benötigen in der Regel eine gewisse Vorbereitungszeit, und gemäß der Deutschland-Prognose ist für 2025 noch nicht mit zusätzlichen Investitionen zu rechnen: Sie steigen erst ab 2026 deutlich an und nehmen bis 2028 auch in Relation zum BIP weiter zu. Insgesamt belaufen sich die zusätzlichen Investitionen in der Simulation damit zwischen 2026 und 2035 nominal auf rund 240 Mrd €. Folglich fließen bis dahin rund die Hälfte der Kreditmittel des SVIK von insgesamt 500 Mrd € in zusätzliche Investitionen. 19
Wirkung der zusätzlichen staatlichen Infrastrukturinvestitionen auf das deutsche Produktionspotenzial
Die geschätzten Potenzialeffekte der zusätzlichen staatlichen Infrastrukturinvestitionen sind über die drei Modelle hinweg überschaubar. Gemäß dem partiellen Produktionsfunktionsansatz liegt das Niveau des Produktionspotenzials der deutschen Wirtschaft 2035 aufgrund der direkten Auswirkungen der zusätzlichen staatlichen Investitionen um rund 0,2 % höher. 20 Dass der Output-Effekt überschaubar ausfällt, hängt auch damit zusammenhängen, dass der staatliche Kapitalstock durch die zusätzlichen Investitionen prozentual nur moderat zunimmt. 21
Die Ergebnisunterschiede zwischen den Modellen sind gering. Das makroökonometrische Modell der Bundesbank liefert sehr ähnliche Ergebnisse wie der Produktionsfunktionsansatz. Das Niveau des Produktionspotenzials liegt durch die zusätzlichen staatlichen Infrastrukturinvestitionen gemäß BbkM-DE 2029 rund 0,1 % und 2035 rund 0,3 % höher. Auch im GEAR-Modell sind die Potenzialeffekte nicht signifikant größer. So beträgt der Niveaueffekt am Potenzial gemäß GEAR 2029 rund 0,1 % und 2035 rund 0,4 %. Der Potenzialeffekt in GEAR ist vor allem deswegen größer, weil Verzögerungen bei staatlichen Investitionen ausgeblendet werden.
Weder BbkM-DE noch GEAR deuten darauf hin, dass die zusätzlichen staatlichen Infrastrukturinvestitionen über eine Stimulierung der Wirtschaft private Investitionen oder die Beschäftigung stark anregen. Gemäß GEAR kommt es aufgrund gestiegener Zinsen sogar zu einer leichten (aber am Potenzial kaum merklichen) Verdrängung privater Investitionen.
Ein Teil der zusätzlichen staatlichen Investitionen fließt in Forschung und Entwicklung und kann damit zusätzlich positiv auf die TFP ausstrahlen. Die empirische Literatur ist sich weitgehend einig, dass F&E-Investitionen die Produktivität erhöhen. 22 Zusätzliche staatliche F&E-Investitionen können das Produktionspotenzial somit über den reinen Ausbau des Kapitalstocks hinaus durch positive Ausstrahleffekte auf die TFP stärken. Auf Basis von Elastizitäten aus jüngeren Studien sowie den erwarteten zusätzlichen staatlichen Investitionen in sonstige Anlagen, welche größtenteils F&E-Ausgaben umfassen, lassen sich diese Effekte überschlägig abschätzen (zum Beispiel in: Moretti et al. (2025)). Demnach könnte das Produktionspotenzial 2035 aufgrund des positiven Effekts auf die TFP um rund 0,1 % höher liegen.
Auch wenn die simulierten Effekte der drei Modellklassen ähnlich sind, unterliegen die Ergebnisse hoher Unsicherheit.
Durchführung und Kosten der Projekte werden von den verfügbaren Produktionskapazitäten abhängen. Ein großer Teil der Gelder wird in vergleichsweise kleine oder bereits gut ausgelastete Branchen fließen, wie den Tiefbau. Zudem könnte der Fachkräftemangel teils zum Flaschenhals werden. Im Fall von Kapazitätsengpässen ist mit zusätzlichen Verzögerungen und/oder stärker steigenden Preisen zu rechnen. Solche Wechselwirkungen bei disaggregierter sektoraler Betrachtung bilden die hier verwendeten makroökonomischen Modelle nicht ab. Dies gilt auch für mögliche dämpfende Produktivitätseffekte, falls Beschäftigung aufgrund der zusätzlichen staatlichen Investitionen aus überdurchschnittlich produktiven Bereichen wie dem Verarbeitenden Gewerbe abgezogen und in weniger produktive Bereiche wie das Baugewerbe umgelenkt wird.
Die Potenzialwirkung könnte aber auch stärker sein als hier simuliert. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein höherer Anteil der Kreditmittel des SVIK für zusätzliche Investitionen genutzt würde als hier unterstellt. Die Effekte könnten auch größer sein, wenn besondere Anstrengungen unternommen werden, um effizient die wichtigsten Schwachstellen zu beseitigen – etwa Brückensperrungen oder andere Flaschenhälse in der Verkehrsinfrastruktur – oder zusätzliche Ausgaben für die digitale Infrastruktur (zum Beispiel aufgrund einer beschleunigten Digitalisierung) die TFP stärken. 23
Mit Blick auf den Input der Simulationen unterliegen die Annahmen dazu, wie schnell und umfangreich zusätzlich investiert werden wird, erheblicher Unsicherheit.
Nicht simuliert ist hier, dass die mit den Zusatzinvestitionen einhergehenden höheren Staatsschulden und Zinslasten im Allgemeinen Haushaltspielräume an anderer Stelle verringern. Dies gilt, soweit durch die Mehrinvestitionen nicht Spielräume entstehen – wenn etwa durch das stärkere strukturelle Wachstum auch die Staatseinnahmen strukturell stärker zulegen oder durch eine stärkere Digitalisierung staatliche Leistungen kostengünstiger erbracht werden können. Letztlich muss das staatliche Defizit perspektivisch wieder sinken, um nachhaltig tragfähige Staatsfinanzen zu erreichen und den grundsätzlichen Zielen der EU-Fiskalregeln zu genügen. 24
Fazit
Die hier präsentierten Simulationsrechnungen deuten darauf hin, dass die Potenzialeffekte der zusätzlichen staatlichen Infrastrukturinvestitionen im Prognosezeitraum und darüber hinaus überschaubar sind. Zu Anfang liegt dies auch daran, dass die staatlichen Investitionen langsam steigen und ihre Wirkung auf die Angebotsseite zum Teil verzögert eintritt. Im Prognosezeitraum bis 2028 werden die Effekte daher kaum spürbar sein. Längerfristig könnte das Produktionspotenzial der deutschen Wirtschaft 2035 durch die zusätzlichen staatlichen Infrastrukturinvestitionen um 0,3 % bis 0,5 % höher liegen, wenn zusätzlich zu den Modellergebnissen positive Ausstrahleffekte auf die TFP durch zusätzliche staatliche F&E-Ausgaben berücksichtigt werden.
Das Potenzialwachstum in Deutschland ließe sich vermutlich stärker erhöhen, wenn angebotsseitige Maßnahmen zum SVIK hinzukommen, die das Erwerbspotenzial stützen, oder bürokratische Lasten abgebaut werden(beispielsweise durch einfachere oder kürzere Genehmigungsverfahren). 25 Generell gehört zu verlässlichen Perspektiven auch eine belastbare Budgetplanung, die das Defizit mittelfristig wieder zurückführt, ohne die relevanten Infrastrukturinvestitionen zu beschneiden.
2 Risikobeurteilung
Die hier dargestellte Prognose ist mit einigen Unsicherheiten behaftet. Insbesondere bei den internationalen Handelsstreitigkeiten und mit Blick auf die geopolitischen Konflikte sind sowohl Verschärfungen als auch Entspannungstendenzen möglich. Hinsichtlich der deutschen Fiskalpolitik könnte die geplante Ausweitung der Ausgaben langsamer als vorgesehen umgesetzt werden; ebenso ist jedoch eine noch expansivere Ausrichtung möglich. Zudem bestehen Risiken hinsichtlich der makroökonomischen Auswirkungen der Demografie und in Bezug auf den Umstieg des CO₂-Zertifikatehandels auf EU-ETS II. Insgesamt überwiegen für die Wirtschaftsaktivität eher die Abwärtsrisiken, während für die Inflation die Aufwärtsrisiken dominieren.
Hohe Unsicherheit besteht weiterhin in Bezug auf den Fortgang internationaler Handelskonflikte. Durch die im August getroffenen Handelsvereinbarungen zwischen den USA und der EU erhöhte sich zwar die Planungssicherheit der Unternehmen hinsichtlich der globalen Handelsbedingungen. 16 Sie bleibt aber erschwert. Auch gab es zuletzt eine gewisse Entspannung im Handelsstreit zwischen den USA und China, dennoch bleibt das Risiko einer erneuten Eskalation aufgrund des vorläufigen Charakters dieser Einigung bestehen. Die deutschen Unternehmen können zu Leidtragenden einer solchen Situation werden, insbesondere wenn China zu umfassenden Exportbeschränkungen für Seltene Erden und andere Vorleistungen greift. Ein solcher Angebotsschock würde aller Voraussicht nach das BIP-Wachstum in Deutschland dämpfen und die Inflationsrate erhöhen. Nicht ganz ausgeschlossen ist wiederum, dass der Oberste Gerichtshof in den USA bestimmte präsidiale Strafzölle aufgrund von exekutiven Machtüberschreitungen für unzulässig erklärt. Dies könnte zu Zollsenkungen und gar Zollaufhebungen führen. 17 Dann könnten die deutschen Exporte und die Wirtschaftsleistung stärker ansteigen als erwartet.
Bei den geopolitischen Konflikten bestehen sowohl Risiken einer Verschärfung, als auch Chancen auf eine Entspannung. So könnte es zu einem Waffenstillstand in der Ukraine kommen, falls die laufenden diplomatischen Bemühungen erfolgreich sind. Sollten in dem Zuge Sanktionen gegenüber dem russischen Energiesektor gelockert werden oder Angriffe auf die Energieinfrastruktur der beiden Länder nachlassen, wären an den Rohstoffmärkten graduell sinkende Preise zu erwarten. Andererseits könnte sich die Situation auch verschärfen und dadurch einen Aufwärtsdruck auf wichtige Rohstoffpreise auslösen. Dazu könnte auch ein möglicher Konflikt zwischen den USA und Venezuela beitragen. Insgesamt dominieren aus heutiger Sicht bis 2027 jedoch eher abwärtsgerichtete Risiken für die internationalen Öl- und Gaspreise. Maßgeblich für diese Einschätzung ist die sich abzeichnende Überversorgung der globalen Ölmärkte sowie der anhaltend starke Ausbau der globalen Flüssiggasexportkapazitäten. 18 Sollten die Energierohstoffpreise niedriger ausfallen, würde dies die deutsche Konjunktur ein Stück weit stimulieren und die Inflation dämpfen.
Die konjunkturellen Impulse der Fiskalpolitik sind mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Dies bringt sowohl Abwärts- als auch Aufwärtsrisiken für die BIP-Prognose mit sich.So ist derzeit offen, wie der Bund die hohen Handlungsbedarfe schließen will, um die nationale Fiskalregel bis 2028 einzuhalten. Besonders bedeutsam für die staatlichen Konjunkturimpulse ist zudem, inwieweit tatsächlich zusätzliche Ausgaben für Verteidigung und nicht-militärische Investitionen getätigt werden.Einerseits legen die Erfahrungen der Vergangenheit eher einen langsamen Mittelabfluss nahe. Andererseits sollen nichtfinanzielle Hemmnisse in der Regulierung oder bei Genehmigungsprozessen abgebaut werden. Bei einem stärkeren Mittelabfluss könnte es zu noch höherem Preisdruck als angenommenen kommen, weil dann in einzelnen Sektoren wie der Verteidigungsindustrie oder dem Tiefbau noch stärkere Kapazitätsengpässe auftreten dürften. Dies würde wohl den Anstieg des BIP-Deflators erhöhen, aber nicht zwingend in größerem Umfang auf die Verbraucherpreise ausstrahlen.
Risiken für die erwartete Erholung bestehen, falls sich die Arbeitskosten etwa aufgrund noch stärkerer Belastungen durch die Demografie noch deutlicher erhöhen sollten. Die Einschätzung des Lohnanstiegs am aktuellen Rand ist derzeit mit ungewöhnlich hoher Unsicherheit behaftet. In der Prognose-Basislinie wird unterstellt, dass das in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres unerwartet kräftige Lohnwachstum zu größeren Teilen auf Sondereffekte zurückzuführen ist und dementsprechend die Lohndynamik in den kommenden Jahren merklich zurückgeht. Auf Basis verfügbarer Daten lässt sich die Persistenz dieser Sondereffekte jedoch nicht abschließend klären. Daher besteht das Risiko, dass am Arbeitsmarkt doch stärker strukturelle Prozesse wirken, die zu einem noch länger erhöhten Lohnanstieg führen. Insbesondere könnte die sektorale Heterogenität in Bezug auf Konjunktur- und Arbeitsmarktlage in Verbindung mit der Demografie in einzelnen Bereichen dazu führen, dass ein noch stärker bindender Fachkräftemangel und damit zusätzlicher Aufwärtsdruck auf die Löhne entstehen. Demografische Entwicklungen sind auch ein wesentlicher Treiber hinter den stark steigenden Ausgaben der Sozialversicherungen und dem damit verbundenen Druck auf die Lohnnebenkosten. Auch dieser könnte noch stärker ausfallen als angenommen. Sollten hingegen kostenbremsende Maßnahmen umgesetzt werden, könnte der Anstieg der Sozialbeiträge geringer ausfallen. Im Falle eines noch kräftigeren Auftriebs der Arbeitskosten dürften die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft in Summe negativ sein: Die Arbeitsnachfrage und die Beschäftigung würden gedämpft, die Preise könnten stärker steigen und die Gewinnmargen der Unternehmen niedriger ausfallen. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft würde sich weiter verringern, und damit fielen die Exportmarktanteilsverluste 19 wohl noch stärker aus als in der Prognose erwartet Auch die gewerblichen Investitionen würden gebremst. Schließlich würde der private Konsum durch einen schwächeren Arbeitsmarkt und eine höhere Inflationsrate belastet.
Für die Inflationsrate im Jahr 2028 bestehen Risiken in Bezug auf die Umstellung auf das europäische Emissionshandelssystem EU-ETS II. Sollte es zu einer weiteren Verzögerung bei der Einführung von EU-ETS II kommen, so gälte der nationale CO₂-Preis auch noch 2028 und der erwartete dämpfende Effekt auf die HVPI-Rate entfiele. Auch bei erfolgreichem Übergang auf ETS II könnte dieser Effekt geringer ausfallen. Denn der CO₂-Preis soll sich im EU-ETS II bei begrenzter Menge an Zertifikaten auf dem Markt bilden, und es ist nicht gesichert, dass die angestrebte Begrenzung des CO₂-Preises vollständig umgesetzt werden kann. Zudem ist zu beachten, dass der angenommene CO₂-Preis zu niedrig sein dürfte, um die nationalen Klimaziele Deutschlands zu erreichen (vgl. den Exkurs "Auswirkungen der Einführung des Europäischen Emissionshandelssystems II auf die Verbraucherpreise").
Exkurs
Auswirkungen der Einführung des Europäischen Emissionshandelssystems II auf die Verbraucherpreise
Das neue Europäische Emissionshandelssystem II (EU-ETS II) soll ab dem Jahr 2028 in Kraft treten. Die Europäische Kommission hat sich im Rahmen des Fit-for-55-Pakets zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen der EU bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken. Ein zentrales Instrument dafür ist die Einführung von EU-ETS II. Es sieht im Rahmen eines CO₂-Zertifikatehandels jährlich sinkende Emissionsgrenzen für die Bereiche Gebäude, Straßenverkehr und ausgewählte kleinere Industrieanlagen vor. Es ergänzt auf EU-Ebene das bereits seit 2005 bestehende EU-Emissionshandelssystem I (EU-ETS I), das emissionsintensive Branchen wie Stromerzeugung und Industrie sowie den innereuropäischen Luft- und Seeverkehr umfasst. EU-ETS II wird im Prognosezeitraum und darüber hinaus merkliche Auswirkungen auf die Verbraucherpreise für Energie und damit auf die Verbraucherpreise insgesamt haben.
In Deutschland besteht bereits seit 2021 ein nationales Emissionshandelssystem (nEHS) für die Sektoren Gebäude und Verkehr. 1 Der anfängliche Festpreis von 25 € pro Tonne CO₂-Emission wurde schrittweise angehoben und beträgt seit Beginn des laufenden Jahres 55 € pro Tonne. Ab 2026 werden die Emissionsrechte versteigert, wobei der Preis durch einen Korridor zwischen 55 € und 65 € pro Tonne begrenzt wird. Das nationale CO₂-Bepreisungssystem soll durch das EU-weit geltende EU-ETS II abgelöst werden. 2 Die Einführung von EU-ETS II war ursprünglich für 2027 geplant und soll nach derzeitigem Stand auf 2028 verschoben werden. Damit dürfte das nEHS ein Jahr länger laufen als bislang vorgesehen. Beide Annahmen werden der Deutschland-Prognose zugrunde gelegt.
EU-ETS II soll einen EU-weiten CO₂-Preis für die Sektoren Gebäude und Verkehr schaffen, dessen Höhe durch verschiedene Begleitregeln begrenzt wird. Das System verpflichtet die Inverkehrbringer fossiler Brenn- und Kraftstoffe zum Erwerb und Nachweis von Emissionszertifikaten für die verursachten Treibhausgasemissionen. 3 Die Kosten dafür dürften an die Endverbraucher weitergegeben werden. 4 Der Preis für die CO₂-Zertifikate im Rahmen des EU-ETS II wird grundsätzlich durch die Versteigerung am Markt bestimmt. Dabei wird die Gesamtmenge der jährlich verfügbaren Zertifikate in Stufen reduziert. Flankierende Maßnahmen sollen Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage abmildern und übermäßige Preisschwankungen verhindern. 5
In der Deutschland-Prognose wurden Annahmen für die zukünftigen CO₂-Preise im Geltungsbereich des nEHS beziehungsweise EU-ETS II getroffen und deren direkte Auswirkungen auf die Verbraucherpreise abgeschätzt. Für die Jahre 2026 und 2027 wird ein CO₂-Preis von 65 € pro Tonne im nationalen Emissionshandelssystem angenommen. Aufgrund der erwarteten Knappheit an Zertifikaten wird damit ein Preis an der Obergrenze des vorgesehenen Preiskorridors unterstellt. Für das Jahr 2028 wird ein CO₂-Preis von 46 € pro Tonne im EU-ETS II unterstellt. Diese Annahme orientiert sich an Ansätzen der Europäischen Kommission und wurde als gemeinsame, harmonisierte Prognose-Annahme im Eurosystem festgelegt. 6 Gegenüber den technischen Annahmen der Deutschland-Prognose vom Juni 2025 wurde der unterstellte CO₂-Preis für das nunmehr verschobene Einführungsjahr von EU-ETS II damit von zuvor 59 € abwärtsrevidiert. 7
Der CO₂-Preis betrifft im Bereich Verkehr vor allem die Verbraucherpreiskomponente „Kraftstoffe“ (zerlegbar in Diesel und Benzin) und im Bereich Wärme vor allem die Komponenten „Heizöl“ und „Erdgas“. Für jedes dieser Produkte unterscheidet sich der spezifische CO₂-Ausstoß und damit auch der Preisaufschlag durch die CO₂-Bepreisung. So entspricht ein Anstieg des CO₂-Preises um 10 € pro Tonne beispielsweise bei Kraftstoffpreisen einem Aufschlag von 2 Cent bis 3 Cent pro Liter und bei Erdgas von 0,2 Cent pro kWh. 8 Bei einem CO₂-Preis von 55 € im Jahr 2025 im nationalen System entspricht der Aufschlag durch die CO₂-Bepreisung also bei Mineralölprodukten zwischen 13 Cent und 15 Cent pro Liter und bei Erdgas etwas mehr als 1 Cent pro kWh. Um die Auswirkungen einer Änderung des CO₂-Preises auf die Verbraucherpreise abzuschätzen, können die durchschnittlichen Endverbraucherpreise der einzelnen Energiekomponenten herangezogen werden. 9 Wird beispielsweise ein Benzinpreis von 1,70 € pro Liter Ende 2025 unterstellt, so würde der angenommene Anstieg des CO₂-Preises um 10 € im Jahr 2026 den Preis bei vollständiger Weitergabe an die Verbraucher um 1,7 % erhöhen. 10 Analoge Rechnungen lassen sich für alle Energiekomponenten durchführen. Die Wirkung auf die einzelnen Komponenten wird anschließend mit ihrem jeweiligen Anteil am Warenkorb zur Wirkung auf die Inflationsrate insgesamt aufaddiert. Dabei wird angenommen, dass die Anpassung des CO₂-Preises vollständig an die Verbraucher weitergegeben wird und am Anfang des jeweiligen Jahres stattfindet.
Tabelle 1.4: CO2-Ausstoß und Preisänderung je Energiekomponente des Verbraucherpreisindex
Position
Verbraucherpreise
Kraftstoffe
Benzin
Diesel
Heizöl
Erdgas
Anteil am HVPI in % (2025)
2,84
0,85
0,42
1,69
CO2-Ausstoß in kg pro Liter/kWh (Erdgas)
2,37
2,65
2,66
0,20
Preise pro TonneCO2im Jahr in €1)
Aufschlag in Cent pro Liter/kWh
2025
55
13,04
14,58
14,63
1,11
2026
65
15,41
17,23
17,29
1,31
2027
65
15,41
17,23
17,29
1,31
2028
46
10,90
12,19
12,24
0,93
Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle und eigene Berechnungen. 1 Für die Jahre 2025 bis 2027: nationaler CO2-Festpreis (2025) beziehungsweise Maximalpreis (2026 und 2027);2028: Annahme des Eurosystems für den europäischen CO2-Preis.
Der angenommene CO₂-Preispfad erhöht die Inflationsrate im Jahr 2026 moderat und senkt sie im Jahr 2028 deutlich. Der unterstellte Anstieg des CO₂-Preises von 55 € pro Tonne im Jahr 2025 auf 65 € pro Tonne im Jahr 2026 steigert die Inflationsrate insgesamt um rund einen zehntel Prozentpunkt. Im Jahr 2027 bleibt der CO₂-Preis gemäß Annahme unverändert, sodass sich keine Auswirkungen auf die Verbraucherpreise ergeben. Für 2028 wird unterstellt, dass der CO₂-Preis durch die Einführung von EU-ETS II auf 46 € pro Tonne zurückgeht. Dadurch sinken die Energiepreise merklich, und die Inflationsrate fällt um rund ¼ Prozentpunkt niedriger aus als ohne Übergang auf das EU-ETS II-System. Allgemein wird erwartet, dass der CO₂-Preis im EU-ETS II im weiteren Zeitverlauf ansteigt, was jenseits des Prognosezeitraums voraussichtlich inflationserhöhend wirken wird.
Die Verschiebung von EU-ETS II wirkt sich in den letzten beiden Prognosejahren in Deutschland anders aus als im Euroraum insgesamt. Gegenüber der Deutschland-Prognose vom Juni 2025 bedeutet die Verschiebung der EU-ETS II-Einführung für sich genommen eine Aufwärtsrevision der Inflationsprognose für das Jahr 2027, da für dieses Jahr kein Übergang vom nEHS-Preis zu einem etwas niedrigeren EU-ETS II-Preis mehr vorgesehen ist. Im Euroraum führt die Verschiebung dagegen tendenziell zu einer Abwärtsrevision der Inflationsprognose im Jahr 2027. Eine Reihe von Euroraum-Ländern besitzt nämlich noch kein nationales CO₂-Preissystem; entsprechend wirkt die Einführung von EU-ETS II tendenziell inflationstreibend. Durch die Verschiebung der EU-ETS II-Einführung tritt dieser preistreibende Effekt im Euroraum erst im Jahr 2028 auf, während in Deutschland zu diesem Zeitpunkt eine inflationsdämpfende Wirkung zu erwarten ist.
Der künftige CO₂-Preispfad und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Inflationsrate unterliegen erheblichen Unsicherheiten, da sich der Preis in Zukunft am Markt bildet. 11 Während sich der CO₂-Preis im nationalen Emissionshandelssystem ab 2026 noch innerhalb eines relativ engen Preiskorridors von 55 € und 65 € pro Tonne bewegen wird, sind ab 2028 im EU-ETS II deutlich größere Schwankungen möglich. Vor allem ist unklar, ob die vorgesehenen Maßnahmen zur Marktstabilisierung ausreichen oder ob sich möglicherweise deutlich höhere Preise einstellen. 12 Verschiedene Analysen kommen zu dem Schluss, dass ein deutlich höherer CO₂-Preis erforderlich wäre, um die Klimaziele der EU ohne zusätzliche Maßnahmen zu erreichen. 13 Dabei wird häufig ein Zertifikatspreis im dreistelligen Bereich genannt. Des Weiteren könnte der angenommene CO₂-Preis zu niedrig sein, um die nationalen Klimaziele Deutschlands zu erreichen. In Modellsimulationen der Bundesbank wurde ein höherer CO₂-Preispfad als in der Prognose unterstellt. 14 Selbst unter Berücksichtigung dieses höheren Preises und unter Einbeziehung der auf historischen Erfahrungen basierenden exogenen Energieeffizienzsteigerungen werden die Emissionsreduktionsziele Deutschlands für 2030 in den Simulationen nicht erreicht. 15 Stiege der CO₂-Preis beispielsweise von 65 € auf 100 €, dürfte dies die HVPI-Rate um etwa 0,4 Prozentpunkte erhöhen. Auf der anderen Seite könnten die klimapolitischen Ziele herabgestuft werden, beispielsweise indem die EU-ETS II-Einführung nochmals verschoben wird oder sie mit zusätzlichen Mechanismen zur Dämpfung des CO₂-Preises verbunden wird. Im ersteren Fall würde in Deutschland die Inflationsrate 2028 höher ausfallen, da dann der höhere nationale CO₂-Preis fortbestünde. Im zweiteren Fall würde die Inflationsrate niedriger ausfallen.
3 Vertiefende Ausführungen zur Deutschland-Prognose
3.1 Annahmen zum internationalen Umfeld, Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen
Die Deutschland-Prognose basiert auf Annahmen über die Weltwirtschaft, die Wechselkurse, die Rohstoffpreise und die Zinssätze, die von Fachleuten des Eurosystems gemeinsam festgelegt wurden. Den Annahmen liegen Informationen zugrunde, die am 26. November 2025 verfügbar waren.
Die Weltwirtschaft zeigte sich bislang widerstandsfähiger gegenüber den US-Zöllen als in der Juni-Prognose erwartet, dennoch schwächt sich das Wachstum im kommenden Jahr ab. 20 Die Weltwirtschaft wuchs im Sommerhalbjahr insgesamt solide und etwas stärker als in der Prognose vom Juni unterstellt. Hierzu trugen insbesondere das robuste BIP-Wachstum der USA und Chinas bei. Die US-Regierung verständigte sich seit Abschluss der Juni-Prognose einerseits mit mehreren Handelspartnern auf gemäßigtere als die zunächst angedrohten Zölle, andererseits führte sie sektorspezifische Zölle ein oder erhöhte diese. 21 Der durchschnittliche US-Zollsatz liegt erheblich über dem Stand zu Jahresbeginn, und es wird damit gerechnet, dass die Handelshemmnisse die Weltwirtschaft weiterhin belasten. Nach einem Wachstum des globalen BIP um 3,5 % im laufenden Jahr wird für 2026 bis 2028 mit einer im längerfristigen Vergleich etwas niedrigeren Rate von jeweils 3,3 % gerechnet. Zudem wird davon ausgegangen, dass der laut Handelsvereinbarung zwischen den USA und der EU geltende Zollsatz von 15 % auf die meisten US-Wareneinfuhren aus der EU bestehen bleibt. 22
Das Wirtschaftswachstum in den anderen Ländern des Euroraums fällt etwas besser aus als in der Deutschland-Prognose vom Juni zugrunde gelegt. Die in der Prognose berücksichtigte wirtschaftliche Entwicklung in den anderen Ländern des Euroraums ergibt sich aus den Prognosen der nationalen Zentralbanken, die in die am 18. Dezember 2025 von der EZB veröffentlichte Prognose für den Euroraum eingegangen sind. 23 Insbesondere im laufenden Jahr liegt das Wirtschaftswachstum im Euroraum ohne Deutschland mit einer Rate von 1,9 % deutlich über der Juni-Prognose. Die Dynamik schwächt sich kommendes Jahr etwas ab, bleibt aber mit einer Zuwachsraten von 1,4 % im Jahr 2026 noch leicht über der letzten Prognose. Für 2027 und 2028 wird mit einem Wachstum von jeweils 1,4 % gerechnet. Dies entspricht für 2027 der Juni-Prognose
Die US-Handelspolitik lastet auf dem Welthandel und dämpft die Expansion der deutschen Absatzmärkte. Die protektionistische US-Handelspolitik und die damit zusammenhängende verbleibende Unsicherheit hinterließ deutliche Spuren im Außenhandel der USA. Nachdem die Ankündigung erster Zölle und die Erwartung weiterer Schritte die US-Importnachfrage zunächst stützten, brach diese im Frühjahr deutlich ein. Der restliche globale Warenhandel hielt sich bislang insgesamt gut. Die Einfuhren einiger Schwellenländer legten insbesondere im Frühjahr deutlich zu. Es wird erwartet, dass die US-Handelspolitik den Welthandel im laufenden Winterhalbjahr negativ beeinträchtigt, bevor dieser im Verlauf des kommenden Jahres wieder etwas anzieht. Nach einer Rate von 4,4 % im Durchschnitt des laufenden Jahres wird für 2026 daher mit einem deutlich schwächeren Zuwachs von 2,0 % gerechnet. In den Jahren 2027 und 2028 fällt die Dynamik mit Raten von jeweils 3,1 % wieder höher aus, bleibt aber hinter dem Wachstum der Weltwirtschaft zurück. Die Absatzmärkte deutscher Exporteure dürften in den kommenden drei Jahren weitgehend im Einklang mit dem Welthandel expandieren.
Die Annahmen zu Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen werden in folgender Tabelle und im folgenden Schaubild dargestellt.
Tabelle 1.5: Wichtige Annahmen der Prognose
Position
Dezember-Prognose
Revisionen gegenüber Juni-Prognose1)
2025
2026
2027
2028
2025
2026
2027
Wechselkurse für den Euro
US-Dollar je Euro
1,13
1,16
1,16
1,16
1,8
2,7
2,7
Effektiv2)
127,6
129,8
129,8
129,8
1,2
2,1
2,1
Zinssätze
EURIBOR-Dreimonatsgeld
2,2
2,0
2,1
2,3
0,1
0,1
– 0,1
Umlaufrendite öffentlicher Anleihen3)
2,6
2,8
3,0
3,2
– 0,1
– 0,1
– 0,1
Preise
Rohöl4)
69,2
62,5
62,6
64,0
3,7
– 0,5
– 2,5
Erdgas5)
36,5
29,6
27,5
25,0
– 3,9
– 10,8
– 6,1
Strom6) 7)
83,9
75,0
73,7
71,4
1,9
– 3,2
2,6
Sonstige Rohstoffe7) 8)
5,7
0,1
0,5
– 0,3
– 1,1
0,5
– 0,1
Absatzmärkte der deutschen Exporteure8) 9)
3,3
2,1
3,0
3,0
0,8
– 0,1
0,0
1 Revisionen für Wechselkurse, Rohöl-, Erdgas- und Strompreise in Prozent; für Zinssätze, Sonstige Rohstoffpreise und die Absatzmärkte deutscher Exporteure in Prozentpunkten. 2 Gegenüber 41 Währungen wichtiger Handelspartner des Euroraums (EWK-41-Gruppe), 1. Vierteljahr 1999 = 100. 3 Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von über neun bis zehn Jahren. 4 US-Dollar je Fass der Sorte Brent. 5 Euro je Megawattstunde. 6 Großhandelspreise im Euroraum basierend auf Daten der Europäischen Zentralbank 7 In US-Dollar. 8 Veränderung gegenüber Vorjahr in %. 9 Kalenderbereinigt.
Die Prognose bezieht finanzpolitische Maßnahmen ein, sobald sie hinreichend spezifiziert sind und ihre Umsetzung als wahrscheinlich angesehen wird.
Die Verteidigungsausgaben steigen im Prognosezeitraum deutlich. Sie nehmen in Relation zum BIP bis 2028 gegenüber 2024 um 1¼ Prozentpunkte zu.Die NATO-Quote dürfte 2028 damit etwa 3¼ % erreichen. Ab 2026 nehmen insbesondere die Ausgaben für militärische Waffensysteme, Munition sowie für das Personal der Bundeswehr kräftig zu. Zudem wird unterstellt, dass die Transfers an die Ukraine über den gesamten Prognosezeitraum bei rund ¼ % des BIP pro Jahr verbleiben.
Die nicht-militärischen Staatsinvestitionen nehmen bis 2028 spürbar zu. Ihr Anteil am BIP liegt dann um gut ½ Prozentpunkt über dem Niveau von 2024. Ab 2026 steigen vor allem die Bauinvestitionen im Bereich der Schienen- und Straßeninfrastruktur sowie in Bildungseinrichtungen deutlich. Zudem nehmen Investitionen in die Digitalisierung zu. Angeschoben werden diese Investitionen durch Mittel aus dem SVIK. Dabei steigen in dieser Prognose die zusätzlichen nicht-militärischen Staatsinvestitionen (gegenüber 2024) deutlich weniger als die Kreditaufnahmen des SVIK. Zum einen plant der Bund nur recht geringe eigene nicht-militärische Zusatzinvestitionen. Spielraum für anderweitige Ausgaben gewinnt er, indem er Haushaltstitel aus dem Kernhaushalt in das SVIK auslagert. Zum anderen dürften die schuldenfinanzierten Zuschüsse des SVIK an die Länder und den Klimafonds nur sehr begrenzt zusätzliche Investitionen finanzieren. Die Länder haben eine solche Aufstockung nicht zugesagt. Beim Klimafonds fließen die Mittel zum großen Teil für die Subvention der Übertragungsnetzentgelte ab. 24
Die Prognose berücksichtigt als weitere finanzpolitische Maßnahmen verschiedene Steuersenkungen und zusätzliche Transfers. Ihr Volumen beläuft sich 2026 auf ¼ % des BIP und 2027 sowie 2028 auf ¾ % des BIP. Ein Schwerpunkt der Maßnahmen liegt auf der Entlastung von Unternehmen und privaten Haushalten bei Energiepreisen: Insbesondere subventioniert der Staat ab 2026 allgemein Übertragungsnetzentgelte und ab 2027 Stromkosten energieintensiver Industrien nachlaufend für das Vorjahr (Industriestrompreis). Zudem verlängerte der Bund die Absenkung der Stromsteuer für das Produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft über 2025 hinaus. Hinzu kommen bei den gewinnabhängigen Steuern temporär beschleunigte Abschreibungen und eine Satzsenkung bei der Körperschaftsteuer im Jahr 2028. Von größerem Gewicht ist zudem die Absenkung der Umsatzsteuer auf Speisen in der Gastronomie auf den ermäßigten Satz. Weitere steuerliche Maßnahmen wie die höhere Entfernungspauschale führen ebenfalls zu Mindereinnahmen. Mehrausgaben entstehen ab 2027 durch die erweiterte Mütterrente. 25
Der Gesamtbeitragssatz der Sozialversicherungen steigt bis 2028 um 3½ Prozentpunkte auf 44½ %. Dies ist nötig, weil die beitragspflichtigen Arbeitsentgelte deutlich langsamer zunehmen als die Ausgaben der Sozialversicherungen. Grund für die hohe Ausgabendynamik sind demografische Entwicklungen und Leistungsausweitungen. Der Gesamtbeitragssatz wächst bereits 2025 um fast 1½ Prozentpunkte auf 42,4 % – maßgeblich durch höhere Beitragssätze in der Krankenversicherung. Im Jahr 2028 erhöht sich dann der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung sprunghaft um 1,1 Prozentpunkte auf 19,7 %. Bis 2027 kann die Rentenversicherung ihre wachsenden Defizite noch aus der freien Rücklage finanzieren. Im Jahr 2028 würde die Rücklage ihre Mindestvorgabe weit unterschreiten, sodass der Beitragssatz gemäß der aktuellen Rechtslage stark steigen muss. 26 Zudem erhöhen sich die Beitragssätze der Krankenversicherung vor allem ab 2027 weiter, und der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung nimmt 2028 merklich zu. 27
Weitere Maßnahmen beeinflussen den Staatshaushalt per saldo nur geringfügig, da sich Belastungen und Entlastungen weitgehend ausgleichen. So stehen den Mehreinnahmen aus dem progressiven Einkommensteuertarif Mindereinnahmen infolge von Rechtsänderungen gegenüber: Hierzu zählen die beschlossene Kompensation der kalten Progression im Jahr 2026 sowie ab 2027 die unterstellte Anpassung der einkommensteuerlichen Freibeträge an die Inflation des Vorjahres. Im Jahr 2026 laufen die Einnahmen aus dem EU-Programm „Next Generation EU“ (NGEU) aus; anschließend finanziert der Staat die Ausgaben annahmegemäß aus eigenen Mitteln fort. Die Einnahmen aus CO₂-Zertifikaten steigen schrittweise. 28
Die Defizitquote sinkt 2025 auf 2,5 % (2024: 2,7 %). Zwar wächst die Ausgabenquote deutlich, die Einnahmenquote aber noch stärker:Erstens sind die Beitragssätze der Kranken- und Pflegeversicherung kräftig gestiegen. Zweitens sind mit den Inflationsausgleichsprämien abgabenfreie Entgeltbestandteile ausgelaufen. Drittens wirken mehrere Sondereffekte bei den Steuern positiv, insbesondere stark wachsende Einnahmen aus der Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge sowie aus der Erbschaftsteuer. Auf der Ausgabenseite steigen vor allem die Aufwendungen für Renten, Gesundheit und Pflege stark. Zudem steigen die Arbeitnehmerentgelte kräftig.
Der gelockerte Fiskalkurs lässt die Defizitquote im kommenden Jahr zunächst deutlich auf 3,9 % steigen. Danach nimmt sie weiter auf 4,6 % zu und erreicht im Jahr 2028 dann 4,8 %. Ausschlaggebend ist eine starke Ausgabendynamik. Die direkte Staatsnachfrage steigt deutlich: Dies betrifft die Verteidigungsausgaben, die nicht-militärischen Investitionen sowie die Ausgaben der Kranken- und Pflegeversicherung, die überwiegend als soziale Sachleistungen erfasst werden. Die monetären Transfers nehmen ebenfalls zu, vor allem infolge höherer Rentenausgaben. Zudem wachsen die Zinsausgaben, insbesondere da die Durchschnittszinsen auf die staatliche Verschuldung steigen. Die Einnahmenquote steigt im Vergleich zur Ausgabenquote deutlich weniger stark. Dämpfend wirkt dabei die Steuerquote, insbesondere infolge von Steuersenkungen. Andererseits steigen die Sozialbeitragssätze angesichts des demografischen Drucks und von Leistungsausweitungen deutlich, vor allem 2028 (vgl. zu den Steuersenkungen sowie Sozialbeitragssätzen den Abschnitt „Finanzpolitische Annahmen“).
Die strukturelle Defizitquote steigt von knapp 2 % im Jahr 2024 auf 4¾ % im Jahr 2028. Temporäre Effekte und Konjunktureinflüsse sind dabei herausgerechnet. Ausschlaggebend sind wachsende Defizite des Bundes einschließlich seiner Extrahaushalte. Sie resultieren vor allem aus dem expansiven Fiskalkurs (vgl. Abschnitt „Finanzpolitische Annahmen“). Gemäß dieser Prognose überschreitet der Bund im Jahr 2028 seine Kreditgrenze aus der Schuldenbremse deutlich. Die Bundesregierung hat bislang noch keine Maßnahmen angekündigt, die den ausgewiesenen hohen Handlungsbedarf decken könnten. Länder und Gemeinden zusammen führen ihre Defizite hingegen zurück. Hierzu trägt bei, dass sie die Ländermittel des Sondervermögens SVIK annahmegemäß vor allem zur Umfinanzierung von Investitionen einsetzen. Die Länder hatten ausdrücklich abgelehnt, diese Mittel an zusätzliche Investitionen zu binden. Außerdem übernimmt der Bund Teile der Einnahmenausfälle aus den beschlossenen Steuersenkungen. Zudem dürften die Gemeinden angesichts ihrer derzeit hohen Defizite einen sparsamen Haushaltskurs fahren. 29
Die hohen Defizite der Gebietskörperschaften führen dazu, dass die Maastricht-Schuldenquote von 62,2 % Ende 2024 auf 68,1 % Ende 2028 steigt. Bei den Sozialversicherungen treten vorübergehend Defizite auf. Diese werden in der Regel aus Rücklagen gedeckt, die nicht in Staatsschuldtiteln angelegt sind. Dann erhöhen sie den Maastricht-Schuldenstand nicht. In den Jahren 2025 und 2026 gewährt der Bund jedoch ausnahmsweise überjährige Darlehen. Er nimmt dafür Kredite auf, die den Maastricht-Schuldenstand vorübergehend um ¼ Prozentpunkt erhöhen. In der deutschen Maastricht-Schuldenquote ist allerdings nicht der Anteil der EU-Schulden enthalten, für den Deutschland letztlich aufkommen muss (insbesondere für NGEU). Er liegt Ende 2028 bei etwa 2½ % des BIP. 30
Die Wirtschaftsleistung dürfte im Winterhalbjahr 2025/26 verhalten wachsen. 31 Insbesondere die exportorientierte deutsche Industrie steht weiterhin unter Druck. Belastet durch die US-Zölle und eine verschlechterte Wettbewerbsposition, bleibt die Exportaktivität zunächst noch rückläufig, aber immerhin wohl nur noch leicht. Vor dem Hintergrund noch immer stark unterausgelasteter Kapazitäten ist zudem mit einem Rückgang der Unternehmensinvestitionen zu rechnen. Damit im Einklang verschlechterte sich im vierten Quartal die Geschäftslage im Verarbeitenden Gewerbe laut ifo Institut im Vergleich zum Vorquartal. Die Befragungsergebnisse unter Einkaufsmanagern von S&P Global deuten aber auf eine recht robuste Produktion hin. Und die seit dem letzten Jahr zu beobachtende, leichte Aufwärtstendenz der Auftragseingänge in der Industrie erscheint trotz eines spürbaren Dämpfers im dritten Quartal nicht grundsätzlich gebrochen. 32 Die Industrieproduktion dürfte sich daher fangen. Auch in der Bauwirtschaft ist kurzfristig in etwa mit einer Seitwärtsbewegung zu rechnen. Die ifo Geschäftslage erholte sich dort zwar von dem Rückschlag im Sommer, eine durchgreifende Belebung ist aber noch nicht erkennbar. Positive Impulse kommen hingegen wohl erneut aus dem Dienstleistungssektor. Der Einkaufsmanagerindex von S&P Global lag bis zuletzt weiterhin deutlich über der Expansionsschwelle. Vom privaten Konsum dürften dabei aber wohl nur moderate Impulse kommen. Die reale Staatsnachfrage sollte auch im Winterhalbjahr positiv zum BIP-Anstieg beitragen.
Es gibt zwar erste Hinweise auf zunehmende Staatsaufträge, eine zeitnahe und merkliche Belebung der Konjunktur durch höhere Staatsausgaben ist aber in den Frühindikatoren insgesamt noch nicht angelegt. So blieben etwa im Bauhauptgewerbe die Ordereingänge von öffentlichen Auftraggebern bis vor kurzem sehr schwunglos. Erst im September gab es einen kräftigen Anstieg. 33 Auch der inländische Auftragseingang in der Industrie zeigte sich bis September noch sehr verhalten. Erst mit den nach Prognoseabschluss veröffentlichten Daten zeigte er im Oktober einen sprunghaften Anstieg, maßgeblich getrieben durch einen Großauftrag im Bereich des sonstigen Fahrzeugbaus, der die Produktion von Flugzeugen, Schiffen und Militärfahrzeugen umfasst. 34 Dieser jüngste Auftragsschub in Industrie und Bau dürfte sich erst mit gewisser Verzögerung in der Produktion niederschlagen und stützt daher die Erwartung einer Konjunkturverstärkung im weiteren Jahresverlauf 2026. Im vierten Quartal 2025 und im ersten Quartal 2026 stehen einer solchen Belebung aber die noch immer überwiegend pessimistischen gesamtwirtschaftlichen ifo Geschäftserwartungen der Unternehmen entgegen. Sie erholen sich zwar tendenziell bereits seit Jahresbeginn, gingen zuletzt aber wieder etwas zurück.
3.5 Zu den Prognosen der Verwendungskomponenten des BIP
Die Exporte leiden noch unter dem neuen Handelsumfeld und tragen erst ab dem zweiten Quartal 2026 wieder zur BIP-Expansion bei. Die Exporte dürften auch im Winterhalbjahr noch zurückgehen, wenngleich nur noch leicht. Sie werden weiterhin durch die von der US-Regierung eingeführten Importzölle gebremst. 35 Zudem hat der Euro in den vergangenen Monaten weiter aufgewertet. Dies belastet die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Exporteure zusätzlich zu den überwiegend strukturellen Faktoren, wie etwa die zunehmende Konkurrenz durch China oder die Verschlechterung heimischer Standortbedingungen, die ihnen in den vergangenen Jahren starke Anteilsverluste auf den globalen Märkten beschert haben. 36 Diese ungünstigen Rahmenbedingungen spiegeln sich auch derzeit in einer schwachen Auslandsnachfrage nach deutschen Exportgütern wider. So gingen über den Sommer hinweg die Auftragseingänge der Industrie aus dem Ausland zurück. Dementsprechend blicken die meisten der vom ifo Institut befragten Exporteure derzeit pessimistisch in die Zukunft. Erst ab dem zweiten Quartal 2026 dürften die Exporte wieder ansteigen. Dann sollten der Gegenwind durch die Euro-Aufwertung nachlassen und die Unternehmen sich besser an das neue Handelsumfeld angepasst haben. Die Exporte profitieren dann von dem anziehenden Welthandel und einer wieder deutlich dynamischer expandierenden Auslandsnachfrage (vgl. Abschnitt „Annahmen zum internationalen Umfeld, Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen“). Allerdings nehmen sie nur verhalten Fahrt auf, denn die strukturellen Wachstumshemmnisse der deutschen Exportwirtschaft bleiben bestehen. Manche verschärfen sich sogar noch weiter. Insbesondere die im Prognosezeitraum stark steigenden Lohnnebenkosten belasten die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Produzenten deutlich. Staatliche Subventionen, wie etwa der temporäre Industriestrompreis, schaffen hier keine durchgreifende Verbesserung. Vor diesem Hintergrund bleibt das Exportwachstum auch im weiteren Prognosezeitraum hinter der Dynamik der Absatzmärkte zurück.
Die Unternehmensinvestitionen werden durch ein schwieriges Investitionsumfeld gebremst und kommen nur langsam und in begrenztem Umfang in Fahrt. Die Rahmenbedingungen für die gewerbliche Investitionstätigkeit sind zurzeit ungünstig: Die Kapazitäten im Verarbeitenden Gewerbe sind deutlich unterausgelastet, und die privatwirtschaftliche inländische Nachfrage nach Investitionsgütern entsprechend schwach. Auch dürften vergangene Unsicherheitsschocks, wenn auch in geringem Maße, noch nachwirken. 37 Folglich schätzen die vom ifo Institut befragten Investitionsgüterproduzenten ihre aktuelle Geschäftslage mehrheitlich schlecht ein. Vor diesem Hintergrund dürften die Unternehmensinvestitionen im laufenden Winterhalbjahr noch etwas weiter fallen. Die Geschäftserwartungen der Investitionsgüterproduzenten legen jedoch nahe, dass die Investitionszurückhaltung im kommenden Jahr allmählich ausläuft. Zwar sind sie noch immer überwiegend pessimistisch, sie stiegen zuletzt und befinden sich derzeit auf dem höchsten Stand seit gut drei Jahren. Hier könnten sich teils die Ausgabenprogramme der Bundesregierung bemerkbar machen. Zudem dürfte der Auslastungsgrad im Verarbeitenden Gewerbe im Zuge einer sich allmählich belebten Exporttätigkeit im kommenden Jahr weiter steigen und die Investitionsneigung stützen. Zusätzlich dürften Unsicherheitseffekte nach und nach vollends abklingen. Die Unternehmensinvestitionen schwenken daher zur Mitte 2026 wieder auf einen Expansionspfad ein. Spürbare Wachstumsimpulse liefern sie aber erst im Jahr 2027. Das Expansionstempo bleibt zudem insgesamt verhalten und verliert zum Ende des Prognosezeitraums auch schon wieder an Fahrt. Denn dann dürften die Zinsen für Unternehmenskredite im Einklang mit dem erwarteten Anstieg der Geld- und Kapitalmarktzinsen etwas steigen. Außerdem bleibt das Wettbewerbsumfeld für die deutsche Industrie schwierig. Die Entlastung bei den Gewinnsteuern (verbesserte Abschreibungsbedingung und geringerer Körperschaftssteuersatz) sowie energiekostensenkende Maßnahmen dürften die Investitionsbedingungen zwar verbessern. Dem stehen aber zunehmende Belastungen aus der Demografie entgegen – nicht zuletzt in Form von vergleichsweise hohem Lohndruck und stark steigender Lohnnebenkosten.
Der private Konsum trägt über den gesamten Prognosezeitraum robust zum Wirtschaftswachstum bei, verliert 2028 aber etwas an Schwung. Nach den revidierten Angaben der VGR befand sich der private Konsum im ersten Quartal auf einem deutlich höheren Niveau als es der Deutschland-Prognose vom Juni zugrunde lag. Davon ausgehend zeigte er sich im vergangenen Sommerhalbjahr dann schwungloser als erwartet. Vor allem im dritten Quartal ging der Konsum trotz überraschend kräftiger Lohnzuwächse deutlich zurück, und die zuvor recht niedrige Sparquote stieg spürbar an. Im laufenden Winterhalbjahr dürfte es zu einer gewissen Gegenbewegung kommen, und der private Konsum sollte wieder etwas zulegen. Einige Indikatoren sind zwar weiterhin schwach, etwa die rückläufigen realen Umsätze und die pessimistischere Stimmung im Einzelhandel. Aber es gibt auch Lichtblicke. So stiegen zum einen die Kraftfahrzeugzulassungen privater Halter zuletzt deutlich, zum anderen ist das GfK-Konsumklima zwar weiter negativ, aber in der Tendenz aufwärtsgerichtet. Die Sparquote liegt derzeit nur wenig über dem Vorpandemieniveau und dürfte sich diesem allmählich wieder annähern. Davon abgesehen wird im weiteren Prognosezeitraum davon ausgegangen, dass sich der private Konsum im Einklang mit den realen verfügbaren Einkommen erhöht. Diese steigen in der Grundtendenz deutlich an, da die Löhne stärker wachsen als die Verbraucherpreise. Hinzu kommt, dass die konjunkturelle Erholung den Arbeitsmarkt belebt. Im Jahr 2028 verliert der private Konsum aber etwas an Schwung, denn höhere Sozialbeitragssätze dämpfen die verfügbaren Einkommen und bremsen zusätzlich den Zuwachs der Nettolöhne.
Die Wohnungsbauinvestitionen erholen sich im Prognosezeitraum nur verhalten und später als bislang erwartet. Die noch im Juni erwartete Erholung im privaten Wohnungsbau blieb im Sommerhalbjahr aus. Stattdessen gingen die Wohnungsbauinvestitionen weiter zurück. Die zuvor tendenziell steigenden Auftragseingänge und Baugenehmigungen blieben über den Sommer hinweg schwach. Im September erhöhten sie sich aber wieder merklich, und auch eine steigende Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten im dritten Quartal deutet weiterhin auf eine allmähliche Belebung hin. Die ifo Geschäftserwartungen im Wohnungsbau verbessern sich bereits seit drei Quartalen. Trotz dieser Aufhellung meldeten laut ifo zuletzt allerdings noch immer die Hälfte der Wohnungsbauunternehmen einen Auftragsmangel. Dabei könnte eine Rolle spielen, dass die Finanzierungskosten zuletzt stiegen. Insgesamt erscheint die Nachfrage noch zu schwach, um kurzfristig eine nennenswert steigende Aktivität im Wohnungsbau auszulösen. Vor diesem Hintergrund dürfte die Schwächephase im vierten Quartal noch anhalten. In der Grundtendenz ist aber weiterhin eine Erholung angelegt, und ab 2026 sollten sich die positiven Nachfragesignale zunehmend in steigenden Wohnungsbauinvestitionen zeigen. Unterstützt wird die Erholung im Prognosezeitraum durch steigende Realeinkommen und einen robusten Arbeitsmarkt. Der weiterhin hohe Bedarf an Wohnraum und Modernisierungen dürfte die Expansion stützen. Auch die von der Bundesregierung im Rahmen des „Bau-Turbos“ getroffenen Maßnahmen zur Vereinfachung von Genehmigungen und Beschleunigung der Verfahren sollten sich förderlich auswirken. Im Jahr 2028 verlangsamt sich der Anstieg der Wohnungsbauinvestitionen jedoch. Dies liegt zum einen an annahmegemäß steigenden langfristigen Zinsen für Wohnbaukredite und zum anderen an einer etwas schwächeren Einkommensentwicklung der privaten Haushalte.
Die reale Staatsnachfrage wächst bis 2028 kräftig. Denn die Ausgaben für Verteidigung, nicht-militärische Investitionen sowie soziale Sachleistungen nehmen deutlich zu. Im Jahr 2025 steigt der Staatskonsum vor allem wegen weiter zunehmender Sachleistungen für Gesundheit und Pflege sowie stark gestiegener Arbeitnehmerentgelte. Gebremst wird diese Entwicklung durch die staatlichen Bauinvestitionen, die gemäß der bisherigen unterjährigen Entwicklung nur mäßig zunehmen. Ab 2026 steigen die Ausgaben für Verteidigung und nicht-militärische Investitionen insgesamt deutlich an. Die höheren Verteidigungsausgaben führen vor allem zu steigenden Ausrüstungsinvestitionen in militärische Waffensysteme sowie zu mehr Staatskonsum infolge höherer Personalausgaben. Die nicht-militärischen Investitionen nehmen deutlich weniger zu; sie entfallen vor allem auf Infrastruktur- und Digitalisierungsprojekte, die sich in Ausrüstungs- und Bauinvestitionen sowie in sonstigen Anlagen niederschlagen (vgl. Abschnitt „Finanzpolitische Annahmen“). Zudem nehmen die Sachleistungen für Gesundheit und Pflege durch die demografische Entwicklung und Leistungsausweitungen weiter zu.
Die realen Importe steigen im Prognosezeitraum deutlich an und tragen zu einem spürbaren Rückgang des Leistungsbilanzüberschusses bei. Die realen Importe stiegen in der ersten Jahreshälfte ungewöhnlich kräftig an. Neben der Euro-Aufwertung und einer verstärkten Lagerhaltung spielten dafür möglicherweise auch Vorzieheffekte infolge befürchteter Gegenmaßnahmen zu den US-Zöllen eine Rolle. Im dritten Quartal verloren die Importe stark an Schwung. Im laufenden Winterhalbjahr dürften sie verhalten zulegen. Ab dem zweiten Quartal 2026 verstärkt sich ihre Dynamik jedoch wieder deutlich. Das liegt zum einen an der sich festigenden Nachfrage der privaten Haushalte und der Unternehmen. Zum zweiten wird die staatliche Nachfrage kräftig erhöht. Insbesondere die steigenden staatlichen Ausrüstungsinvestitionen gehen mit vermehrten Importen einher. Gleichzeitig expandieren die Exporte vergleichsweise verhalten. Da sich die Terms of Trade zugleich nur leicht verbessern, geht der Handelsbilanzsaldo (anteilig am nominalen BIP) 2025 und 2026 deutlich zurück und sinkt danach noch etwas weiter. Auch der Überschuss der Leistungsbilanz verringert sich im Prognosezeitraum deutlich, von voraussichtlich 4,7 % im laufenden Jahr auf 3,2 % im Jahr 2028.
3.6 Zur kurzfristigen Prognose für den Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarkt ist derzeit gekennzeichnet durch Arbeitsplatzabbau und gleichzeitige Fachkräfteknappheit, hervorgerufen durch den kräftigen Strukturwandel in Verbindung mit der ungünstigen Demografie. Der in der Deutschland-Prognose vom Juni für das Sommerhalbjahr erwartete Beschäftigungsrückgang fiel milder aus als erwartet. 38 Trotz des nennenswerten Stellenabbaus vor allem im Verarbeitenden Gewerbe, aber auch im Handel, zögern viele Unternehmen damit, die Personaldecke vollständig an die angespannte wirtschaftliche Lage anzupassen. Dies führt zu geringer Arbeitsproduktivität und gedämpften Arbeitszeiten. Das trifft zum Beispiel auch auf das Baugewerbe mit seinen vielen Engpassberufen zu, wo sich in Erwartung der Projekte zur Infrastrukturerneuerung der Personalbestand bereits im Laufe des Jahres stabilisierte. Insofern bestehen große innerbetriebliche Reserven, die kurzfristig bei einsetzender wirtschaftlicher Erholung für eine Verbesserung der Arbeitsproduktivität und höhere Arbeitszeiten sorgen können. Der bisher relativ stabile Verlauf der Gesamtbeschäftigung ist im Wesentlichen dem hohen Arbeitskräftebedarf der öffentlichen Dienstleistungen und hier in erster Linie dem Bereich Gesundheit und Pflege zu verdanken. Im laufenden Winterhalbjahr dürfte die gesamte Erwerbstätigkeit noch geringfügig zurückgehen. Dafür sprechen die Frühindikatoren der Beschäftigung. Das Niveau neuer Stellenangebote ist ausgesprochen niedrig. Die Beschäftigungspläne der gewerblichen Wirtschaft für die nächsten drei Monate befinden sich gemäß ifo Beschäftigungsbarometer weiterhin tief im kontraktiven Bereich. Das breiter gefasste Beschäftigungsbarometer des IAB, welches auch die nicht-gewerblichen Dienstleistungen Gesundheit, Erziehung und öffentliche Verwaltung berücksichtigt, hält sich jedoch deutlich besser. Es kündigt für die kommenden Monate gesamtwirtschaftlich keinen starken Beschäftigungsrückgang an. Mit zurückgehendem Arbeitsangebot dürfte die Arbeitslosigkeit jedoch demnächst anfangen zu sinken. Darauf deutet auch das IAB-Barometer Arbeitslosigkeit hin, welches im vergangenen halben Jahr bis leicht oberhalb der neutralen Schwelle stieg.
3.7 Zur Prognose für die Tariflöhne im laufenden und im kommenden Jahr
Die Tarifverdienste steigen 2025 deutlich schwächer als in den beiden Vorjahren. Die Neuabschlüsse seit der Juni-Prognose fielen ähnlich hoch aus wie damals erwartet. Neben einer schwachen Konjunktur und im Vergleich zu den Vorjahren geringeren Preisanstiegen dämpfen die entfallenden Inflationsausgleichsprämien den jahresdurchschnittlichen Lohnanstieg. 39 Die Lohnforderungen und Durchsetzungsquoten der Gewerkschaften gingen seit der Hochphase der Inflation spürbar zurück. Im Durchschnitt des laufenden Jahres beträgt der erwartete Tariflohnanstieg 2,5 %. Da sich Konjunktur und Arbeitsmarkt nur nach und nach verbessern und die Inflation tendenziell weiter sinkt, sollten die neuen Abschlüsse im kommenden Jahr insgesamt noch moderat ausfallen, vor allem in der Industrie. Erst zeitverzögert werden wieder Tarifverträge mit höheren Lohnsteigerungen vereinbart. Im Jahr 2026 entfällt aber der bremsende Basiseffekt der Inflationsausgleichsprämien. Daher schlagen die dauerhaften Stufenanhebungen aus älteren Tarifverträgen erst dann deutlicher im Lohnanstieg auf, und die Rate steigt vorübergehend auf 3,0 % an.
Die Inflationsrate stieg im November, auch aufgrund eines Basiseffekts, deutlich. Die Teuerung auf der Verbraucherstufe, gemessen am HVPI, lag im November mit 2,6 % um 0,4 Prozentpunkte oberhalb der Deutschland-Prognose vom Juni. Ursächlich dafür waren vor allem unerwartet stark steigende Preise für Dienstleistungen und Industrieprodukte ohne Energie. Dazu trugen sowohl die volatilen Komponenten als auch unerwartet kräftig steigende Effektivverdienste bei. Die Energiepreise sanken dagegen im November aufgrund rückläufiger Gaspreise überraschend weiter. Der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln lag ebenfalls etwas unterhalb der Prognose, da die Preise für verarbeitete Lebensmittel, speziell Milchprodukte, sanken.
In den nächsten Monaten dürfte die HVPI-Rate auf etwas über 2 % sinken und anschließend um diesen Wert schwanken. Für Energie insgesamt werden im kommenden Jahr erneut niedrigere Preise erwartet. Der durch geringere Übertragungsnetzentgelte reduzierte Strompreis, die Abschaffung der Erdgasspeicherumlage und annahmegemäß sinkende Preise an den Energierohstoffmärkten überlagern den Anstieg des CO₂-Preises zu Jahresbeginn. 40 Die Dynamik der Dienstleistungspreise sollte im Vergleich zum Vorjahr etwas sinken, aber erhöht bleiben.Die Preise für staatliche Dienstleistungen dürften dabei vor allem zum Beginn des Jahres aufgrund der Preiserhöhung des Deutschlandtickets von 58 € auf 63 € steigen. Die ebenfalls für Januar 2026 geplante Absenkung der Umsatzsteuer auf Speisen in der Gastronomie dürfte hingegen nur in geringem Maße an die Verbraucher weitergereicht werden. 41 Und bei den Mieten ist im kommenden Jahr weiterhin eine im historischen Vergleich überdurchschnittliche Preissteigerung zu erwarten, da die Bestandsmieten nur langsam an die Kostenschübe der letzten Jahre angepasst werden. Insgesamt dürfte der Preisauftrieb bei Dienstleistungen jedoch im kommenden Jahr aufgrund von etwas nachlassendem Lohnkostendruck abnehmen. Die Preise für Industrieprodukte ohne Energie steigen im nächsten Jahr voraussichtlich erneut weniger stark als im historischen Durchschnitt. Hier führen die noch schwache Konjunktur, die Aufwertung des Euro und rückläufige Importpreise zu einem geringeren Preisdruck. 42 Der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln wird voraussichtlich ähnlich hoch ausfallen wie im laufenden Jahr. Denn die Löhne im Einzelhandel dürften zwar etwas stärker anziehen, aber die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise annahmegemäß rückläufig sein.
Ab Beginn des kommenden Jahres ist zu beachten, dass es auch deswegen zu Abweichungen der realisierten Inflationsraten von der Prognose kommen kann, weil die Klassifikation des HVPI in allen Ländern des Euroraums umgestellt wird. 43 Die Dezember-Prognose beruht auf der bisherigen HVPI-Klassifikation. Der Verlauf des HVPI insgesamt und der Energiepreise bleibt durch die Umstellung unberührt. Bei Nahrungsmitteln, Industriegütern ohne Energie und Dienstleistungen kann es jedoch möglicherweise zu Unterschieden in den historischen Indexverläufen kommen, die – wären sie bei Abschluss der Prognose bekannt gewesen – auch Auswirkungen auf die Prognose gehabt haben könnten. Darüber hinaus werden neue Produktgruppen berücksichtigt, unter anderem Glücksspiel, welche eventuell eine von der Gesamtrate abweichende Dynamik aufweisen und damit die Ergebnisse beeinflussen können.
Gegenüber der Juni-Prognose wird die Inflationsrate 2026 merklich aufwärtsrevidiert. Die Prognose für die Inflationsrate für 2026 wird mit 2,2 % gegenüber der Juni-Prognose deutlich nach oben revidiert. Zum einen sinken die Strompreise weniger stark als ursprünglich angenommen, da die im Koalitionsvertrag angekündigten Stromsteuerreduktionen für Privathaushalte – anders als in der Juni-Prognose angenommen – nicht umgesetzt werden und zudem die Netzentgelte weniger stark bezuschusst werden. Zum anderen dürfte auch die Kernrate ohne die volatilen Komponenten Energie und Nahrung mit 2,4 % deutlich höher ausfallen als ursprünglich erwartet. Dies liegt vor allem an der überraschend hohen Dynamik der Industriegüter- und Dienstleistungspreise der letzten Monate.
Tabelle 1.6: Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Prognose Veränderung gegenüber Vorjahr in %, kalenderberenigt1)
Position
20252)
2026
2027
2028
BIP (real)
0,2
0,6
1,3
1,1
desgleichen unbereinigt
0,1
0,9
1,4
0,9
Verwendung des realen BIP
Private Konsumausgaben
1,0
0,7
0,9
0,4
nachrichtlich: Sparquote
10,5
10,5
10,5
10,5
Konsumausgaben des Staates
2,3
2,2
1,7
2,3
Bruttoanlageinvestitionen
– 0,6
2,1
3,8
3,1
Unternehmensinvestitionen3)
– 0,6
– 0,3
1,7
1,6
Private Wohnungsbauinvestitionen
– 2,4
0,0
2,1
1,4
Bruttoanlageinvestitionen des Staates
3,3
14,4
12,8
9,7
Exporte
– 0,1
– 0,1
1,7
2,0
Importe
3,6
2,0
2,7
2,7
nachrichtlich: Leistungsbilanzsaldo4)
4,7
3,7
3,4
3,2
Beiträge zum BIP-Wachstum5)
Inländische Endnachfrage
0,9
1,2
1,6
1,4
Vorratsveränderungen
0,7
0,2
0,0
0,0
Exporte
0,0
0,0
0,7
0,8
Importe
– 1,4
– 0,8
– 1,0
– 1,0
Arbeitsmarkt
Arbeitsvolumen6)
– 0,1
0,2
0,6
0,3
Erwerbstätige6)
0,0
– 0,1
0,2
0,0
Arbeitslose7)
2,9
2,9
2,7
2,5
Arbeitslosenquote8)
6,3
6,2
5,7
5,4
nachrichtlich: Erwerbslosenquote9)
3,7
3,7
3,4
3,1
Löhne und Lohnkosten
Tarifverdienste10)
2,5
3,0
2,7
2,7
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer
4,7
4,0
3,1
3,0
Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer
5,1
4,0
3,1
3,6
Reales BIP je Erwerbstätigen
0,3
0,7
1,1
1,1
Lohnstückkosten11)
4,8
3,3
2,0
2,5
nachrichtlich: BIP-Deflator
2,8
2,6
2,4
2,3
Verbraucherpreise12)
2,3
2,2
2,1
1,9
ohne Energie
2,8
2,5
2,3
2,3
Energiekomponente
– 2,2
– 1,6
– 0,5
– 2,6
ohne Energie und Nahrungsmittel
2,8
2,4
2,1
2,2
Nahrungsmittelkomponente
2,7
2,9
3,0
2,7
Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Eurostat. 2025 bis 2028 eigene Prognosen. 1 Falls Kalendereinfluss vorhanden. 2 Rechenstand: 3. Dezember 20253 Private Anlageinvestitionen ohne Wohnungsbau. 4 In % des nominalen BIP. Rechenstand Leistungsbilanz bis September 2025: 26. November 2025.5 Rechnerisch, in Prozentpunkten. Abweichungen in der Summe rundungsbedingt. 6 Inlandskonzept. 7 In Millionen Personen (Definition der Bundesagentur für Arbeit). 8 In % der zivilen Erwerbspersonen. 9 International standardisiert gemäß ILO-Definition, Eurostat-Abgrenzung. 10 Ursprungswerte auf Monatsbasis; gemäß Tarifverdienstindex der Bundesbank. 11 Quotient aus dem im Inland entstandenen Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer und dem realen BIP je Erwerbstätigen. 12 Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI), Ursprungswerte.
Tabelle 1.7: Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Prognose – ohne Kalenderbereinigung Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Position
20251)
2026
2027
2028
BIP (real)
0,1
0,9
1,4
0,9
desgleichen kalenderbereinigt
0,2
0,6
1,3
1,1
Verwendung des realen BIP
Private Konsumausgaben
0,9
0,8
1,1
0,3
nachrichtlich: Sparquote
10,5
10,5
10,5
10,5
Konsumausgaben des Staates
2,3
2,2
1,7
2,3
Bruttoanlageinvestitionen
– 0,7
2,8
4,0
2,6
Unternehmensinvestitionen2)
– 0,7
0,2
2,5
0,7
Private Wohnungsbauinvestitionen
– 2,6
0,6
2,5
0,8
Bruttoanlageinvestitionen des Staates
3,2
15,6
12,3
9,7
Exporte
– 0,2
0,5
2,0
1,4
Importe
3,5
2,5
2,9
2,3
nachrichtlich: Leistungsbilanzsaldo3)
4,7
3,7
3,5
3,2
Beiträge zum BIP-Wachstum4)
Inländische Endnachfrage
0,8
1,5
1,8
1,2
Vorratsveränderungen
0,7
0,1
– 0,1
0,0
Exporte
– 0,1
0,2
0,8
0,6
Importe
– 1,3
– 0,9
– 1,1
– 0,9
Arbeitsmarkt
Arbeitsvolumen5)
– 0,2
0,6
0,7
– 0,1
Erwerbstätige5)
0,0
– 0,1
0,2
0,0
Arbeitslose6)
2,9
2,9
2,7
2,5
Arbeitslosenquote7)
6,3
6,2
5,7
5,4
nachrichtlich: Erwerbslosenquote8)
3,7
3,7
3,4
3,1
Löhne und Lohnkosten
Tarifverdienste9)
2,5
3,0
2,7
2,7
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer
4,7
4,0
3,1
3,0
Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer
5,1
3,9
3,1
3,6
Reales BIP je Erwerbstätigen
0,2
0,9
1,2
0,9
Lohnstückkosten10)
4,9
3,0
1,8
2,7
nachrichtlich: BIP-Deflator
2,8
2,6
2,4
2,3
Verbraucherpreise11)
2,3
2,2
2,1
1,9
ohne Energie
2,8
2,5
2,3
2,3
Energiekomponente
– 2,2
– 1,6
– 0,5
– 2,6
ohne Energie und Nahrungsmittel
2,8
2,4
2,1
2,2
Nahrungsmittelkomponente
2,7
2,9
3,0
2,7
Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Eurostat. 2025 bis 2028 eigene Prognosen. 1 Rechenstand: 3. Dezember 20252 Private Anlageinvestitionen ohne Wohnungsbau. 3 In % des nominalen BIP.4 Rechnerisch, in Prozentpunkten. Abweichungen in der Summe rundungsbedingt. 5 Inlandskonzept. 6 In Millionen Personen (Definition der Bundesagentur für Arbeit). 7 In % der zivilen Erwerbspersonen. 8 International standardisiert gemäß ILO-Definition, Eurostat-Abgrenzung. 9 Ursprungswerte auf Monatsbasis; gemäß Tarifverdienstindex der Bundesbank. 10 Quotient aus dem im Inland entstandenen Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer und dem realen BIP je Erwerbstätigen. 11 Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI), Ursprungswerte.
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2025), Perspektiven für morgen schaffen – Chancen nicht verspielen, Jahresgutachten 2025‑2026, Kasten 5: Hintergrund: Datierung des Hochpunkts vor Verschärfung der Energiekrise in Deutschland; S. 49f.
Suresh, N., R. Ghaw, R. Obeng-Osei und T. Wickstead (2024), Public investment and potential output, Discussion paper, No. 5, Office for Budget Responsibility.